Finasterid

Finasterid
Strukturformel
Struktur von Finasterid
Allgemeines
Freiname Finasterid
Andere Namen
  • IUPAC: N-tert-Butyl-3-oxo-4-aza- 5α-androst-1-en- 17β-carbamid
  • Latein: Finasteridum
Summenformel C23H36N2O2
CAS-Nummer 98319-26-7
PubChem 57363
ATC-Code
DrugBank DB01216
Kurzbeschreibung

weißes bis fast weißes, kristallines, polymorphes Pulver[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Enzymhemmer

Wirkmechanismus

selektive Inhibition der 5α-Reduktase vom Typ II

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 372,54 g·mol−1
Schmelzpunkt

252–254 °C[2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]
07 – Achtung

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
EUH: keine EUH-Sätze
P: keine P-Sätze [3]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [3]

Xn
Gesundheits-
schädlich
R- und S-Sätze R: 22
S: keine S-Sätze
LD50

486 mg·kg−1 (Maus p.o.)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Finasterid ist ein selektiver Inhibitor der Steroid-5α-Reduktase vom Typ II, der als Arzneistoff zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH) und des durch Androgene bedingten Haarausfalls eingesetzt wird. Finasterid unterliegt in Deutschland, Österreich und der Schweiz der ärztlichen Verschreibungspflicht.

Der Wirkstoff wird in der Dosierung 5 mg gegen benigne Prostatahyperplasie und als Tabletten mit 1 mg Finasterid gegen androgenbedingten Haarausfall angeboten.

Inhaltsverzeichnis

Pharmakologie

Wirkungsweise

Finasterid ist ein 5α-Reduktasehemmer und greift in den hormonellen Stoffwechsel des Sexualhormons Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) ein. Nach dem aktuellen Kenntnisstand der Forschung reagieren bestimmte Haarfollikel auf DHT mit der Reduzierung der Anagenphase (Wachstumsphase). Diese Empfindlichkeit der Haarfollikel ist erblich. Finasterid hemmt den Abbau des Testosterons in DHT. Die Haarfollikel können dann mit einer Verlängerung der Anagenphase reagieren. Ist das Haarfollikel jedoch kaum noch aktiv, kann meistens nichts mehr erreicht werden. Finasterid muss solange genommen werden, wie der Mann seine Haare behalten möchte. Dadurch verschiebt Finasterid den Beginn des androgenetischen Haarausfalls des Mannes in spätere Jahre. Wird die Behandlung unterbrochen, erhöht sich der DHT-Spiegel im Blut, und auch die nachgewachsenen Haarfollikel können wieder ausfallen. Erste Erfolge können erst ab einer Einnahmedauer von 3–6 Monaten beobachtet werden.

Im Rahmen mehrjähriger internationaler Studien konnte bei 80–90 % der Anwender ein Stopp des fortschreitenden Haarausfalls und bei etwa 65 % sogar eine Verdichtung der Kopfbehaarung durch eine Verdickung zuvor geschrumpfter Haare erreicht werden. Bei Männern über 45 Jahren ist keine Wirkung dokumentiert.

Nebenwirkungen

Als Nebenwirkungen von Finasterid traten bei niedriger Dosierung (1 mg pro Tag) gelegentlich, d.h. bei 0,1 % bis 1 % der Behandelten, und bei höherer Dosierung (5 mg pro Tag) häufig, d.h bei 1 % bis 10 % der Behandelten, Libido- und Potenzstörungen auf. Diese verschwinden nach Beendigung der Therapie meistens vollständig.

Vereinzelt berichten Patienten über ein Fortbestehen von Impotenz nach Absetzen der Therapie mit Finasterid. Im April 2011 hat der Pharmakonzern Merck den Propecia Beipackzettel in den USA um die Nebenwirkung erectile dysfunction that continued after discontinuation of treatment erweitert.[4] In einer Studie dazu litten 94 % der Betroffenen unter niedriger Libido und 92 % unter erektiler Dysfunktion.[5] Die Nebenwirkungen hielten in dieser Studie selbst 40 Monate – bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie – nach Absetzen des Medikaments an, so dass eine permanente Schädigung nicht auszuschließen ist.[5][6]

In Einzelfällen kann es zu einer Vergrößerung der Brust kommen (Gynäkomastie). Die Prostata verkleinert sich, und die hormonabhängige Körperbehaarung wird spärlicher.

Wechselwirkungen sind nicht bekannt. Nicht eingenommen werden darf das Präparat von Frauen und von Personen unter 18 Jahren.

In einer plazebokontrollierten Studie wurde nachgewiesen, dass unter hochdosierter Gabe von Finasterid (5 mg pro Tag) signifikant seltener Prostatakarzinome auftreten. Zur Prophylaxe empfehlen Urologen das Medikament nicht. Die Karzinome, die dennoch auftraten, waren schlechter differenziert, das heißt aggressiver und damit schwerer behandelbar.

Bei Patienten, die Finasterid über einen längeren Zeitraum einnahmen, wurden vereinzelt erhöhte Werte des Leberenzyms γ-GT beobachtet.

Eine Untersuchung berichtet über Depressionen, die während der Einnahme auftraten.[7] Es handelt sich jedoch nicht um eine placebo-kontrollierte Studie.

