Generisches Maskulin

Generisches Maskulin

Ein generisches Maskulinum (eine verallgemeinernde männliche Form eines Wortes) liegt dann vor, wenn bei Personenbezeichnungen, insbesondere bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), die maskuline Form auch weibliche Personen einbezieht. Daneben bestehen im Deutschen auch generische Feminina und generische Neutra.

Inhaltsverzeichnis

Anwendung des generischen Maskulinums

Diese Formulierungsmöglichkeit wird traditionell dann gewählt, „wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Das Maskulinum ist hier neutralisierend bzw. verallgemeinernd (‚generisch‘).“[1] Da das Maskulinum neben seiner generischen Funktion auch spezifisch (also ausschließlich für Männer) verwendet werden kann, hängt es ohne explizite Hinweise von der jeweiligen gesellschaftlichen Situation und vom Einzelnen ab, ob das andere Geschlecht eingeschlossen wird.

Beispiele:

  • Variante 1: Frauen sind mitgemeint.
    • „Die Wanderer gingen den Berg hinauf.“ (Variante 1a: Die Rede ist von Gruppen, zu denen – vermutlich – auch männliche Personen gehören)
    • „Ein Feuerwehrmann hat keine Angst vor dem Feuer.“, „Der Deutsche gilt als fleißig.“ (Variante 1b: Die Rede ist nicht von einem bestimmten realen Mann, sondern von einer imaginierten Person als Träger einer Rolle oder von Eigenschaften und ohne Hinweis auf deren Geschlecht; es liegt ein generalisierender Singular vor. Geistig sind Frauen im Begriff der Feuerwehrmänner dann eingeschlossen, wenn man einen weiblichen Feuerwehrmann für möglich hält.)
  • Variante 2: Eindeutig (ausschließlich) weibliche Personen werden mit grammatisch maskulinen Begriffen bezeichnet.
    • „Am Telefon ist unser Reporter Claudia Meyer.“ (Variante 2a: Die Rede ist von einer einzelnen weiblichen Person)
    • „Die letzten Sänger, die auftraten, waren Lisa und Anna.“ (Variante 2b: Die Rede ist von mehreren weiblichen Personen; Zusatzinformation bei Benutzung des generischen Maskulinums: Es treten auch keine männlichen Sänger mehr auf)
    • „Die Bundeskanzlerin wurde der Lage Herr.“ (Variante 2c: feststehende Redewendung, die – anders als Variante 2a – nicht moviert werden kann, wenn sie auf eine Frau oder auf Frauen bezogen wird).

Gelegentlich werden auf Menschen auch generische Feminina („die Person“, „die Geisel“, „die Waise“) und generische Neutra („das Opfer“, „das Kind“) angewandt. Zur Kategorie der generischen Neutra gehören alle Diminutive, sofern sie als solche erkannt und empfunden werden („das Männchen“, „das Schneiderlein“, aber „die Ursel“).

Es kommt in der deutschen Sprache und in den meisten Sprachen, die über mindesten zwei Genera verfügen, relativ häufig vor, dass das Genus (das grammatikalische Geschlecht) einer Personenbezeichnung vom Sexus (dem biologischen Geschlecht) der bezeichneten Person abweicht. Bei Menschen wird im Deutschen das generische Maskulinum häufiger als das generische Femininum und das generische Neutrum benutzt (z. B. bei so gut wie allen Berufsbezeichnungen und „nomina agentis“). Bestehende spezifische Feminina werden im Bedarfsfall (d. h. dann, wenn die ersten Männer Träger der entsprechenden Funktion werden) durch neu geschaffene generische Maskulina ersetzt (HebammeEntbindungspfleger, PolitesseParkraumüberwachender).

Auch für die Bezeichnung von Tieren gibt es in der deutschen Sprache neben generischen Maskulina („der Hund“, „der Löwe“) auch generische Feminina („die Gans“, „die Katze“) und generische Neutra („das Pferd“, „das Nashorn“).

Der Begriff generisches Maskulinum ist nicht auf Gegenstände („der Tisch“) und Abstrakta („der Ruhm“) anwendbar, weil es in diesen Fällen keinen Konflikt zwischen dem Genus des Wortes (des sprachlichen Zeichens) und dem Sexus des Bezeichneten geben kann.

Genus und Sexus

Zum Verhältnis von Genus und Sexus gibt es in der Linguistik zwei verschiedene Auffassungen:

Der ersten Auffassung zufolge haben Genus und Sexus in Sprachen wie dem Deutschen nichts miteinander zu tun: Wenn ein Tisch „männlich“ sei, dann könne ein Teil von ihm, nämlich das Tischbein, nicht „sächlich“ sein. Tatsächlich sei die Zuordnung von Genera zu Wörtern zufällig und willkürlich, wie auch die Genuszuordnung beim Besteck beweise: „der Löffel“, „die Gabel“, „das Messer“. Auch seien nicht alle Hunde (generisches Maskulinum) männlich und nicht alle Katzen (generisches Femininum) weiblich. „Sachen“ seien Pferde (generisches Neutrum) allenfalls für Juristen und Ökonomen. Auch bei Lebewesen gebe es also chaotische Verhältnisse bei der Zuordnung von Oberbegriffen zu Genera. Folglich sei nichts dagegen einzuwenden, wenn auch Menschen mit einem von ihrem Sexus abweichenden Wort bezeichnet würden.

Der zweiten Auffassung zufolge ist eine Kongruenz zwischen Sexus und Genus bei Personenbezeichnungen der Normalfall. Bei der Bezeichnung von Verwandtschaftsverhältnissen werde sie konsequent eingehalten („der Vater“, aber „die Mutter“). Sprachen unterschieden einerseits zwischen „Animata“ (Belebtem, Leitfrage: „Wer?“) und „Inanimata“ (Unbelebtem, Leitfrage: „Was?“), andererseits zwischen Männlichem und Weiblichem. Diese beiden Trennungen kämen in der Dreizahl der Genera zum Ausdruck. Um Abweichungen von der Kongruenz zu verstehen, sei ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen erforderlich. Diese Abweichungen müssten gerechtfertigt werden und nicht die Einhaltung der Kongruenz.[2]

Stand der Diskussion

Argumente für das generische Maskulinum

Sprachliche Korrektheit der Trennung von Genus und Sexus

Die Verwendung der generischen Form entspricht in den Fällen, die von o.g. Definition umfasst sind, den Regeln der deutschen Sprache. Die „sinnwidrige“ Anwendung von Personenbezeichnungen auf das „falsche“ natürliche Geschlecht lasse sich dadurch rechtfertigen, dass die Kategorien „grammatisches Geschlecht“ und „natürliches Geschlecht“ nur Schnittmengen aufweisen, aber nicht deckungsgleich sind. Demnach würden Frauen nicht durch grammatisch maskuline Begriffe „entweiblicht“, wie auch Männer nicht „entmännlicht“ werden, wenn man sie z. B. „eine Person“ nennt.

