Wolfgang G. Schwanitz

Wolfgang G. Schwanitz
Wolfgang G. Schwanitz, 2008

Wolfgang G. Schwanitz (* 1955 in Magdeburg) ist ein deutscher Arabist, Wirtschaftswissenschaftler und Nahosthistoriker, der in Deutschland und in den Vereinigten Staaten forscht und lehrt. Bekannt wurde er durch Publikationen über internationale Beziehungen zwischen Arabern, Juden und Deutschen, Deutschland bzw. Europa, Amerika und Nahost, sowie über den Islam.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wolfgang G. Schwanitz wuchs zunächst in Kairo als Sohn deutscher Diplomaten aus der DDR auf. In Berlin besuchte er die Erweiterte Oberschule „Max Planck“.[1] Von 1977 bis 1982 studierte er Arabistik und Ökonomie an der Universität Leipzig. Dort promovierte er 1985 zu Ägyptens wirtschaftlicher Infitâh-Politik der offenen Tür. Dann leitete er die Forschungsgruppe Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens an der Akademie der Wissenschaften der DDR bis 1990.

Nach der deutschen Einheit arbeitete Schwanitz bis 1995 am Forschungsschwerpunkt Moderner Orient, den die Max-Planck-Gesellschaft als eines der Nachfolgeinstitute der Akademie der Wissenschaften in Berlin gegründet hat, heute das Zentrum Moderner Orient. Er lehrte zum Nahostkonflikt und zu deutschen und amerikanischen Nahostbeziehungen an der Humboldt-Universität, der Freien Universität und der Universität Potsdam (1988–2000) sowie Arabisch und Weltgeschichte am Burlington County College[2] und an der Rider University[3] (2004–2008). Schwanitz war freier Mitarbeiter des Deutschen Orient-Instituts (1998–2006, heute GIGA Institut für Nahost-Studien) und ist seit 2007 Visiting Professor am Gloria Center[4] in Herzliya.

1991 war Schwanitz IREX-Scholar[5] des International Research and Exchanges Board[5] in Princeton, New Jersey, Washington DC und New York. Danach forschte er in Ägypten und Israel als Invited Scholar am CEDEJ[6] in Kairo (1992–1993), als Visiting Fellow an der Princeton University (1995–1997), und am German-American Center des Deutschen Historischen Instituts Washington (1998).[7]

Am Near Eastern Studies Department der Princeton University beendete er zwei Bände über Deutsche in Nahost nach 1945 und edierte August Bebels Buch über die Muhammedanisch-Arabische Kulturperiode (1884/1889). In seiner Geschichte der Deutschen Orientbank[8] zeigte Schwanitz mit deutschen, nahöstlichen und amerikanischen Quellen, wie die Nazis vor allem von Juden in Europa geraubtes Gold in der Türkei verkauft und daraus erzielte Mittel für Subversion in Nah- und Mittelost benutzt haben.[9]

Zur Wendezeit publizierte er über die fehlende Kritik, ost- und westdeutsche Nahostpolitik und Israel- Sicht, deutsche Einheit und Orientalistik, arabische Perestroika, die Golfkriegsdebatte, die Terrorfrage am Nil und marxistische Schwächen.[10] 1993 bildete er die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient mit. Er gründete und leitete Berliner Orient-Gespräche (1987–1995). Dort stand er auch der Deutsch-Ägyptischen Gesellschaft vor (1990–1995). In Amerika erforscht Schwanitz seit 2000 die amerikanische sowie die deutsche Nahost- und Islampolitik in der regionalhistorischen Komparatistik Amerika-Nahost-Europa.[11]

Leistungen

Er hielt vier nationale und zwei internationale Kolloquien ab über:

  • nahostbezogene Archive (Gotha 1989)
  • deutsche Nahostforschungen sowie Araber, Juden und Deutsche (Berlin 1990, 1993)
  • 125. Jahre Sueskanal (Lauchhammer 1995)
  • Deutschland und Ägypten (Kairo 1996)
  • das Dritte Reich und Nahost (Washington 2001).

Auf 20 internationalen und 25 nationalen Tagungen referierte er, darunter der 17. Welthistorikerkongress in Madrid 1990 und Kolloquien in Paris (1994, 2004) Kairo 1996, Washington DC (1998, 2001), München 2006, Princeton (1996, 1998, 2008) und Nancy 2009.

Die Resultate legte er als Autor von vier Bänden, 70 Buchkapiteln und Herausgeber von zehn Büchern zur Nah- und Mittelost-Geschichte vor, die internationale Beziehungen seit 1798 beschreibt, als mit Napoleons Ägyptenfeldzug die Moderne für den Nahen Osten begann. Schwanitz trägt zu Lexika bei wie dem historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus und dem Handbuch des Antisemitismus. Zudem gestaltete er die Fernsehproduktionen mit über Saddam Hussein (History Channel 2005), Kaiser Wilhelms heiligen Krieg (ARD 2005), Nationalsozialisten und Islamismus (Bayerischer Rundfunk 2006) und über den Großmufti von Palästina Mohammed Amin al-Husseini (NDR, WDR, SWR, Arte 2009, 2010).[12]

