- Punktgruppe
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Eine Punktgruppe ist ein spezieller Typus einer Symmetriegruppe der euklidischen Geometrie, der die Symmetrie eines endlichen Körpers beschreibt. Alle Punktgruppen zeichnen sich dadurch aus dass es einen Punkt gibt, der durch alle Symmetrieoperationen der Punktgruppe wieder auf sich selbst abgebildet wird. Aufgrund des Neumannschen Prinzips bestimmt die Punktgruppe die makroskopischen Eigenschaften des Körpers. Weitere Aussagen lassen sich mit Hilfe der Darstellungstheorie gewinnen.
Verwendet werden die Punktgruppen in der Molekülphysik und der Kristallographie, wo sie auch Kristallklassen genannt werden. Bezeichnet werden die Punktgruppen in der Schönflies-Notation. In der Kristallographie wird auch die Hermann-Mauguin-Symbolik verwendet.
Inhaltsverzeichnis
Mathematische Grundlagen
Die Symmetriegruppe eines Körpers wird mathematisch als Menge aller möglichen Symmetrieoperationen beschrieben. Mit Symmetrieoperationen sind dabei euklidische Bewegungen gemeint, die den Körper auf sich abbilden. Zu unterscheiden sind dabei gerade Bewegungen, welche die Orientierung erhalten und ungerade, welche die Orientierung umkehren, z. B. Spiegelungen an Ebenen.
Mögliche Symmetrieoperationen in Punktgruppen im dreidimensionalen, euklidischen Vektorraum sind die Symmetrieoperationen, die mindestens einen Fixpunkt besitzen: Identitätsabbildung, Punktspiegelung an einem Inversionszentrum, Spiegelung an einer Spiegelebene, Drehung um eine Drehachse, sowie als Kombination daraus eine Drehspiegelung und eine Drehinversion. Die Translation, die Schraubung und die Gleitspiegelung können keine Elemente einer Punktgruppe sein, da sie keinen Fixpunkt besitzen.
Wenn man das Hintereinanderausführen von Symmetrieoperationen als additive Verknüpfung auffasst, erkennt man, dass eine Menge von Symmetrieoperationen eine (in der Regel nicht kommutative) Gruppe ist.
Es gibt sowohl diskrete, als auch kontinuierliche Punktgruppen. Die diskreten Punktgruppen kann man in wieder zwei unterschiedliche Arten einteilen:
- Punktgruppen mit maximal einer Drehachse mit einer Zähligkeit größer zwei
- Punktgruppen mit mindestens zwei Drehachsen mit einer Zähligkeit größer zwei.
Die diskreten Punktgruppen mit maximal einer ausgezeichneten n-zähligen Drehachse können zusätzlich mit Spiegelebenen und zweizähligen Drehachsen kombiniert sein. Insgesamt gibt es folgende Möglichkeiten:
Gruppensymbol (Schönflies) Gruppe Erläuterung Cn Drehgruppe Eine n-zählige Drehachse Cnv 1 Cn-Achse + n Spiegelebenen, die diese Achse enthalten. (v: vertikale Spiegelebene) Cnh 1 Cn-Achse + 1 Spiegelebenen senkrecht zu dieser Achse. (h: horizontale Spiegelebene) Dn Diedergruppe 1 Cn-Achse + n C2-Achsen senkrecht dazu Dnd 1 Dn-Achse + n Spiegelebenen, die die Dn-Achse und eine Winkelhalbierende der Cn-Achsen enthalten. (d: diagonale Spiegelebene) Dnh 1 Dn-Achse + 1 Spiegelebene senkrecht dazu Sn Drehspiegelgruppe 1 n-zählige Drehspiegelachse Für einzelne Gruppen gibt es spezielle Bezeichnungen:
- CS ≡ C1v ≡ C1h ≡ S1 (S = Spiegelung)
- Ci ≡ S2 ( i= Inversion (Punktspiegelung))
Die Punktruppen, die mindestens zwei Drehachsen mit einer Zähligkeit größer zwei besitzen, entsprechen den Symmetriegruppen der Platonischen Körper.