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Soweit argumentiert wird, die Verwendung generischer Formen sei überflüssig, weil empirisch beobachtbar sei, dass die Verwendungshäufigkeit abnehme (s.u., Argumente gegen das generische Maskulinum, Ivo Hajnal zugeschrieben), so handelt es sich hier um einen klassischen Zirkelschluss, also einen Logikfehler. Die Nichtbeachtung sprachlicher Regeln kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass sprachliche Regeln nicht beachtet werden, sondern nur damit, dass die entsprechenden Regeln illegitim und nicht (mehr) allgemeingültig seien.

Mangel an praktikablen, verständlichen, informativen und stilistisch ansprechenden Alternativen

Bestimmte Inhalte lassen sich ausschließlich unter Verwendung der generischen Form ausdrücken. Dies verdeutlicht das Beispiel Brühlmeiers[3]: Der Satz „Frauen sind die vernünftigeren Autofahrerinnen“ ergibt z. B. keinen Sinn, da ausnahmslos alle Autofahrerinnen Frauen sind. Es muss heißen: „Frauen sind die vernünftigeren Autofahrer“ (vgl. auch den Abschnitt „Vermittelnde Position“).

Die Methode des „Splittings“ (explizite Benennung beider Geschlechter) als Alternative zum generischen Maskulinum führe zu unpraktischen und unschönen Ergebnissen: Sie mache die Texte lang und unübersichtlich und eigne sich mehr für politische Proklamationen und Festtagsreden als für sachliche Texte. Sie wirke zudem umständlich, verkomplizierend und überladen. Unabhängig davon, ob die explizite Beidnennung durch die Verwendung von Binnen-Is, Schrägstrichen oder die zusätzliche Verwendung auch der femininen Wortform erfolge, werde die Aufmerksamkeit für das natürliche Geschlecht der Bezeichneten verstärkt. Zusätzliche Informationen enthielten solche Ergänzungen selten; gelegentlich störten sie das Verständnis des Gemeinten, vor allem dann, wenn beim flüchtigen Lesen das Binnen-I als kleines I wahrgenommen wird. Einen „female bias“ hat eine Forschungsgruppe der Universität Mannheim in den Fällen erkannt, in denen Binnen-Is benutzt werden.[4] Interessanterweise fanden die drei Mitarbeiterinnen und der männliche Mitarbeiter von Frau Prof. Dr. Dagmar Stahlberg (s.u.) keine ausgeprägten Unterschiede hinsichtlich des Textverständnisses bei den Probanden zwischen der Verwendung des generischen Maskulinums und der Doppelformulierung in ganzen Wörtern.

Bei der Verbindung zweier Funktionsbezeichnungen zu Komposita oder Doppelformulierungen müsste etwa der Begriff „Schülervertreter“ in „Schülerinnen- und Schüler-Vertreter sowie Schülerinnen- und Schüler-Vertreterinnen“ oder „Schülerinnen- und Schülervertreterinnen und -vertreter“ umgeformt werden. Aus „Der Ministerpräsident oder sein Stellvertreter“ würde in der unabgekürzten offiziellen Fassung: „Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident, ihre Stellvertreterin oder ihr Stellvertreter oder seine Stellvertreterin oder sein Stellvertreter“ (16 Wörter statt 5 Wörtern).

Andere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Lesbarkeit von Texten: „Ein(e) geeignete(r) Sprecher(in) musste den Textvortrag übernehmen.“, insbesondere beim lauten Vorlesen.

Vermeidbare bzw. vorgetäuschte Verständnisprobleme

Der Einwand, Frauen seien beim generischen Maskulinum nicht mitgemeint bzw. dieser Eindruck dränge sich auf, kann durch den Hinweis auf die Realität teilweise entkräftet werden: Da heute in vielen Rechtsstaaten die Gleichberechtigung der Geschlechter durch einen eigenen Paragraphen oder ein eigenes Gesetz garantiert ist (beispielsweise im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 3 Abs. 2 seit 1949, gegen heftige Widerstände durchgesetzt[5], dem entgegenstehende Bestimmungen treten erst 1953 außer Kraft, 1958 wird das bürgerliche Recht angepasst[6]), müssen dort im Zweifelsfall Frauen mit grammatisch maskulinen Personenbezeichnungen mitgemeint sein, wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt werden. So muss auch das Grundgesetz nicht deshalb geändert werden, weil es seit 2005 eine Bundeskanzlerin gibt, da alle Aussagen, in denen die Formulierung „der Bundeskanzler“ vorkommt, per Definition auch auf Bundeskanzlerinnen anwendbar sind.[7]

Sprache als Instrument fragwürdiger politischer Bestrebungen

Manche ordnen eine geschlechtsneutrale oder auch Frauen explizit nennende Wortwahl der „politischen Korrektheit“ zu und vertreten die Ansicht, dass damit dem eigentlichen Anliegen mehr geschadet, als dem Ziel der Gleichberechtigung gedient werde

In neueren Ansätzen des Feminismus – nämlich von der Queer Theory – wird die Hervorhebung des Geschlechts bzw. der Zweigeschlechtlichkeit abgelehnt. Begründet wird das vor allem damit, dass die Kategorie „Gender“ nicht mit der Kategorie „Sexus“ identisch sei.

Kritisiert wird ferner, die Alternativvorschläge würden der Gesellschaft oktroyiert[8] [9]. Dies geschehe teilweise durch den Vorwurf, die Verwendung des generischen Maskulinums sei frauenfeindlich[10], teilweise unmittelbar durch staatlichen Zwang [11]. Daher werden diese Versuche, das generische Maskulinum abzuschaffen, mit dem Orwellschen Neusprech verglichen [12] [13]. Zu den möglichen Intentionen und Wirkungen eines „Neusprech“ vgl. daher Artikel Neusprech.

