Grafem

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Grapheme sind die kleinsten im Schreibfluss aufeinanderfolgenden bedeutungsunterscheidenden Einheiten des Schriftsystems einer bestimmten Sprache. Sie sind der wissenschaftliche Untersuchungsgegenstand der Graphematik bzw. Graphemik.

siehe auch Schriftzeichen

Inhaltsverzeichnis

Grapheme in Alphabetschriften

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In Alphabetschriften besteht ein Graphem aus einem oder mehreren Symbolen einer Symbolmenge; die Symbole sind, vereinfachend ausgedrückt, Buchstaben, die Menge ist das Alphabet der Sprache. Grapheme sind abstrakte Abbilder orthographischer und grammatikalischer Konventionen eines Sprachraumes; und sie werden auf Basis ihrer funktionalen Relevanz gruppierend definiert.

Merkmal Glyphik, Orthographie

Ein Graphem tritt in Form unterschiedlich aussehender Buchstaben, sogenannter Glyphen, in Erscheinung. Glyphen finden ihre Diversität über Schreibschrift, Druckschrift und Schriftart; und ferner über Frakturen, Antiqua, Ligaturen, das lange s, das runde s usw. Alle einem Buchstaben zuordenbare Vorkommnisse von Glyphen bilden ein Repertoire an Allographen zu einem Graphem; unter der Voraussetzung, dass die Glyphen austauschbar sind, ohne die Bedeutung eines Wortes zu verändern. Bedeutungsverändernde graphematische Merkmale auf Ebene der Glyphen sind beispielsweise die spitze Form des v, die es von der runden Form des u unterscheidet, oder auch Diakritika, die z. B. ein ö vom o unterscheiden. Ein bedeutungserhaltendes Merkmal ist z. B. die wichtige Grundvariation der Majuskeln und Minuskeln, auch die Darstellung des ß mithilfe des doppelten s, wie auch die Darstellung des ö über oe. Die bedeutungserhaltenden graphematischen Merkmale sind orthographische Konventionen.

Allographen, Glyphik:

  • ɑ, a und A sind allograph zu a; man vergleiche armArm, flohFloh, würden↔Würden, angeln↔Angeln, und man vergleiche „(A)rm war er nur im Geiste; ja, im Geiste (a)rm.“
  • O-Umlaut mit Strichen als Kennzeichnung, anstatt Punkten

Merkmal Phonemik, Modifikation

Nach phonemabhängigen Graphemtheorien werden Graphem und Phonem oft als untrennbare Einheit gedacht, da sie in der Sprache quasi als Plus-/Minuspol existieren. Die Klammerungen der Vorsilben (e)qui-, (ä)qui-, (ae)qui- können ein einziges Graphem bilden, da die Erwartung an das zugehörige Phonem ist, gleichzulauten. Jedoch enthält ein Phonem häufig eher ein zu erwartendes Repertoire an Lauten (Allophone); dies ist individuell und dialektal bedingt.

Das Graphem h entspricht üblicherweise dem Phonem /h/. Doch kann ein h in Kombination mit anderen Graphemen die Aussprache modifizieren, wodurch neue Grapheme definitorisch entstehen, im Falle von (ch, ph, th, uh) vier Digraphen:

  • Flu(ch), Del(ph)in – Graphem modifiziert vorangegangenes Graphem
  • (Th)ese – Graphem bleibt stumm
  • Sch(uh) – Graphem verdeutlicht Aussprache

Ein Graphem kann mehrere phonemische Ebenen besitzen, z. B. b mit den Phonemen /b/ in Er(b)e und /p/ in Er(b)se, oder v mit den Phonemen /f/ in (V)ater und /v/ in (V)ulkan. Umgekehrt kann ein Phonem mehrere graphemische Ebenen haben, z. B. beim stimmlosen /s/ (ß-Laut) in Fu(ß) und Erb(s)e, oder beim stimmlosen /f/ die Grapheme f, v; und die Graphemkombination ph: ~graph neben ~graf.

