Folie circulaire

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Klassifikation nach ICD-10
F31 Bipolare affektive Störung
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Bipolare affektive Störung (auch bekannt unter dem Begriff „manisch-depressive Erkrankung”) ist eine psychische Störung und gehört zu den Affektstörungen. Sie zeigt sich bei den Betroffenen durch episodische, willentlich nicht kontrollierbare und extreme Auslenkungen des Antriebs, der Aktivität und der Stimmung, die weit außerhalb des Normalniveaus in Richtung Depression oder Manie schwanken.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Gegenpole von Manie und Depression im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung

Die Bipolare Affektive Störung ist durch einen episodischen Verlauf mit depressiven, manischen, hypomanischen oder gemischten Episoden gekennzeichnet:

  • Depressionen zeichnen sich durch überdurchschnittlich gedrückte Stimmung und verminderten Antrieb aus. Bei starken Depressionen kommt es zu Suizidgedanken.
  • Eine manische Episode ist durch gesteigerten Antrieb und Rastlosigkeit, oft mit inadäquat euphorischer oder gereizter Stimmung, gekennzeichnet. Dabei ist die Fähigkeit zur Prüfung der Realität mitunter stark eingeschränkt und die Betroffenen können sich in große Schwierigkeiten bringen.
  • Unter einer Hypomanie versteht man eine nicht stark ausgeprägte Manie, typischerweise ohne gravierende soziale Konsequenzen. Eine Hypomanie liegt jedoch bereits deutlich über einem normalen Aktivitäts- und/oder Stimmungsausschlag.
  • In einer gemischten Episode sind sowohl einzelne Symptome der Manie als der Depression vorhanden, beispielsweise ein verstärkter Antrieb bei gedrückter Grundstimmung.

Zwischen den Krankheitsepisoden tritt in der Regel eine Rückkehr zum unauffälligen Normalzustand ein. Antrieb und Gemüt befinden sich dann wieder innerhalb der Normalschwankungen zwischen den beiden Extremen.

Bei den von einer Bipolaren Störung Betroffenen gibt es ein großes Spektrum von Schweregraden und der Übergang zu einer „charismatischen“ oder überschwänglichen Persönlichkeit ist fließend. Es handelt sich um eine ernsthafte Erkrankung des Gehirns, die u.a. wegen des erhöhten Suizidrisikos und den sozialen Folgen gefährlich werden kann. Die Symptome korrespondieren mit einer Störung des Hirnstoffwechsels, die sich psychisch manifestiert.

Meist beginnt eine bipolare Störung in der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenalter. Oftmals wird die Krankheit sowohl vom Betroffenen als auch von Medizinern erst viele Jahre nach Ausbruch erkannt, so dass Erkrankte unnötig leiden, bevor sie Behandlung erhalten. Da die Symptome starke Auswirkungen auf Entscheidungen und Beziehungen haben können, können zum Zeitpunkt des Erkennens der Krankheit auch die Lebenswege der Betroffenen schon dramatisch beeinflusst worden sein, zumal die Symptome meist in jungen Jahren beginnen, in denen die Persönlichkeit noch nicht gefestigt ist. Häufig kommt es zu Problemen in der Ausbildung, im Arbeits- und Familienleben, oder zu jähen Wechseln im Lebenslauf. Ist die Krankheit erkannt, kann man oftmals mit der richtigen Behandlung und einer ausgeglichenen, kontrollierten Lebensweise die Symptome reduzieren und ein erfülltes Leben führen.

Die Bipolare Störung wird oft mit Kreativität in Verbindung gebracht, zu den Betroffenen zählen viele erfolgreiche Menschen. Der gesteigerte Antrieb in hypomanen Phasen kann für ungewöhnliche und gewagte Projekte begeistern, und Ziele werden oft mit großem Engagement verfolgt. Eine „Romantisierung“ der Krankheit ist aber unangebracht, ihre Folgen sind oft sehr schwerwiegend, und unbehandelt kann sie Leben ruinieren.

Bei der bipolaren Störung handelt es sich um eine recht häufige Erkrankung – werden auch leichtere Fälle berücksichtigt, so sind laut einigen Untersuchungen in den Industrieländern bis zu 3-4 % der Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens von ihr betroffen.

Bezeichnungen

Bis vor einigen Jahren wurde für bipolare Störungen meist der Begriff „manisch-depressive Erkrankung“, „manisch-depressive Psychose“ oder (von dem Psychiater Emil Kraepelin Ende des 19. Jahrhunderts geprägt) „manisch-depressives Irresein“ verwendet. Umgangssprachlich wird sie mitunter als „manische Depression“ bezeichnet, was missverständlich ist. Auch die Bezeichnungen „manisch-depressive Erkrankungen“ oder „manisch-depressive Krankheit“ sind heute als Synonyme gebräuchlich und werden in der Öffentlichkeit in der Regel besser verstanden. Ein unter Ärzten und Behörden oft als Synonym für die bipolare Störung verwendeter Begriff ist bipolare Psychose oder affektive Psychose.

Der Begriff „Psychose“ wird in der Fachwelt unterschiedlich verwendet: Einige subsumieren nur „Wahn“ darunter, andere verwenden den Begriff für gravierende psychische Störungen, zu denen bipolare Störungen − trotz des vielleicht „harmlos“ erscheinenden Wortes „Störung“ − sicher gehören.

Diagnostik

Hypomanien werden von Ärzten oft nicht zur Kenntnis genommen, oder sie erfahren in der Anamnese nichts davon, so dass Bipolare Störungen dann nicht angemessen behandelt werden. Auch Depressionen werden oft nicht erkannt. Noch weniger bekannt sind die Symptome manisch-depressiver Krankheiten in der Öffentlichkeit, obwohl viele – in Deutschland vermutlich mindestens 2 Millionen Menschen – mindestens einmal in ihrem Leben von Bipolaren Störungen betroffen sind.

Nur ein geringer Teil aller bipolar Erkrankten wird derzeit korrekt diagnostiziert (Grunze & Severus 2005).

Folgende Hürden erschweren eine Diagnose:

  • 30 % Mischzustand: Lediglich knapp die Hälfte aller Manien ist entgegen weit verbreiteter Ansicht und Darstellung durch Euphorie („himmelhoch-jauchzend“) gekennzeichnet. Oft gehen gleichzeitig depressive Symptome mit einher, die letztlich (zu 40 %) in einen Mischzustand münden können. Wenn diese Mischsymptomatik nicht als solche erkannt wird, kommt es schnell zu Fehldiagnosen.
  • Verbreitete Beschreibungen nennen finanziellen Ruin, Bedenkenlosigkeit bei Trennungen und Wahn bei Manien als typische Elemente, so dass Manien, die diese Phänomene nicht aufweisen, nicht als solche wahrgenommen werden.
  • In der Manie kommt es vielfach zu exzessivem Alkohol- oder Drogenkonsum, so dass eine bipolare Störung vorschnell als Alkohol- oder Drogenabhängigkeit eingeordnet wird.
  • Wenn Suchtkrankheiten als Komorbidität vorkommen, besteht eine erhöhte Gefahr, dass die Grunderkrankung verschleiert wird.
  • Depression: Eine „rezidivierende unipolare Depression“ ist die häufigste Fehldiagnose bei bipolaren Störungen. Dies kommt daher, weil hypomane Phasen meist nicht als solche erkannt, berichtet oder erfragt werden.
  • ADHD: Bei Kindern und Jugendlichen ist die Abgrenzung zum Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS, „Attentional Deficit Hyperactivity Disorder“) schwierig.
  • Schizophrenie: Psychotische Symptome, die bei schweren Manien auf deren Höhepunkt vorkommen können, führen oft zur Fehldiagnose einer Schizophrenie oder einer schizoaffektiven Störung.

Kriterien des ICD-10 oder DSM-IV

Sowohl für manische als auch für hypomanische, depressive und gemischte Episoden gibt es Kriterien-Kataloge, bei denen einige Symptome erfüllt sein müssen und auch über eine definierte Zeit lang anhalten müssen, um eine Diagnose zu treffen.

Eine solche Auflistung von Symptomen findet sich beispielsweise in der ICD-10, einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen. Die verschiedenen Formen der bipolaren affektiven Störung werden in der ICD 10 unter dem Schlüssel F31 klassifiziert, dabei wird zwischen zehn verschiedenen Ausprägungen unterschieden.[1]

Die folgenden Kriterien wurden dem viel verwendeten US-Amerikanischen Klassifikationssystem „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen, abgekürzt als DSM-IV) entnommen.[2]

Kriterien für eine manische Episode

A. Eine ausgeprägte Periode abnormer und ständiger gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die über 1 Woche dauert (oder Krankenhausaufenthalt).

