Dialektdichter

Dialektdichter

Die Dialekte (gr. διαλέγομαι, dialegomai „miteinander reden“) gehören zu den nicht standardisierten Sprachvarietäten, wie die Umgangssprachen und die Regionalsprachen.

Der Begriff „Dialekt“ wurde von Philipp von Zesen durch den Ausdruck Mundart eingedeutscht. Im Wesentlichen sind „Dialekt“ und „Mundart“ Synonyme. Hingegen werden sie von einigen unterschieden (siehe Abschnitt Unterschied zwischen Dialekt und Mundart).

Der Dialekt bzw. (bedeutungsgleich) die Mundart hat eine ortsbezogene regionale Färbung und ist daher die Sprachform mit der geringsten kommunikativen Reichweite. Der Dialektsprecher wird manchenorts bereits im Nachbardorf als ortsfremd erkannt.

Vom Begriff „Dialekt“ ist der Begriff Akzent abzugrenzen. Akzent bezieht sich lediglich auf die phonologischen Charakteristiken der Aussprache. So kann ein Bayer das Standarddeutsch (Hochdeutsch) mit einem "bairischen Akzent" sprechen, aber nicht Standarddeutsch mit einem "bairischen Dialekt".

Derjenige Teil der Sprachwissenschaft, der sich mit der traditionellen Beschreibung der Dialekte befasst, heißt Dialektologie. In der neueren Linguistik befasst sich auch die Soziolinguistik mit Dialekten. Dialekt bzw. Mundart wird auch in der Literatur verwendet. Man spricht von Mundartdichtung bzw. Dialektdichtung. Sie charakterisiert vor allem Lebensweise und Bevölkerung der jeweiligen Region.

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung Standardsprachen – Dialekte

Da der Dialekt zur Identität gehört, ist die Unterscheidung zwischen Dialekt und Standardsprache sowie die gelebte Zweisprachigkeit (Diglossie) auch für viele Nichtlinguisten eine wichtige Frage. Sie wird oft sehr emotional diskutiert. Dies liegt daran, dass in der Bezeichnung „Dialekt“ für viele zu Unrecht eine gewisse Abwertung mitklingt.

Überdies kann die Unterscheidung von Dialekt und Standardsprache von der politischen Situation abhängen (z. B. Serbokroatisch oder Luxemburgisch). Aus diesen Gründen ist sie häufig sehr umstritten und wird nach verschiedenen, sich teilweise widersprechenden Überlegungen gemacht.

In der historisch und volkskundlich ausgerichteten deutschen Dialektologie seit der Romantik und deren spätere ideologischen Übernahme war die Unterscheidung von Dialekt und Standardsprache vergleichsweise unproblematisch, da die Dialekte auf die alten deutschen Stammessprachen zurückgeführt wurden.

Die moderne Dialektologie verortet indessen die Entwicklung der Dialekte entlang den historischen Verkehrsbeziehungen der Menschen, bzw. ihren Grenzen innerhalb der historisch politisch-territorialen Begrenzungen und in den Besonderheiten der Entwicklung deutscher Kleinstaaten.

Die neuere und moderne Linguistik versucht, sich aus emotionalen Kontroversen zwischen Dialekt und Standardsprache herauszuhalten.

Gegenseitige Verständlichkeit

Oft wird die gegenseitige Verständlichkeit als Kriterium zur Abgrenzung von Dialekt und Sprache genannt. Die genaue Bestimmung der gegenseitigen Verständlichkeit ist jedoch auch in der Linguistik umstritten.

Die gegenseitige Verständlichkeit ist nur ein graduelles Kriterium, da es zwischen vollständiger gegenseitiger Verständlichkeit und Unverständlichkeit eine große Bandbreite von teilweiser Verständlichkeit gibt. Auch hängt sie nicht nur von persönlichem Hintergrund (z. B. Fremdsprachenkenntnisse oder Ferienaufenthalte) und Begabung einzelner Sprecher ab, sondern auch von der Bereitschaft, einander verstehen zu wollen.

Oft ist es auch so, dass keine Gegenseitigkeit gewährleistet ist. Beispielsweise versteht ein Sprecher des Walliserdeutschen ein standarddeutsches Gespräch viel besser als umgekehrt ein Sprecher des Standarddeutschen ein walliserdeutsches.

