- Al-Kaida
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al-Qaida (arabisch القاعدة al-qāʿida [alˈqaːʕɪda]) ist ein Netzwerk dschihadistischer Gruppen, dem u. a. Anschläge in Kenia, Tansania, auf die Al-Ghriba-Synagoge der Insel Djerba, Sharm El-Sheikh am 23. Juli 2005 und die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA zur Last gelegt werden. Al-Qaida wird unter anderem vom deutschen Verfassungsschutz[1] und den USA[2] zu den transnationalen Terrorgruppen gezählt und gilt dabei als „Prototyp“ für diese Art von Terrorismus.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung, Schreibweisen und Aussprache
Der Name al-Qaida wird häufig mit „die Basis“ übersetzt, wobei das arabische Wort qāʿida weitere Bedeutungen hat (unter anderem „Basis“, „Regel“, „Stützpunkt“, „Fundament“, „Datenbank“ und – als weibliches determiniertes Aktivpartizip – „die Sitzende“). Bislang ist im Deutschen keine einheitliche Schreibung des Namens zu beobachten. Der Rechtschreibduden verzeichnet die Schreibungen Al Kaida und al-Qaida, verweist jedoch auf den Haupteintrag El Kaida. In der deutschsprachigen Presse finden sich weitere Schreibungen, wie etwa al-Kaida oder al-Qaeda (so auch häufig in den US-Medien). Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen haben sich zwischenzeitlich auf die Schreibweise Al Kaida verständigt [3]. Der Grund für die vielen Varianten liegt in der Problematik der Transkription aus dem Arabischen, zumal der erste Konsonant (Qaf) im Deutschen und Englischen kein Pendant besitzt.
Da der Name zwei dem Deutschen (und vielen anderen Sprachen) fremde Laute besitzt (das gerade angesprochene Qaf und das Ain), ist die korrekte Aussprache für Nichtmuttersprachler des Arabischen schwierig. Das Qaf ([q], ق) ist wie ein „Zäpfchen-k“ auszusprechen (an der Stelle, wo im Standarddeutschen und Schweizerdeutschen der ach-Laut artikuliert wird), das Ain ([ʕ], ع) ist ein stimmhafter Pharyngal oder Rachenlaut, der von dem Langvokal a in den Kurzvokal i überleitet.
Der arabischen Aussprache kommt man jedoch nahe, wenn man den ersten Konsonanten (q/k) als k spricht; das folgende a und das i werden als Diphthong gesprochen, wobei das a jedoch deutlich länger zu sprechen ist als das i. Das i kann als kurzes e gesprochen werden, um den Einfluss des Ain nachzuahmen. Die Betonung liegt auf der ersten Silbe. (Es ergibt sich somit die Aussprache al Kaa-ida oder al Kaa-eda, die Betonung liegt jeweils auf der Silbe Kaa.)
Wird das i lang ausgesprochen oder betont, bedeutet das Wort übrigens „Partnerin“ oder „Lebensgefährtin“; diese falsche Aussprache vieler (westlicher) Fernsehreporter wird in der arabischsprachigen Welt mit Humor aufgenommen und ist Anlass für zahlreiche Witze.
Struktur
Der Verfassungsschutz nimmt an, dass eine zentrale Führung der Organisation durch Osama bin Laden oder Aiman az-Zawahiri aufgrund des Fahndungsdruckes nicht mehr möglich sei, und bezeichnet al-Qaida als „virtuelle Organisation, die Impulse für die jeweils Agierenden setzt“. [4] Auch andere Beobachter sehen al-Qaida als Dachverband, unter dessen Namen sich weitgehend autonome Zellen mit ähnlicher Ideologie und überlappenden Zielen versammeln. Dieses „führerlose Netzwerk“ [5] mit über das ganze Land verstreuten Kleingruppen ohne Befehlskette und Mitgliederverzeichnis soll Polizei und Geheimdiensten die Infiltrierung erschweren.
