- Fibrolith
-
Sillimanit Chemische Formel Al2[O|SiO4] Mineralklasse Inselsilikate (Nesosilikate) mit zusätzlichen Anionen; Kationen in [4]-, [5]- und/oder nur [6]-Koordination
9.AF.05 (9. Aufl.) ; VIII/B.02-10 (8. Aufl.) (nach Strunz)
52.2.2a.1 (nach Dana)Kristallsystem orthorhombisch Kristallklasse orthorhombisch-dipyramidal [1] Farbe farblos, weiß, gelblichgrau, graugrün, hellbraun Strichfarbe weiß Mohshärte 6,5 bis 7,5 Dichte (g/cm³) 3,24 Glanz Glasglanz, seidig Transparenz durchsichtig bis durchscheinend Bruch uneben, spröd Spaltbarkeit vollkommen nach {010} Habitus nadelig, verfilzt Häufige Kristallflächen {010}, {110} Zwillingsbildung keine Kristalloptik Brechzahl α=1,653 bis 1,661 β=1,654 bis 1,670 γ=1,669 bis 1,684 [2] Doppelbrechung
(optische Orientierung)Δ=0,016 bis 0,023 [2] ; zweiachsig positiv [2] Winkel/Dispersion
der optischen Achsen2vz ~ 21-30° [3] Pleochroismus schwach (meist farblos); ansonst X: zartbraun oder gelblich Y: braun oder graugrün Z: dunkelbraun oder blau Weitere Eigenschaften Phasenumwandlungen Übergänge zu Andalusit und Kyanit Chemisches Verhalten durch HF nicht zersetzbar Ähnliche Minerale Andalusit, Kyanit Radioaktivität nicht radioaktiv Magnetismus nicht magnetisch Besondere Kennzeichen nicht körnig oder derb; subparallel in Quarz eingewachsen: Faserkiesel Sillimanit ist ein sehr häufig vorkommendes Alumosilikat-Mineral aus der Mineralklasse der Silicate, genauer ein Inselsilikat mit zusätzlichen Anionen und Kationen in [4]-, [5]- und/oder nur [6]-Koordination. Er kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Al2SiO5 bzw. Al2[O|SiO4].
Das Mineral hat eine hohe Härte von 6,5 bis 7,5 und eine weißgraue bis grüngraue Farbe, ist manchmal aber auch farblos. Die Strichfarbe ist weiß. Ähnliche Minerale mit der gleichen oder ähnlichen chemischen Zusammensetzung sind Andalusit, Disthen und Mullit, die ebenfalls zu den Alumosilikaten zählen.
Inhaltsverzeichnis
Etymologie und Geschichte
Sillimanit wurde nach dem US-amerikanischen Chemiker Benjamin Silliman benannt. Ein Sillimanitmineral mit Fundort in Chester, Connecticut, war 1824 zum ersten Mal wissenschaftlich von George T. Bowen beschrieben worden. Sillimanit wird manchmal auch als Bucholzit bezeichnet – nach dem deutschen Pharmazeuten und Chemiker W.H.S. Bucholz. Er ist auch als Glanzspat bekannt.
Modifikationen und Varietäten
Sillimanit ist die Hochtemperatur-Niederdruck-Modifikation der Al2SiO5-Gruppe und trimorph mit den weiteren Mitgliedern Andalusit und Kyanit.
Fibrolith ist ein büscheliges Aggregat langgezogener Sillimanitkristalle (Comte de Bournon, 1802). Faserkiesel sind hingegen subparallele, nadelige Schwärme und Strähnen von Sillimanit in Quarz oder Cordierit (beschrieben 1792 von Lindacker in Böhmen). Weitere lokale Varietäten sind Monrolit (nach der Stadt Monroe im Bundesstaat New York) und Bamlit (nach Bamle bei Brevik in Norwegen).
Bildung und Fundorte
Sillimanit findet sich in Form stengelig-faseriger oder säuliger Kristalle oder auch massiv in aluminiumreichen, pelitischen, regionalmetamorphen Gesteinen. Er tritt meist in zwei Metamorphosetypen auf:
- Im Abukuma-Typ bei relativ niedrigen Drucken in Glimmerschiefern.
Begleitmineral ist meist Andalusit. - Im Barrow-Typ bei mittleren Drucken in Gneisen.
Begleitminerale sind Kyanit und Cordierit.
Kontaktmetamorph kommt Sillimanit in der höchsttemperierten Sanidinit-Fazies vor.
Als Mineral magmatischen Ursprungs ist er Bestandteil von peraluminosen Granitoiden. Nur recht selten findet man Sillimanit in Amphiboliten und Eklogiten, relativ selten in Pegmatiten, recht häufig jedoch in Granuliten. Man trifft ihn auch gelegentlich als Detritus in Sedimenten.