Spätestens mit dem Eintritt in die Grundschule erwirbt ein jeder Dialektsprecher eine zusätzliche normierte Standardsprache. Heute sind aufgrund der modernen Kommunikationstechnologien, Rundfunk und Fernsehen wie überregionalen Printmedien die allermeisten Dialektsprecher je nach Lebenssituation, beruflicher Herausforderung, Mobilität und Kommunikationserfordernis zwei- und dreisprachig ausgebildet (Bilinguismus).

Ausbausprache, Abstandsprache

Der Soziolinguist Heinz Kloss hat die Termini „Abstandsprache“ und „Ausbausprache“ eingeführt, um besser beschreiben zu können, welche Varietäten als eigenständige Sprache gelten.

Eine Varietät ist dann eine Abstandsprache, wenn sie linguistisch sehr deutlich von einer anderen abweicht. Als typisches Beispiel gilt das Baskische, das als isolierte Sprache ganz klar eine Abstandsprache des Spanischen ist. Nach eben diesem Kriterium gilt auch das Sorbische (eine slawische Sprache) als eine Abstandsprache zum Deutschen (einer germanischen Sprache). Aber auch näher verwandte Sprachen wie das Deutsche und das Englische sind Abstandsprachen. Die Messung des linguistischen Abstandes wirft freilich etliche Probleme auf.

Eine Varietät ist dann eine Ausbausprache, wenn sie zwar keine Abstandsprache ist, aber trotzdem in standardisierter schriftlicher Form verwendet wird (Standardsprache), und zwar nicht nur in der Belletristik, sondern auch z. B. in der wissenschaftlichen Fachliteratur. Ausbausprachen sind zum Beispiel das Jiddische oder das Mazedonische, die linguistisch zwar dem Deutschen bzw. dem Bulgarischen nahestehen, aber einen so breiten auch schriftlichen Anwendungsbereich kennen, dass dieser weit über denjenigen eines Dialekts hinausgeht. Keine Ausbausprachen sind beispielsweise das Bairische, das Meißenische oder die Schweizer Dialekte. Auch keine Ausbausprache ist etwa das Schweizerhochdeutsche, denn dieses ist vielmehr eine der regionalen Ausprägungen der deutschen Standardsprachen. Das Luxemburgische hingegen wird oft als Ausbausprache angesehen, auch wenn in der Administration oder im Hochschulwesen das Französische dem Luxemburgischen nur ein geringer Platz eingeräumt wird.

Auch das Begriffspaar „Abstandsprache – Ausbausprache“ kann die Unterscheidung von Dialekt und Standardsprache nicht in allen Fällen begründen. So gilt das Niederdeutsche weder als eigene Abstandsprache noch – im Gegensatz zum Mittelniederdeutschen – als Ausbausprache; dennoch ist es von den nördlichen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden als eigenständige Regionalsprache im Sinne der EU-Charta der Minderheitssprachen anerkannt worden. Deshalb hat Kloss den Begriff dachloser Dialekt eingeführt. Als solchen bezeichnet man eine Sprachvarietät, die zwar linguistisch als Dialekt einer eigenen Sprache bezeichnet werden kann, deren Sprecher jedoch keinen Bezug (mehr) zu der entsprechenden Standardvarietät haben bzw. die Standardvarietät einer anderen Sprache anwenden, also im Falle des Niederdeutschen diejenige des Hochdeutschen. Ein wichtiges Kriterium ist, dass sie nicht als Standardsprache ausgebaut wurde.

Status des Dialekts

Insbesondere zwischen Deutschland und der Deutschschweiz bestehen deutliche Unterschiede im Stellenwert der Dialekte: Während der lokale Dialekt in Deutschland nur mit Sprechern desselben Dialekts und/oder in der Familie gesprochen wird und oft auch als ländlich oder bildungsfern empfunden wird, verwendet man den Dialekt in der Schweiz in nahezu allen Alltagssituationen unabhängig von sozialem Status und Bildungsniveau. Die deutsche Standardlautung wird von Schweizern eher als Fremdsprache angesehen.

Zitate

Die politische Seite der Abgrenzung Dialekt – Sprache wird deutlich in einem Linguistenwitz in dem Artikel von Max Weinreich Der yivo un di problemen fun undzer tsayt („Das Jiddische Wissenschaftliche Institut und die Probleme unserer Zeit“):

“אַ שפראַך איז אַ דיאַלעקט מיט אַן אַרמײ און פֿלאָט”

“A shprakh iz a dialekt mit an armey un flot”

„Eine Sprache ist ein Dialekt mit einer Armee und einer Marine“

– Zitiert nach Yivo-bleter, 1945, Bd. 25, Nr. 1, S. 13. Weinreich zitiert hier den Beitrag eines seiner Hörer, dessen Namen er jedoch nicht genannt hat.