Als ideologischer Kopf dieser losen Gruppen gilt jedoch nach wie vor der Saudi Osama bin Laden. Die zwischenzeitlich erhobene Vermutung, dieser sei im Rahmen des Afghanistan-Krieges 2002 umgekommen, bestätigte sich nicht, da sich bin Laden 2004 und 2007 wieder in einer Videobotschaft zu Wort meldete.
Mitglieder
Als Gründer und Anführer der Organisation gilt Osama bin Laden. In seinem Umfeld Salim Ahmad Hamdan, siehe dazu Hamdan gegen Rumsfeld.
Zu den weiteren Führungskräften zählen bzw. zählten:
- Khalid Scheich Mohammed
- Abu Faradsch al-Libi
- Yasir al-Dschaziri
- Aiman az-Zawahiri
- Abu Ubaida al-Banschiri
- Baitullah Mehsud
- Abdul Hadi al Iraqi
Andere bekannte Mitglieder sind bzw. waren:
- Abu Isa al-Hindi
- Abu Musab az-Zarqawi
- Abu Omar al-Kurdi
- Ahmad Chalfan al-Ghailani
- Ali Mohammed
- Faris as-Sahrani
- Mohamedou Ould Slahi
- Mohammed Atta
- Ramzi Ahmed Yousef
- Ramzi bin asch-Schaiba
- Scharif al-Misri
Hintergrund
Der Name „Al-Qaida“ geht wahrscheinlich zurück auf den bedeutenden Dschihad-Theologen Abdallah Azzam. Im April 1988 rief Azzam in der Zeitschrift al-Dschihad zur Gründung einer „soliden Basis“ (arabisch al-Qaida al-sulba) auf. Azzam hatte seit Anfang der Achtziger, seit 1984 gemeinsam mit Osama bin Laden, von Pakistan aus versucht, finanzielle und personelle Unterstützung für den Kampf der Mujahedin gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans zu werben. Unterstützung erhielten sie aus islamischen Ländern, aber auch durch den pakistanischen Geheimdienst ISI und durch die USA.
Azzam entwickelte die Theorie der „Verteidigung der muslimischen Territorien als persönliche Pflicht des Muslim“ (so der Titel eines Werks von 1984), die nicht nur den Kampf gegen nicht-muslimische Regierungen, sondern auch gegen äußere Feinde wie in Afghanistan implizierte. Hauptanliegen Azzams waren Afghanistan und Palästina (wo er geboren wurde), aber er sprach in seinem Werk von 1984 auch von den Philippinen, der Kaschmirregion, dem Libanon, dem Tschad und Eritrea. Auch die Methode des Selbstmordanschlags geht auf Azzam zurück, welcher den Märtyrertod verherrlichte.
Bin Laden hatte schon bald auch den Aufbau einer unabhängigen Kampfgruppe von Arabern betrieben, die nicht mehr direkt dem Kommando der afghanischen Mudschahedin unterstellt war. Er wandte sich später mit seinem Kampf vor allem gegen die Präsenz der Amerikaner in seiner Heimat Saudi-Arabien. Kämpfer von al-Qaida nahmen Anfang der Neunziger am Krieg in Jugoslawien teil.
Ideologie
Die al-Qaida setzt auch auf Propaganda vor allem in arabischen und muslimischen Gesellschaften. Sie sieht Gewaltakte als Mittel, alle Muslime im „Befreiungskampf“ gegen die Dominanz des Westens zu vereinen. Dabei werden Terrorakte auch gegen Zivilisten, die als „Kollaborateure“ zur Zielscheibe werden oder einfach als zufällige Terroropfer mit in Kauf genommen. Hauptkampfgebiet ist nach den letzten Aufrufen Bin Ladens der Irak.
Obwohl sich die meisten Iraker heute gegen den Terror aussprechen, findet al-Qaida in manchen Strömungen muslimischer Gesellschaften, besonders in Pakistan, Indonesien und Saudi-Arabien, Rückhalt. Dies hängt auch mit der traditionellen Verbindung von Religion und Politik in islamischer Tradition zusammen. Für streng gläubige Muslime ist jede Staats- und Gesellschaftsform außerhalb der Scharia verwerflich. Darum sehen manche sich legitimiert, die Welt der „Ungläubigen“ mit Terrorakten zu zerstören.
