- Codex hammurabi
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Der Codex Hammurapi, eine Rechtssammlung König Hammurapis von Babylon (* 1810 v. Chr.; † 1750 v. Chr.), ist eine der ältesten Gesetzessammlungen der Welt und zugleich eines der besterhaltenen Exemplare der Literatur aus Mesopotamien. Der in drei Teile zerborstene Stein steht restauriert im Louvre in Paris.
Die Gesetze Hammurapis basieren überwiegend auf dem Prinzip der Spiegelstrafe und trotz des Umfanges regelten sie nicht alle Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens.
Inhaltsverzeichnis
Fund und Herkunft
Mitte des 19. Jahrhunderts fanden Archäologen in den Ruinen von Ninive, der ehemaligen Hauptstadt der Assyrer, eine große Tontafel-Bibliothek, die Bibliothek des Assurbanipal. Unter den Texten fanden sich auch Abschriften der Gesetze Hammurapis, die über 1000 Jahre hin archiviert bzw. immer wieder kopiert worden waren. Eine über zwei Meter hohe Basalt- und Diorit-Stele mit den eingravierten Gesetzestexten fanden französische Ausgräber 1901 in Susa, der Hauptstadt des Reiches Elam. Die Stele zeigt im oberen Relief, wie der König die Herrschaftssymbole aus der Hand des Sonnengottes Schamasch empfängt. Dies sollte die göttliche Herkunft der Gesetze symbolisieren.
Aufbau
Der Codex ist vertikal in Spalten in Keilschrift geschrieben: 16 Spalten auf der Vorderseite und 28 auf der Rückseite. 7 Kolonnen im unteren Teil waren abgemeißelt worden, konnten aber größtenteils aus erhaltenen Abschriften ergänzt werden.
Der Text umfasst 281 Paragraphen (der dreizehnte fehlt), wobei man darunter keine numerische Aufzählung verstehen darf, wie wir sie heute kennen. Der erste Herausgeber, der die Texte nach dem Auffinden veröffentlichte, hatte die einzelnen Abschnitte, die mit „Wenn …“ begannen, einfach durchgezählt. Es wurden auch noch andere Dokumente mit Gesetzen Hammurapis gefunden, so dass die eigentliche Zahl der „Paragraphen“ umstritten ist. Ungewiss ist auch, in welchem Regierungsjahr Hammurapis die Gesetze erlassen wurden; einiges deutet darauf hin, dass es in seinen letzten Regierungsjahren geschah.
Wie bei älteren Gesetzessammlungen bestand auch dieser Text aus Prolog, Gesetzen und Epilog. Der Prolog würdigte die Leistungen und Wohltaten des Herrschers. Dort tritt auch in der Selbstdarstellung das Motiv, Hirte seines Volkes zu sein, auf. Im Epilog wurde auf die Gerechtigkeit des Königs hingewiesen, und er empfahl darin seinen Nachfolgern, diese Gesetze im Sinne Hammurapis zu befolgen. Sollte ein Herrscher diesen Hinweis ignorieren, solle er verflucht sein.
Inhalt
Der Text liegt in mehreren Varianten vor. In Duplikat B fehlt die Erhöhung Marduks und die Hegemonie Babylons; Enlil spielt mit der Stadt Nippur die Hauptrolle. Duplikat B dürfte in der Zeit entstanden sein, als Hammurapi 1764 v. Chr. in Nippur die Herrschaft übernahm. Als Hammurapi 1760 v. Chr. Larsa eroberte, erfolgte zwingend die Aufwertung des Stadtgottes Marduk, was seinen Niederschlag in Duplikat A fand. Die Mythologie der Erhöhung des Marduk und die Betonung der Hegemonie von Babylon sind daher erst nach dem Fall von Larsa anzusetzen. Die späteren Duplikate weichen wiederum von den Duplikaten A und B ab.
