Egon Schwarz

Egon Schwarz

Egon Schwarz (* 8. August 1922 in Wien) ist ein US-amerikanischer Literaturwissenschaftler österreichischer Herkunft. Er lehrte als Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Harvard University und der Washington University in St. Louis.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1938 flüchtete er als Jude mit seinen Eltern aus Wien über Prag und Paris nach Südamerika. Von 1939 bis 1949 arbeitete er als Wanderarbeiter in Bolivien, Chile und Ecuador. Anschließend studierte er Jura, später Germanistik und Romanistik. Er hatte Professuren an der Harvard University und der Washington University inne, sowie Gastprofessuren an verschiedenen Universitäten in Amerika, Europa und Neuseeland. 2008 erhielt er in Stuttgart den Johann Friedrich von Cotta-Literatur- und Übersetzungspreis. Egon Schwarz ist korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Mitglied des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland.

Im Jahre 2011 gab Schwarz seinen Vorlass in das Deutsche Literaturarchiv in Marbach.[1]

Werk

Egon Schwarz gilt in der Germanistik als einer der wichtigsten Vermittler deutschsprachiger Literatur und Kultur in den Vereinigten Staaten.[2] Er befasst sich mit deutschsprachiger Literatur des 19. and 20. Jahrhunderts und hat bedeutende Beiträge zu Autoren wie Joseph von Eichendorff, Rainer Maria Rilke und Hermann Hesse publiziert. Die von ihm mit Matthias Wegner herausgegebene Textsammlung Verbannung (1964) war das erste umfangreichere Buch über emigrierte Schriftsteller, die Hitler-Deutschland verlassen hatten. In seiner Autobiographie, Keine Zeit für Eichendorff (1979 u. ö., Neuausgabe unter dem Titel Unfreiwillige Wanderjahre, 2005), beschreibt Schwarz seine Kindheit und Jugend in Wien, seine und seiner Eltern erzwungene Flucht aus Österreich sowie sein abenteuerliches Leben in Südamerika, bis zum Erreichen seines Ziels, des Literaturstudiums in den USA. Schwarz nähert sich in seinen Arbeiten der Literatur von einer historisch-kritischen Perspektive, indem er den Einfluss der Geschichte auf literarische Werke ebenso untersucht wie deren Einfluss auf das Lesepublikum. Dieses Verfahren bestimmt z. B. seine Studie über Hermann Hesse von 1970, in der er der Frage nachgeht, warum Hesse bei jungen Amerikanern der 1960er Jahre Kultstatus erlangt hat. Seine Annäherung an die Dichtung Rainer Maria Rilkes findet sich in seinem Buch Das verschluckte Schluchzen (1972). Schwarz initiierte damit eine weitergehende Kontroverse in der Fachwissenschaft über seine These, dass die Dichtung Rilkes trotz aller Mystik erkennbar von der Zeit beeinflusst wurde, in der Rilke lebte. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit war Schwarz über lange Jahre auch als Literaturkritiker tätig, vor allem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Werke (Auswahl)

  • Hofmannsthal und Calderon. 's-Gravenhage: Mouton 1962. (= Harvard Germanic Studies. 3.)
  • Hg. mit Matthias Wegner: Verbannung. Aufzeichnungen deutscher Schriftsteller im Exil. Hamburg: Wegner 1964.
  • Joseph von Eichendorff. New York: Twayne 1972.
  • Das verschluckte Schluchzen. Poesie und Politik bei Rainer Maria Rilke. Frankfurt/Main: Athenäum 1972.
  • Keine Zeit für Eichendorff. Chronik unfreiwilliger Wanderjahre. Königstein/Ts.: Athenäum 1979. ISBN 3-7610-8046-8. Neuausgabe: Mit einer Nachschrift 1991 und einem Essay von Hans-Albert Walter. Frankfurt/Main: Büchergilde Gutenberg 1992. (= Bibliothek Exilliteratur.) ISBN 3-7632-4059-4. 2. Neuausgabe unter dem Titel: Unfreiwillige Wanderjahre. Auf der Flucht vor Hitler durch drei Kontinente. Nachwort von Uwe Timm. München: Beck 2005. (= BsR. 1662.) ISBN 3-406-52836-8. 2. Aufl., ebd. 2009. ISBN 978-3-406-58686-6. Engl. Ausg.: Refuge. A chronicle of a flight from Hitler. Übers. v. Philip Boehm. Riverside, Calif.: Ariadne Press 2002. (= Studies in Austrian literature, culture, and thought. Biography, autobiography, memoirs series.) ISBN 1-57241-104-X.
  • Dichtung, Kritik, Geschichte. Essays zur Literatur 1900 - 1930. Vorwort v. Helmut Kreuzer. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983. ISBN 3-525-20753-0.
  • Literatur aus vier Kulturen. Essays und Besprechungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1987. ISBN 3-525-20765-4.
  • Ich bin kein Freund allgemeiner Urteile über ganze Völker. Essays über österreichische, deutsche und jüdische Kultur. Hg. v. Dietmar Goltschnigg u. Hartmut Steinecke). Berlin: Erich Schmidt 2000. (= Philologische Studien und Quellen. 163.) ISBN 3-503-04971-1.
  • Die japanische Mauer. Ungewöhnliche Reisegeschichten. Siegen: Böschen 2002. ISBN 3-932212-33-9.
  • (Mit) Schwarz lesen. Essays und Kurztexte zum Lesen und Gelesenen. Hrsg. von Jacqueline Vansant. Wien: Praesens 2009. ISBN 978-3-7069-0568-8.

Literatur

  • Paul Michael Lützeler, Gerhild S. Williams u. Herbert Lehnert (Hg.): Zeitgenossenschaft. Zur deutschsprachigen Literatur im 20. Jahrhundert. Festschrift für Egon Schwarz zum 65. Geburtstag. Frankfurt/Main: Athenäum 1987. ISBN 3-610-08921-0. (Mit Bibliographie.)
  • Ursula Seeber u. Jacqueline Vansant (Hg.): Schwarz auf Weiß. Ein transatlantisches Würdigungsbuch für Egon Schwarz. Wien: Czernin 2007. ISBN 978-3-7076-0239-5.

Anmerkungen

  1. Korrespondenzen in FAZ vom 22. Juli 2011, Seite 34
  2. Vgl. u. a. die Beiträge in den beiden unter Literatur genannten Festschriften.

Weblinks


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