Friedrich Christoph Oetinger

Friedrich Christoph Oetinger
Friedrich Christoph Oetinger, Porträt von Georg Adam Eger, 1775

Friedrich Christoph Oetinger (* 2. Mai 1702 in Göppingen; † 10. Februar 1782 in Murrhardt) war ein deutscher Theologe und führender Vertreter des württembergischen Pietismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Theologiestudent im Evangelischen Stift Tübingen begegnete Oetinger 1725 den Schriften Jakob Böhmes, mit denen er sich fortan intensiv beschäftigte. Außerdem wurde er in seiner Hochachtung vor der Bibel entscheidend geprägt von Johann Albrecht Bengel, der zur gleichen Zeit in sein Blickfeld trat. Nach dem Studium unternahm Oetinger eine ausgedehnte Reise durch Deutschland, auf der ihm in Frankfurt die Kabbala begegnete. In Herrnhut lernte er die Arbeit des jungen Nikolaus Ludwig Grafen von Zinzendorf kennen. Im April 1731 wurde Oetinger Repetent im Tübinger Stift. Nach einer Reise Zinzendorfs nach Württemberg im Jahr 1733 reiste Oetinger nochmals für längere Zeit in die Oberlausitz. Es folgt eine kurze Dozententätigkeit in Halle (1736), ehe sich Oetingers langer innerer Kampf für oder gegen eine Pfarrstelle in Württemberg entschied: Im Frühjahr 1738 wurde er Pfarrer in Hirsau bei Calw und heiratete im selben Jahr Christiana Dorothea Linsenmann aus Urach (heute Bad Urach).

Um in der Nähe seines verehrten Lehrers Johann Albrecht Bengel sein zu können, wechselte Oetinger 1743 auf die Pfarrstelle Schnaitheim bei Heidenheim. 1746 wurde er Pfarrer in Walddorf (bei Tübingen), ehe er 1752 Stadtpfarrer von Weinsberg und Spezialsuperintendent (Dekan) des Kirchenbezirks Weinsberg wurde. 1759 wurde er Stadtpfarrer und Spezialsuperintendent in Herrenberg, 1765 (Ernennung; Amtsantritt 1766) Stadtpfarrer in Murrhardt (das dem Spezialsuperintendenten in Backnang unterstand), gleichzeitig Abt und Prälat des (evangelischen) Klosters Murrhardt, dazu Herzoglicher Rat und Landschaftsabgeordneter.

Oetinger-Epitaph in der Stadtkirche Murrhardt

Zeitlebens war der vielseitig interessierte Mann umstritten. So ließ das Stuttgarter Konsistorium (Kirchenleitung) im März 1766 sämtliche Exemplare seines Werks "Swedenborgs und anderer Irrdische und himmlische Philosophie" aus dem Jahr 1765 beschlagnahmen. Oetinger verteidigte darin Swedenborgs Anschauung vom Reich der Geister, distanzierte sich aber in den Folgejahren von dessen allegorischer, zu wenig 'leiblicher' Deutung der Apokalypse des Johannes. Selbst gegenüber Johann Albrecht Bengels nicht selten 'spirituell' deutender Exegese der Apokalypse und gegenüber Oetingers einstigem Herrenberger Vikar Philipp Matthäus Hahn, der zunächst lange Zeit Bengels Deutung folgte, spitzte Oetinger jetzt seinen Biblischen Realismus zu. Er fand in seinem Werk "Biblisches und Emblematisches Wörterbuch" ([ Heilbronn am Neckar ] 1776, Seite 407) zu dem berühmten Satz: "Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes, wie aus der Stadt Gottes klar erhellet […]."

Oetinger wird das sehr bekannte Gelassenheitsgebet zugeschrieben, das allerdings tatsächlich von Reinhold Niebuhr stammt.

Sein Grab findet sich in der Stadtkirche Murrhardt.

Oetinger hat viele Dichter und Denker wie Christoph Martin Wieland, Johann Gottfried Herder, Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller, Friedrich Hölderlin, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (besonders dessen Mittel- und Spätphase), Justinus Kerner, Eduard Mörike und Hermann Hesse beeinflusst. Selbst in der Bibliothek von Wolfgang Amadeus Mozart befand sich ein Werk Oetingers aus dessen Murrhardter Zeit, "Die Metaphysic in Connexion mit der Chemie". Schwäbisch Hall [1770], das musiktheoretische Ausführungen enthält.

Werke

  • Biblisches und Emblematisches Wörterbuch. Herausgegeben von Gerhard Schäfer in Verbindung mit Otto Betz [Tübingen], Reinhard Breymayer, Eberhard [Martin] Gutekunst, Ursula Hardmeier [, geb. Paschke], Roland Pietsch, Guntram Spindler. De Gruyter, Berlin, New York 1999; ISBN 3-11-004903-1
  • Friedrich Christoph Oetinger: Selbstbiographie. Genealogie der reellen Gedanken eines Gottesgelehrten. Hrsg. und mit Einführung versehen von J. Roessle. Franz, Metzingen 1990; ISBN 3-7722-0035-4

Literatur

Vor 1945

Zusammenstellung der Forschungsliteratur aus den Jahren 1945-1990

  • [Reinhard Breymayer (Bearbeiter)]: Oetinger, Friedrich Christoph 1702-1782. In: Heiner Schmidt [Hauptbearbeiter und Hrsg.]: Quellenlexikon zur deutschen Literaturgeschichte, Bd. 24. (Duisburg:) Verlag für Pädagogische Dokumentation 2000, S. 106 - 114.