Einleitung
Duplikat B
„1Als Anu, 2König der Anunnaku, 3und Enlil 8Hammurapi, 11dem Hirten, 10Sohn des Sin-muballit, 14die Embleme des 15Königtums übereigneten, 27damals haben 45Anu und Enlil mich 48ernannt, 40dass ich gleich dem Schamasch 43das Land 44erleuchten soll. V4Ich, Hammurapi, Sonnengott von Babylonien, der V6Licht aufgehen ließ über V8Sumer und Akkad, V15als mich Enlil beauftragte, die V16 Menschen zu lenken, V25gab ich folgende Gesetze:“
– Auszüge vom Prolog vom Codex Hammurapi[1]
Duplikat A
„1Als Anu, 2König der Anunnaku, 3und Enlil 8dem Marduk, 9dem erstgeborenen Sohn 10des Ea, 11 die Enlil-Würde 13übereigneten, 27damals haben 45Anu und Enlil mich 48ernannt, 40dass ich gleich dem Schamasch 43das Land 44erleuchten soll. V4Ich, Hammurapi, Sonnengott von Babylonien, der V6Licht aufgehen ließ über V8Sumer und Akkad, V15als mich Marduk beauftragte, die V16 Menschen zu lenken, V25gab ich folgende Gesetze“
– Auszüge vom Prolog vom Codex Hammurapi[1]
Wichtige Passagen
Am Anfang des Gesetzestextes stehen Regelungen über die falsche Anschuldigung. Die Gerichte behielten sich das Recht vor, Fälle abzulehnen. Das entspricht in der heutigen Rechtsprechung einer Klageabweisung wegen Unzulässigkeit.
- Es wurde derjenige schwer bestraft, der jemand anderen ungerechtfertigt des Mordes bezichtigte. Der Ankläger wurde hingerichtet.
- Schwerwiegend waren auch die Anschuldigungen wegen Zauberei. Der Beschuldigte wurde zu einem Gottesurteil gezwungen, d.h. er wurde ins Wasser geworfen. Ertrank er, war seine Schuld bewiesen, und die Anklage war berechtigt. Überlebte er das Gottesurteil (Flussordal), verlor der Ankläger seinen eigenen Besitz. Diese Gottesurteile waren nicht nur in Babylonien bekannt.
- Schwer bestraft wurden auch Falschaussagen von Zeugen, denen bei Kapitalverbrechen die Todesstrafe drohte. Als Beweise galten in Prozessen Urkunden, die Aussagen der Zeugen und der geleistete Eid.
- Auch die Richter konnten bestraft werden. Falls ein Richter eine Entscheidung nach Abschluss des Verfahrens revidierte, verlor er seinen Posten und musste eine Geldstrafe zahlen.
- Des Weiteren wurde Eigentum und Besitz geregelt. Neben dem Besitz des Königs und des Tempels wurde auch der Besitz der Kleinbauern und ihrer Familien unter Schutz gestellt, wenn sie auf dem Land des Königs lebten.
- Die Strafen für Diebstahl und Hehlerei von Königseigentum waren drakonisch, darauf konnte sogar die Todesstrafe stehen.
- Mit dem Tod wurde auch derjenige bestraft, der jemand des Diebstahls bezichtigte und es nicht beweisen konnte.
Die Richter machten in ihren Urteilen auch einen gewichtigen Unterschied zwischen König und Tempel auf der einen Seite und den übrigen Bewohnern des Landes.
- Wurde der König oder der Tempel bestohlen, musste der Dieb eine höhere Strafe bezahlen, als wenn er einen „gewöhnlichen“ Menschen bestahl.
Die Soldaten
Der nächste Abschnitt behandelt die Gesetze, die das Leben der Soldaten regelten. Die Soldaten bekamen von Hammurapi Land zugewiesen, um von den Erträgen der Ernten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
- Der Soldat war verpflichtet, der Einberufung Folge zu leisten. Erschien er nicht oder schickte er einen Stellvertreter, weil er noch sein Land bestellen wollte, wurde der Soldat zum Tod verurteilt.
Da Kriege sich über einen längeren Zeitraum erstrecken konnten, war es dem Soldaten oft nicht möglich, seine Felder zu bewirtschaften. Deshalb wurden seine Ländereien während seiner Abwesenheit an jemand anderen vergeben, um sie zu bearbeiten.