Legitimität bzw. Vermeidbarkeit „unpräziser“ Formulierungen

Jeder Text ist auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Hintergrundwissen ist für ein vertieftes Textverständnis immer erforderlich. Die Notwendigkeit, Aussagen interpretieren zu müssen, lässt sich zudem nie vollständig beseitigen. Die Frage, wer (d. h. welche Gruppe von Menschen) mit einer bestimmten Personenbezeichnung gemeint ist, stellt sich nicht nur im Hinblick auf deren Geschlechtszugehörigkeit (Beispiel: Wer gehört zu den „ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern?“). Unschärfe im Ausdruck kann auch ein (legitimes) Stilmittel sein.

Nützlichkeit des generischen Maskulinums auch für Frauen

Schließlich liegt die These, grammatisch männliche Personenbezeichnungen seien im Zweifelsfall als spezifische Maskulina zu interpretieren, nicht unbedingt im Interesse der feministischen Bewegung: Ursula Doleschal[14] weist nach, dass die These: „Arbeiterinnen sind keine Arbeiter.“ zuerst von patriarchalischen Unternehmern benutzt wurde, um eine ungleiche Bezahlung von männlichen und weiblichen Arbeitern zu rechtfertigen. Um dem Eindruck entgegenzuwirken, Frauen gehörten einer völlig anderen Kategorie von Arbeitskräften an als Männer, sei in der DDR und anderen sozialistischen Staaten weitgehend darauf verzichtet worden, Berufsbezeichnungen im spezifischen Femininum zu benutzen.

Wissenschaftliche Angreifbarkeit der feministischen Sprachkritik

Die Grundannahmen der feministischen Sprachkritik erwiesen sich in Studien als angreifbar. Braun u. a. wiesen nach, dass die bis dahin durchgeführten Studien an methodischen Fehlern leiden, z. B. der Kontext (z. B. der reale Frauenanteil in bestimmten Gruppen) oder das Geschlecht der Versuchspersonen nicht ausreichend gewürdigt wurden. Daher lasse sich nicht nachvollziehen, wie weit ein „male bias“ von Sprache, und wie weit er von den realen Frauenanteilen oder anderen Faktoren ausgelöst werde[15].

In eigenen Studien kamen Braun u. a. zu dem Ergebnis, dass männliche Versuchspersonen von höheren Frauenanteilen ausgingen als weibliche. Ein „male bias“ liegt also eher bei Frauen vor. Dabei kam es bei den männlichen Versuchspersonen nicht auf die Formulierung an. Egal, ob das generische Maskulinum, eine „neutrale“ Variante, oder die Doppeltnennung gebraucht wurde, schätzten Männer den Frauenanteil immer gleich hoch ein („keine signifikanten Unterschiede“)[16].

Das generische Maskulinum erzeuge eher die Vorstellung von der Teilhabe von Frauen, als dies durch sog. „neutrale“ Formulierungen (z. B. „Studierende“ statt „Studenten“) gelinge[17]. Da Männer tendenziell nicht auf Formulierungsänderungen reagierten (vgl. vorheriger Absatz), fühlen sich gerade Frauen durch das generische Maskulinum stärker angesprochen als durch „neutrale“ Ersatzformulierungen.

Als Gesamtergebnis ihrer Studien nennen Braun u. a. die durch unterschiedliche Formulierung (generisch, „neutral“, doppelt) evozierten geschätzten Frauenanteile: Generisches Maskulinum: 17–65 % Neutralisierende Form: 23–53 % Doppelnennung: 27–74 % [18]. Die aus feministischer Sicht effektivste Methode des Sichtbarmachens von Frauen, die Doppeltnennung, führt also gegenüber dem von ihr abgelehnten generischen Maskulinum zu einer Steigerung der geschätzten Frauenanteile um weniger als zehn Prozentpunkte.

Allerdings wird gerade diese effektivste Methode -die Doppeltnennung- ihrerseits als Diskriminierung abgelehnt, solange nicht die weibliche Form zuerst genannt werde[19] [20].

Argumente gegen das generische Maskulinum

In der Ausgabe des „Grammatik-Dudens“ von 1998 heißt es: „Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger bzw. die Trägerin eines Geschehens bezeichnen (Nomina Agentis), wird die Verwendung des generischen Maskulinums immer mehr abgelehnt.“[21]

Lisa Irmen[22] nennt hierfür drei Hauptgründe:

  1. Das generische Maskulinum drücke die Ungleichwertigkeit von Männern und Frauen aus. Das sei durch sprachhistorische Analysen belegt.
  2. Es sei uneindeutig. Das bewiesen sprachwissenschaftliche und sprachhistorische Befunde.
  3. Frauen fühlten sich durch das generische Maskulinum oft nicht mitgemeint. Das hätten (sozial)psychologische Studien ergeben.

Stützung der Vorstellung von der Ungleichwertigkeit der Frau

Bereits Ulpian, so Irmen, habe im 3. Jahrhundert gelehrt: „Die größere Würde liegt beim männlichen Geschlecht [Sexus]. Wenn in einer Bestimmung nur das männliche Geschlecht [Genus] genannt ist, so erstreckt sie sich gleichwohl zumeist auf beide Geschlechter.“

Insbesondere bei prestigeträchtigen Ämtern und Tätigkeiten sei es als selbstverständlich verstanden worden, dass sie von männlichen Personen ausgeübt worden seien. Je nach Sitte und Bedarf seien auch vereinzelt Frauen zu diesen Tätigkeiten zugelassen worden, für die man aber nicht systematisch die Bezeichnung für die Ausüber der Tätigkeit geändert habe.

Eine gängige Strategie von Frauen, die bislang männlich dominierte Tätigkeiten „eroberten“, sei es bis in die 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts gewesen, sich selbst mit maskulinen Begriffen zu bezeichnen (z. B. als „Ingenieur“), um in der Fachwelt Anerkennung zu finden (als Fachkraft, nicht als Frau). Die „zu starke“ Betonung des weiblichen Elements durch Benutzung der Endung „-in“ wurde lange Zeit als nicht zielführend (im Sinne der Emanzipation der Frauen) empfunden, zumal eine besondere Markierung von Frauen die Konnotation fördere, Männer seien der Normalfall und Frauen der Sonderfall.