Im Islam gibt es allerdings keine Garantie, dass man nach dem Tod ins Paradies kommt, selbst wenn man sein ganzes Leben lang gute Werke getan hat. Alles hängt davon ab, wie Allah einmal entscheiden wird. Wenn aber ein Muslim im Dschihad stirbt, muss er im Grab nicht auf das Gericht warten, sondern – so der Glaube – kommt sofort ins Paradies.[6] Gerade junge Muslime aus ärmlichen Verhältnissen fühlen sich von der Dschihad-Ideologie angezogen.
Die Rolle der Religion als Ursache des islamistischen Terrors ist umstritten. Die Täter verstehen ihre Anschläge als eine Form des Dschihad und berufen sich dazu auf den Koran, der ihnen befehle, all jene zu töten, die sich nicht zum Islam bekehren wollten:
„Tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf.“
– Sure 9,5
Andere islamische Theologen weisen jedoch darauf hin, dass der Koran den Angriffskrieg, das Töten ohne Not, das Töten Unschuldiger und Selbstmordanschläge ausdrücklich verbiete. Sie sehen den islamistischen Terrorismus ihrerseits als Abkehr vom „wahren“ Islam und bestreiten, dass Osama bin Laden überhaupt das Recht habe, eine Fatwa auszusprechen.
Strategische Ziele
- Sturz aller Regierungen, welche nicht nach ihrem Prinzip vorgehen. Dies geschieht vor allem auf der arabischen Halbinsel und in anderen arabischen Staaten, um dann an deren Stelle eine vermeintlich authentische islamische Ordnung, den Gottesstaat der „Rechtgläubigen“, zu errichten.
- Zerstörung Israels.
- Angriff auf die Schutzmacht USA, und über kurz oder lang auf den Westen und seine offenen Gesellschaften generell.
- Seit März 2008 zählt auch Deutschland zu den Ländern, die am meisten vom Terrorismus bedroht sind.[7]
- Sturz des Saudischen Königshauses. [8]
- Wiederherstellung des Kalifats, die Vereinigung aller Muslime unter einem muslimischen Herrscher. Diese Art des Denkens geht auf Abdullah Azzam zurück, welcher das Denken und Handeln Bin Ladens sehr stark beeinflusste und welcher auch in gewisser Weise als Mitbegründer der Al-Qaida gilt (Azzam starb 1989 bei einem Bombenattentat). Zitat Azzam: „Diese Pflicht wird mit dem Sieg in Afghanistan nicht enden; der Dschihad wird eine Verpflichtung jedes Einzelnen bleiben, bis alle anderen Länder, die einmal muslimisch waren, an uns zurückgegeben sind, so dass der Islam dort wieder herrschen wird: Vor uns liegen Palästina, Buchara, Libanon, Tschad, Eritrea, Somalia, die Philippinen, Burma, Südjemen, Taschkent und Andalusien.“
Zugeschriebene Anschläge
- 1993
- 26. Februar 1993: Sprengstoffanschlag auf das World Trade Center in New York, es starben 6 Menschen, und ca. 1.000 werden verletzt.
- 1995
- 5. September 1995: Operation Bojinka wird gestoppt.
- 13. November 1995: Sprengstoffanschlag auf eine US-Militäreinrichtung in Riad (Saudi-Arabien), es werden 7 Menschen getötet.
- 1996
- 25. Juni 1996: Sprengstoffanschlag mit einem LKW auf den Khobar Tower nahe dem saudisch-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Zahran (Saudi-Arabien), es sterben 19 Menschen, und 64 werden verletzt.