B. Während der Periode der Stimmungsstörung halten drei (oder mehr) der folgenden Symptome bis zu einem bedeutsamen Grad beharrlich an (mindestens vier, falls die Stimmung nur gereizt ist):

  1. Übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn
  2. Verringertes Schlafbedürfnis (z. B. fühlt sich erholt nach nur 3 Stunden Schlaf)
  3. Gesprächiger als üblich oder Drang, zu reden
  4. Ideenflucht oder subjektives Gefühl, dass die Gedanken rasen
  5. Zerstreutheit (Aufmerksamkeit wird zu leicht zu unwichtigen oder belanglosen externen Reizen gezogen)
  6. Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, am Arbeitsplatz oder in der Schule oder sexuell) oder psychomotorische Unruhe
  7. Exzessive Beschäftigung mit angenehmen Tätigkeiten, die höchstwahrscheinlich negative Folgen haben (z. B. ungehemmter Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten, oder törichte geschäftliche Investitionen).

C. Die Symptome werden nicht besser durch die Kriterien der Gemischten Episode beschrieben.

D. Die Stimmungsstörung ist hinlänglich schwer, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in beruflichen Aufgabengebieten oder unübliche soziale Aktivitäten oder Beziehungen mit anderen zu bewirken oder sie erfordern einen Krankenhausaufenthalt, um Selbst- oder Fremdschädigung zu verhindern, oder es gibt andere psychotischen Merkmale.

E. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) verursacht.

Kriterien für eine majore depressive Episode

A. Fünf (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der gleichen 2-Wochen-Periode vorhanden und bedeuten eine Änderung des bisherigen Verhaltens, Gefühlslebens oder Leistungsfähigkeit, wobei mindestens eines der Symptome eine Depressive Verstimmung oder der Verlust von Interesse und Freude ist:

  1. depressive Stimmung fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag, angezeigt entweder durch subjektiven Bericht (fühlt sich z. B. traurig oder leer) oder durch Beobachtung anderer (erscheint z. B. weinerlich). Anmerkung: Bei Kindern und Heranwachsenden kann eine gereizte Stimmung vorliegen.
  2. deutlich vermindertes Interesse oder Freude bei allen, oder beinahe allen Aktivitäten fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag (wird entweder durch eigenen Bericht oder Beobachtungen anderer festgestellt)
  3. erheblicher Gewichtsverlust ohne Diät oder Gewichtszunahme (z. B. eine Veränderung des Körpergewichts um mehr als 5 % in einem Monat) oder Ab- oder Zunahme des Appetits beinahe jeden Tag.
  4. Schlaflosigkeit oder übersteigertes Schlafbedürfnis beinahe jeden Tag.
  5. psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung fast jeden Tag (beobachtet durch Andere, nicht nur subjektive Gefühle der Ruhelosigkeit oder der Erschöpfung).
  6. Erschöpfung oder Verlust der Energie beinahe jeden Tag.
  7. Gefühl der Wertlosigkeit oder ausgeprägte und unangemessenen Schuldgefühle (die auch wahnhaft sein können), beinahe jeden Tag (nicht nur Selbstvorwurf oder Schuldgefühle, weil man krank ist)
  8. verminderte Fähigkeit, zu denken oder sich zu konzentrieren, oder Entscheidungsunfähigkeit beinahe jeden Tag (entweder durch subjektiven Bericht oder Beobachtung Anderer festgestellt)
  9. wiederkehrende Todesgedanken (nicht nur Furcht zu sterben), wiederkehrende Suizidgedanken ohne spezifischen Plan, oder ein Suizidversuch oder ein konkrete Planung eines Suizid

B. Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien für eine Gemischten Episode.

C. Die Symptome verursachen klinisch bedeutsames Leiden oder eine Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Aufgabengebieten.

D. Die Symptome beruhen nicht auf einem direkten physiologischen Effekt einer Substanz (z. B. einem Drogenmissbrauch, einer Medikation) oder einer generellen medizinischen Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse)

E. Die Symptome werden nicht besser durch Trauer erklärt, z. B. über den Verlust einer geliebten Person. Oder: Die Symptome dauern länger als 2 Monate oder sind gekennzeichnet durch eine ausgeprägte funktionale Beeinträchtigung, krankhafte Beschäftigung mit Wertlosigkeit, Suizidgedanken, psychotische Symptome oder psychomotorische Verlangsamung.

Kriterien für die hypomanische Episode

A. Eine mindestens vier Tage andauernde, ausgeprägte Periode ständig gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die eindeutig verschieden von der üblichen nichtdepressiven Stimmung ist.

B. Während der Phase der Stimmungsstörung sind drei (oder mehr) der folgenden Symptome (vier, wenn die Stimmung nur gereizt ist) bis zu einem gewissen Grad ständig vorhanden:

  1. überhöhtes Selbstwertgefühl oder Größenwahn
  2. vermindertes Schlafbedürfnis (z. B. fühlt sich erholt nach 3 Stunden Schlaf)
  3. gesprächiger als üblich oder Rededrang
  4. Ideenflucht oder subjektive Erfahrung des Gedankenrasens
  5. Zerstreutheit (das bedeutet Fokussierung auf unwichtige oder unerhebliche externe Reize)
  6. Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, beruflich oder in der Schule, oder sexuelle oder psychomotorische Unruhe)
  7. übertriebenes Engagement bei Vergnügungen, die in einem hohen Maße schmerzhafte Konsequenzen nach sich ziehen (z. B. hemmungsloser Kaufrausch, sexuelle Indiskretionen oder leichtsinnige geschäftliche Investitionen)

C. Die Episode wird begleitet von Veränderungen der Leistungsfähigkeit oder des Verhaltens, die für die Person in symptomfreien Phasen uncharakteristisch ist.

D. Die Stimmungsstörung und der Wechsel des Auftretens werden durch Andere beobachtet.

E. Die Episode ist nicht schwer genug, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in sozialen oder beruflichen Aufgabenbereichen zu verursachen oder einen Krankenhausaufenthalt zu erfordern, und es gibt keine psychotischen Merkmale.

F. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) verursacht.

Anmerkung: Hypomaniegleiche Episoden, die eindeutig durch somatische antidepressive Behandlung verursacht sind (Medikamente, Elektroschocktherapie, Lichttherapie), sollten nicht einer Diagnose: „Bipolare II Störung“ zugerechnet werden.

Kriterien für eine gemischte Phase

A. Für mindestens eine Woche werden fast jeden Tag sowohl die Kriterien für eine Manische Phase als auch für eine Depressive Phase erfüllt (abgesehen vom Kriterium der Dauer).

B. Die Störung der Stimmung ist schwer genug um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in beruflichen Aufgabengebieten oder unübliche soziale Aktivitäten oder Beziehungen mit anderen zu bewirken oder sie erfordern einen Krankenhausaufenthalt, um Selbst- oder Fremdschädigung zu verhindern, oder es gibt andere psychotischen Merkmale.

C. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) verursacht. Anmerkung: Der Gemischten Phase vergleichbare Episoden, die eindeutig durch somatische antidepressive Behandlung verursacht sind (Medikamente, Elektroschocktherapie, Lichttherapie), sollten nicht einer Diagnose: „Bipolare I Störung“ zugerechnet werden.

Begleiterkrankungen (Komorbidität)

  • Bei Erwachsenen ist Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch mit 2/3 die häufigste Komorbidität.
  • Medikamentenmissbrauch tritt vor allem in postmanischen Mischzuständen und den darauf folgenden schweren Depressionen auf. Tägliche Medikamentenzuteilung und Einnahmeüberwachung sollte in diesen Episoden selbstverständlich sein.
  • Panikstörungen und Persönlichkeitsstörungen

Phasen

Manie/manische Episode

Hauptartikel: Manie

Während einer Manie konzentriert der Betroffene oft seine volle Kapazität auf meist angenehme Teilaspekte seines Lebens, wobei andere Aspekte vernachlässigt oder völlig ignoriert werden. So kann es vorkommen, dass der Betroffene seine gesamte Energie auf sein berufliches oder freiwilliges Engagement, für einen neuen Partner oder auf Sexualität fokussiert, gleichzeitig aber wichtige oder wichtigere Dinge wie z. B. seinen Haushalt oder seinen Beruf oder seine Familie völlig vernachlässigt. Die vermehrte Leistungsbereitschaft kann zunächst auch zu Erfolgen führen. So kann der Erkrankte während einer Manie, mehr noch aber bei einer Hypomanie, bei vorhandener Begabung sehr respektable Leistungen vollbringen. Auch die übersteigerte Geselligkeit und Schlagfertigkeit kann gut ankommen. Der Schlaf reduziert sich jedoch extrem und der Körper wird entsprechend überanstrengt.