Spätestens mit den „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“ sei diese Strategie jedoch aufgegeben worden. Jetzt gelte es, die mit der Endung „-in“ verbundenen negativen Konnotationen zu verändern, indem im Zusammenhang mit dem Reden über Frauen Positives kommuniziert werde.

Uneindeutige Form der Kommunikation

Da das generische Maskulinum die gleiche Form hat wie das spezifische Maskulinum (d. h. die Bezeichnung für eine männliche Person oder eine Gruppe ausschließlich männlicher Personen), wird bei Benutzung des generischen Maskulinums nicht ausdrücklich übermittelt, ob weibliche Personen wirklich mitgemeint sind. Vor allem in Texten zu historischen Begebenheiten ist unklar, ob sich etwa keltische Krieger oder Priester nur auf Männer (spezifisches Maskulinum) oder auf Frauen und Männer (generisches Maskulinum) beziehen. Durch diese Ungenauigkeit im Ausdruck wird das Textverständnis erschwert.

Verfehlung der kommunikativen Absicht

Das Fehlen zusätzlicher Hinweise auf die Zusammensetzung einer Gruppe oder das Geschlecht der gemeinten Person führt sogar im englischsprachigen Raum (im Englischen sind Personen bezeichnende Substantive generell geschlechtsneutral) dazu, dass sich die meisten Menschen im Zusammenhang mit „typisch männlichen“ Tätigkeiten nur selten weibliche Personen vorstellen (sogenannter „Male Bias“ in der kognitiven Präsenz). Diverse Untersuchungen der feministisch orientierten Sozialpsychologie im deutschsprachigen Raum legen den Schluss nahe, dass die Verwendung des generischen Maskulinums diesen offenbar durch die gesellschaftliche Tradition (und z. T. auch durch die Realität der Gegenwart) bewirkten „Male Bias“ noch verstärkt. Sichere, empirisch gestützte Aussagen über den Zusammenhang zwischen der Verwendung des generischen Maskulins im Deutschen und dem male bias können allerdings erst dann getroffen werden, wenn Untersuchungen über einen längeren Zeitraum durchgeführt worden sind. Denn möglicherweise ist (wie im englischsprachigen Raum) die gesellschaftliche Realität selbst und nicht die Sprachverwendung Ursache des male bias.

Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny, Sozialpsychologinnen von der Universität Mannheim, nehmen für sich in Anspruch, in mehreren Studien nachgewiesen zu haben, dass Frauen nicht „mitgedacht“ werden, wenn sie nicht explizit erwähnt werden, das heißt, wenn das generische Maskulinum benutzt wird: Bei einem Experiment, bei dem etwa 100 Personen teilnahmen, lagen Fragebogen in drei unterschiedlichen Sprachversionen vor: einer im generischen Maskulinum, einer geschlechtsneutral formulierten und einer mit Splittingformen. Es wurde beispielsweise nach Lieblings-Romanhelden gefragt. Wurden beide Geschlechter in der Frage angesprochen, so wurden mehr weibliche Romanfiguren genannt als in der Fragestellung, die ausschließlich maskuline Personenbezeichnungen enthielt[23].

Das Gefühl, nicht mitgemeint zu sein, ist auch dadurch zu erklären, dass Frauen tatsächlich im deutschsprachigen Raum lange Zeit nicht immer mitgemeint waren, obwohl bereits Ulpian festgestellt hatte, dass Frauen in Rechtsnormen in der Regel mitgemeint seien (s.o.): Im Jahre 1886 wurde das Ansinnen der Rechtswissenschaften studierenden Emilie Kempin-Spyri, ihren Mann vor Gericht juristisch zu vertreten, von dem Gericht abgewiesen. Frauen seinen zwar nicht im Gesetz ausdrücklich vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen (die einzige Bedingung jemanden rechtlich vertreten zu dürfen), aber nur deshalb, weil die Gesetzgeber die Möglichkeit nicht vor Augen hatten, dass Frauen dieses Recht jemals in Anspruch nehmen könnten. In ihrer staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht im Jahre 1887 argumentierte sie, dass Art. 4 der Bundesverfassung („Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich“) sowohl Männer und Frauen umfasse, also ein generisches Maskulinum sei, und daraus sei eine Gleichberechtigung der Geschlechter zu folgern. Diese Argumentation wurde vom Bundesgericht als „ebenso neu als kühn“ zurückgewiesen. Im Kanton Zürich wurde daraufhin 1898 ein neues Anwaltsgesetz in Zürich eingeführt, das den Frauen erlaubte, den Anwaltsberuf auszuüben, trotz fehlendem Aktivbürgerrecht. Später folgten etliche weitere Kantone und die mehrheitlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten änderten sich. Im Jahre 1923 wurde dann der Klage von Dora Roeder entsprochen, welche im Kanton Freiburg wegen nicht vorhandenem Aktivbürgerrechts nicht zugelassen wurde. Das Bundesgericht distanzierte sich ausdrücklich vom Entscheid Kempin und betonte, dessen Grundgedanke stehe nicht mehr im Einklange mit den aktuellen Gegebenheiten.[24]

Ähnliches ereignete sich 1957 beim Frauenstimmrecht in der Schweiz. Eine Gruppe von Frauen aus dem Kanton Waadt machte vor dem Bundesgericht geltend, sie seien eigentlich schon im Besitz des kantonalen Stimmrechts. Man müsse nur das Wort „Suisse“ (frz. für „Schweizer“) in der kantonalen Verfassungsbestimmung über das Aktivbürgerrecht zeitgemäß und im Sinne der Rechtsgleichheit auslegen. Da es in noch keinem Kanton ein Stimmrecht für Frauen gab, war die Klage chancenlos und das Bundesgericht machte im Laufe der Zeit auch deutlich, dass so eine Einführung die Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte war. Derselbe Kanton führte das Frauenstimmrecht zwei Jahre später im Jahre 1959 als erster Kanton ein. Die am selben Tag durchgeführte Abstimmung für das bundesweite Frauenwahlrecht wurde mit 2/3 der Stimmen der Männer abgeschmettert und gelang erst 1971, wobei aber die Kantonsklausel bestehen blieb. Erst im Jahre 1990 zwang das Bundesgericht den letzten ausständigen Kanton Appenzell Innerrhoden das kantonale Frauenstimmrecht zu verwirklichen.[24]