- 1998
- 7. August 1998: Bombenanschläge auf die amerikanischen Botschaften in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania), es sterben insgesamt 224 Menschen. Die Verantwortung für die Anschläge übernahm die Organisation Islamischer Dschihad des Ägypters Aiman az-Zawahiri.
- 2000
- 12. Oktober 2000: Anschlag auf die USS Cole (DDG-67) im Hafen von Aden (Jemen), 17 Tote und 39 Verletzte.
- 2001
- 11. September 2001: Terroranschläge in den Vereinigten Staaten, es sterben etwa 3.000 Menschen.
- 13. September 2001: Ein Plan zum Angriff auf die US-Botschaft in Paris wird vereitelt.
- 2002
- 23. Januar 2002: In Pakistan wird der US-Journalist Daniel Pearl entführt und ca. 6 Tage später ermordet.
- 17. März 2002: Anschlag mit Handgranaten auf eine Kirche in Islamabad (Pakistan), 5 Tote.
- 11. April 2002: Bombenanschlag auf die Al-Ghriba-Synagoge in Djerba (Tunesien), es sterben 19 Menschen, darunter 14 Deutsche.
- 8. Mai 2002: Bei einem Attentat auf Ingenieure aus Frankreich sterben in Karatschi (Pakistan) 14 Menschen.
- 14. Juni 2002: Bei einem Autobombenanschlag vor dem US-Konsulat in Karatschi sterben 12 Menschen.
- 5. September 2002: Bei einem Autobombenanschlag in Kabul (Afghanistan) sterben 26 Menschen; der afghanische Präsident Karsai überlebt knapp.
- 6. Oktober 2002: Beim Angriff auf den französischen Öltanker Limbourg im Jemen stirbt ein Mensch.
- 12. Oktober 2002: Bei Bombenanschlägen gegen Diskotheken in Bali (Indonesien) sterben 202 Menschen.
- 28. Oktober 2002: In Amman (Jordanien) wird ein amerikanischer Entwicklungshelfer erschossen.
- 28. November 2002: Bei einem Anschlag auf israelische Touristen in Kenia sterben 16 Menschen.
- 30. Dezember 2002: In Dschibla (Jemen) werden drei amerikanische Ärzte erschossen.
- 2003
- 12. Mai 2003: Bei einem Anschlag auf Ausländersiedlungen in Riad (Saudi-Arabien) sterben 35 Menschen.
- 14. Mai 2003: Bei einem Anschlag in einem Gerichtsgebäude im Jemen sterben vier Menschen.
- 16. Mai 2003: Bei fünf Anschlägen auf ausländische und jüdische Einrichtungen in Marokko sterben neben den Attentätern weitere 32 Menschen.
- 7. Juni 2003: Bei einem Anschlag auf einen Bus der deutschen Bundeswehr sterben in Afghanistan vier deutsche Soldaten.
- 5. August 2003: Vor einem Hotel in Jakarta sterben 12 Menschen.
- 8. November 2003: Bei einem Anschlag auf Ausländersiedlungen in Saudi-Arabien sterben 18 Menschen.
- 15. November und 20. November 2003: Bei insgesamt vier Anschlägen in Istanbul, von denen jeweils zwei zeitgleich erfolgen, sterben insgesamt 57 Menschen.
- 2004
- 11. März 2004: Bei Anschlägen auf vollbesetzte Pendlerzüge in Madrid sterben 191 Menschen, etwa 1.500 werden verletzt.
- 7. Oktober 2004: In Taba und Ras Schitan (Moon Island Village) werden 34 Menschen ermordet.
- 2005
- 7. Juli 2005: Anschläge auf Londoner U-Bahn-Stationen und Busse. Es werden mindestens 56 Menschen getötet und mindestens 700 weitere verletzt. Ob eine Verbindung der in England lebenden Attentäter zu al-Qaida bestand, ist bis heute ungeklärt.[9]
- 23. Juli 2005: Drei Anschläge in Scharm El-Scheich in Ägypten ab 01:15. Mindestens 88 Menschen sterben bei einer Explosion einer Autobombe. Unter den Opfern befinden sich hauptsächlich Touristen, da die Autobombe in einem Hotel explodiert.