Bei stärkeren Ausprägungen kann es zu Realitätsverlust und Wahn kommen. Dies ist in postmanischen Mischzuständen häufig der Fall. Die Selbstüberschätzung und die Grandiositätsgefühle während der Manie können in einen Größenwahn umschlagen (Megalomanie und/oder Cäsarenwahn). Dabei kann ein religiöser Wahn, auch religiöser Größenwahn auftreten. Auch wegen des durch die Manie hervorgerufenen teils extremen Schlafmangels können Halluzinationen hervorgerufen werden.

Vielen Betroffenen fällt es schwer, einen „Normalzustand“ oder „Normalität“ als erstrebenswert anzusehen. Es kommt deshalb in einigen Fällen zu einer Bevorzugung des hypomanischen Zustands, was einer Phasenprophylaxe entgegensteht.

Hypomanie

Hauptartikel: Hypomanie

Die Hypomanie ist die abgeschwächte Form der Manie. Besondere Merkmale sind die gehobene Grundstimmung und gesteigerter Antrieb, die mit gleichzeitigen Veränderungen im Denken im Sinne eines sprunghafteren, unkonzentrierteren Denkens (Ideenflut) und einer Veränderung der Psychomotorik verbunden sein können. Durch die gehobene Stimmung kommt es zu einem größeren Selbstbewusstsein, einer erhöhten Risikofreudigkeit und zu Grenzverletzungen. Die Leistungsfähigkeit ist in diesem Zustand am höchsten.

Depression/depressive Episode

Hauptartikel: Depression

Die Depression verkehrt alle Aspekte der Manie ins Gegenteil und zwingt den Betroffenen zu Apathie und Lustlosigkeit. Bei dieser Erkrankungsphase höchsten Leidens erscheint sehr oft der Tod als besserer Zustand. Auch beschämen dann oft Dinge, die man in der Manie gemacht hat. Eine Depression wird als viel schlimmer empfunden als das „Depressiv-Drauf“-Sein, das auch viele gesunde Menschen gelegentlich durchmachen. Depressive Episoden kommen im fortgeschrittenen Alter häufiger vor.

Verlaufsformen

Manische oder depressive Episoden treten häufig, aber nicht ausschließlich nach einem belastenden Lebensereignis auf. Das erstmalige Auftreten der Krankheit kann in jedem Alter geschehen. Die ersten Symptome treten jedoch meist zwischen 15 und 30 Jahren auf. Die Betroffenen durchleben in den ersten 10 Jahren meist vier verschiedene Phasen. Häufigkeit und Dauer der einzelnen Phasen sind sehr unterschiedlich. Generell lässt sich jedoch sagen, dass manische Phasen in der Regel etwas kürzer dauern als depressive Episoden, dass die Intervalle zwischen den Phasen im Lauf der Zeit kürzer werden und dass mit zunehmendem Lebensalter häufiger depressive Phasen auftreten und diese länger andauern. Nach einigen Phasen der Krankheit können sich innere Rhythmen ausbilden, die auch unabhängig von äußeren Ereignissen wirken. Während mitunter – vor allem wenn schnell erkannt und richtig behandelt – nach der ersten oder den ersten Episoden keine weiteren mehr auftreten, tritt die bipolare Störung bei vielen als eine lebenslange, chronische Erkrankung in Erscheinung.

Es gibt eine Rückkoppelung zwischen den Erlebnissen und dem Handeln einer Person auf der einen Seite und Biochemie und Symptomatik auf der anderen Seite. Mangelnde Einsicht ist ein Symptom der Erkrankung, ohne dieses Element wäre das krankheitsbedingte selbstschädigende Verhalten nicht möglich. Je mehr Zeit vergeht, bevor Einsicht erlangt wird, desto stärker werden Hirnstrukturen geprägt, was die Prognose negativ beeinflusst. Hinzu kommt der Einfluss von krankheitsbedingten Entscheidungen (Probleme am Arbeitsplatz und in Beziehungen, Schulden) auf die Lebensoptionen.

Gemäß den neuesten Studien erreichen bis zu 40 % nach Phasen von Manie oder Depression ihr ursprüngliches Funktionsniveau nicht mehr. 40 % der Betroffenen haben einen günstigen psychosozialen Verlauf bzw. können ihr soziales Umfeld bzw. ihre Position in der Gesellschaft erhalten. Im Fall bleibender Symptome wie Konzentrationsschwäche oder Müdigkeit spricht man von residualen Symptomen. Dauert die Krankheit länger mit mehreren längeren Klinikaufenthalten, besteht die Gefahr, dass der betroffenen Person vielfach der soziale Halt verloren geht, oft auch der Arbeitsplatz. Mitunter zerbricht die Familie.

Bipolar I – Bipolar II – Switching – Zyklothymia

Die bipolaren Störungen werden unterteilt in Bipolar I und Bipolar II.

Bipolar-I-Störung. Die x-Achse ist die Zeit-Achse. Die oszillierenden Schwankungen stehen für die Ausschläge von Antrieb, Aktivität und Stimmung in Richtung der extremen Pole Manie bzw. Depression.

Als Bipolar I wird eine 7 bis 14 Tage oder seltener auch länger andauernde manische Episode (Hochphase) bezeichnet, gefolgt von mindestens einer depressiven Episode. Die Bipolar-I- Störung kommt bei ca. 1 bis 2 % der Bevölkerung vor. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen.

Bipolar II beinhaltet eine mindestens 14 Tage andauernde depressive Episode, gefolgt von mindestens einer Hypomanie (leichtere Form der Manie). Die Bipolar-II- Störung kommt bei ca. 4 % der Bevölkerung vor.

Rezidivierende Depressive Störungen (Depressionen, die nach einem Zwischenzustand des Normalen immer wieder auftreten) können mit einer Bipolar II-Störung verwechselt werden, wenn die hypomanen Phasen nicht erkannt werden.

Bipolar-II-Störung

Switching (Polaritätswechsel) wird der übergangslose Wechsel zwischen Manie (oder Hypomanie) und Depression genannt.

Bei einer Zyklothymia ICD-10 sind die Betroffenen mindestens zwei Jahre lang leichten manischen und depressiven Schwankungen ausgesetzt, die allerdings immer noch deutlich über den normalen Stimmungsschwankungen liegen. Nach ICD-10 wird die Zyklothymia nicht zur bipolaren Störung gerechnet.

Rapid Cycling

Von Rapid Cycling (RC) wird bei mindestens vier Stimmungsumschwüngen im Jahr gesprochen, Ultra Rapid Cycling (URC) beschreibt Stimmungsumschwünge innerhalb von wenigen Tagen und Ultra Rapid Ultradian Cycling (URUC) die Umschwünge innerhalb von wenigen Stunden. Patienten mit einem Rapid-Cycling-Verlauf werden häufig in einer Klinik behandelt. Rapid Cycler benötigen eine spezielle Therapie, weil der häufige Episodenwechsel mit klassischen Medikamenten oftmals nicht ausreichend behandelbar ist, und daher üblicherweise zu Stimmungsstabilisatoren gegriffen wird. Die Ursachen sind bis zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärt. Das Selbsttötungs-Risiko ist bei „Rapid Cycling“ hoch und die Prognose schlecht.

Mischzustände (dysphorische Manien)

Wenn während einer bipolaren Krankheitsepisode depressive und manische Symptome in rascher Aufeinanderfolge auftreten, oder wenn sich depressive und manische Symptome durch gleichzeitiges Auftreten mischen, nennt man das einen manisch-depressiven Mischzustand oder eine gemischte Episode. Die betroffenen Patienten können z. B. sehr schnell denken oder sprechen, wie es für eine manische Episode typisch ist. Gleichzeitig können sie aber sehr ängstlich sein, Selbstmordgedanken haben und unter gedrückter Stimmung leiden; auch URC und URUC lassen sich in diesen Episoden bei Patienten feststellen, die sonst nicht von dieser Art des Switchings betroffen sind. Mischzustände treten häufig in der postmanischen Phase auf und sind auch darin begründet, dass Betroffene in der manischen Phase nicht mehr fähig sind, richtig zu schlafen. Sie sind häufig und kommen mindestens so oft vor wie „klassische“ Manien. Der erhöhte Antrieb kann verursachen, dass depressive Gedanken in die Tat umgesetzt werden, so dass das Suizidrisiko in diesen Zuständen wesentlich höher ist als in der reinen Depression, in der der Antrieb gelähmt ist. Wie bei Rapid Cycling finden hier oft stimmungsstabilisierende Psychopharmaka Anwendung. Es handelt sich um schwere Episoden, die schwieriger zu behandeln sind als die klassischen Phasen der bipolaren Erkrankung.

