Felsennest

Felsennest

Felsennest war der Deckname eines sogenannten Führerhauptquartiers in Rodert, einem Stadtteil von Bad Münstereifel in der Eifel.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Aufbau

Das „Felsennest“ war das erste ortsfeste Führerhauptquartier des Zweiten Weltkrieges. Im Gegensatz zu den späteren Hauptquartieren, die abseits von Städten und Dörfern lagen und aufwendig bewacht wurden, befand sich das Felsennest am Rand eines Dorfes.

Es handelte sich ursprünglich um eine beschränkt ausgebaute Flak-Batteriestellung der „Luftverteidigungszone West“ (abgekürzt LVZ-West). Auf dem Radberg errichtete man ab 1939 vier betonierte Geschützstände, eine Gerätestellung zur Ermittlung der Schusswerte, eine Stellung für ein 2 cm-Flakgeschütz zur Fliegerabwehr, Mannschaftsbaracken und Munitionsbunker. Etwas abgesetzt von der Batterie-Stellung mit 8,8 cm Flak-Geschützen errichtete man auf einem Bergrücken Stände für die Feuerleitung der umliegenden Batterie-Stellungen. Diese beiden Bunker waren die Grundlage des später gebauten „Führerhauptquartiers“. Es wurde seit Februar 1940 ausgebaut und lag im hinteren Bereich des Westwalls. Die Anlage ist die einzige dieser Art, die keinen neuen Decknamen erhielt, sondern den bestehenden topographischen Namen eines Bergrückens – Felsennest – übernahm. Erst in den 1970er Jahren wurde der Name von der offiziellen topographischen Karte getilgt und in „Eselsberg“ umbenannt. Hitler entschied sich erst Ende Februar 1940 für das Felsennest. Das eigentlich für den Westfeldzug vorgesehene Hauptquartier „Adlerhorst“ im Taunus (nördlich von Frankfurt am Main) lehnte er zuvor ab. Das Felsennest wurde von Angehörigen der Organisation Todt in kurzer Zeit gebaut. Auch die Zufahrtsstraße nach Rodert baute man aus. Mitte März 1940 trafen erste Einheiten des Führer-Begleitbataillons in Rodert zur Bewachung der Anlagen ein.

Für die Roderter Bevölkerung wurden zwei Luftschutzbunker gebaut (im Ober- und Unterdorf). Auf dem Gelände des Hauptquartiers errichtete man einen sogenannten „Gästebunker“ und für die Schreibkräfte einen Luftschutzbunker. In Rodert war die Abteilung Landesverteidigung des Wehrmachtführungsamtes unter dem Obersten Walter Warlimont untergebracht.

Die Dorfbewohner erhielten Ausweise (sog. Kennkarten), um den Ort betreten und verlassen zu können. Die Sicherung und Überwachung innerhalb des Sperrkreises I übernahm die Leibstandarte „Adolf Hitler“, außerhalb Angehörige des Führer-Begleitbataillons.

Nutzung

Während des ersten Teils des Westfeldzuges „Fall Gelb“ (Einmarsch deutscher Truppen in die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Nordfrankreich) nutzte Adolf Hitler das Hauptquartier vom 10. Mai bis zum 6. Juni 1940. Zeitgleich begann der Angriff im Westen. Das Oberkommando des Heeres war nur wenige Kilometer von Rodert in einem Waldgebiet (Bunker- und Barackenlager) um das Forsthaus Haniel in Hülloch untergebracht. Außenminister Joachim von Ribbentrop, der Reichsführer-SS Heinrich Himmler und der Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers hielten sich im sogenannten „Ministerzug Heinrich“ auf, der in Flammersfeld bei Altenkirchen bis zum 8. Juni 1940 dort abgestellt wurde. Der Sonderzug „Asien“ des Oberbefehlshabers der Luftwaffe stand unweit des Tunnels bei Trimbs (südöstlich von Mayen) an der Bahnstrecke Koblenz-Polch, etwa 50 Kilometer vom Felsennest entfernt. Diese beiden Sonderzüge gehörten als angeschlossene Einrichtungen zum Hauptquartier.

Während der Nutzungszeit als Hauptquartier empfing Hitler unter anderem den italienischen Botschafter Alfieri, Großadmiral Raeder, Reichsführer-SS Heinrich Himmler, Außenminister von Ribbentrop, Feldmarschall Göring, Generaloberst von Brauchitsch, General Franz Halder, General der Flieger Friedrich Christiansen, Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete, Josef Terboven, Reichsminister Otto Meißner, Sepp Dietrich, Chef der Leibstandarte-SS „Adolf Hitler“; Reichsminister Dr. Fritz Todt, Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers, Reichsinnenminister Wilhelm Frick, Propagandaminister Goebbels. Am 11. Mai besuchte Hitler das OKH-Quartier, um sich dort die Lage vortragen zu lassen. Es war sein einziger Besuch des OKH-Quartiers während des gesamten Westfeldzuges. In einer eigens gebauten, gut getarnten Holzbaracke fanden im Sperrkreis I durchschnittlich zweimal am Tag die Lagebesprechungen (Teilnehmer unter anderem: Keitel, Chef des OKW und Jodl, Chef des Wehrmachtführungsamtes) statt. Hitler empfing am 13. Mai 1940 Fallschirmjäger, die bei der Eroberung des belgischen Forts Eben-Emael eine wichtige Rolle spielten, um ihnen das Ritterkreuz zu verleihen.