- 19. August 2005: Die „Abdallah-Azzam-Brigaden“ übernehmen die Verantwortung für die Raketenangriffe auf US-Kriegsschiffe und die israelische Stadt Eilat.
- 28. August 2005: Im Süden der Philippinen kommt es zu einem Bombenattentat auf eine Personenfähre, bei dem mindestens 30 Personen verletzt werden. Die Behörden gehen davon aus, dass die al-Qaida nahe stehende Abu-Sayyaf-Gruppe hinter dem Anschlag steht.
- 9. November 2005: Explosionsserie in drei jordanischen Luxushotels mit ca. 67 Toten und rund 300 Verletzten.
- 2007
- 27. Dezember 2007: Attentat auf die pakistanische Oppositionsführerin Benazir Bhutto. Dass al-Qaida die Verantwortung trägt, wurde unmittelbar nach dem Anschlag von der Seiten der pakistanischen Regierung unter Pervez Musharraf behauptet. Vertreter der al-Qaida weisen das von sich. Oppositionspolitiker, auch Vertreter der Pakistanischen Volkspartei der Bhutto vorstand, vermuten das Militär bzw. den Geheimdienst hinter dem Mord.[10]
Insgesamt werden mindestens ca. 4.200 (Addition der obigen Opferzahlen) Tote der al-Qaida zugeschrieben. Laut Bundeskriminalamt wurden 70.000 Kämpfer in al-Qaida-Lagern ausgebildet.
Die arabischen Opfer im Irak und dessen Nachbarländern, die bei al-Qaidas angeblichem Kampf gegen die USA getötet werden, sind allerdings meist nicht Teil der Statistiken. Inzwischen, wird vermutet, kann die Zahl der Opfer in den arabischen Ländern höher sein als in Europa oder Amerika.
Umstrittene Namensgebung
Indes gilt die ursprüngliche Namensgebung (unabhängig von der Schreibweise) als umstritten. Abu Rida, einer der Teilnehmer der Zusammenkunft der Führer der „arabischen Afghanen“ in Peschawar am 11. August 1988, bei der die Gruppe gegründet wurde, bezeichnet sie von Anfang an mit dem Namen al-Qaida.[11][12] Ahmad Zaydan, Reporter für Al-Dschasira[13], zitiert auch Bin Laden selbst mit der Aussage, „al-Qaida“, das sich aus dem Arabischen unter Anderem mit „die Basis“ übersetzen lässt, sei die Bezeichnung für den Ausbildungsstützpunkt gewesen, und daher leite sich auch der Name ab.[14]
In der Folge des Autobombenanschlags auf das New Yorker World Trade Center vom 26. Februar 1993 tauchte der Name al-Qaida erstmals im westlichen Medien auf. So berichtete Agence France-Presse am 30. Mai 1993 in einer Agenturmeldung von einem 27-jährigen Mann, der „von al-Qaida ausgebildet worden [ist], einer geheimen Organisation in Afghanistan, die von einem wohlhabenden saudischen Geschäftsmann namens Osama bin Laden finanziert wird, der in Dschidda eine Baufirma betreibt.“[15]
Demgegenüber wird gelegentlich behauptet, der Begriff al-Qaida als Bezeichnung für das Terrornetzwerk um Osama Bin Laden sei erst nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von westlichen Politikern und Medien eingeführt worden. So äußerte Sa'ad al-Faqih, ein Arzt, der Bin Ladens Anhänger, darunter angeblich auch die Piloten der Terroranschläge des 11. September, in afghanischen Camps gepflegt haben soll:
„Ich muss wirklich lachen, wenn ich das FBI über Al-Qaida als Organisation von Bin Ladin reden höre. Es ist eine ganz simple Geschichte: Wenn Bin Ladin Leute aus Saudi-Arabien oder Kuwait empfing, tat er dies im Gästehaus in Peschawar. Von dort zogen sie auf die Schlachtfelder und kehrten zurück, ohne Dokumentation. Es gab nur einen freundlichen Empfang, und dann gehst du dahin, und nimmst am Krieg teil – eine sehr einfache Organisation. Dann wurde er bedrängt von besorgten Familien, die nach ihren Söhnen fragten – und er wusste es nicht, weil es keine Aufzeichnungen gab. Also ließ er seine Leute in Peschawar Listen über jeden Araber führen, der unter seine Schirmherrschaft kam. Es wurde der Ankunftstag aufgezeichnet und wie lange sie blieben – manche nur für zwei oder drei Wochen, um dann wieder zu verschwinden. Diese Aufzeichnung, diese Dokumentation, wurde Al-Qaida genannt. Das ist Al-Qaida, überhaupt nichts Geheimnisvolles, keine Organisation wie eine Terroristenorganisation oder eine Untergrundgruppe. Für seine eigene Gruppe hat er meines Wissens nie diesen Namen benutzt. Wenn man sie benennen sollte, würde man „Bin-Ladin-Gruppe“ sagen – Al-Qaida ist nur die Liste all der Leute, die irgendwann in das Gästehaus in Peschawar kamen. Insgesamt bestimmt 20-30.000 Leute, die man unmöglich verfolgen kann.“
Neben Telepolis und Frontline berichtete auch Spiegel-TV im Jahre 2002 von diesem Gästehaus. Al-Qaida lässt sich auch als Datenbank übersetzen (s. o.), was einer solchen Liste mit zigtausend Einträgen entsprechen könnte. Es ist aber zu beachten, dass Verfechter dieser Theorie damit nicht die Existenz eines von Osama Bin Laden organisiertes Terrornetzwerk bestreiten wollen, sondern lediglich den Namen einer solchen Organisation anzweifeln.
Siehe auch
Literatur
- Allen, Charles: God’s Terrorists, The Wahhabi Cult and the Hidden Roots of Modern Jihad, London: Little, Brown 2006.
- Bearden, Milton: Afghanistan, Graveyard of Empires, in: Foreign Affairs, Vol. 80, No. 6, November/December 2001, S. 17-30.
- Brisard, Jean-Charles / Martinez, Damien: Das neue Gesicht der Al-Qaida. Sarkawi und die Eskalation der Gewalt. Berlin: Propyläen, August 2005. – 1. Auflage. – ISBN 3-549-07266-X
- Burke, Jason: Al-Qaida. Wurzeln, Geschichte, Organisation. Düsseldorf/Zürich: Artemis & Winkler, 2005. – ISBN 3-538-07204-3
- Duran, Khalid: Überall Pflicht, Der Kleine und der Große Dschihad, in: FAZ, Nr. 235 vom 10. Oktober 2001, S. 11.
- Gray, John: Die Geburt al-Qaidas aus dem Geist der Moderne, München: Antje Kunstmann 2004.
- Kepel, Gilles, Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors. München: Piper, März 2006. – ISBN 3-492-04912-5* Gunaratna, Rohan: Inside Al Qaeda, global network of terror, New York: Berkley 2003.
- Puschnerat, Tânia: Theorie und Strategie des islamistischen Diskurses, in: Backes, Uwe / Jesse, Eckhard (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 15. Jg. 2003, Baden-Baden: Nomos 2003, S. 69-91.
- Riedel, Bruce: Al Qaeda Strikes Back, in: Foreign Affairs, Vol. 86, No. 3, March/April 2007, S. 24-40.
- Sageman, Marc: Understanding Terror Networks, Philadelphia: University of Pennsylvania Press 2004.
- Schröm, Oliver: Al Qaida, Akteure, Strukturen, Attentate, Berlin: Aufbau Taschenbuch Verlag 2005. – ISBN 3-7466-8136-7
- Shay, Shaul: The Red Sea terror triangle, Sudan, Somalia, Yemen, and Islamic terror, New Brunswick: Transaction 2005.