Kehrte der Soldat nach einem Jahr aus dem Kampf zurück, erhielt er sein Land zurück.
Zwangen die Kämpfe den Krieger jedoch zum weiteren Fernbleiben, verlor er seine Ansprüche auf das Land, wenn drei Jahre vergangen waren.
Anders war es, wenn der Soldat einen Sohn mit der Bewirtschaftung der Felder beauftragen konnte, dann blieb das Land weiter in seinem Besitz.
- Ein Krieger, der in Gefangenschaft geriet, konnte freigekauft werden. Er konnte dafür Gegenstände seines Hauses als Lösegeld anbieten. Die Felder, der Garten und das Haus durften aber nicht als Lösegeld verwendet werden.
So sollte der freigelassene Soldat diesen Besitz behalten, um damit seinen Lebensunterhalt zu sichern.
Auch Kaufleute oder der Tempel konnten Soldaten freikaufen, sie erhielten dann das dafür aufgewendete Geld vom König zurück.
Die Bauern
Auch den Bauern wurden Pflichten auferlegt. Die landwirtschaftliche Produktion war für Babylon lebenswichtig, deshalb war es nötig, dass die Felder ordentlich bestellt wurden.
- Vernachlässigte ein Pächter seine Feldarbeit, und es gab keine Ernte, wurde er dazu verurteilt, eine bestimmte Menge Gerste als Strafe zu zahlen. Außerdem musste er das Feld dem Besitzer zurückgeben.
- Wurden die Ernten durch Naturkatastrophen vernichtet, teilten sich Pächter und Besitzer die übrig gebliebene Ernte zu den festgelegten Pachtzinsen. Der Pachtzins schwankte zwischen einem Drittel und der Hälfte der Ernte.
Miete und Pacht
Es konnten nicht nur Felder und Gärten gemietet werden, auch Häuser tauchten in den aufgefundenen Dokumenten als Mietsache auf. Auch diese Mietverhältnisse ließ Hammurapi regeln. Die Verträge wurden oft für ein Jahr abgeschlossen. Die Miete wurde auf zwei Arten bezahlt. Entweder wurde zu Beginn des Jahres eine Anzahlung geleistet und der Rest zum Ende der vereinbarten Mietdauer oder man zahlte erst mit Ablauf des Jahres den Mietzins. Die Mieter hatten für den einwandfreien Zustand des Hauses zu sorgen. Reparaturen mussten ausgeführt werden. Bei Beschädigungen musste Schadensersatz geleistet werden.
Die Häuser bestanden in dieser Zeit in der Hauptsache aus Lehm. Holz kam kaum vor. Waren trotzdem hölzerne Bestandteile, wie Türen, Schwellen oder Treppen vorhanden, wurden sie im Mietvertrag ausdrücklich erwähnt. Dafür musste eine zusätzliche Miete gezahlt werden. Gehörten die hölzernen Gegenstände dem Mieter, wurden sie vom Mieter beim Auszug mitgenommen. Das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter war auch damals häufig angespannt, was viele Gerichtsdokumente beweisen.
Wenn ein Bauer Silber, Gold, einen Sklaven oder eine Sklavin, ein Rind, ein Schaf, einen Esel oder etwas Anderes aus der Hand eines Bürgers oder eines Sklaven eines Bürgers ohne Zeugen und vertragliche Abmachen kauft oder in Verwahrung nimmt, so gilt er als Dieb und wird getötet.
Die Kaufleute
Die Bestimmungen über die Geschäfte der Kaufleute waren zum Teil sehr hart. Kaufleute schickten gewöhnlich Agenten auf Handelsreise in ferne Länder. Im Auftrag des Kaufmanns kauften oder verkauften sie Waren. Die Agenten wurden „Beutelträger“, Schamallum, genannt, und sie erhielten einen Anteil am Gewinn der Expedition. Die Gewinnspannen bei diesen Geschäften konnten hoch sein. Hatte ein Agent keinen Gewinn erzielt, so musste der dem Kaufmann das Doppelte des anvertrauten Kapitals bzw. der Waren als Strafe bezahlen. Die Strafe war deshalb so hoch, weil man den Agenten in diesem Fall des Betruges verdächtigte. Geregelt wurde auch der Fall, wenn ein Kaufmann seinen „Beutelträger“ fälschlich bezichtigte, Geld unterschlagen zu haben. Der Kaufmann musste dann das Sechsfache des eingesetzten Kapitals an den Agenten zahlen.