- Die Tetraedergruppen : T, Td, Th. Td entspricht der vollen Symmetrie eines Tetraeders.
- Die Oktaedergruppen: O, Oh. Oh entspricht der vollen Symmetrie eines Oktaeders beziehungsweise Hexaeders.
- Die Ikosaedergruppen: I, Ih. Ih entspricht der vollen Symmetrie eines Ikosaeders beziehungsweise Dodekaeders.
Die kontinuierlichen Punktgruppen werden auch Curie-Gruppen genannt. Sie bestehen aus den Zylindergruppen (mit einer unendlichzähligen Drehachse) und den Kugelgruppen ( mit zwei unendlichzähligen Drehachsen).
Kristallographische Bedeutung / Kristallklassen
Die möglichen Symmetrien eines Kristalls werden mit den 230 kristallographischen Raumgruppen beschrieben. Zusätzlich zu den Symmetrieoperationen der Punktgruppen kommen hier auch Translationen, Schraubungen und Gleitspiegelungen als Symmetrieoperationen vor.
Streicht man in einer Raumgruppe alle Translationen und ersetzt zusätzlich die Schraubenachsen und Gleitspiegelebenen durch entsprechende Drehachsen und Spiegelebenen, so erhält man die sogenannte geometrische Kristallklasse oder Punktgruppe des Kristalls. Als Kristallklassen kommen daher nur solche Punktgruppen in Frage, deren Symmetrie mit einem unendlich ausgedehnten Gitter vereinbar ist. Wie Pierre Curie erkannte, sind in einem Kristall nur 6-, 4-, 3-, 2-zählige Drehachsen möglich (Drehungen um 60, 90, 120 bzw. 180 und jeweils Vielfache davon). Die Punktgruppen, in denen keine oder nur 2-,3-,4- oder 6- zählige Drehachsen vorkommen bezeichnet man daher als kristallographische Punktgruppen. Es gibt 32 kristallographische Punktgruppen.
Anmerkungen
Der Zusammenhang zwischen der Raum- und der Punktgruppe eines Kristalls ergibt sich folgendermaßen: Die Menge aller Translationen T einer Raumgruppe R bilden einen Normalteiler von R. Die Punktgruppe des Kristalls ist diejenige Punktgruppe, die zur Faktorgruppe R/T isomorph ist. Die Punktgruppe beschreibt die Symmetrie eines Kristalls am Gamma-Punkt, das heißt seine makroskopischen Eigenschaften. An andren Stellen der Brillouinzone wird die Symmetrie des Kristalls durch die Sterngruppe des entsprechenden Wellenvektors beschrieben. Diese sind für Raumgruppen, die zur selben Punktgruppe gehören, in der Regel verschieden.
Das „Verbot“ von 5-, 7- und höherzähligen Drehachsen ist kein allgemeines Naturgesetz. Derartige Drehachsen kommen sowohl bei Molekülen, als auch in Festkörpern in den Quasikristallen vor. Bis zur Entdeckung der Quasikristalle wurde das Verbot für Kristalle als universell gültig angenommen[1].
Das Beugungsbild von Kristallen bei Strukturanalysen mithilfe der Röntgenbeugung enthält gemäß dem Friedelschen Gesetz in Abwesenheit anomaler Streuung immer ein Inversionszentrum. Daher können Kristalle aus den Beugungsdaten nicht direkt einer der 32 Kristallklassen zugeordnet werden, sondern nur einer der 11 zentrosymmetrischen kristallographischen Punktgruppen, die auch als Lauegruppen bezeichnet werden. Durch die Identifikation der Lauegruppe ist auch die Zugehörigkeit des Kristalls zu einem der sieben Kristallsysteme geklärt.