Günstig wirkte sich dabei auch der erst 1981 eingeführte Art. 8 BV aus, der Gleichberechtigungsartikel in der Bundesverfassung.[24] 1996 trat dann das Gleichstellungsgesetz in Kraft, welches explizit jede Form der Diskriminierung in der Erwerbsarbeit verbietet und mit dem Jahr 2000 trat die überarbeitete Version der Bundesverfassung in Kraft, mit der Präzisierung „rechtliche und tatsächliche Gleichstellung“. Das politisch eng verbundene Fürstentum Liechtenstein führte das Frauenstimm- und Wahlrecht sogar erst am 1. Juli 1984 im dritten Anlauf ein.

Entwicklungspsychologen haben festgestellt, dass im Zuge des Spracherwerbs Kinder erst relativ spät lernen, ein generisches Maskulinum als solches zu verstehen.[25] Das liege daran, dass für dieses Verständnis ein hoher Grad an Abstraktionsvermögen erforderlich sei. Von daher sei es nicht verwunderlich, dass vor allem wenig gebildete und kognitiv beeinträchtigte Menschen generische Maskulina nicht verstehen. Das Gebot der Barrierefreiheit (vgl. auch Leichte Sprache) mache es erforderlich, allgemein verständliche Formulierungen zu benutzen.

Unter Berücksichtigung der Aspekte „Sprachökonomie“ und „Ästhetik“ urteilt Nicola Döring 2003: „Wer es mit der Lesbarkeit von Texten im Sinne eines verständigungsorientierten Kommunikationsbegriffes ernst meint, darf also nicht nur die Sprachökonomie bemühen. Denn was nutzt eine kurze und bündige Formulierung, wenn sie am Ende falsch verstanden wird oder anderweitige Rezeptionsprobleme aufwirft?“[26]

Eindeutigkeit der Endung „-in“

Laut Ivo Hajnal [27] besteht eine traditionelle Funktion des generischen Maskulinums darin, Zweideutigkeiten bei der Verwendung der Endung „-in“ zu vermeiden. Diese habe auch eine „matrimonielle Funktion“ („die Müllerin“ = die Ehefrau – oder Tochter – von Herrn Müller; vgl. „Luise Millerin“ als ursprünglicher Titel von Schillers „Kabale und Liebe“). Dadurch, dass zunehmend die Endung „-in“ von der matrimoniellen Funktion befreit werde, nehme auch die Notwendigkeit ab, das generische Maskulinum als Funktionsbezeichnung zu benutzen („Pastorin“ wird kaum noch als „Ehefrau des Pastors“ verstanden). Auch gebe es einen empirisch beobachtbaren Prozess der „Semantisierung des Genus“, d. h. im Textverständnis nehme die Korrelation zwischen Genus (vor allem: genus masculinum) und Sexus (vor allem: männliche Person) zu, je häufiger die feminine Personenbezeichnung parallel genannt werde. Nicht nur in der deutschen Sprache sei ein Sprachwandel dergestalt erkennbar, dass Genus und Sexus im Sprachgebrauch und im Sprachverständnis immer häufiger in Übereinstimmung gebracht würden, so Hajnal. Besonders stark sei dieser Trend in slawischen Sprachen ausgeprägt. Möglicherweise werde im Deutschen das generische Maskulinum durch zunehmenden Nichtgebrauch aussterben.

Neuere Forderungen und Empfehlungen

Das Argument, Ersatzformulierungen für das generische Maskulinum seien „umständlich“ oder „unschön“, treffe dann nicht zu, wenn „geschlechtsneutral“ formuliert werde (d. h. wenn sich die Frage: „Generische oder spezifische Verwendung?“ auf Grund der gewählten Personenbezeichnung nicht stelle) und wenn eine weibliche Person oder ausschließlich weibliche Personen bezeichnet werden sollen.

Neuerdings empfehlen auch Feministinnen, das Binnen-I nicht zu benutzen, da es „eher verarbeitet [wird] wie ein Femininum“.[28] Generell ist ein Trend weg von Splittingformen hin zu unmarkierten Formen (Beispiel: „Autofahrende“ statt „Autofahrer“[29]) erkennbar, durch die nicht nur Frauen, sondern auch Männer „sprachlich unsichtbar gemacht“ würden. Allerdings führen solche „unmarkierten“ Formen dazu, dass an Frauen seltener gedacht wird als bei Verwendung des generischen Maskulinums[30].

Einen methodischen Tipp gibt die ETH Zürich in Regel 8 ihrer „12 Sprachregeln“[31]: „Wenn Sie einen Text zuerst in der männlichen Form erarbeiten und die weibliche Form erst nachträglich ergänzen, wirkt dies meist langweilig, aufgesetzt und schwerfällig.“ Man sollte also nicht mit dem Satz: „Die Teilnehmer des Seminars sind berechtigt, die Software zu benutzen.“ beginnen und ihn in: „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars sind berechtigt, die Software zu benutzen.“ umformulieren, sondern gleich „Die Teilnahme am Seminar berechtigt zur Benutzung der Software.“ schreiben (ein Wort weniger als in der ersten Fassung!).

Auch das Goethe-Institut empfiehlt Kreativität, um einerseits „eine gute gendergerechte Sprache“ zu erreichen, andererseits um die Entstehung von „gendergrotesken Sprachirrungen“, die zur „eigenen Karikatur“ werden und den Sprachfluss zerstören, zu vermeiden.[32]

Vermittelnde Position

Es gibt auch Anhänger einer sogenannten „geschlechtergerechten“ Sprache, die einräumen, dass in manchen Fällen das generische Maskulinum die sinnvollste Ausdrucksweise darstelle. [33] Beispielsätze:

  • „Mädchen sind die besseren Schüler.“
  • „Bei uns ist der Kunde noch König.“

Jeder Versuch, die beiden Aussagen in sogenannte „geschlechtergerechte Sprache“ zu übersetzen, führe entweder zu Satzungetümen oder zu Tautologien.