Schankwirtinnen
Neben den Kaufleuten wurden auch die Schankwirtinnen streng vom Gesetz behandelt, wenn sie gegen Bestimmungen verstießen. Gasthäuser und ihre Wirtinnen, Wirte schien es nicht gegeben zu haben, waren nicht sehr angesehen. Sie standen im Ruf, die Prostitution und das Verbrechen zu unterstützen. Forderte eine Wirtin als Bezahlung für das Bier kein Getreide, sondern Silber bzw. schenkte sie zu wenig Bier aus, wurde sie ins „Wasser geworfen“, d. h. sie wurde ertränkt. Es war für sie auch tödlich, wenn sie gesuchte Verbrecher in ihrem Haus beherbergte. Das „Anschreiben“ war im Gasthaus erlaubt, man bezahlte zur Erntezeit seine Schuld mit Gerste. Silber als Bezahlung war bei Hammurapi nicht erlaubt.
Die Familie
Die Ablösung der Tempelwirtschaft durch den Privatbesitz hatte auch Folgen für die Gesellschaft des Landes. Durch die Individualisierung des Besitzes und der Produktion verloren sich die bisherigen Bindungen an Stämme, Gemeinden und Großfamilien. Die unmittelbare Familie mit den Kindern, Nebenfrauen und Sklaven waren Grundlage der Gesellschaft geworden.
Diese gesellschaftliche Entwicklung fand deshalb ihren Niederschlag in der Rechtsprechung. So erließ Hammurapi zahlreiche Gesetze zum Thema Ehe und Familie.
Es gab zwar keine Gleichstellung von Mann und Frau, aber Hammurapi gewährte den Frauen zahlreiche Rechte. Eine Frau durfte selbständig Rechtsgeschäfte abschließen, wie Kauf und Verkauf und Tauschgeschäfte. Auch war es ihr erlaubt, Darlehen zu vergeben.
Die Ehe war nur dann gültig, wenn ein Ehevertrag abgeschlossen wurde. Dieser Vertrag war besonders wichtig in Vermögensfragen. Ertappte ein Mann seine Frau beim Ehebruch, so wurden die Frau und der Nebenbuhler gebunden ins Wasser geworfen und dadurch zum Tode verurteilt. Der betrogene Ehemann konnte seiner Frau aber das Leben schenken, wenn er es wollte. Eine Frau konnte ungerechtfertigte Anschuldigungen ihres Ehemannes durch einen Gottesschwur entkräften. Erfolgte die Verdächtigung jedoch von Bürgern, konnte sich die Ehefrau freiwillig im Fluss durch Untertauchen dem Urteil des Flussgottes unterwerfen. Die Todesstrafe erwartete den Mann, der die Verlobte eines Mannes im Hause ihres Vaters vergewaltigte.
Es gab für eine Ehefrau mehrere Möglichkeiten, sich von ihrem Mann zu trennen. War ihr Mann im Dienst des Königs längere Zeit abwesend oder in Kriegsgefangenschaft, so konnte sich die Frau einen anderen Mann nehmen, wenn sie nur dadurch ihre Familie versorgen konnte. Kehrte der erste Ehemann aber zurück, musste die Ehefrau den zweiten Ehemann verlassen und in die erste Ehe zurückkehren. Hatte der Ehemann seinen Wohnort aufgegeben und seine Frau verlassen, so war die Ehefrau nicht gezwungen, zum Gatten zurückzukehren, falls dieser wieder auftauchte.