Suizidrisiko

An bipolaren Störungen Leidende haben generell ein um ein Vielfaches erhöhtes Selbsttötungsrisiko. Durchschnittlich begehen 15 bis 30 % Selbsttötung. In manchen Gegenden – wie für Schottland nachgewiesen – ist die Selbsttötungsrate von Betroffenen 23 Mal höher als im Bevölkerungsdurchschnitt, und in manchem Lebensabschnitt – beispielsweise im Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nach der Erstmanifestation – ereignen sich besonders viele Suizide[3], [4] und [5].

Besonders riskant sind Depressionen, bei denen die Lähmung des Antriebs noch nicht vorhanden oder bereits wieder etwas verbessert ist, so dass die Selbsttötung umgesetzt werden kann. Auch gemischte Phasen (Mischzustände), bei denen in quälender Weise manische und depressive Symptome zugleich auftreten, bergen infolge der dysphorischen bzw. verzweifelten Stimmung und des enorm hohen Antriebsniveaus ein Selbsttötungs-Risiko. Ein weiterer Grund kann sich sogar bei klarer Überlegung zwischen den Phasen halten: Viele Experten halten die Depression für die Krankheit, bei der man am meisten leidet. Bipolare mit ungünstiger Prognose und vielen Phasen zuvor wissen darum, dass wieder und wieder Depressionen kommen werden.

Ursachen

Die Entstehung einer bipolaren Störung ist höchstwahrscheinlich multifaktoriell bedingt (Vulnerabilität). Sowohl genetische Faktoren als auch psychosoziale Auslöser dürften eine Rolle spielen, d.h. das Erbgut setzt einen Rahmen für die Erkrankungswahrscheinlichkeit (Prädisposition) und die Umfeldfaktoren beeinflussen Entstehung, Verlauf und Ende der Erkrankung.

Erblichkeit

Bipolare Störungen sind bis zu einem gewissen Grad erblich veranlagt. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Verwandte ersten Grades von Menschen mit einer Bipolar-I-Störung ebenfalls daran erkranken, ist gegenüber der normalen Bevölkerung siebenfach erhöht. Deren Risiko, an irgendeiner Form von Gemütsleiden – an einer affektiven Störung also – zu erkranken, ist sogar um das 15- bis 20-fache erhöht.[6] Bei eineiigen Zwillingen ist bei 60 Prozent der Fälle der zweite Zwilling ebenfalls von der bipolaren Störung betroffen, falls der erste erkrankt ist. Allerdings wird daraus auch deutlich, dass trotz 100prozentig gleichen Erbguts keine 100prozentige Übereinstimmung bei der Krankheit besteht.[6]

Bipolare Erkrankungen sind keine klassische, reine Erbkrankheit, die etwa gemäß der mendelschen Regeln dominant oder rezessiv vererbt werden. Dennoch tragen nach heutigem Wissensstand verschiedene Gene zum Erkrankungsrisiko bei. So wurden bei manisch-depressiven Menschen Veränderungen vor allem auf den Chromosomen 18, 4 und 21 festgestellt.[7] So z. B. an einem Gen, das auf Wirkungen von Stress auf das Nervensystem Einfluss ausübt. Auch genetische Codierungen für das episodenhafte Denken können betroffen sein. Weiter ist ein Gen wirksam, das für Stoffe zur Ausbildung von Nervenscheiden und auch bei Veränderungen in der Pubertät verantwortlich ist. Gene für Monoaminooxidase (MAO), für Serotonin-Transport, für den Aufbau des Noradrenalin-Stoffwechsels sind ebenfalls betroffen.

Jedes einzelne Gen bzw. jeder einzelne genetische Defekt hat hierbei nur einen relativ geringen Effekt. Solche Anlagenträger sind recht verbreitet. Kommen allerdings viele solcherart wirkende Gene bei einer Person zusammen, so hat sie eine große Disposition, bei auslösenden Faktoren im Laufe des Lebens an der bipolaren Störung zu erkranken.[8]

Biologische Faktoren

Die Neurotransmitter (die chemischen Botenstoffe), die in Synapsen zwischen den Nervenzellen des Gehirns bei der Informations-Übermittlung hemmend oder verstärkend wirken, zeigen bei Bipolaren mengenmäßige Abweichungen von dem Zustand bei Nichtbetroffenen. Besonders die Überträgerstoffe Serotonin, Dopamin und Noradrenalin sind hier zu nennen, die auch bei anderen psychischen Störungen eine Rolle spielen.

  • Eine Depression wird durch einen Mangel der Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin begünstigt. Inzwischen gilt eine Störung des gesamten Gleichgewichts verschiedener Transmitter als Ursache depressiver Phasen. Außerdem ist bei Depressiven die Empfindlichkeit und Dichte der Rezeptoren, auf die die Neurotransmitter einwirken, verändert.
  • Eine Manie wird mit einer erhöhten Konzentration der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin begünstigt.

Auch der Stresshormon-Gehalt im Blut Erkrankter scheint erhöht zu sein (Cortisol, Adrenalin, Noradrenalin).

Psychosoziale Faktoren

Neben genetischen spielen unterschiedliche Faktoren aus der Umwelt eine große Rolle, die in der Lebensgeschichte wirken, wie traumatische Ereignisse (Trennungen, Mobbing, Verlust des Arbeitsplatzes, Vertreibung und Verfolgung, Folter, sexueller Missbrauch/ Vergewaltigung und körperliche Misshandlung im Kindes- und Jugendalter, sowie der Verlust eines geliebten Angehörigen). Ebenso verheerend wirkt sich auch sonstiger Stress wie auch alle angstauslösenden Veränderungen aus (hierbei sind Bipolare viel verletzlicher als Nichtbetroffene, so kann z. B. ein Wohnungswechsel Phasen auslösen), vor allem auch psychosozialer Stress, Konflikte in der Partnerschaft, in Familie und Beruf (auch hier sind Betroffene viel mehr gefährdet).

Faktor Lebenswandel

Diskutiert wird auch eine Schwächung des Selbstwertgefühls, bei der eine tragende Säule des gesunden Zustandes wegfällt (Stavros Mentzos). Eine große Rolle bei auslösenden Faktoren spielt ein unregelmäßiger Tag-/Nacht-Rhythmus z. B. durch Schichtarbeit oder Lebenswandel, Schlafmangel, Überarbeitung, Alkohol– und sonstiger Drogenmissbrauch. Schlussendlich können jegliche Veränderungen phasenauslösend wirken. Bis zu 75 % der Betroffenen berichten im reflektierenden Rückblick, dass sie unmittelbar vor der ersten spürbaren Krankheitsepisode intensiven Stress hatten – Stress allerdings, der bei nicht vulnerablen (solcherart verletzlichen, von Vulnerabilität betroffenen) Menschen keine manische oder depressive Episode ausgelöst hätte, da sie Stress besser körperlich verarbeiten.

Spätere Krankheits-Phasen können immer weniger mit stressenden Ereignissen erklärt werden, bzw. minimaler Stress kann sie bereits auslösen.

Behandlung

Aufgrund mitunter mangelnder Krankheitseinsicht der Betroffenen, insbesondere in manischen Episoden oder bei akuter Suizidgefahr, muss eine Behandlung in der akuten Krankheitsphase bei Manien oder schweren Depressionen manchmal gegen den Willen der Patienten als Zwangsbehandlung erfolgen. In den meisten Fällen zeigen Betroffene jedoch Einsicht und lassen sich auch wegen ihres hohen Leidensdrucks freiwillig behandeln. Wenn allerdings manische Phasen erstmals auftreten, können Betroffene keine Einsicht haben, da sie noch keine Erfahrungen über die schweren negativen Folgen gesammelt haben. Bei vielen kommt die Einsicht erst nach mehreren Phasen. Sehr hilfreich für eine erfolgreiche Behandlung ist, wenn sich die Betroffenen über ihre eigene Krankheit informieren und viel darüber lesen, damit sie selbst nachvollziehen können, welche Behandlung in welcher Phase am besten ist, und damit sie auch das rechtzeitige Gegensteuern, welches für ein geregeltes Leben zwingend notwendig ist, lernen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die korrekte Diagnose.

In den meisten Fällen ist eine Behandlung mit Medikamenten indiziert und auch zwingend notwendig, weil alleine durch Gespräche die krankhafte Veränderung des Botenstoffhaushaltes nicht ausreichend beeinflusst werden kann. [9] Die medikamentöse Behandlung wird durch regelmäßige Kontrollen und Gespräche unterstützt beziehungsweise überwacht. In Abhängigkeit von Krankheitsverlauf und -schwere kann bei leichten Fällen auch alleine mit einer regelmäßigen Gesprächstherapie eine Stabilisierung erzielt werden. Hierbei ist das frühzeitige Erkennen der Erkrankung ein wichtiger Faktor. Eine bipolare Störung tritt nicht urplötzlich bei einem vorher völlig gesunden Menschen auf, sondern entwickelt sich schleichend. Auf Grund von mangelnden Kenntnissen in der Öffentlichkeit und sogar bei Ärzten, und auch der Scheu vor dem Umgang mit psychischen Erkrankungen, wird bei vergleichsweise milden Krankheitssymptomen oftmals über Jahre hinweg nicht eingegriffen - möglicherweise auch aus Angst vor Medikamenten. Dabei kann der Verlauf durch das frühzeitige Stellen einer Diagnose und mit regelmäßigen Gesprächen stark positiv beeinflusst werden.