Mit einem Erlass vollzieht Hitler am 18. Mai 1940 die Annexion der durch den Friedensvertrag von Versailles abgetrennten Gebiete von Eupen, Malmedy und Moresnet und gliedert sie in die Rheinprovinz – Regierungsbezirk Aachen – ein. Am 24. Mai 1940 ließ Hitler die Panzertruppen vor Dünkirchen anhalten. Erst einige Tage später konnten sie den Angriff auf Dünkirchen und den Hafen wieder aufnehmen. So konnten über 300.000 alliierte Soldaten nach England flüchten. Im Felsennest versuchte der Oberbefehlshaber des Heeres, von Brauchitsch, Hitler zur Rücknahme seines folgenschweren Befehls zu bewegen; vergebens. Ende Mai 1940 traf Hitler erneut den italienischen Botschafter Alfieri. Dieser überbrachte eine Botschaft von Mussolini über den bevorstehenden Kriegseintritt Italiens an der Seite des Deutschen Reiches. Er erfolgte schließlich am 10. Juni 1940.

Während der Nutzungszeit als Führerhauptquartier wurde das Felsennest mehrfach von feindlichen Flugzeugen überflogen. Ein ernsthafter Luftangriff erfolgte jedoch nicht. Es wurden Vorsichtsmaßnahmen zur Fallschirmjägerbekämpfung ergriffen. Die Verantwortlichen rechneten mit einem entsprechenden Unternehmen der Briten und Franzosen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren gegenüber dem späteren FHQ Wolfsschanze jedoch denkbar einfach.

Nach Hitlers Abreise am 6. Juni 1940 wurde das Felsennest weiterhin bewacht und gewartet. Es sollte später unter Denkmalschutz gestellt werden. Das Eifeler Hauptquartier war während des gesamten Krieges jederzeit bezugsfähig.

Während der Lagebesprechung am 5. März 1943 im Hauptquartier Werwolf teilte Hitler mit, dass er das Felsennest nicht wieder nutzen wolle. Als Grund führte er die Luftbedrohung und die Gefahr einer Zerstörung der ca. 15 Kilometer entfernten Stadt Euskirchen an. Mitte September 1944 nutzte die Führungsstaffel der 7. Armee der Heeresgruppe B vorübergehend die Anlagen um das Forsthaus Hülloch als Hauptquartier. Wenige Monate später (vermutlich Ende November/Anfang Dezember 1944) bezog der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B, Feldmarschall Walter Model, das ehemalige OKH-Quartier in Hülloch. Von dort aus führte er die Ardennenoffensive (Beginn 16. Dezember 1944) und die sich daran anschließenden Rückzugsgefechte. Ende Dezember 1944 besuchte Reichsminister Speer den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B in seinem Bunker- und Barackenlager in Hülloch. Im Januar 1945 fanden zwei Luftangriffe auf die Anlagen des ehemaligen OKH-Quartiers statt. Neben erheblichem Sachschaden gab es zahlreiche Tote und Verwundete.

Nachkriegszeit

Anfang März 1945 wurden die wichtigsten Anlagen im Sperrkreis I (das heißt der K- und F-Stand sowie mehrere Baracken) von deutschen Soldaten gesprengt. Vermutlich wurden im selben Zeitraum auch die Bunkerbauten um das Forsthaus Hülloch ebenfalls von der Wehrmacht zerstört. Münstereifel und die Umgebung wurden am 7. März 1945 kampflos von amerikanischen Soldaten eingenommen. Am 17. März 1945 ereignete sich in Rodert eine gewaltige Explosion. Die Ursache dieser Explosion ist bis heute nicht restlos geklärt. Es gibt Hinweise (unter anderem Bodenfunde), die auf einen Frühabsturz einer V 2-Rakete hindeuten. Nach dem Krieg waren die Anlagen für kurze Zeit herrenloses Gut, jeder holte sich, was er brauchen konnte. Es gibt Listen mit den Angaben, wer was aus den Anlagen herausgeholt hatte, die Sachen wurden eingezogen und anschließend versteigert. Die Bunker in und um Rodert dienten bis Ende der 1940er Jahre Obdachlosen/Flüchtlingen als Notunterkünfte. Eine große Kinobaracke verkaufte man an eine Gemüsehändlerin in Euskirchen. Die Luftschutzbunker für die Zivilbevölkerung sowie der Gästebunker am Batterie-Beständelager wurden in den folgenden Jahren beseitigt. Reste des Batterie-Beständelagers entfernte man in den 1990er Jahren.