  • „Sie ist unser bester Ingenieur.“[34]

Hier wird deutlich, dass es weder einen weiblichen, noch einen männlichen Ingenieur gebe, der besser sei als die Angesprochene. Würde von einer „Ingenieurin“ gesprochen, so wäre dies missverständlich, da es die Möglichkeit eines fachlich besseren Ingenieurs – nämlich eines männlichen – offen ließe. Eine Doppeltnennung oder ein Binnen-I kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die Angesprochene nur ein natürliches Geschlecht hat.

Anwendung alternativer Formulierungen

Splitting und neutrale Formulierungen

Die linke Schweizer Wochenzeitung WOZ und die Berliner Tageszeitung taz verwenden in ihren Beiträgen die abgekürzte alternative Schreibweise mit dem Binnen-I (LehrerInnen, SozialpädagogInnen, MinisterialrätInnen usw.). Die Verwendung des Binnen-I bzw. großen I im Wortinnern entspricht weder den alten noch den neuen Rechtschreibregeln. Es wird angeführt, dass es den geschriebenen vom gesprochenen Text trennt. Auch der Ursprung dieser Schreibweise aus der links-alternativen Szene wirkt in der Alltagspraxis bei manchen abschreckend. Das Binnen-I stieß überwiegend auf gesellschaftliche Ablehnung. Dadurch, dass in vielen Fällen die maskuline Form im Wort nicht mehr erkennbar ist, handelt es sich eher um ein verstecktes generisches Femininum, zumal dann, wenn z. B. das Wort „BürgerInnen“ beim Vorlesen eines nicht selbst verfassten Textes als „Bürgerinnen“ und nicht als „Bürgerinnen und Bürger“ ausgesprochen wird. Die unangemessene Aussprache lässt bei den betreffenden Personen auf einen femininen Bias schließen. Nicht zuletzt sei die ungewohnte Verwendung von Großbuchstaben inmitten von Wörtern sprachästhetisch problematisch. In Überschriften, die ausschließlich aus Großbuchstaben bestehen, ist ein „Binnen-I“ nicht mehr als solches erkennbar. Es wird zum generischen Femininum.

Oft wird behauptet, in normativen Texten seien per definitionem mit grammatikalisch männlichen Begriffen immer weibliche Personen mitgemeint. Trotzdem gibt es auch in Gesetzestexten seit einiger Zeit geschlechtsspezifische Formulierungen. So heißt es z. B. in § 5a, Absatz 7 der „Niedersächsischen Gemeindeordnung“:[35] „Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister hat die Gleichstellungsbeauftragte in allen Angelegenheiten, die ihren Aufgabenbereich berühren, rechtzeitig zu beteiligen und ihr die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.“ Durch die Formulierung wird unmissverständlich verdeutlicht, dass das Amt des Bürgermeisters von Frauen und Männern ausgeübt werden kann, das der Gleichstellungsbeauftragten aber nur von Frauen.

Bis zum 18. August 2006 schrieb in Deutschland § 611b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor, dass in der Regel Arbeitsplatzausschreibungen so formuliert werden müssen, dass kein Anschein einer Diskriminierung entsteht. Diese Norm wird seitdem durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorgegeben. Bei Stellenausschreibungen kommen aus Platzgründen meist die Kurzformen zum Zuge (z. B. „Lehrer/-innen“). Alternativ wird auch die Form „Zerspanungsmechaniker (m/w)“ verwendet. Verstöße gegen diese Norm können Schadensersatzansprüche begründen.

Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist das deutsche Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und- entschädigungsgesetz – JVEG).

Die Redaktion des Duden empfiehlt in ihrer Zeitschrift Sprachspiegel,[36] in bestimmten Fällen das generische Maskulinum in seine geschlechtsspezifischen Formen aufzulösen. Das gelte insbesondere bei der direkten Ansprache („Bürgerinnen und Bürger“) oder in Formularen. Die Duden-Redaktion erklärt das generische Maskulinum nicht für abgeschafft, erkennt aber an, dass eine „Breitenwirkung der feministischen Sprachkritik“ eingesetzt habe, und beim Verfassen vieler Texte niemand mehr um die „Frage der angemessenen sprachlichen Berücksichtigung von Frauen“ herumkäme. Gemäß Duden Band 9 („Richtiges und gutes Deutsch“) ist das „große I“ rechtschreibwidrig. Der Band gibt jedoch Hilfestellungen zur alternativen Formulierung (Splitting).

Die Dudenredaktion formuliert folgende Empfehlungen für den Fall, dass alternativ formuliert werden soll:

  • Doppelnennung: Lehrerinnen und Lehrer
  • Bei Bedarf nach Verkürzung eine dieser beiden Kurzschreibweisen:
    • Schrägstrich: Mitarbeiter/-in. Die Schrägstrich-Schreibweise ist nur zusammen mit dem Bindestrich korrekt. Sie ist nur in solchen Fällen korrekt, bei denen die feminine Form nur durch Hinzufügen von Buchstaben an die maskuline Form am Wortende gebildet wird, also nicht bei Kollege/Kollegin und auch nicht bei Arzt/Ärztin, weil hier ein Umlaut gebildet wird.
    • Klammerbenutzung: Sie ist im Gegensatz zur Schrägstrich-Variante auch dann möglich, wenn zur Bildung des Femininum Buchstaben im Wortinneren hinzugefügt werden: Kolleg(inn)en.
Falls sich im Wortinnern Buchstaben ändern, also z. B. bei Ärztin/Arzt, ist keine dieser beiden Kurzschreibweisen korrekterweise möglich.
Bei Umformulierung eines Satzes in den Plural bieten sich oft Möglichkeiten, eine Kurzschreibweise zu benutzen, die sich im Singular nicht oder nicht so einfach bietet: Den Satz Jeder Autofahrer kennt dieses Problem kann man im Singular nur durch Doppelung sowohl von jeder als auch von Autofahrer so ausdrücken, dass beide Geschlechter genannt werden. Formuliert man ihn um in den Plural, kann man elegant eine Kurzform verwenden: Alle Autofahrer(innen) kennen dieses Problem.
Beim Vorlesen sollten die genannten Kurzformen als Doppelnennungen ausgesprochen werden.
  • Ersatzformulierungen mit geschlechtsneutralen Wörtern, gebildet durch Adjektive, Partizipien und neue Zusammensetzungen:
    • Verwitwete statt Witwen und Witwer
    • Lehrerschaft statt Lehrerinnen und Lehrer
    • Redaktion statt Redakteure und Redakteurinnen
    • Ärztlicher Rat statt Rat des Arztes
    • Studierende statt Studenten und Studentinnen

Zu diesen Ersatzformulierungen wäre auch die Variante des Entwurfs zu den europäischen Verfassungsverträgen zu zählen, bei welcher aus Gleichstellungsgründen abwechselnd die Begriffe Mensch und Person benutzt werden.