Medikamente

In den verschiedenen Episoden wird unterschiedliche Medikation verwendet. Man unterscheidet ferner zwischen Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Prophylaxe.

Manie

Bei akuten Manien oder dem Vorherrschen starker Manien werden oft Neuroleptika verabreicht. Atypische Neuroleptika wie Risperidon, Quetiapin, Olanzapin und andere eignen sich zur Behandlung einer manischen Phase, Clozapin wird jedoch aufgrund der Gefahr einer Agranulozytose eher nicht eingesetzt. Neuroleptika können auch eingesetzt werden, wenn sich eine manische Episode anbahnt, was den vollständigen Ausbruch oft verhindert.

Benzodiazepine werden primär als Begleitmedikation bei einer Manie, jedoch auch bei Depression eingesetzt. Diese sedierenden und angstlösenden Mittel sind jedoch nicht ausreichend, die oft starke Ruhe- und Schlaflosigkeit zu verhindern, dürfen daher nur begleitend und über einen begrenzten Zeitraum verabreicht werden. Bei unsachgemäßer Verschreibung führen sie zu Abhängigkeit.

Mischzustände

Mischzustände sind kompliziert zu behandeln. Meist müssen mehrere Medikamente kombiniert werden. Sie können einerseits mit neueren atypischen Neuroleptika wie zum Beispiel Ziprasidon behandelt werden. Andererseits muss auch die depressive Symptomatik behandelt werden. Es kann vorkommen dass die Einnahme über einen längeren Zeitraum notwendig ist, falls psychotische Symptome beim Absetzen wiederkehren.

Depression

Antidepressiva, insbesondere Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, die die Konzentration des Dopamin nicht erhöhen, werden bei akuten Depressionen oder bei rasch wiederkehrendem (rezidivierendem) Erscheinen vieler Depressionen empfohlen. Durch viele Antidepressiva kann es bei Betroffenen zu einem Umschlagen in die Manie oder Hypomanie kommen („Switch“, „Switch-Risiko“), weswegen insbesondere bei einer Erstbehandlung eine Beziehungsebene zu dem zu Behandelnen gewährleistet sein muss, da durch den sog. ("switch"-effekt) eine erhöhte Handlungsbereitschaft zu einer evtl. vorliegenden Absicht der Selbsttötung vorhanden sein kann; deswegen sind nicht alle Antidepressiva bei Bipolaren gleichermaßen geeignet. Oftmals wird in Deutschland die Kombinationstherapie mit atypischen Neuroleptika empfohlen, obwohl belegt ist, dass bei einer Kombination mit SSRI das Risiko eines Serotonin-Syndroms sehr hoch ist.[10] Am naheliegendsten ist die Kombination von SNRI bzw. SSRI mit Stimmungsstabilisierern, siehe Phasenprophylaxe.

Phasenprophylaxe

Eine vorbeugende Behandlung der bipolaren Störung geschieht mit Stimmungsstabilisierern wie Lithium oder Antiepileptika wie Carbamazepin, Valproinsäure oder Lamotrigin. Die genauen Wirkungsweisen, insbesondere die des Lithiums, in Form von Lithiumcarbonat eingenommen, sind bisher noch ungeklärt.

Gerade für Bipolar II-Patienten mit starken Depressionen und nur leichten manischen Zuständen (Hypomanien) erweisen sich Carbamazepin, Valproinsäure und Lithium jedoch als wenig wirksam, weil diese Medikamente vor allem manischen Zuständen vorbeugen. Eine Ausnahme ist Lamotrigin, das eine bessere Prophylaxe gegen depressive Zustände verspricht. Da es kaum antimanisch wirkt, werden auch die für manche als angenehm und eher anregend empfundenen Hypomanien kaum beeinträchtigt. [11]

Neuroleptika

Neuroleptika (inkl. atypische Neuroleptika) sind generell wenig zur Phasenprophylaxe geeignet, da sie extrapyramidal-motorische Störungen auslösen können und im Gegensatz zu den Stimmungsstabilisierern nicht phasenprophylaktisch wirken. Sie sollten deshalb eher in manischen Phasen oder Mischzuständen angewendet werden. Wenn Mischzustände länger andauern und deshalb eine längere Gabe von dopaminsenkenden Mitteln notwendig wird, ist dies nicht als Phasenprophylaxe zu betrachten, sondern als Behandlung einer lang andauernden Phase.

Wenn in der Manie keine Möglichkeit einer Erholungsphase mehr gegeben ist, ist eine künstliche Dämpfung erforderlich. Eine Dauerbehandlung mit Neuroleptika ist meist nicht notwendig und verursacht zudem unverhältnismäßig viele Nebenwirkungen und schränkt die Lebensqualität Betroffener erheblich ein.

Koffein, Alkohol, Drogen

Neben Stress und Schlafmangel wirken sich auch Koffein, Alkohol, Tabakrauch und andere Drogen bei bipolaren affektiven Störung ungünstig aus. Oftmals sind zudem Wechselwirkungen mit den verordneten Medikamenten zu erwarten, weswegen ein vollständiger Verzicht auf Kaffee, Alkohol und andere Drogen von Vorteil ist.

  • Koffein wirkt sich ungünstig auf die Schlafdauer aus und fördert Nervosität und Unruhe; Bipolare können in besonderer Weise dafür anfällig sein und könnten eine Manie dadurch auslösen.
  • Alkohol wirkt sich – neben der Gefahr einer Abhängigkeit – entgegen populärer Ansichten negativ auf Schlaftiefe und Schlafdauer aus und wirkt enthemmend, was einer antimanischen Prophylaxe entgegensteht. Auf der anderen Seite verstärkt Alkohol Depressivität.
  • Nikotin erschwert die medikamentöse Behandlung, da die korrekte Einstellung durch den Konsum beeinträchtigt wird.
  • Cannabis wird von einigen Bipolaren gerne als Eigenmedikation angewandt. Trotz der womöglich positiven Effekte darf nicht vergessen werden, dass gerade Zurückgezogenheit und Trägheit (depressive Merkmale), sowie Paranoia und Verfolgungswahn (manische Merkmale), durch Marihuana um ein Vielfaches gesteigert werden können, was der Gesundung wiederum entgegenwirkt.
  • Kokain steht ebenfalls im Verdacht, Manien auszulösen, und in der Tat gibt es Verhaltensähnlichkeiten zwischen einem Maniker und einer Person, die Kokain als Rauschdroge missbraucht.
  • Amphetamin (Speed) kann in seinem Wirkungsverlauf sowohl manische Symptome auf dem Höhepunkt des Tripps, sowie depressive Muster beim Nachlassen der Euphorie auslösen. Amphetamine begünstigen extreme Stimmungsschwankungen, wobei u.a. Ruhelosigkeit, Schlafmangel und eintretende Unsicherheit die wohl langfristigsten Auswirkungen auf die Psyche haben können.

Psychotherapie

Sinnvoll ist eine auf die Krankheit abgestimmte kognitive Verhaltenstherapie und/oder Gesprächspsychotherapie und/oder Soziotherapie und/oder Psychoedukation. Empfehlenswert sind außerdem Selbsthilfegruppen, wie sie sich etwa im „Bipolar-Selbsthilfe-Netzwerk“ zusammengeschlossen haben.

Sinnvoll für Betroffene ist es, eigene Warnsysteme zu entwickeln, um nicht wieder in extreme Phasen zu geraten, mit Selbststeuerungskonzepten, Stress-Management-Training, Selbstbeobachtung, Selbstregulation und Selbstmanagement. Das Erkennen der persönlichen Frühwarnzeichen der depressiven, manischen oder gemischten Phasen und ein rechtzeitiges Gegensteuern durch entsprechendes Verhalten (z. B. antidepressive Tätigkeiten bei Gefahr einer Depression; antimanisches Verhalten, wie genügend Schlaf, Beschränkung, Reizabschirmung bei der Gefahr einer Manie sowie die richtige Medikation zum richtigen Zeitpunkt) kann den Ausbruch einer neuen Episode verhindern. Ein geregeltes, stressfreies, erfülltes Leben mit ausreichend Schlaf, Bewegung (Sport) und Meditation oder Yoga kann neue Episoden verzögern, oder seltener auch, ganz verhindern. Voraussetzung dafür ist, dass sich Betroffene von den Folgen der letzten Episode erholt haben.