Neuere Forschungsliteratur

  • Martin Weyer-Menkhoff: Christus, das Heil der Natur. Entstehung und Systematik der Theologie Friedrich Christoph Oetingers. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1990 (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, vol. 27), pp. 272-326 Bibliographie.
  • Martin Weyer-Menkhoff: Friedrich Christoph Oetinger. Bildbiographie. Brockhaus, R. Wuppertal u.a. / Franz, Metzingen 1990, ISBN 3-417-21107-7 (R. Brockhaus), ISBN 3-7722-0215-2 (Franz)
  • Friedhelm Groth, Die Wiederbringung aller Dinge im Württembergischen Pietismus. Theologiegeschichtliche Studien zum eschatologischen Heilsuniversalismus württembergischer Pietisten des 18. Jahrhunderts (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, Band 21), Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1984, S. 89 - 146
  • R[einhard] Br[eymayer]: "Die Metaphysick in Connexion mit der Chemie, von J. Oetinger, Schw. Halle". In: Ulrich Konrad und Martin Staehelin [Hrsg.]: allzeit ein buch. Die Bibliothek Wolfgang Amadeus Mozarts. Weinheim [an der Bergstraße]: VCH, Acta humaniora (1991) (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek [Wolfenbüttel], Nr. 66), S. 73-75. [Zum Thema "Mozart und Oetinger".] ISBN 3-527-17827-9
  • Reinhard Breymayer: Oetinger, Friedrich Christoph (pseudonyms: Halatophilus Irenaeus, Bibliophilus Irenaeus). In: Wouter J. Hanegraaff u.a. (Hrsg.): Dictionary of Gnosis & Western Esotericism. Brill, Leiden u. Boston 2005, Vol. 2, S. 889 - 894
  • Mathesis, Naturphilosophie und Arkanwissenschaft im Umkreis Friedrich Christoph Oetingers (1702-1782). Hrsg. von Sabine Holtz, Gerhard Betsch und Eberhard Zwink (Contubernium; 63). Franz Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08439-8
  • Wouter J[acobus] Hanegraaff: Swedenborg. Oetinger. Kant. Three Perspectives on the Secrets of Heaven. Foreword by Inge Jonsson, The Swedenborg Foundation; West Chester, Pennsylvania 2007 (Swedenborg Studies Series, no. 18), ISBN 978-0-87785-321-3 Vgl. bes. S. 67 - 85: "Friedrich Christoph Oetinger".
  • Tonino Griffero: Il corpo spirituale. Ontologie "sottili" da Paolo di Tarso a Friedrich Christoph Oetinger. Mimesis Edizioni, Milano (2006 [erschienen 2007]), ISBN 978-88-8483-413-3. [S. 417 - 510 umfassende Bibliographie der Forschungsliteratur.]
  • Douglas H. Shantz, “The Harvest of Pietist Theology: F.C. Oetinger’s Quest for Truth as recounted in his Selbstbiographie of 1762.” In Tradition and Formation: Claiming An Inheritance. Essays in Honour of Peter C[hristian]. Erb, edited by Michel Desjardins and Harold Remus. Kitchener: Pandora Press, 2008, pp. 121-134.
  • Reinhard Breymayer: Prälat Oetingers Neffe Eberhard Christoph v. Oetinger […]. 2., verbesserte Aufl. Tübingen: Noûs-Verlag Thomas Leon Heck 2010, ISBN 978-3-924249-49-6. [Beziehungen F. C. Oetingers und seiner Familie zu Goethe - Eberhard Christoph Ritter und Edler von Oetinger hatte seit 1784 als Gattin eine Verwandte und Freundin ('Amasia') Goethes, Charlotte Louise Ernestine Edle von Oetinger, geb. von Barckhaus genannt von Wiesenhütten, der Goethe wahrscheinlich in seinem Briefroman Die Leiden des jungen Werthers (1774) in der Gestalt der "Fräulein von B.." ein literarisches Denkmal gesetzt hat.]
  • Reinhard Breymayer: Oetinger, Friedrich Christoph, auch: Halatophilus Irenaeus. In: [Walther] Killy. Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Hrsg. von Wilhelm Kühlmann, Bd. 8. Berlin, New York: De Gruyter 2010, S. 686 f.
  • Ulrike Kummer: Autobiographie und Pietismus. Friedrich Christoph Oetingers Genealogie der reellen Gedancken eines Gottes=Gelehrten. Untersuchungen und Edition. Frankfurt am Main: Peter Lang 2010, ISBN 978-3-631-60070-2 [Erste historisch-kritische Edition mit Kommentar. Berücksichtigt auch die alchemische und hermetische Tradition, in der Oetinger stand.]
  • Friedrich Christoph Oetinger: Genealogie der reellen Gedancken eines Gottes-Gelehrten. Eine Selbstbiographie. Hrsg. von Dieter Ising, Edition Pietismustexte, Band 1, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2010, ISBN 978-3-374-02797-2
  • Reinhard Breymayer: Zwischen Prinzessin Antonia von Württemberg und Kleists Käthchen von Heilbronn. Neues zum Magnet- und Spannungsfeld des Prälaten Friedrich Christoph Oetinger. Dußlingen: Noûs-Verlag Thomas Leon Heck, 2010. - 229 S. 4°. - ISBN 978-3-924249-51-9. [Zur Ausstrahlung des Kabbalakenners und Magnetismus-Sympathisanten Oetinger auf das Umfeld von Hölderlin, Hegel und Heinrich von Kleist.]

Weblinks


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