Eine Frau konnte das eheliche Haus auch verlassen, wenn der Mann ein lasterhaftes Leben führte. Sie konnte zum Mann dann sagen: „Du sollst nicht mit mir verkehren“. Ein anschließender Prozess urteilte dann über die Scheidung. Erhielt die Frau Recht, konnte die Ehefrau ihre Mitgift nehmen und zu ihrem Vater zurückkehren. Galt die Ehefrau, die diese Forderung an ihren Ehemann richtete, aber selbst als lasterhaft, wurde sie in den Fluss geworfen. Ein Mann konnte sich leichter scheiden lassen. Er konnte seine Frau verstoßen. Er musste ihr den Brautpreis und die Mitgift geben. Hatte sie Kinder, musste er auch noch Garten und Feld dazu geben, damit die geschiedene Frau ihre Kinder ernähren konnte. Die möglichen Scheidungsfolgen wurden in den Eheverträgen geregelt. Es gab harte Strafen in einigen Verträgen. Falls eine Frau sich von ihrem Mann lossagte, konnte sie mit dem Tod oder der Sklaverei bestraft werden. Die Strafe des Mannes war weitaus humaner, er konnte, wenn er sich lossagte, Silber zahlen.
Die Auflösung einer Verlobung wurde in einzelnen Paragrafen geregelt. Löste der Bräutigam das Verlöbnis, so verlor er den an den Vater der Frau gezahlten Brautpreis. Löste der Brautvater die angehende Verbindung, so musste er den doppelten Brautpreis zurückzahlen. Den Babyloniern war es besonders wichtig, den Fortbestand der Familie zu sichern. Waren keine Kinder bzw. keine männlichen Nachkommen vorhanden, konnte durch Adoption die Familie weiter erhalten bleiben. Es konnten Freie, aber auch Sklaven adoptiert werden. Die Adoptierten konnten auch erben, falls es keine weiteren Kinder in der Familie gab. Adoptierte Kinder konnten vom Vater verstoßen werden. Sie bekamen aber einen Anteil am Erbe, wenn der Vater inzwischen leibliche Nachfolger bekommen hatte. Hart bestraft wurden Gattenmord und Inzest. Die Strafen reichten von Verbannung bis zur Todesstrafe.
Das Erbrecht
Hammurapi regelte in seiner Gesetzessammlung auch das Erbrecht. Testamente, wie wir sie kennen, gab es in dieser Zeit noch nicht. Ob die Erbfolge vom Vater zu den Söhnen allgemein galt, ist nicht sicher; denn mal ist vom Erbe der Söhne (§ 167), mal vom Erbe der Kinder (§ 170) die Rede. Der Mann konnte aber durch eine Urkunde zu Lebzeiten seinen Besitz seiner Frau schenken. Die Söhne gingen dann zunächst leer aus. Die Mutter konnte dann als nächsten Erben den Sohn einsetzen, den sie am meisten liebte (§ 152). Er konnte auch durch Urkunde einem Sohn etwas schenken, was im Erbfall bei der Teilung nicht auf sein Erbteil angerechnet wurde (§ 165).
Die Ammen
Es wurden viele „Säugeverträge“ gefunden, die die Aufgaben und Pflichten der Ammen betrafen. Zu dieser Zeit wurden die Kinder bis zum dritten Lebensjahr gestillt. Die Amme erhielt dafür Silber, Essen, Öl u. a. als Lohn ausgezahlt. Konnte eine Familie das geforderte Entgelt nicht bezahlen, so konnte die Amme das Kind behalten, und die leiblichen Eltern mussten außerdem noch das vereinbarte Silber zahlen.
Körperverletzungen
Hammurapis Gesetze werden heute als Beispiel für harte Strafen genannt, man spricht von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Dieses so genannte Talionsprinzip wurde aber nur im Zusammenhang mit Körperverletzungen angewendet. Die Babylonier Hammurapis stammten von den nomadischen Amurritern ab und deshalb war diese Art der Strafe bei ihnen noch im Bewusstsein. Wenn jemand einen anderen verletzte, so wurde dieser mit der gleichen Verletzung bestraft, so der Grundsatz „Auge um Auge …“.