Epidemiologie

Die Wahrscheinlichkeit, in seinem Leben an einer bipolaren affektiven Störung zu erkranken (Lebenszeitrisiko), liegt in den unterschiedlichsten Ländern bei 1 bis 1,6 %, das ist mindestens jeder Hundertste. Es besteht kein Unterschied des Erkrankungsrisikos zwischen Männern und Frauen.

Das Risiko, eine hohe Phasenfrequenz (schneller Wechsel zwischen gehobener und gedrückter Stimmung) zu entwickeln, steigt mit der Dauer der Erkrankung. Etwa 10 % der Betroffenen entwickeln Krankheitsformen mit vier und mehr Episoden pro Jahr. Dies geht mit einer ernsteren Prognose einher. Ersten Untersuchungen zufolge scheinen 80 % der so genannten Rapid Cycler Frauen zu sein. Etwa ein Drittel der Patienten erreichen im Rahmen ihrer Erkrankung keine Vollremission (symptomfreies Intervall).

75 % der Patienten erleiden ihre erste Krankheitsepisode bis zum 25. Lebensjahr. 10 % bis 15 % der Betroffenen durchleben mehr als 10 Episoden in ihrem Leben. 39 % der Patienten haben eine weitere psychiatrische Diagnose.

Die sozioökonomischen Auswirkungen von affektiven Störungen auf die Volkswirtschaft belaufen sich allein in den USA auf 45 Milliarden Dollar (Studie von 1991). Bipolare Störungen gehören laut WHO zu den 10 Krankheiten, die weltweit am meisten zu dauernder Behinderung führen.

Ungefähr 25 % bis 50 % aller bipolar Erkrankten unternehmen mindestens einen Suizidversuch. Etwa 15 % bis 30 % der Patienten suizidieren sich.

Kinder und Jugendliche

Bis jetzt wird die Häufigkeit des Auftretens einer manisch-depressiven Episode im Kindheits- und Jugendalter mit einem Wert von unter 0,1 % als relativ gering eingeschätzt. Es spricht allerdings einiges dafür, dass dieser Wert die tatsächliche Auftretens-Häufigkeit unterschätzt, da nach Vermutung einiger Psychiater in der kinderpsychiatrischen und psychologischen Praxis Fehlinterpretationen des Beschwerdebildes bei Hypomanie und Manie in Richtung ADHS und Verhaltensstörungen vorkommen. Häufige Komorbiditäten sind Angststörungen und aggressive Verhaltensstörungen.

Besonders jugendliche männliche Erkrankte weisen in 30 % der Fälle stimmungsinkongruente psychotische Merkmale auf. In Bezug auf ADHS überlappen sich viele Symptome. Hinweise auf die bipolare Störung ergeben sich vor allem: aus einem episodenhaften Verlauf, einer signifikant höheren Beeinträchtigung, und – im Fall einer Manie – durch Größenideen und Selbstüberschätzung sowie rücksichtslosem Verhalten. Eine genaue Anamnese ist somit unerlässlich. Fehlbehandlung durch Stimulanzien wie Methylphenidat oder Modafinil können die Symptome der Hypomanien und Manien verstärken, was zu schlimmen Zuständen und sogar zu physischen Schädigungen führen kann. Gegenüber rein unipolar Depressiven besteht bei bipolaren Jugendlichen ein höheres Suizidrisiko.

Forschungsgeschichte

Antike

Bipolare Störungen sind schon seit langem bekannt. Erste Schriftzeugnisse aus der Antike belegen bereits die Kenntnis der beiden Zustände, zunächst als gesonderte Krankheiten durch den berühmten Arzt Hippokrates von Kós. Bereits einige Jahrhunderte danach erkannte Aretaeus von Kappadokien die Zusammengehörigkeit von Depression und Manie.

Hippokrates von Kós beschrieb im 5. Jahrhundert v. Chr. die Melancholie (entspricht der heutigen Depression). Er nahm an, dass sie durch einen Überschuss an „schwarzer Galle“ entstehe, die von der organisch erkrankten Milz ins Blut ausgeschieden werde, den gesamten Körper überflute, ins Gehirn eindringe und Schwermut verursache. Mit dieser Vorstellung ist der griechische Begriff „Melancholia“ eng verzahnt (griechisch: μελαγχολια von μελας, melas, „schwarz“, + χολη, cholé, „Galle“). Hippokrates verwendete auch bereits den Begriff „Mania“ (Manie), um einen Zustand der Ekstase und Raserei zu beschreiben. Dieser griechische Begriff (griech. μανία manía = Raserei) hielt sich seitdem bis heute in der Wissenschaft. Statt des griechischen Wortes „Melancholie“ wird heute der Fachbegriff „Depression“ für den anderen Extrempol dieser Erkrankung verwendet, der aus der lateinischen Sprache stammt (lat. depressio „Niederdrücken“).

Der griechische Arzt Aretaeus von Kappadokien vermutete ähnliche körperliche Ursachen, erkannte aber bereits im 1. Jahrhundert nach Christus eine Zusammengehörigkeit der beiden extremen Zustände, die als Gegenpole so weit auseinander liegen und beschrieb somit als erster die bipolare Störung: Meiner Ansicht nach ist die Melancholie ohne Zweifel Anfang oder sogar Teil der Krankheit, die Manie genannt wird… Die Entwicklung einer Manie ist vielmehr eine Zunahme der Krankheit als ein Wechsel in eine andere Krankheit.[12]

Mittelalter

Während des Mittelalters geriet dieses rationale Konzept in Vergessenheit, ebenso die Ursachensuche auf körperlich bedingte Faktoren. Dämonen und Hexen galten nun als Ursache der Erkrankung, und nicht wenige derer, die der Hexerei bezichtigt waren, fielen diesem „Irrsinn“ der „normalen“ Bevölkerung und Instanzen zum Opfer. Auch Betroffene wurden als „Besessene“ verteufelt, verfolgt und umgebracht.

In der Katholischen Kirche, die für das Abendland in jener Zeit bestimmend war, zählten „Superbia“ (Stolz, Eitelkeit, Hochmut, Arroganz), „Ira“ (Zorn, Wut) und „Luxuria“ (Wollust, Unkeuschheit) zu den sieben Hauptlastern oder „Wurzelsünden“, die zu Todsünden führen konnten. Die Symptome der Manie sind hier in hohem Grade deckungsgleich. In der „Acedia“ (Faulheit, Trägheit, Trägheit des Herzens) war die „Melancolia“ mit eingebunden. Symptome der Depression wurden hier als Wurzelsünde eingestuft.

Neuzeit

Das wesentlich modernere und aufgeklärtere Konzept des Aretaeus von Kappadokien, der wie Hippokrates von körperlichen Ursachen ausging, griffen erst französische Forscher wieder auf. Jean-Pierre Falret beschrieb im Jahr 1851 „la folie circulaire“ (= zirkuläres Irresein) als einen Wechsel von Depressionen, Manien und einem gesunden Intervall, Jules Baillarger drei Jahre später sein Konzept der „folie à double forme“ als unterschiedliche Erscheinungsformen derselben Krankheit, wobei nicht unbedingt ein freies Intervall zwischen diesen beiden Extremzuständen liegen muss.

Der deutsche Psychiater Emil Kraepelin nannte 1899 diese Erkrankung des „circulären Irreseins“ auch „manisch-depressives Irresein“, wobei er auch schon Mischzustände erkannte, bei denen manische und depressive Symptome gleichzeitig vorkommen. Auch für Kraepelin waren Manien und Depressionen Ausdrucksformen ein- und derselben Krankheit.[13]

In der Zeit des Nationalsozialismus trugen prominente deutsche Psychiater zur „Vernichtung unwerten Lebens“ bei. Nicht wenige stießen diese Entwicklung sogar an und brachten sie vorwärts. Manisch-Depressive („zirkulär Irre“) wurden als „erbkrank“ eingestuft, zwangssterilisert oder – dann mit der Diagnose „Schizophrenie“ – in den Vergasungs-Anstalten der „Aktion T4“ ermordet.

1949 traf Karl Kleist eine erbbiologische Unterscheidung unipolarer und bipolarer Krankheitsformen und 1966 unterschieden Jules Angst und Carlo Perris bipolare Erkrankungen und unipolare Depressionen. „Bi-“ ist eine Vorsilbe lateinischen Ursprungs mit der Bedeutung „zwei“, unter „Pol“ versteht man eines von zwei (äußersten) Enden. Das eine Ende wird hierbei als das extreme Gegenteil des anderen betrachtet.

Leben mit der bipolaren affektiven Störung

Wie bei anderen Krankheiten gibt es leichte oder schwerere Verläufe. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser. Mit Erkennen der Frühwarnzeichen und Gegensteuern und Medikation kann man ein erfülltes Leben führen. Bei einem großen Teil der Patienten wird die berufliche und soziale Mobilität nicht wesentlich beeinträchtigt.

