Dietrich Kittner

Dietrich Kittner
Dietrich Kittner

Dietrich Kittner (* 30. Mai 1935 in Oels, Schlesien) ist ein deutscher Kabarettist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dietrich Kittner (Volksstimmefest, Wien 2008)

Der Sohn eines Zahnarztes besuchte die Humboldtschule Hannover.[1] Während seines Jurastudiums, das er später abbrach, gründete er 1960 in Göttingen das „Göttinger Studenten- und Dilettanten-Kabarett DIE LEID-ARTIKLER“. 1961 meldete er beim Ordnungsamt Hannover einen Gewerbebetrieb für politische Satire an. Er provozierte Ämter und Behörden mit seinen Programmen und Aktionen, so wurde er zum Beispiel 1965 auf offener Straße mit Stahlhelm und Gasmaske festgenommen. Das Ganze war als Protest gegen die sogenannten einfachen Notstandsgesetze gedacht, die zu dieser Zeit im Bundestag in der Diskussion waren und in denen es auch um gesetzliche Regelungen zur Zivilverteidigung ging.

1963 traten die „Leid-Artikler“ im festen Haus in Hannover, dem Kabarett Mehlstraße, auf. Seit 1966 ist Dietrich Kittner ausschließlich mit Soloprogrammen an festen Spielstätten in Hannover und auf Tourneen zu sehen: Kabarett club voltaire (1968), Theater an der Bult – tab (1975), Theater am Küchengarten (TAK) (bis 2006). Unter anderen nennt Kittner den „satirischen Arbeiterdichter und revolutionären Politkünstler Erich Weinert“ als sein Vorbild. Im Jahr 1977 hat er als sein 15. Programm eine Erich-Weinert-Revue produziert, die auch auf einer Langspielplatte zu hören ist und mit der er sich „als würdiger Erbe seines großen Vorbildes ausgewiesen“ hat. [2])

In Fachkreisen legendär war seine Vorstellungszahl von jährlich zwischen 190 und 220 Soloauftritten in den Jahren 1966 bis 1996. Als Mitbegründer des Clubs Voltaire in Hannover 1968[3] und Mitinitiator der Aktion „Roter Punkt“ gegen Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr (1969 bis 1973) gewann er in seiner Heimatstadt Hannover auch über seine künstlerische Arbeit hinaus Popularität. Kittner, der Mitte der 1960er Jahre aus der SPD ausgeschlossen wurde, vertritt ein stark links orientiertes Kabarett, dessen Ziel er vor allem in der politischen Aufklärung sieht. In den 1970er Jahren gehörte er mit Franz Josef Degenhardt, Dieter Süverkrüp und den Mitgliedern der Gruppe Floh de Cologne zu jenen Liedermachern und Kabarettisten, die kommunistische Positionen vertraten und den real existierenden Sozialismus in Osteuropa prinzipiell befürworteten. Zwischen 1973 und 1989 absolvierte er als einer von wenigen Westkünstlern auch mehrere große DDR-Tourneen. Im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen hat er seit 1973 quasi „Fernsehverbot“ (Süddeutsche Zeitung). 1993 übergab Kittner die Leitung des bis dahin sechs Jahre durchgängig ausverkauften tak an eine GmbH. 2007 kündigte er wegen „unüberbrückbarer künstlerischer und organisatorischer Differenzen“ dem tak die Zusammenarbeit auf.

Schon 1990/91 hatte er sich entschieden, nach Bad Radkersburg in Österreich umzuziehen, und startet seine Deutschland-Tourneen von dort aus.

Seit 1998 ist Dietrich Kittner auch Mitherausgeber und Autor der Zweiwochenschrift Ossietzky. Er ist Mitglied der DFG-VK, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der Tucholsky Gesellschaft, des Schriftstellerverbandes (VS), der Erich-Mühsam-Gesellschaft und Ehrenmitglied des Freundeskreises Ernst Busch. Kittner steht der DKP nahe, schreibt gelegentlich in ihrer Zeitung Unsere Zeit und tritt regelmäßig bei Kulturveranstaltungen der Partei auf.