Heutiger Zustand

Fundamente der Lagebaracke
Reste des Führerbunkers

Auch heute noch findet man bauliche Reste des Führerhauptquartiers. Der sogenannte Führerbunker ist als gesprengte Ruine erhalten, von der Lagebaracke findet man noch das Fundament. Auf der Kuppe des Eselsbergs liegen noch die gesprengten Betonreste des K-Standes. Das kleine Gästehaus, in dem die weiblichen Schreibkräfte untergebracht waren, hat einen neuen Eigentümer. Der neben dem Haus gelegene Luftschutzbunker für Frauen ist noch erhalten.

Drei kleine „Splitterschutzbunker“ im ehemaligen Sperrkreis II sind ebenfalls erhalten. Im Wald um das Felsennest findet man noch vereinzelt die Reste des Sperrzauns für den Bezirk I. Auch zwei Ein-Mann-Unterstände (vergleichbar mit den sog. „Koch-Unterständen“) sind nicht beseitigt worden. Die ehemalige Friseurbaracke und ein Badehaus wurden nach dem Krieg um- und ausgebaut. Das ehemalige Wachhaus aus dem Bauprogramm 1942/1943 ist ebenfalls noch erhalten. Das Gebäude wurde zwischenzeitlich verklinkert und mit einem neuen Dach versehen.

Von der Flaksicherung findet man Reste der betonierten Geschützstände auf dem Radberg und auf den umgebenden Höhen Betonfundamente von hölzernen Türmen für leichte Flak (2 cm). Die Aufbauten wurden bereits im Mai 1945 im Auftrag des Landrates verkauft, bei einem wurde als zukünftiger Verwendungszweck „Hochsitz“ angegeben.

Im Bereich des Bad Münstereifeler Ortsteiles Forsthaus Hülloch (Hanielsche Forstverwaltung) befinden sich heute, rechts und links der Straße große Trümmerteile der gesprengten Bunkeranlagen, die einmal dem Oberkommando des Heeres (OKH) als festes Quartier dienten. Das Forsthaus selber war Quartier von Teilen des Generalstabes. Auch ein Postenstand gegenüber der Einfahrt zum Forsthaus ist erhalten geblieben. Er steht heute unter Denkmalschutz.

Der Feldflugplatz Odendorf ist nach dem Krieg zurückgebaut worden. Es entstand ein Neubaugebiet.

Literatur

  • Gerhard Buck: Das Führerhauptquartier 1939-1945. Zeitgeschichte im Bild. Leoni am Starnberger See 1983.
  • Manfred Groß: Bunkerstellungen der Luftverteidigungszone West im Rheinland und Hitlers Hauptquartier in Bad Münstereifel-Rodert. Verlag Werner Sünkel (Leinburg) Offenhausen 2001 (Seite 67-106). ISBN 3-930060-90-6
  • Hans-Josef Hansen: Felsennest – Das vergessene Führerhauptquartier in der Eifel. Bau, Nutzung, Zerstörung. Helios Verlag Aachen 2008, 2. erweiterte Neuauflage (umfangreiche Dokumentation über das erste ortsfeste Führerhauptquartier des Zweiten Weltkrieges mit zahlreichen historischen und aktuellen Aufnahmen). ISBN 3-938208-21-X
  • Heinrich Hoffmann: Mit Hitler im Westen. Berlin 1940 (darin Aufnahmen aus dem Felsennest und den Nachfolgequartieren)
  • Peter Hoffmann: Die Sicherheit des Diktators – Leibwachen, Schutzmaßnahmen, Residenzen, Hauptquartiere. München/Zürich 1975.
  • Werner Jochmann (Hrsg.): Monologe im Führerhauptquartier 1941-1944. Die Aufzeichnungen Heinrich Heims. Hamburg 1982.
  • Alexander Kuffner: Zeitreiseführer Eifel 1933-45. Taschenbuch. Seite 32–38. Helios, Aachen 2007, ISBN 978-3-938208-42-7.
  • Richard Raiber: The Führerhauptquartier – Guide to Hitler´s Headquarters (After the Battle, Nr. 19), London 1977.
  • Schroeder, Christa: Er war mein Chef. Aus dem Nachlaß der Sekretärin von Adolf Hitler. Hrsg. von Anton Joachimsthaler, München Wien 1982 (Informationen und Schilderungen über die verschiedensten Hauptquartiere).
  • Franz W. Seidler, Dieter Zeigert: Die Führerhauptquartiere. Anlagen und Planungen im Zweiten Weltkrieg. Herbig, München 2000. ISBN 3-7766-2154-0
  • Walter Warlimont: Im Hauptquartier der deutschen Wehrmacht 1939 bis 1945. Grundlagen, Formen, Gestalten, 2 Bände, München 1978.
  • TV-Dokumentation: Hitlers Führerhauptquartiere von Rudolf Sporrer. Bayerischer Rundfunk 2003.

Weblinks

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