Auswirkungen ungünstiger Verläufe

Bipolare sind in ihrem Alltag durch ihre Krankheit starken Beeinträchtigungen und Leiden ausgesetzt. Aber auch Angehörige haben stark zu leiden:

  • unter „Fremdgehen“ oder finanziellem Ruin und/oder
  • distanzlosem, ruhelosem oder auffälligem Verhalten im Rahmen einer Manie und/oder
  • unter der Berufsunfähigkeit und/oder
  • unter dem Ausfall partnerschaftlich-unterstützender Verhaltensweisen bei Depressionen und der zermürbenden Wiederkehr solcher Phasen und/oder
  • noch verstärkt durch Komorbidität wie Alkoholabusus und/oder
  • durch die Stigmatisierung.

Wenn psychisch Kranke eine akute Bedrohung oder Gefährdung für sich und/oder andere darstellen, können sie auch gegen ihren Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden (z. B. durch den sozialpsychologischen Dienst). Im Falle einer Manie sind jedoch nur geschulte Fachleute in der Lage einzuschätzen, ob eine Zwangseinweisung notwendig ist. So wurden schon Fälle bekannt, in denen Patienten, die sich nachweislich in äußerst kritischen Phasen befanden, sich von Richtern aus Kliniken haben entlassen lassen, und dadurch einer unverantwortbaren Selbst- und Fremdgefährdung ausgesetzt waren. Da die Manie für sie persönlich eine Hochphase der Gefühle bedeutet, weigern sie sich häufig, freiwillig Medikamente einzunehmen, die diese Hochphase bekämpfen würden. So müssen Angehörige die Krankheitsphase „aussitzen“, was mehrere Wochen dauern und bleibende soziale Schäden verursachen kann.

Kinder und Jugendliche leiden beispielsweise darunter, dass Mütter oder Väter in ihren Krankheitsphasen ganz oder teilweise bei der Erziehung und im Haushalt ausfallen. Als sehr wichtig hat sich erwiesen, dass Angehörige, die häufig so sehr unterstützend tätig sein müssen, nicht vergessen immer wieder auch einmal an sich zu denken.

Entstigmatisierung

Die Betroffenen haben nicht nur mit den Problemen zu kämpfen, dass sie oft die Unterstützung der Freunde und der Familienmitglieder verlieren, sondern dass sie aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Gegen die Diskriminierung kämpfen zahlreiche Prominente, die selber erkrankt sind und zu ihrer Erkrankung stehen und öffentlich darüber sprechen. Es gibt auch Projekte, die diesen oft sehr kreativen Leuten helfen sollen, Selbstvertrauen zu gewinnen und so ihre Anerkennung in der Gesellschaft zu erkämpfen. Ein solches Projekt ist z.B. in Deutschland die Homepage Bipol-Art von Magdalena Maya Ben, die unter der Schirmherrschaft von Kay Redfield Jamison 2005 zustande kam.

Vorsorge

Für Bipolare ist das Thema Vorsorgevollmacht von entscheidender Bedeutung. In einer "normalen"-Phase sollte man sich bereits hinsetzen und sich klar werden, was man im Falle einer Eigen- oder Fremdgefährdung wünscht. Als Muster für diese Willenserklärung kann man sich an der Bochumer Willenserklärung orientieren.

Kreativität

Während einer Manie kommt es schnell zu einem seelischen Chaos. Durch die Überdrehtheit während dieser Phase richten Betroffene Schaden an und sind nicht mehr in der Lage, Vernünftiges zu leisten. Depressionen und gemischte Episoden, die bei Bipolaren besonders quälend sind, werfen Betroffene regelrecht aus der Bahn und lähmen diese.

Die Kreativitätsschübe erfolgen vorwiegend in der hypomanen Phase. Durch moderne Behandlungsmethoden (Medikation, Therapien wie kognitive Verhaltenstherapie, Gestaltungstherapie, Kreativ-Atelier, manchmal auch nur einfache Betreuung als Ausgleich für evtl. erlittene Schockerlebnisse in der Kindheit und Jugend) kann die Kreativität meist erhalten bleiben, so dass sie als positiver Aspekt dieser schlimmen und zerstörerischen Krankheit wirken kann.

Manisch-depressive Menschen sind in ihrem manisch anmutenden Arbeiten bei entsprechender Therapie und Betreuung dann zu Werken fähig, die Menschen ohne manische Erfahrung oftmals für unmöglich halten. Visionen zu verwirklichen setzt in diesem Sinn allgemein einen manischen Antrieb voraus. Die kreative Umsetzung der manisch anmutenden Energie ist somit jeweils ein Glücksfall und ist in diesem Sinne auch anzustreben, wobei dann die körperliche Konstitution wiederum Grenzen setzt, z. B. Sehnenscheidenentzündungen an Armen und Händen oder Rückenbeschwerden.

Nach einer Untersuchung von Kay Redfield Jamison von 1994 beträgt die Häufigkeit bipolarer Erkrankungen bei kreativen Persönlichkeiten das 10-fache der Häufigkeit bei der Allgemeinbevölkerung. Mehr als ein Drittel aller zwischen 1705 und 1805 geborenen englischen und irischen Dichter litten gemäß Jamison an bipolaren Erkrankungen, mehr als die Hälfte an Stimmungsstörungen.[14]

Literatur und Filme

Ratgeber

  • Assion, Hans-Jörg; Reinbold, Hartmut: Bipolaricum. Kompaktwissen über Manie und Depression. PsychoGen Verlag, Dortmund 2007, ISBN 3-938001-06-2
  • Bräunig, Peter; Gerd Dietrich: Leben mit bipolaren Störungen. Trias-Verlag 2004, ISBN 3-8304-3069-8
  • Eberhard J. Wormer: Bipolar – Depression und Manie. Leben mit extremen Emotionen. Knaur, München 2003, ISBN 3-426-66748-7
  • Bock, Thomas: Achterbahn der Gefühle. Mit Manie und Depression leben lernen. Balance Buch + Medien, Bonn 2007, ISBN 978-3-86739-022-4
  • Bräunig, Peter; Krüger, Stephanie; Rosbander, Yvette: Kinder bipolar erkrankter Eltern. Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. 2005. ISBN 978-3-8334-2584-4

Psychiatrische Fachbücher

  • Hans-Jörg Assion, Wolfgang Vollmoeller: Handbuch bipolare Störungen. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-018450-3
  • Jörg Walden, Heinz Grunze: Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung. Stuttgart-New York 2003, ISBN 3-13-104993-6
  • Michael Bauer (Hrsg.): Weißbuch Bipolare Störungen in Deutschland, Stand des Wissens – Defizite – Was ist zu tun?. 2. Auflage. Norderstedt 2006, ISBN 978-3-8334-4781-5
  • Frederick K. Goodwin und Kay Refield Jamison: Manic depressive illness. Oxford University Press 1990, ISBN 0-19-503934-3
  • Kay Redfield Jamison: Touched with fire. Manic-depressive illness and the artistic temperament, New York 1993, ISBN 0-684-83183-X
  • Faust, Volker: Manie. Eine allgemeine Einführung in die Diagnose, Therapie und Prophylaxe der krankhaften Hochstimmung, Enke-Verlag 1997, ISBN 3-432-27861-6
  • Klaus Dörner, Ursula Plog, Christine Teller, Frank Wendt: Irren ist menschlich. Lehrbuch der Psychiatrie und Psychotherapie. 3. Auflage. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2007, ISBN 978-3-88414-440-4.
  • Christian Scharfetter: Allgemeine Psychopathologie. Eine Einführung. Thieme, Stuttgart-New York 2002, ISBN 978-3-13-531505-8
  • Hatzinger M (Hrsg.): Aubry JM, Ferrero F, Schaad: Pharmakotherapie bipolarer Störungen. Hans Huber Verlag, Bern 2006, 1. Auflage, ISBN 978-3-456-84326-1

Fachbücher Psychotherapie

  • Meyer, Thomas D., Martin Hautzinger: Manisch-depressive Störungen. Beltz Psychologie Verlags Union 2004, ISBN 3-621-27551-7. Auf die Bipolare affektive Störung abgestimmte kognitive Verhaltenstherapie.
  • Stavros Mentzos: Depression und Manie. Psychodynamik und Therapie affektiver Störungen. Göttingen 2001, ISBN 3-525-45775-8. Ein alternativer Ansatz, mit dem der Autor affektive psychische Störungen psychodynamisch zu erklären sucht, insbesondere einen hohen Stellenwert der Art des Selbstwertgefühls postuliert.
  • Bock, Thomas; Koesler, Andreas: Bipolare Störungen. Manie und Depression verstehen und behandeln. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2005, ISBN 978-3-88414-392-6