Günter Wallraff schrieb 1978 in seinem Vorwort zu Kittners zoologischer Garten: „Er ist der Einzelkämpfer und Partisan, der sich wesentlich weiter vorwagt auf feindliches Terrain als alle etablierten – früher mal politischen Kabaretts zusammen.“

Erhard Jöst konstatiert: „Kittner hat viel zur Demaskierung unhaltbarer Zustände in unserer kapitalistischen Wirtschaftswundergesellschaft beigetragen, weil er die politische Funktion des Kabaretts in den Vordergrund stellte, ohne die anderen Aufgaben zu vernachlässigen“, und er bescheinigt dem Kabarettisten Glaubwürdigkeit, „weil er sein Programm auf dem Podium nicht nur abspult, sondern den Dialog mit seinem Publikum sucht, und weil er permanent aktiv in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen eingreift.“ [4])

Dietrich Kittner ist der Vater des im Mai 2006 verstorbenen Musikers Konrad Kittner (später Konrad Carls, Abstürzende Brieftauben, Rasta Knast).

Der Niedersächsische Landtag hat in seiner 33. Sitzung am 25. März 2009 Dietrich Kittner zum Mitglied der 13. Bundesversammlung gewählt. Er hat damit am 23. Mai 2009 in Berlin an der Präsidialwahl teilgenommen.

Programme

Dietrich Kittner
  • Kompromis(s)ere
  • In höheren Kr(e)isen
  • Cavalleria tristicana
  • Status, quo vadis?
  • Der Freiheit eine Kasse!
  • Im Westen nicht Treues
  • Goldene Pleiten
  • Arm aber kleinlich
  • Bornierte Gesellschaft
  • Konzertierte Reaktion
  • Siecher in die 70er Jahre
  • Dein Staat – das bekannte Unwesen
  • Wollt Ihr den totalen Mief?
  • Schöne Wirtschaft
  • Kittners progressive Nostalgie
  • Der rote Feuerwehrmann
  • Dem Volk aufs Maul
  • Maden in Germany!
  • Der Widerspenstigen Zählung
  • Hai-Society
  • Droge Deutschland
  • Groß, größer, am Ende oder Das vierte Reicht
  • Mords-Gaudi I+II
  • 40 Jahre unter Deutschen
  • Bürger hört die Skandale!
  • Der Krieg der Tröpfe
  • Lachen amtl. verboten gem. §3, Abs.7 PassMustV
  • „Sehr geehrte Drecksau“

Festivals

Dietrich Kittner

u.v.a.m.

Veröffentlichungen

Sprechplatten

  • Schwarz-Braun-Rotes Liederbuch, EP
  • Die Leid-Artikler, live, LP
  • Bornierte Gesellschaft, live, LP
  • Konzertierte Reaktion, live, LP
  • Schöne Wirtschaft, live, LP
  • Dein Staat – das bekannte Unwesen, live, LP
  • Vorsicht bissiger Mund, live, 2LPs
  • Heil die Verfassung, live, LP
  • Wir packen’s an, EP
  • Maden in Germany !, live, 2 LPs
  • Damit das Leben die Bombe besiegt, EP
  • Dem Volk aufs Maul, 2 LPs
  • Hai-Society, live, 2 LPs
  • Droge Deutschland-Verdammt deutsche Lacher, 2 CDs, 2 MCs, 2 LPs, ISBN 3-924526-13-3
  • Groß, größer, am … Ende – DAS VIERTE REICHT! (Kittner live), 3 CDs, 2 MCs
  • Kittner Live 2 (aus den Programmen „40 Jahre unter Deutschen“ und MORDs-GAUDI“) 2 CDs
  • Kittner Live 3 (aus dem Programm „Krieg der Tröpfe“), 2 CDs
  • Soldaten, CD-Sampler Berenstark
  • Der Mann im Schornstein (Gedicht auf Sampler)
  • Kittner Live 4 (aus dem Programm „Sehr geehrte Drecksau!“), 2 CDs

MCs, DVD, Filme

Bücher

Übersetzungen

  • Когда-то был ЧЕЛОВЕКОМ (Vor Jahren noch ein Mensch), Progress Verlag Moskau 1989, 448 S., 28 Abb., Paperback

Preise

Einzelnachweise

  1. Welche Schule für mein Kind?, Verlagsbeilage der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 12. Januar 2011, S. 3
  2. Erhard Jöst: Der rote Feuerwehrmann aktuell. Dietrich Kittner aktualisiert Weinerts Gedichte. In: Kürbiskern 2/1978, S. 99-110
  3. Klaus Mlynek: Studentenproteste, in: Stadtlexikon Hannover, S. 611f.
  4. Erhard Jöst: Ein proletarischer Kabarettist. In: Kürbiskern 2/1985, S. 128-143

Weblinks



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