Werke

Bücher

Titelbild des Buches Germany and the Middle East, 1871–1945. Darauf wird Kaiser Wilhelm II. abgebildet, der während seiner Palästinareise im Herbst 1898 aus seinem Jerusalemer Zeltlager ausreitet.
Gold, Bankiers und Diplomaten: Zur Geschichte der Deutschen Orientbank 1906–1946 aus der Buchserie Regionalhistorische Komparatistik Amerika-Nahost-Europa von W. G. Schwanitz. Die auf dem Umschlag befindliche Abbildung einer öffentlichen Postkarte mit dem Bild der Sankt-Hedwigs-Kathedrale und (rechts davon) der Berliner Zentrale der Dresdner Bank und der Deutschen Orientbank AG, stammt vom Maler Wolfgang Tritt (1913–1983)
  • Deutschland und der Mittlere Osten im Kalten Krieg, (Hrsg.), Leipzig : Leipziger Univ.-Verl. 2006 ISBN 978-3-86583-144-6
  • Deutschland und der Mittlere Osten, (Hrsg.), Leipzig : Leipziger Univ.-Verl. 2004 ISBN 3-937209-48-4
  • Germany And The Middle East, 1871–1945, (Hrsg.), Princeton : Wiener 2004 ISBN 1-55876-299-X; Madrid : Iberoamericana 2004 ISBN 84-8489-169-0 ; Frankfurt am Main : Vervuert 2004 ISBN 3-86527-157-X
  • Germany and the Middle East, 1871–1945; Princeton Papers of Middle Eastern Studies (Hrsg.), Princeton : Wiener 2004 ISSN 1084-5666
  • Gold, Bankiers und Diplomaten : zur Geschichte der Deutschen Orientbank 1906 - 1946, Berlin : Trafo-Verl. Weist 2002 ISBN 3-89626-288-2
  • 125 Jahre Sueskanal - Lauchhammers Eisenguß am Nil, (Hrsg.), Hildesheim ; Zürich ; New York : Olms 1998 ISBN 3-487-10315-X
  • Egypt and Germany in the 19th and 20th Century; (Hrsg. mit Wagih Atiq), Kairo : Dar ath-Thaqafa 1998, ISBN 9-77193-703-0
  • Deutsche in Nahost 1946–1956; Frankfurt am Main, Washington DC: Haensel-Hohenhausen 1998, Bd. I, ISBN 3-82672-553-0, Bd. II, ISBN 3-82672-554-9
  • August Bebel: Die Mohammedanisch-Arabische Kulturperiode; (Hrsg.), Berlin : Edition Ost 1999 ISBN 3-929161-27-3
  • Jenseits der Legenden : Araber, Juden, Deutsche, (Hrsg.),Berlin : Dietz 1994 ISBN 3-320-01839-6
  • Berlin-Kairo : damals und heute ; zur Geschichte deutsch-ägyptischer Beziehungen, (Hrsg.), Berlin : DÄG 1991
  • Ägyptens Infitah-Politik der offenen Tür; Leipzig : Diss. Afrika-Nahostwissenschaften 1984

Beiträge

Literatur

  • Stefan Bollinger, Ulrich van der Heyden (Hrsg.): Deutsche Einheit und Elitewechsel in Ostdeutschland. Trafo, Berlin 2002.
  • Kai Hafez: Orientwissenschaft in der DDR: Zwischen Dogma und Anpassung 1969–1989. Deutsches Orient-Institut, Hamburg 1995.
  • Clemens Heni: Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11. Edition Critic, Berlin 2011.
  • Wolf-Hagen Krauth, Ralf Wolz (Hrsg.): Wissenschaft und Wiedervereinigung: Asien- und Afrikawissenschaften im Umbruch. Akademie, Berlin 1998.
  • Emma Murphy, Gerd Nonnemann, Neil Quilliam: Middle East & North Africa: A Directory of Specialists and Institutions. Eurames, Durham 1993.
  • Ekkehard Rudolph: Bestandsaufnahme: kultur- und sozialwissenschaftliche Forschung über die muslimische Welt in der BRD. Deutsches Orient-Institut, Hamburg 1999.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. heute Max-Planck-Gymnasium
  2. Burlington County College
  3. Rider University
  4. Global Research in International Affairs Center (GLORIA) am The Interdisciplinary Center (IDC). siehe auch englische Wikipedia en:Interdisciplinary Center
  5. a b International Research & Exchanges Board
  6. Centre d'études et de documentation économiques, juridiques et sociales
  7. GACVS Research Grants, 1998–1999
  8. Gold, Bankiers und Diplomaten : zur Geschichte der Deutschen Orientbank 1906 - 1946, Berlin : Trafo-Verl. Weist 2002 ISBN 3-89626-288-2: Wege des Raubgoldes 1938–1945; S. 314
  9. vgl. auch zu Herbert Gutmann und der Deutschen Orientbank: „Wir speisen im Adlon“: Herbert M. Gutmann und die Deutsche Orientbank. In: Ulrich van der Heyden u. a. (Hrsg.): „… Macht und Anteil an der Weltwirtschaft“. Berlin und der deutsche Kolonialismus. Unrast Verlag, Münster 2005, S. 81–86; Immer guter Laune: Gutmann und die Deutsche Orientbank. In: Vivian J. Rheinheimer (Hrsg.): Herbert M. Gutmann. Bankier in Berlin, Bauherr in Potsdam, Kunstsammler. Koehler & Amelang, Leipzig 2007, S. 61–77; zur Orientbank und dem Völkermord an den Armeniern: Webversion 01-2008
  10. Arabische Perestroika-Rezeption 11-1989, US Debatten zum Golfkrieg 1-1992, deutsche Nahostpolitik 5-1990, 5-1991, Kabab und Terror in Ägypten 9-2010, Deutsche Orientalistik 1-1995
  11. Audio, Deutsche Welle, Amerika hat keine Islampolitik, 10. Oktober 2006, Audio, Deutsche Welle, America’s Unwritten Islam Policy, 13. Oktober 2006
  12. Video, Arte, Turban und Hakenkreuz 1/5, 9. Dezember 2009, Video, ARD, Report aus München, Die unheimliche Allianz, 17. Juli 2006, Video, ARD, Panorama, Kaiser Wilhelms heiliger Krieg, 12. Mai 2005

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