Sachbücher

  • Gartner, John D.: The Hypomanic Edge: The Bipolar Disorder That Made America the Most Successful Nation in the World. Simon & Schuster, New York 2005, ISBN 0-7432-4344-7

Fachartikel

Erfahrungsberichte

  • Danielle Steele: Sein strahlendes Licht. Die Geschichte von Nick Traina. Weltbild Verlag 2006, ISBN 3-89897-204-6
  • Kay Redfield Jamison: Meine ruhelose Seele. Die Geschichte einer manischen Depression. Goldmann-Verlag 1999, ISBN 3-442-15030-2
  • Petra Otto: Infarkt der Seele. Büro + Service GmbH Rostock, ISBN 3-89954-039-5
  • Dr. Renate Kingma (Redaktion): Mit gebrochenen Flügeln fliegen …. Menschen berichten über bipolare Störungen. Books On Demand 2003, ISBN 3-8330-0662-5
  • Scheidgen, Ilka: Meine Freundin Johanna. Ein Leben mit Manie und Depression. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2003, ISBN 3-88414-341-7

Biografie

  • Martina Ouillon: Das Glück, der Wahn und ich. Die Geschichte eines Manisch-depressiven. Droste Verlag, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-7700-1278-7. Die ergreifende Geschichte des erfolgreichen Krefelder Unternehmers und Managers Peter Kluth. Das Buch richtet sich gegen die Stigmatisierung von manisch-depressiven Menschen. Die Veröffentlichung stellt eine Mischung aus Biografie, Tatsachenbericht und Ratgeber für Betroffene und Angehörige dar. Es schildert in detaillierter Weise die krankheitsbedingten Veränderungen im Leben einer Führungskraft der Wirtschaft. Berufliche und familiäre Konsequenzen, aber auch Chancen und Wege der Neuausrichtung sowie die persönliche Bewältigung und das Leben mit der Krankheit werden eingehend thematisiert.
  • Matthias Arnold: Vincent van Gogh: Biographie. Kindler-Verlag, München 1993, ISBN 3-463-40205-X. Diese umfangreiche und fundierte Biografie zeichnet sich dadurch aus, dass viele Original-Briefe und sonstige Dokumente darin abgedruckt sind, darunter auch bisher unter Verschluss gehaltene, die einer „Legendenbildung“ Vorschub geleistet hatten, so dass der Leser sich anhand der Original-Quellen ein eigenes Bild machen kann. Wenn Vincent van Gogh im Artikel zitiert wird, entstammen die Zitate diesem Buch.

Dokumentarfilme

  • Thomas Gill und Brigitta Schülke: Immer wieder Achterbahn. Leben zwischen Manie und Depression, Psychiatrie Verlag, Bonn 2008, ISBN 978-3-88414-465-7
  • Plinz, N. / Hermann, O.: Die Pole des Saturn. Bipolar – Leben zwischen Manie und Depression. Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V., Doku-Collage auf DVD, 57 min., Psychiatrie-Verlag 2006, ISBN 978-3-88414-453-4. Drei Betroffene und eine Angehörige berichten von ihren Erfahrungen mit der Störung.
  • The Secret Life of the Manic Depressive [1] [2]. BBC (2006). Fernsehzweiteiler mit dem Ziel der Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

Spielfilme

  • Mr. Jones, USA 1993. Regie: Mike Figgis. Schauspieler: Richard Gere, Lena Olin, Anne Bancroft. Der Film stellt die bipolare Erkrankung an zwei Personen dar und ist für viele immer noch einer der faszinierendsten Filmbeiträge zum Thema.
  • Eine Frau unter Einfluß (A Woman Under the Influence), USA 1974. Regie: John Cassavetes. Besetzung: Peter Falk, Gena Rowlands, Fred Draper, Lady Rowlands, Katherine Cassavetes, Matthew Laborteaux u.v.a. ‚Eine Frau unter Einfluß‘ ist ein Meisterwerk des improvisierenden und schauspielerbetonten Stils, der den amerikanischen Regisseur John Cassavetes (1929–1989) berühmt gemacht hat. Der Film stellt die bipolare Erkrankung einer Mutter dar. Seinerzeit ging man von ‚normalen nervösen Störungen‘ aus, heute wird die Abhandlung der Bipolarität deutlich.
  • Mad Love, USA 1995. Regie: Antonia Bird. Buch: Paula Milne. Schauspieler: Drew Barrymore, Chris O’Donnell. Zwei Teenager verlieben sich, sie ist bipolar, er lernt, sie mit ihrer Krankheit zu lieben.
  • Phenomenon, USA 1996. Regie: Jon Turteltaub. Schauspieler: John Travolta, Kyra Sedgwick, Robert Duval, Forest Whitaker, Ashley Buccille. Übermenschliche (meist vermeintliche) Fähigkeiten im Sinne hypomanischen und manischen Verhaltens.
  • Back from Madness: The Struggle for Sanity, USA 1996. Regie: Kenneth Paul Rosenburg. Es wird – neben anderen psychiatrischen Patienten – auch ein obdachloser Bipolarer dargestellt.
  • Lampedusa, Italien 2002, Regie: Emanuele Crialese. Schauspieler: Valeria Golino, Vincenzo Amato, Francesco Casisa, Veronica D’Agostino. Eine Frau, Grazia, lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern auf einer Fischerinsel. Sie wird immer wieder von ihren Stimmungen überwältigt, und fällt dadurch aus dem – dort sehr eng gesteckten und nicht immer richtigen – Rahmen, den die Mehrheit definiert. Ihre Schwiegermutter hält für solche Fälle eine Spritze bereit.
  • Tattoo Mum – Eine magische Mutter, GB 2003. Originaltitel: „The Illustrated Mum“, Regie: Cilla Ware, Darsteller: Michelle Collins, Alice Connor, Holly Granger, Henry Cox. „Tattoo Mum“ ist die Geschichte einer manisch-depressiven Mutter und ihren beiden Töchtern. Diese Mutter kennt nur die Extreme zwischen „himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“. Probleme müssen ihre Töchter selber lösen. „Tattoo Mum“ basiert auf dem Roman von Jacqueline Wilson und wurde 2004 mit dem Internationalen Emmy Award und mit zwei Preisen der British Academy of Film & Television Arts ausgezeichnet.
  • Liebe Amelie“, D 2004 (Fernsehproduktion, Erstausstrahlung ARD 2. November 2005) Die 17-jährige Amelie (Maria Kwiatkowsky) ist manisch-depressiv – eine Krankheit, die für die gesamte Familie zur Zerreißprobe wird. Schmerzlich wird ihrem Vater Bernd (Oliver Stokowski) und ihrer Mutter Kristin (Gabriela Maria Schmeide) bewusst, dass ihre liebevolle Fürsorge allein nicht ausreicht, um ihrer Tochter wirklich zu helfen.

Siehe auch

Weblinks

Basisinformationen

Selbsthilfegruppen, Vereine

Einzelnachweise

  1. Klassifikation der Bipolaren Störung in der ICD 10
  2. Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV)
  3. Jörg Walden, Heinz Grunze: Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung, Stuttgart-New York 2003, S. 11, ISBN 3-13-104993-6
  4. http://www.lichtblick-newsletter.de/anmv_tagung03b.html
  5. http://de.brainexplorer.org/bipolar_disorder/Bipolar_Disorder_course.shtml
  6. a b Bräunig, Peter; Gerd Dietrich: Leben mit Bipolaren Störungen. Trias-Verlag 2004, S. 42–47, ISBN 3-8304-3069-8
  7. Anna Forsthoff, Heinz Grunze: Breites Spektrum möglicher Ursachen Bipolarer Störungen. Forschungsansätze und Hypothesen, in: „Der Neurologe und Psychiater“-Sonderheft 1/05, S. 5–7, hier aus: 04_Ursachen Bipolar.pdf (128 KB)
  8. W. Maier: Genetische Aspekte bipolarer Depression. Vortrag auf dem „Wissenschaftlichen Symposium“ der „Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen“ am 2. September 2005 in Bonn, Kurzfassung unter: Jahrestag2005Abstracts.pdf (1350 KB)
  9. ÖGBE Behandlung mit Medikamenten
  10. PMID: 12410060 Severe Weight Gain Induced by Combination Treatment With Risperidone and Paroxetine. Clin Neuropharmacol. 2002 Sep-Oct;25(5):269–71.
  11. ÖAZ- Lamictal: neu bei bipolaren Störungen
  12. Eberhard J. Wormer: Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. – Ein Manual für Betroffene und Angehörige, München 2002, S. 47–54
  13. Jörg Walden, Heinz Grunze: Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung, Stuttgart-New York 2003, S. 7f, ISBN 3-13-104993-6
  14. Eberhard J. Wormer: Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. – Ein Manual für Betroffene und Angehörige, München 2002, S. 131–138
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