Begleitminerale sind Alkalifeldspat, Almandin, Andalusit, Biotit, Cordierit, Enstatit (bei höheren Temperaturen) Korund, Kyanit, Muskovit, Plagioklas, Quarz und/oder Spinell.
Die Typlokalität für Sillimanit ist Sušice in Tschechien. Fundorte in Deutschland sind der Laacher See, der Spessart und Bodenmais im Bayerischen Wald. Ferner Sellrain in Österreich, die Auvergne in Frankreich, Assam in Indien, Myanmar, Sri Lanka, Enderby Land in der Antarktis und Brandywine Springs in Delaware, USA.
Bedeutendes Indexmineral der Metamorphose
In der Petrologie der metamorphen Gesteine nimmt Sillimanit als Gradmesser für die Stärke der Umwandlungen eine wichtige Stellung ein. Als so genanntes Indexmineral definiert sein Erstauftreten die Sillimanitzone oder den Sillimanit-Isograd, sein Stabilitätsbereich wird hierbei durch die thermodynamischen Transformationen Andalusit <=> Sillimanit und Kyanit <=> Sillimanit eingegrenzt. Dieser Bereich liegt bei relativ hohen Temperaturen (> 540 °C) und kann mittlere Drucke (bis ~ 1 GPa, entsprechend einer Tiefe von 36,5 Kilometer) erreichen.[4] Er umspannt größtenteils die Amphibolit- und Granulitfazies sowie die hochtemperierte Kontaktmetamorphose.
Neubildung
Im Verlauf der Metamorphose kommt es zur Neubildung von Sillimanit durch:
- polymorphe Transformation aus Andalusit oder Kyanit,
- Umwandlungsreaktionen von Biotit und Muskovit. Als Beispiel hierfür sei die folgende Reaktion angeführt:
1 Muskovit + 1Quarz => 1 Sillimanit + 1 Alkalifeldspat + 1 Wasser
1 KAl2[(OH)2|AlSi3O10] + 1 SiO2 => 1 Al2SiO5 + 1 KAlSi3O8 + 1 H2O
Diese Reaktion ist sehr wichtig, da sie das Stabilitätsfeld von Sillimanit in zwei Bereiche aufteilt - die Sillimanitzone wird deswegen auch in zwei Subzonen untergliedert, in die etwas niedriger temperierte und druckbetonte Sillimanit-Muskovit-Subzone sowie in die höhertemperierte Sillimanit-Alkalifeldspat-Subzone. Die Reaktion beginnt ab 630 °C wirksam zu werden und bedingt das völlige Verschwinden von Muskovit.
- Reaktionen zwischen Staurolith und Biotit bzw. zwischen Staurolith und Quarz.
Umwandlung
Mit Erreichen und Überschreiten anatektischer Temperaturen erfolgen Reaktionen, in denen Sillimanit wieder abgebaut wird. Als Beispiele die Biotit-Dehydratationen:
Sillimanit + Biotit => Granat + Alkalifeldspat + Flüssigkeit oder
Sillimanit + Biotit => Granat + Cordierit ± Flüssigkeit
Aber auch im Verfauf der Retromorphose verschwindet Sillimanit allmählich wieder, bei sinkenden Temperaturen und Druckabfall wird z.B. Andalusit polymorph rückgebildet.
Alteration
Sillimanit ist ein recht verwitterungsbeständiges Mineral, zersetzt sich aber dennoch unter Bildung von Kaolinit und Muskowit bzw. Serizit (epizonale Serizitisierung).
Struktur
Sillimanit kristallisiert im orthorhombisch-dipyramidalen Kristallsystem in der Raumgruppe P nma mit den Gitterparametern a = 7,484 Å; b = 7,672 Å und c = 5,77 Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle. [1]
Die grundlegenden Baueinheiten der Sillimanitstruktur sind:
- [SiO4]- und [AlO4]-Tetraeder in Viererkoordination und
- [AlO6]-Oktaeder in Sechserkoordination.
Aluminium tritt folglich in einer Doppelrolle, d.h. in zwei verschiedenen Koordinationsstufen auf, als Al[4] und als Al[6], eine genauere Formel für Sillimanit lautet daher auch: Al[6][O|[Al[4]Si[4]O4].
Die Oktaeder sind über ihre parallelen Seitenkanten miteinander verknüpft, in Endlosketten aufgereiht und verlaufen parallel zur c-Achse. Ein Strang liegt im Zentrum der Elementarzelle, vier weitere bilden die zur c-Achse parallelen Seitenkanten. Auch die Tetraeder bilden vier Endlosketten in c-Richtung, wobei sich die Zentralatome Si und Al regelmäßig miteinander abwechseln. Diese Si-Al-Si-Al....-tetraederketten liegen zwischen den Oktaederketten und verknüpfen sich über ihre Sauerstoffatome (OD-Atome) mit den Oktaederketten. Die Tetraederketten sind jedoch keine Einereinfachketten, sondern Einerdoppelketten, d.h. sie verknüpfen sich zusätzlich über ihre freien Spitzen (OC-Atome) nochmals mit der gegenüberliegenden Tetraederkette der benachbarten Elementarzelle.