Die 32 kristallographischen Punktgruppen
Punktgruppen und Kristallklassen Kristallsystem Kristallklasse Schoenflies Hermann-Mauguin Hermann/Mauguin Kurzsymbol Beispiel Triklin triklin-pedial C1 Axinit triklin-pinakoidal Ci Anorthit Monoklin monoklin-sphenoidisch C2 Zucker monoklin-domatisch Cs Skolezit monoklin-prismatisch C2h Gips Orthorhombisch rhombisch-disphenoidisch D2 Epsomit rhombisch-pyramidal C2v Struvit rhombisch-dipyramidal D2h Topas Tetragonal tetragonal-pyramidal C4 Wulfenit tetragonal-disphenoidisch S4 Gahnit tetragonal-dipyramidal C4h Scheelit tetragonal-trapezoedrisch D4 Cristobalit ditetragonal-pyramidal C4v Diaboleit tetragonal-skalenoedrisch D2d oder Chalkopyrit ditetragonal-dipyramidal D4h Zirkon Trigonal trigonal-pyramidal C3 Gratonit rhomboedrisch C3i Dolomit trigonal-trapezoedrisch D3 oder oder Quarz ditrigonal-pyramidal C3v oder oder Turmalin ditrigonal-skalenoedrisch D3d oder oder Calcit Hexagonal hexagonal-pyramidal C6 Nephelin trigonal-dipyramidal C3h Li2O2 hexagonal-dipyramidal C6h Apatit hexagonal-trapezoedrisch D6 Hochquarz dihexagonal-pyramidal C6v Wurtzit ditrigonal-dipyramidal D3h oder Benitoit dihexagonal-dipyramidal D6h Apatit Kubisch tetraedrischpentagondodekaedrisch T NaBrO3 disdodekaedrisch Th Pyrit pentagonikositetraedrisch O Melanophlogit hexakistetraedrisch Td Sphalerit hexakisoktaedrisch Oh Diamant Punktgruppen in der Molekülphysik
Punktgruppen und Molekülsymmetrie Schoenflies H. / M. Symmetrieelemente Molekülbeispiele Punktgruppen geringer Symmetrie C1 C1 CHFClBr Cs ≡ S1 σ ≡ S1 BFClBr, SOCl2 Ci ≡ S2 i ≡ S2 1,2-Dibrom-1,2-Dichlorethan, meso-Weinsäure ebene Drehgruppen SO(2) C2 C2 H2O2, S2Cl2 C3 C3 Triphenylmethan, N(GeH3)3 C4 C4 12-Krone-4 C5 C5 15-Krone-5 C6 C6 18-Krone-6 Drehgruppen mit vertikalen Spiegelebenen C2v ≡ D1h C2, 2σv H2O, SO2Cl2, o-/m-Dichlorbenzol C3v C3, 3σv NH3, CHCl3, CH3Cl, POCl3 C4v C4, 4σv SF5Cl, XeOF4 C5v - C5, 5σv Corannulen, C5H5In C6v C6, 6σv Benzol-hexamethylbenzol-chrom(0) C∞v - C∞, ∞σv lineare Moleküle wie HCN, COS Drehgruppen mit horizontalen Spiegelebenen C2h ≡ D1d ≡ S2v C2, σh, i Oxalsäure, trans-Buten C3h ≡ S3 C3, σh Borsäure C4h C4, σh, i Polycycloalkan C12H20 C6h C6, σh, i Hexa-2-propenyl-benzol Drehspiegelgruppen S4 S4 Tetraphenylmethan, Si(OCH3)4 S6 ≡ C3i S6 Hexacyclopropylethan Diedergruppen D2 ≡ S1v 3C2 Twistan D3 C3, 3C2 Tris-chelatkomplexe D4 C4, 4C2 - D6 C6, 6C2 Hexaphenylbenzol Diedergruppen mit horizontalen Spiegelebenen D2h S2, 3C2, 2σv, σh, i Ethen, p-Dichlorbenzol D3h S3, C3, 3C2, 3σv, σh BF3, PCl5 D4h S2, C4, 4C2, 4σv, σh, i Re2(CO)10 D5h - S2, C5, 5C2, 5σv, σh IF7 D6h S2, C6, 6C2, 6σv, σh, i Benzol D∞h - S2, C∞, ∞σv lineare Moleküle wie