- Steinberg, Guido: Das Netzwerk des islamistischen Terrorismus. Der Nahe und der Ferne Feind. München: C.H. Beck, November 2005. – ISBN 3-406-53515-1
- Wright, Lawrence: Der Mann hinter Bin Laden, Dr. Ayman al-Zawahiri aus Ägypten – eine islamistische Karriere, in: Lettre International, Nr. 59, IV/02, S. 28-44.
Weblinks
- Mathias Bröckers: „Ana raicha Al Qaeda“. Telepolis, 14. Juli 2004.
- Center for Cooperative Research: Al-Qaeda in Germany
- Timothy L. Thomas, Al Qaeda and the Internet: The Danger of “Cyberplanning” (Foreign Military Studies Office, Fort Leavenworth, KS., ursprüngl. erschienen in: „Parameters“, Spring 2003 – siehe auch: Sammlung von al-Qaida-Dokumenten)
- Forum „Die Weisheit“, in dem Al-Qaida Mitteilungen unter dem Namen „Abu Maisara al-Iraki“ macht
- Jochen Bittner: Das weltweite Al-Qaida-Netz. Die Zeit, 14. Juli 2005.
- M. Shahid Alam: Real Men Go to Tehran: Did al-Qaeda's Gambit Work?. Counterpunch, 17. Januar 2006.
- Jason Burke, Will the real al-Qaida please stand up? („The Guardian“, 11. März 2006 – Burke, selbst Autor des Buches „Al-Qaida: The True Story of Radical Islam“ – s. Literatur – rezensiert vier Neuerscheinungen)
- Con Coughlin, Iran 'is training the next al-Qa'eda leaders' („Daily Telegraph“, London, 15. November 2006 – vgl. [2]; Atomprogramm des Iran, Mahmud Ahmadinedschad)
- Yves Bizeul: „Zur 'Übersetzbarkeit' des Legitimationsdiskurses der al-Qaida-Anführer“, in: Hans Jürgen Wendel/Wolfgang Bernard/Yves Bizeul/Sven Müller (Hg.): Brücke zwischen den Kulturen. „Übersetzung“ als Mittel und Ausdruck kulturellen Austauschs, Rostocker Studien zur Kulturwissenschaft (Bd. 7), Rostock 2002, S. 31-59
Einzelnachweise
- ↑ verfassungsschutz.de: Verfassungsschutzbericht 2005 Anfang 2006
- ↑ Liste der USA der Terrororganisationen vom 11. Oktober 2005 abgerufen am 11. Oktober 2006
- ↑ Agenturjournalismus.de: Einzelbegriffe abgerufen am 1. August 2008
- ↑ Verfassungsschutzbericht 2005, S. 199
- ↑ Hoffman, Bruce, Terrorismus – der unerklärte Krieg, Bonn 2006, S. 77
- ↑ Sure 4,74; 9,89 u. a.
- ↑ SPIEGEL ONLINE: BND-Chef warnt vor Terrorgefahr: „Dschihad vor unserer Haustür“, 24. März 2008
- ↑ http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,1026246,00.html
- ↑ Were bombers linked to al-Qaeda?, Gordon Corera, BBC, 6. Juli 2006
- ↑ Der Standard: Al Kaida: „Haben Bhutto nicht ermordet“, 8. Januar 2008
- ↑ Wright, Der Tod wird euch finden, S 167-68.
- ↑ Wright, The Looming Tower, S. 148-53.
- ↑ Turks.us: [1]
- ↑ Wright, Der Tod wird euch finden, S. 169.
- ↑ Zitiert nach Lawrence Wright: Der Tod wird euch finden. Al-Qaida und der Weg zum 11. September. Aus dem Englischen von Stephan Gebauer und Hans Freundl. DVA, München 2007, ISBN 3-421-04303-5, S. 490. Siehe auch S. 220–224, 227–228.
- ↑ http://www.heise.de/tp/r4/artikel/11/11242/1.html
- ↑ http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/binladen/interviews/al-fagih.html
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