Auch bei Berücksichtigung dieser Empfehlungen bleibt in Form von Komposita das generische Maskulinum erhalten. Das betrifft Wortzusammensetzungen, bei denen das generische Maskulinum an erster Stelle steht, z. B. „Fußgängerüberweg“, „Leserbrief“ oder auch „Bürgermeister/-in“ (hier auf den Bestandteil „Bürger“ bezogen, nicht auf „Meister/-in“).

Durch die Verwendung von Ersatzformulierungen können jedoch unbeabsichtigte Mehrdeutigkeiten oder Bedeutungsverschiebungen erzeugt werden, da sie selten strikt synonym, sondern meist nur bedeutungsähnlich sind.

Einen Sonderfall stellen gesellschaftliche Veränderungen dar, durch die traditionell „weibliche“ Tätigkeiten für Männer geöffnet wurden. Das Musterbeispiel hierfür ist der Beruf der Hebamme. Seitdem in Deutschland auch Männer diesen Beruf ausüben dürfen, wird er mit dem Wort „Entbindungspfleger/-in“ bezeichnet. „Politessen“ beiderlei Geschlechts werden neuerdings offiziell „Parkraumüberwachende“ genannt. Bezeichnend ist, dass mit der gesellschaftlichen Änderung zeitgleich ein Sprachwandel einsetzte, der verhinderte, dass männliche Entbindungspfleger als „Hebamme“ bezeichnet werden.

Anwendung femininer Bezeichnungen auf männliche Personen

Gelegentlich wird mit der ausschließlichen Benutzung femininer Personenbezeichnungen experimentiert. So schreibt Leif Pullich in der Arbeit Weblogs als Lernjournale. Kommunikation und Reflexion mit Weblogs im Rahmen akademischer Abschlussarbeiten:[37] „Im weiteren Text verwende ich ein generisches Femininum, wenn allgemeine Begriffe zur Bezeichnung von Personen gleich welchen Geschlechts verwendet werden.“ Folgerichtig heißt es kurz darauf: „Weblogs werden als ‚corporate blogs‘ in der Organisationskommunikation eingesetzt und können hier sowohl in der externen Kommunikation mit Öffentlichkeit, Markt, Kundinnen und Geschäftspartnerinnen als auch internen Kommunikation im Projekt- oder Wissensmanagement verschiedene Funktionen übernehmen.“

Lisa Irmens[38] Hinweis, eine „Fußnote mit Hinweis, dass generische Maskulina auch Frauen einschliessen“, funktioniere nicht „geschlechtergerecht“, gilt allerdings erst recht für generische Feminina, da durch diese Praxis ein völlig neuer, geltenden Sprachverwendungsregeln widersprechender Sprachgebrauch etabliert werden soll.

Empirische Untersuchungen zur Akzeptanz des generischen Maskulinums und der Ersatzformulierungen

Nach einer empirischen Studie Wesians (2007) [39] werden Formulierungen mit generischem Maskulinum von Probanden insgesamt eher als akzeptabel bewertet als Alternativformulierungen dazu. Auf einer Skala von 1 bis 3 (1 = Zustimmung, 3 = Ablehnung) wurden das generische Maskulinum mit 1,7 und die Alternativformulierungen mit 2,0 bewertet (S. 67). Bei Probanden unter 40 Jahren ist die Akzeptanz generischer Maskulina deutlich höher als die „geschlechtergerechter“ Formulierungen (S. 68).

Die Akzeptanz des generischen Maskulinums nahm dabei mit höherem Bildungsabschluss zu (S. 69). Während 24,2% der Probanden mit einem Bildungsabschluss der Sekundarstufe II die Umsetzung einer "geschlechtergerechten Sprache" als "gut" bewertete, taten dies 48,9 % der Probanden mit Abschluss der Sekundarstufe I (S. 109).

82,4 % der befragten Frauen gaben an, sich durch Sprache noch nie diskriminiert gefühlt zu haben, 81,2 % gaben an, sich bei Vorliegen eines generischen Maskulinums mitgemeint zu fühlen (S. 89).