Kohlendioxid, Ethin Diedergruppen mit diagonalen Spiegelebenen D2d ≡ S4v S4, 3C2, 2σd Propadien, Cyclooctatetraen, B2Cl4 D3d ≡ S6v S6, C3, 3C2, 3σd, i Cyclohexan D4d ≡ S8v - S8, C4, 4C2, 4σd Cyclo-Schwefel (S8) D5d ≡ S10v - S10, C5, 5C2, 5σd Ferrocen Tetraedergruppen T 3S4, 4C3, 3C2 Pt(PF3)4 Th 4S6, 4C3, 3C2, 3σh, i Fe(C6H5)6 Td 3S4, 4C3, 3C2, 6σd Methan, Phosphor (P4), Adamantan Oktaedergruppen O 3C4, 4C3, 6C2 - Oh 4S6, 3S4, 3C4, 4C3, 6C2, 3σh, 6σd, i SF6, Cuban Ikosaedergruppen I - 12S10, 10S6, 6C5, 10C3, 15C2 Fulleren-C20 (Pentagondodekaeder) Ih - 12S10, 10S6, 6C5, 10C3, 15C2, 15σv, i Fulleren-C60 räumliche Drehgruppen SO(3) Kh - ∞C∞, ∞σ, i einatomige Teilchen wie Helium, Elementarteilchen Anwendungen
Die Eigenschaften eines Kristalls hängen im allgemeinen von der Richtung ab. Daher werden alle Materialeigenschaften durch einen entsprechenden Tensor beschrieben. Es gibt einen festen Zusammenhang zwischen der Punktgruppe eines Kristalls und der Form des jeweiligen Eigenschaftstensors beziehungsweise der Anzahl seiner unabhängigen Komponenten. Dazu zwei Beispiele:
In Punktgruppen mit einem Inversionszentrum sind alle Komponenten eines ungeraden Tensors identisch Null. Daher gibt es in diesen Punktgruppen keinen Pyroeffekt, keinen Piezoeffekt und auch keine optische Aktivität.
Die elastischen Konstanten sind ein Tensor 4. Stufe dieser hat im allgemeinen 34 = 81 Komponenten. Im kubischen Kristallsystem gibt es aber nur drei unabhängige, von Null verschiedene Komponenten: C1111 (=C2222=C3333), C1122 ( = C2233 = C1133) und C1212 (= C1313=C2323). Alle andere Komponenten sind Null.
In der Molekül- und Festkörperphysik kann man aus der Symmetrie des Moleküls beziehungsweise Kristalls die Anzahl der infrarot- und ramanaktiven Moden und deren Auslenkungsmuster bestimmen. Eine Zuordnung der gemessenen Frequenzen zu den jeweiligen Moden ist mit gruppentheoretischen Methoden nicht möglich. Kann man diese Zuordnung durchführen, so kann man aus den Frequenzen die Bindungsenergien zwischen den Atomen berechnen.
Literatur
- Wolfgang Demtröder: Molekülphysik. Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-24974-6.
- Will Kleber, et.al.: Einführung in die Kristallographie. 19 Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2010, ISBN 978-3-486-59075-3.
- Hahn, Theo (Hrsg.): International Tables for Crystallography Vol. A D. Reidel publishing Company, Dordrecht 1983, ISBN 90-277-1445-2
Weblinks
Commons: Point groups – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ The Nobel Prize in Chemistry 2011. Nobelprize.org (offizielle Homepage des Nobelpreises), abgerufen am 21. Oktober 2011 (englisch).
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