Unterschied zwischen Dialekt und Mundart

Die spezifischen Eigenheiten eines Dialektes können schriftlich aufgezeichnet werden, ein typisches Beispiel ist hier das bayerische: „I håb no nia koan Rausch ned k'håbt!“ Unkundige können solche Aufzeichnungen je nach Kenntnis der Hochsprache korrekt ablesen und zumeist ihren Sinn beim Lesen verstehen.

Mundart dagegen ist die Art, Wörter auszusprechen, und zwar unabhängig von ihrer Schreibweise. Die Mundart eines Sprechers kann sich somit auch beim Vorlesen eines in akkurater Hochsprache verfassten Textes zeigen. Als typisch wäre hier die Niederdeutsche Mundart (nicht die Sprache) zu nennen, bei der das "s" in den Kombinationen "sp" und "st" als "s", nie als "sch" ausgesprochen wird. Diese lässt sich – unter Verstoß gegen jede Rechtschreibregel – immerhin durch den deutschen Sonderlaut SZ schriftlich andeuten: „Die Außßprache von Herrn Schmidt ist für süddeutsche Dialektßprecher schwer verßtändlich.“

Aufschluss über die Zugehörigkeit eines Sprachraumes ergibt das Schibboleth. Ein Schibboleth vereinigt verschiedene Aspekte der lokalen Mundart so, dass das Wort für einen Außenstehenden nicht korrekt auszusprechen ist.

Man muss aber darauf hinweisen, dass dieser angedeutete Unterschied zwischen Dialekt und Mundart keineswegs durchgängig gemacht wird. So findet man in größeren Wörterbüchern des Deutschen in der Regel eine Definition, bei der Dialekt und Mundart gleichgesetzt werden [1]; dasselbe gilt für Fachwörterbücher der Linguistik. [2]

Die Zukunft der Dialekte

Die Basisdialekte sind rückläufig und verlieren zunehmend an Sprechern und damit an Bedeutung. In seinem Buch "Pfälzisch" aus dem Jahr 1990 meint Rudolf Post, dass das Pfälzische mit jeder neuen Generation neun Prozent seines Wortschatzes verliert. Dialekte seien heute nicht mehr fähig, eigenständige Neologismen gegenüber dem Hochdeutschen zu entwickeln, es wird stets der hochdeutsche Ausdruck verwendet.

Triviales

Innerhalb des ARD-Hörfunks wird seit Mitte der neunziger Jahre darüber diskutiert, ob Sprecher mit erkennbarer Mundart oder gar Dialekt abzulehnen sind, ob sie als „regionale Farbtupfer“ toleriert oder gar als Profilmerkmal der Anstalten – und zur Pflege des Kulturgutes – gefördert werden sollen. Generell ist seitdem ein Rückgang des Dialektes im ARD-Hörfunk zu beobachten, auch wenn dies von Presse und Kulturkreisen überwiegend negativ aufgenommen wird.

Siehe auch

Literatur

  • Hermann Bausinger: Deutsch für Deutsche. Dialekte, Sprachbarrieren und Sondersprachen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-596-26491-X. 
  • Klaus J. Mattheier: Pragmatik und Soziologie der Dialekte. Quelle und Maier, Heidelberg 1980, ISBN 3-494-02116-3. 
  • Astrid Stedje: Deutsche Sprache gestern und heute. Wilhelm Fink Verlag, München 2001, ISBN 3-7705-2514-0. 

Einzelnachweise

  1. Stichwort Dialekt in: Duden. Deutsches Universalwörterbuch. 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2001. ISBN 3-411-05504-9
  2. Stichwort Mundart in: Helmut Glück (Hrsg.), unter Mitarbeit von Friederike Schmöe: Metzler Lexikon Sprache. Dritte, neubearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2005. ISBN 978-3-476-02056-7. Bei Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002. ISBN 3-520-45203-0, Stichwort Dialekt heißt es denn auch: "Die Bezeichnung D. [= Dialekt] (als Fremdwort) wird in der Regel synonym verwendet mit >Mundart<."

Weblinks


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