Andere Länder dieser Epoche übten diese Bestrafung nicht aus, sie bestraften in diesem Fall mit Geldstrafen. Die gab es zwar auch bei Hammurapi, doch hier wurde nach der sozialen Stellung von Täter und Opfer unterschieden. Verletzte ein freier Bürger (Awilum) einen Muškenum, so musste er nur eine Geldstrafe bezahlen. Wurde der Sklave eines freien Bürgers verletzt, gab es als Strafe die Hälfte des Sklaven-Kaufpreises. Die Richter werteten in diesem Fall die Verletzung als Wertverlust.
Haftung
Es wurde auch die Haftung bestimmter Berufsgruppen geregelt. So lebten Ärzte und Handwerker gefährlich, falls durch ihre Schuld jemand verletzt oder getötet wurde. Starb ein Patient nach einer Operation bzw. wurde schwer behindert, konnte dem Arzt die Hand als Strafe amputiert werden. Auch hier gab es bei der Strafzumessung Unterschiede. War der Geschädigte ein Muschkenum, war nur eine Geldstrafe die Folge. Starb ein Sklave nach einer Behandlung, so musste der Arzt einen Sklaven als Ersatz anbieten. Auch Baumeister mussten für Schäden aufkommen. Stürzte das Haus ein und der Besitzer kam dabei ums Leben, so verlor der Baumeister sein eigenes Leben als Strafe. Das Haus musste außerdem neu errichtet und der beschädigte Hausrat ersetzt werden. Kam beim Hauseinsturz ein Sklave ums Leben, musste der Baumeister einen Sklaven als Ersatz anbieten.
Sklaven
Am Ende der Gesetzessammlung folgten Bestimmungen über die Stellung der Sklaven. Man konnte aus unterschiedlichen Gründen Sklave werden. Kriegsgefangene, verurteilte Verbrecher und Schuldsklaven konnten in die Sklaverei fallen. Auch Familienmitglieder wurden in die Sklaverei verkauft, um Schulden zu tilgen. Es gab doppelt so viele Sklavinnen wie Sklaven, weil vorwiegend Frauen im Haushalt beschäftigt wurden. Auf den Feldern der Kleinbauern arbeiteten kaum Sklaven, weil sie zu teuer für die Familien waren. Sklaven wurden auch als Nebenfrauen erworben, falls die Ehefrau kinderlos blieb. Ein Sklavenhändler musste auch eine Garantie für seine Sklaven leisten. Wurde der Sklave innerhalb der ersten vier Wochen krank, konnte der Kauf rückgängig gemacht werden. Es gab bei Hammurapi nur wenige Gründe, einen Sklaven freizulassen. Ein Schuldsklave wurde nach drei Jahren frei. Eine Sklavin konnte drei Jahre nach dem Tod ihres Besitzers freigelassen werden, wenn sie ihm Kinder geboren hatte. Auch durch Adoption konnte ein Sklave die Freiheit erringen
Bier
Sehr ausführlich widmet sich der Codex auch dem Bier: zahlreiche Paragraphen beschäftigen sich mit seiner Herstellung, dem Bierpreis und seiner Zuteilung. So hatten babylonischen Provinzverwalter und Hohepriester Anrecht auf die Höchstmenge von rund fünf Liter pro Tag, den Hofdamen des Königs standen immerhin noch drei Liter täglich zu. Ob das Werk Hammurapis in der täglichen Rechtspraxis angewandt wurde, ist umstritten. Manche Historiker vermuteten, dass die einzelnen Paragrafen eigentlich der täglichen Rechtspraxis entstammten, andere betrachteten den Codex Hammurapi als ein eher theoretisches Werk, das keinen Einzug in die Praxis hielt. Es fällt auf, dass zwar viele Rechtsentscheide überliefert sind, auch solche, die sich auf Edikte Hammurapis (z.B. zum Schuldenerlass) berufen, aber fast keiner auf den Text der Stele Bezug nimmt. Auf der anderen Seite entsprechen viele Prozessurkunden im Ergebnis den Ansichten, die auf der Stele niedergeschrieben sind, woraus man entnimmt, dass auf der Stele festgehalten wurde, was in Babylon bereits als Recht galt. Dies wird auch durch die Beobachtung gestützt, dass der Prolog und der Epilog den Eindruck vermitteln, dass der Verfasser bei der Abfassung bereits auf eine lange Rechtsprechungspraxis zurückgreift. Außerdem deutet die weite Verbreitung des Textes in Schreiberschulen (auch in Gegenden und Zeiten anderer Rechtspraxis) darauf hin, dass der Codex als Sprachkunstwerk geschätzt wurde.[2] Auch die späte Errichtung nach ungefähr 20 Jahren Regierungszeit und die besonders künstlerische Ausführung[3] spricht dafür, dass der Aspekt des Denkmals im Vordergrund stand.[4]
Literatur
- Béatrice André-Salvini: Le Code de Hammurabi. Paris 2003.