Des Weiteren existieren Studien, die über einen Zusammenhang zwischen der Gabe von Finasterid und einer Fehlfunktion der Meibom-Drüse berichten. Dies hat zur Folge, dass der Patient eine ölartige Flüssigkeit, die zum Schutz des Tränenfilms vor Austrocknung dient, nicht mehr selbst produzieren kann und in der Folge häufig über trockene Augen oder Sehstörungen klagt.[8]

In einer 2009 von der britischen Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) veröffentlichten Studie wurde eine erhöhte Inzidenz von Brustkrebs festgestellt, nämlich 7,8 pro 100.000 Patientenjahren mit Einnahme von täglich 5 mg Finasterid gegenüber 3,8 pro 100.000 Patientenjahren ohne Einnahme. Der mögliche Zusammenhang von Brustkrebs mit der Einnahme von Finasterid war dabei nicht signifikant, kann jedoch laut MHRA auch nicht ausgeschlossen werden.[9]

Kontraindikationen

Kontraindiziert ist Finasterid bei Frauen und Kindern, sowie Patienten mit häufiger Harnentleerung. Während der Schwangerschaft eingenommenes Finasterid führt zu Fehlbildungen der äußeren Geschlechtsorgane männlicher Föten. Daher gilt für Frauen, die schwanger oder möglicherweise schwanger sind, jeglichen Kontakt mit dieser Substanz zu vermeiden. Selbst der Kontakt mit Sperma eines therapierten Mannes kann schädlich sein.[10][11]

Aufgrund der potentiellen Schädigung eines Fötus bei einer Bluttransfusion an Frauen darf bei regelmäßiger Einnahme von Finasterid keine Blutspende erfolgen. Die US-amerikanische FDA empfiehlt einen zweiwöchigen Stopp der Einnahme, um den DHT-Wert auf ein normales Niveau zu heben.[11]

Doping

Finasterid ist nicht leistungssteigernd, erschwert aber den Nachweis von leistungssteigernden Mitteln wie Anabolika. Bis zum Jahr 2008 war es deshalb von der Welt-Antidoping-Agentur WADA als verboten eingestuft. Mit Wirkung zum 1. Januar 2009 wurde es jedoch von der Dopingliste gestrichen, da die Nachweismethoden für leistungssteigernde Stoffe so verfeinert wurden, dass Finasterid als Maskierungsmittel nicht mehr effektiv ist.[12]

Im Bereich des DFB wurde 2005 das Spiel TSV 1860 München gegen Wacker Burghausen annulliert und zur Wiederholung bestimmt, weil der serbische Spieler Nemanja Vucicevic das Haarwuchsmittel Finasterid eingenommen hatte. Der Fußballer wurde für sechs Monate gesperrt. Die Partie Kickers Emden - Fortuna Düsseldorf wurde mit 2:0 und drei Punkten für Düsseldorf gewertet, da der Spieler Falk Schindler das Präparat „Carboxy Finasteride“ eingenommen hatte. Er wurde ebenfalls für sechs Monate gesperrt. Auch der brasilianische Fußballspieler Romario ist des „Finasterid-Dopings“ überführt worden. Er wurde am 28. Oktober 2007 nach dem Erstligaspiel seines Vereins Vasco da Gama gegen Palmeiras Sao Paulo positiv getestet. Der Weltmeister von 1994 räumte ein, zur Vermeidung von Haarausfall die Substanz Finasterid eingenommen zu haben.

Während der XIII. Paralympics 2008 wurde der deutsche Rollstuhlbasketball-Nationalspieler Ahmet Coskun gesperrt, da er Finasterid als Haarwuchsmittel eingenommen hatte.

Im Kraftsport und Body-Building wird Finasterid eingesetzt, um den durch Testosteron und dessen Derivaten oft eintretenden Haarausfall zu bekämpfen.[13]

Einzelnachweise

  1. a b The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 14. Auflage (Merck & Co., Inc.), Whitehouse Station, NJ, USA, 2006; ISBN 978-0-911910-00-1.
  2. a b c Finasterid bei ChemIDplus.
  3. a b c Datenblatt Finasteride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 1. April 2011.
  4. Propecia leaflet. Merck & Co., Inc. Juni 2011. Abgerufen am 13. September 2011.
  5. a b Michael S. Irwig, Swapna Kolukula: Persistent Sexual Side Effects of Finasteride for Male Pattern Hair Loss. In: The Journal of Sexual Medicine, 18. März 2011. Abgerufen am 13. September 2011.
  6. Michael S. Irwig bei YouTube.
  7. Finasteride induced depression: a prospective stud. BMC Clin Pharmacol. 2006] - PubMed Result; PMID 17026771.
  8. Kathleen L. Krenzer et al.:Effect of Androgen Deficiency on the Human Meibomian Gland and Ocular Surface The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2000 Vol. 85, No. 12 4874-4882; Volltext (HTML); Volltext (PDF); PMID 11134156.
  9. MHRA Public Assessment Report, The risk of male breast cancer with finasteride, Dezember 2009; Volltext (PDF).
  10. Curt Hunnius, Hermann P. T. Ammon: Pharmazeutisches Wörterbuch. 9. Auflage, de Gruyter, 2004.
  11. a b FDA: Recommendations for donor deferral, 28. Juli 1993.
  12. Q&A: Status of Finasteride by the World Anti-Doping Agency's (WADA).
  13. Das Schwarze Buch - Anabole Steroide, D. Sinner, BMS-Verlag, Gronau 2007. ISBN 978-3-00-020944-4. Seite 108/109.

Handelsnamen

Monopräparate

Alofın (Tr), Androfin (A), Crinormin (A), FinaHAIR (D), Finamed (D), Finascar (D), Finastad (A), Finasterax (CH), Finural (D), Prezepa (A), Propecia (D, A, CH), Proscar (D, A, CH), Prosmin (D), zahlreiche Generika (D, A, CH)

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