Aufgrund dieser Anordnung kann Sillimanit auch als ein Kettensilikat (Inosilikat) betrachtet werden; dies erklärt auch sehr gut seinen langgestreckten, nadeligen, faserigen Habitus.
Zur Veranschaulichung der Sillimanitstruktur nebenstehende Abbildung[5]:
Dargestellt ist die Projektion einer halben Elementarzelle (von Z = 0 bis Z = 1/2) entlang der c-Achse auf die ab- bzw. (001)-Ebene. Die Elementarzelle ist rot umrandet. Die [AlO6]-Oktaeder sind hellgrün, die der [SiO4]- und [AlO4]-Tetraeder beige markiert. Diese Form der Darstellung wurde aus Übersichtlichkeitsgründen gewählt, da nur die Zentralatome der Oktaeder (Al1-Atome) sowie die OD-Atome strikt ihre Parallelität zur c-Achse beibehalten; alle anderen Atome sind in der oberen Hälfte der Elementarzelle in ihrer Position leicht verschoben.
Die linksstehende Abbildung[5] ist ein vereinfachter Aufriss der Elementarzelle parallel zur c-Achse. Sie zeigt sehr schön die Verknüpfung der Tetraeder-Einerdoppelketten mit der Oktaederkette sowie die Parallelität der Atompositionen Al1 und OD. Beachtenswert der Dimensionsunterschied der Siliziumtetraeder und der Aluminiumtetraeder (2,696 bzw. 3,074 Å), die aufsummiert die Dimension der c-Achse in der Elementarzelle ergeben (5,77 Å).
Die Elementarzelle von Sillimanit
Die Atompositionen der Elementarzelle von Sillimanit sind wie folgt[6]:
Atomposition a-Achse b-Achse c-Achse Al1 0,0000 0,0000 0,0000 Al2 0,1418 0,3449 0,2500 Si 0,1535 0,3402 0,7500 OA 0,3600 0,4088 0,7500 OB 0,3563 0,4340 0,2500 OC 0,4765 0,0017 0,7500 OD 0,1256 0,2232 0,5144 Diese Angaben sowie 13 daran anschließende Symmetrieoperationen sind hinreichend, um die Elementarzelle vollständig zu definieren.
Bemerkenswert die nahezu identische Dimension der a- und der b-Achse, Sillimanit verfehlt eine tetragonale Symmetrie somit nur geringfügig.
Röntgendiffraktometrie
Röntgendiffraktometrische Untersuchungen an Sillimanit-Kristallen haben folgende Ergebnisse geliefert[7]:
Intensität (I/I0) Gitterabstand (d) in Å Winkel (2-Theta) Fläche (hkl) 100 (auch 65) 3,365 26,48° (210) 79,65 (auch 100) 3,417 26,08° (120) 67,37 2,206 40,91° (122) 49,66 2,543 35,29° (112) 41,88 1,519 60,96° (332) Anmerkung: Die beiden ersten Maximalwerte liegen recht eng zusammen und werden oft miteinander vertauscht.
Herstellung
Das Mineral kann auch synthetisch erzeugt werden.
Verwendung
In Pegmatiten gefundene Sillimanite finden bei guter Qualität als Schmuckstein Verwendung. Industriell dient Sillimanit zur Herstellung feuerfester Werkstoffe (werden z.B. bei Zündkerzen benötigt).
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b Webmineral - Sillimanite (engl.)
- ↑ a b c MinDat - Sillimanite (engl.)
- ↑ W.E. Tröger:Optische Bestimmung der gesteinsbildenden Minerale.4. neubearbeitete Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung, 1971, ISBN 3-510-65011-5 (S.51)
- ↑ Spear, F.S., Kohn, M.J., and Cheney, J.T., 1999, P-T paths from anatectic pelites: Contributions to Mineralogy and Petrology, v. 134, p. 17–32, doi: 10.1007/s004100050466. Enthält Daten zur Lage des Alumosilikat-Tripelpunktes.
- ↑ a b Burnham,C.W. (1963a). Refinement of the crystal structure of sillimanite. Z. Kistallogr., 118, 127-148
- ↑ Peterson, R.C. & McMullan, R.K. (1986). Neutron diffraction studies of sillimanite. Am. Min., Vol.71, p742-745
- ↑ http://rruff.info/sillimanite/names/asc/R050601
Literatur
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien Enzyklopädie. Nebel Verlag GmbH, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0, S. 201.
- Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie: Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 84.
Weblinks
- Mineralienatlas:Sillimanit (Wiki)
- Im Abukuma-Typ bei relativ niedrigen Drucken in Glimmerschiefern.
Wikimedia Foundation.