- Rykle Borger: Der Codex Hammurapi. In: Texte aus der Umwelt des Alten Testaments Bd. I, Liefg. 1, S. 39-80. ISBN 3-579-00060-8
- Jean Bottéro: Le „Code d'Hammurabi“. In id.: Mésopotamie, l'écriture, la raison et les dieux. Paris 1987. S. 191-223.
- Dominique Charpin: Lettres et procès paléo-babyloniens. In Francis Joannès (Hrsg.) Rendre la Justice en Mésopotamie, Archives judiciaires du Proche-Orient ancien (IIIè-IIè millénaire avant J.-C.). Vincennes 2000. S. 68-111. ISBN 2-84292-071-6
- Dietz Otto Edzard: Die altmesopotamischen lexikalischen Listen – verkannte Kunstwerke? In: Claus Wilcke (Hrg.) Das geistige Erfassen der Welt im Alten Orient. Wiesbaden 2007. S. 17-26.
- André Finet: Le code de Hammurabi. Paris 2002. ISBN 2-204-07013-0
- Joachim Hengstl: Der „Codex“ Hammurapi und die Erforschung des babylonischen Rechts und seine Bedeutung für die vergleichende Rechtsgeschichte. In: Babylon. Focus mesopotamischer Geschichte, Wiege früher Gelehrsamkeit, Mythos der Moderne. 2. Internationales Colloquium der Deutschen Orient-Gesellschaft 24.-26. März 1998 in Berlin. Saarbrücken 1999. ISBN 3-930843-54-4.
- Gabriele Elsen-Novák / Mirko Novák: Der 'König der Gerechtigkeit'. Zur Ikonologie und Teleologie des 'Codex' Hammurapi. In: Baghdader Mitteilungen 37 (2006), S. 131-156.
- Horst Klengel: König Hammurapi und der Alltag Babylons, Artemis 1991, ISBN 3-491-69122-2
- Karl Fritz Kraus: Ein zentrales Problem altmesopotamischen Rechtes: Was ist der Kodex Hammurabi? In: Genava 8 (1960), S. 283-296.
- Julius Georg Lautner: Die richterliche Entscheidung und Streitbeendigung im altbabylonischen Prozessrechte. Leipzig 1922.
- Niklas Luhmann: Das Recht der Gesellschaft. Darmstadt 2002.
- Gerhard Ries: Prolog und Epilog in den Gesetzen des Altertums. München 1983
- Irene Strenge: Codex Hammurapi und die Rechtsstellung der Frau. Würzburg, 2006, ISBN 978-3-8260-3479-4
- Heinz-Dieter Viel: Der Codex Hammurapi. Göttingen 2002. ISBN 3-89744-206-X
- Heinz-Dieter Viel: Der Codex Hammurapi. CD-ROM. Göttingen 2002, ISBN 3-89744-213-2
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b Vgl. Otto Kaiser u.a.: TUAT - Bd. 1, Alte Folge -, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1985, S. 40-44.
- ↑ Edzard S. 19.
- ↑ Elsen-Novák und Novák S. 142.
- ↑ Luhmann S. 148 Fn. 31 unter Berufung auf Jean Bottéro, Le “Code” Hammu-rabi. In: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa 12, 1 (1988) S. 409-444.
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