Manche der Probanden gaben an, die Diskussion sei "lächerlich" und "Zeitverschwendung". Die Mehrheit hielt das Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache grundsätzlich für gut, die bisherige Umsetzung sei aber "ungeschickt" und "absurd" (S. 93).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Der Duden. Grammatik. Ausgabe 1995. S. 196f.
  2. Bettina Jobin. Genus im Wandel. Dissertation. Stockholm 2004. http://www.diva-portal.org/diva/getDocument?urn_nbn_se_su_diva-56-1__fulltext.pdf
  3. Arthur Brühlmeier: Sprachzerstörung aus Konzilianz – die Umkehr ist fällig, 2005
  4. Effekte geschlechtergerechter Sprache auf die Beantwortung von Meinungsumfragen. http://www.uni-mannheim.de/fakul/psycho/irtel/lehre/expra/w99/greifeneder.pdf
  5. Männer und Frauen sind gleichberechtigt, Art. 3 Abs. 2 GG – historische Darstellung, meinhard.privat.t-online.de, Version: 4. Oktober 2007
  6. Der lange Weg zur Gleichberechtigung in Deutschland – Chronik, meinhard.privat.t-online.de, Version: 4. Oktober 2007
  7. „Der Duden“. „Bundeskanzlerin“ ist das „Wort des Jahres 2005“. http://www.duden.de/deutsche_sprache/woerter_unwoerter/2005.php
  8. Prof. Dr. Paris, Rainer: Bescheuertheit, Merkur, deutsche Zeitschrift fuer europaeisches Denken, 2008, S. 1 (7)
  9. Klein-Uerlings: Vom Umgang mit Schwierigkeiten bei der Verankerung von Gender Mainstreaming, Punkt 1.3; http://www.learn-line.nrw.de/angebote/gendermainstreaming/reader/ii_handlungsfelder/ii_8_klein.pdf
  10. Diesen Vorwurf kritisiert etwa Lorenz, Dagmar: Die neue Frauensprache – Über die sprachliche Apartheid der Geschlechter, Erstmals erschienen in: „Muttersprache. Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache“. Heft 3, Sept. 1991. Hg.:Gesellschaft für deutsche Sprache, Wbn.; zitiert nach und abrufbar unter http://www.ulrichdevries.de/frauensprache.html
  11. Dr. Brühlmeier, Arthur: Sprachzerstörung aus Konzilianz – die Umkehr ist fällig, http://www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm
  12. Lorenz, Dagmar: Die neue Frauensprache – Über die sprachliche Apartheid der Geschlechter, Erstmals erschienen in: „Muttersprache. Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache“. Heft 3, Sept. 1991. Hg.:Gesellschaft für deutsche Sprache, Wbn.; zitiert nach und abrufbar unter http://www.ulrichdevries.de/frauensprache.html
  13. Prof. Dr. Paris, Rainer: Bescheuertheit, Merkur, deutsche Zeitschrift fuer europaeisches Denken, 2008, S. 1 (7)
  14. Ursula Doleschal: Das generische Maskulinum im Deutschen. Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne. In: Linguistik online 11, 2/02 [1]
  15. F. Braun, A. Gottburgsen, S. Sczesny, D. Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik (ZGL), 1998, Heft 26, S. 265–283, dort S. 267–269.
  16. F. Braun, A. Gottburgsen, S. Sczesny, D. Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik (ZGL), 1998, Heft 26, S. 265–283, dort S. 274.
  17. F. Braun, A. Gottburgsen, S. Sczesny, D. Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik (ZGL), 1998, Heft 26, S. 265–283, dort S. 275.
  18. F. Braun, A. Gottburgsen, S. Sczesny, D. Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik (ZGL), 1998, Heft 26, S. 265–283, dort S. 280.
  19. http://www.ds.uzh.ch/lehrstuhlduerscheid/docs/vl-angew-ling-7.pdf , S. 8
  20. http://www.ceeol.com/aspx/getdocument.aspx?logid=5&id=5902b0c6-ad73-44cb-8f94-8e3e275769b6 , S. 38
  21. Der Duden. Grammatik. 1998
  22. Diskriminierung und Sprache. Am 22. Mai 2003 gehaltener Vortrag an der Universität Bern http://www.sub.unibe.ch/master/sub/content/e6278/e13696/e16839/e16840/VortragBernNov.pdf
  23. Stahlberg, D. & Sczesny, S. (2001). Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. Psychologische Rundschau, 52, 131–140. [2]
  24. a b c Beatrice Weber-Dürler: Auf dem Rechtsweg zur Gleichberechtigung – vom Fall Kempin bis heute, Bulletin der Vereinigung der Schweizerischen Hochschuldozierenden (VHS-Bulletin), Nr. 1, April 2008, S. 13
  25. Ursula Doleschal: Das generische Maskulinum im Deutschen. Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne. In: Linguistik online 11, 2/02 [3]
  26. Nicola Döring. Männliche Formen. Aviso Nr. 33, Juni 2003, S. 28. http://www.nicola-doering.de/sprache/
  27. Ivo Hajnal: Feministische Sprachkritik und historische Sprachwissenschaft. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Kategorie Genus in Syn- und Diachronie. Innsbruck 2002 http://www.uibk.ac.at/sprachen-literaturen/sprawi/pdf/Hajnal/a9_fem_hist_sprawi.pdf S.70
  28. Lisa Irmen. Diskriminierung und Sprache. [4] S.36
  29. http://www.a12-flamatt-buempliz.ch/Bibliothek/Verkehr/TippsFuerAutofahrende.htm
  30. F. Braun, A. Gottburgsen, S. Sczesny, D. Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik (ZGL), 1998, Heft 26, S. 265–283, dort S. 275
  31. http://www.equal.ethz.ch/publications/rules/rule8
  32. Bettina Levecke. Deutsche Sprache = Männersprache? Vom Versuch einer „Geschlechtsumwandlung“. September 2006. http://www.goethe.de/lhr/prj/mac/spw/de1728783.htm
  33. Amt der Landeshauptstadt Bregenz: Richtlinien für geschlechtergerechtes Formulieren http://www.bregenz.at/fileadmin/bregenz/Inhalt/Aktuell/Richtlinien.pdf
  34. Lorenz, Dagmar: Die neue Frauensprache – Über die sprachliche Apartheid der Geschlechter, Erstmals erschienen in: „Muttersprache. Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache“. Heft 3, Sept. 1991. Hg.:Gesellschaft für deutsche Sprache, Wbn.; zitiert nach und abrufbar unter http://www.ulrichdevries.de/frauensprache.html
  35. http://www.jura.uni-osnabrueck.de/institut/jkr/kommunalrecht/gonieder.pdf
  36. Birgit Eickhoff: „Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache,“ Januar 1999 [5]
  37. IfBM.Impuls Schriftenreihe des Instituts für Bildungswissenschaft und Medienforschung 2007.03. http://ifbmimpuls.fernuni-hagen.de/2007-03-Weblogs-als-Lernjournale.pdf S.7
  38. Lisa Irmen. Diskriminierung und Sprache. [6] S.36
  39. Julia Wesian: Sprache und Geschlecht: Eine empirische Untersuchung zur „geschlechtergerechten Sprache“, SASI Heft 13, 2007, zitiert nach und abrufbar unter: http://noam.uni-muenster.de/SASI/Wesian_SASI.pdf

Literatur

Sprachkritische Literatur

  • Der Duden. 2005. Grammatik, insbesondere Abschnitt Nomen (Substantiv): Genus, Regel 236 (Personenbezeichnungen)
  • F. Braun, A. Gottburgsen, S. Sczesny, D. Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik (ZGL), 1998, Heft 26, S. 265–283.

Zu den Nachteilen geschlechtsbezogener Sprachveränderungen

Weblinks


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