Die Grapheme in Fi(ch)te, Fla(ch)s und Bu(ch)e bilden drei Ebenen zu drei verschiedenen Phonemen; das geklammerte Graphem in Es(ch)e hingegen bildet allein keinen graphematischen Pol zu einem Phonem.

Die Zuordnungen von Phonemen oder Silben zu einem Graphem nennt man in der Linguistik Phonographie (griech: φωνὴ phonē = Ton, Laut, γράφειν graphein = schreiben). Beispiele für phonographische Schriftsysteme sind Alphabetschriften und Silbenschriften.

Siehe auch: Phonemik, Konsonantenreihen, Digraph, Trigraph

Grapheme in Kongruenz zu Phonemen

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Wenn man anhand eines Graphems stets auf das Phonem schließen kann, und anhand eines Phonems stets auf das Graphem, spricht man von Graphem-Phonem-Kongruenz. Als Eigenschaft nennt sich dies auch bijektiv. Latein ist einst so vereinfachend systematisiert worden.

Ein Graphem nennt sich injektiv, wenn es eine recht homogene phonemische Entsprechung findet; meist bei Konsonanten und Konsonantreihen der Fall, beispielsweise Fi(sch), fi(sh); wobei der Laut in palataler und dentaler Art variieren kann. Besonders auffällig im Englischen, ist dort oftmals keine Injektivität gegeben; z. B. die Wörter d(ough), t(ough), pl(ough) deutsch-lautlich als d(oh), t(aff), pl(au). Leicht fragwürdig ist die graphemische Abbildung der phonemischen Reihe doh freilich, doch hat das Deutsche die Möglichkeit, Phoneme tendenziell besser graphemisch abzubilden; z. B. (ch)icken als (tsch)icken, mal(ai)se als Mal(ä)se. Diese Eigenschaft nennt sich surjektiv. Ausnahme bei deutscher Surjektivität wäre das englische too(th).

Jede Sprache lässt sich in eine endliche Zahl von Lauten zergliedern, so dass sich einfach eine surjektive Abbildung der Sprache herstellen lässt. Die Vorschrift, welche die Zuordnung bestimmt, ist in vielen Sprachen, die lateinisch geschrieben werden, trotz des Einsatzes von Graphemvarianten, aber nur noch äußerst schwach bijektiv. Das Schriftbild und das Lautbild sind auseinandergefallen. Dem Verschwinden einer bijektiven Zuordnung kann durch Rechtschreibreformen begegnet werden; z. B. Tip zu Tipp und As zu Ass wegen der lautlichen Äquivalenz zu tippen bzw. Asse. Dabei handelt es sich jedoch um extrem seltene Sonderformen, die schriftsprachlich isoliert bleiben und keine Entsprechung in Geheimniss (Geheimnisse), Buss (Busse), Flopp (gefloppt), Verhältniss, hipp, Wagniss etc. finden.

Lautschriften sind eigene Schriftsysteme, die Grapheme und Phoneme bijektiv, also recht homogen, darstellen. Sie bilden ein Komplement zu einer Sprache und gleichzeitig eine Brücke zwischen zwei Sprachen, fungieren somit als Art Schnittstelle.

Europäische Sprachen mit hohem Grad an Schrift-Laut-Kongruenz sind das Spanische und das Finnische. Deutsch liegt im oberen Mittelfeld.

Grapheme weiter gefasst

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In einer Alphabetschrift (lateinische, griechische, kyrillische Schrift) ist die funktionale Zuordnung von Graphemen leicht systematisierbar. Dadurch ergibt sich der Vorteil strukturierter Erlernbarkeit samt Vorteil der maschinellen Datenverarbeitung.

Je nach Funktion und Relevanz, werden Grapheme auch betrachtet als:

  • Abbild eines Phonems, lautlich wie in (F,i,sch), (P,ei,l,u,ng)
  • Abbild einer Silbe, in Takt wie in (Sil,ben,tren,nung), (Pei,lung)
  • Abbild eines Morphems, bei Wortbildung wie in (ver,acht,en,s,wert), (Peil,ung)
  • Abbild einer Illokution, bei Interpunktion wie in Er sagte: „Lauter Öl!“ zu Er sagte lauter: „Öl.“; und (…) zu (usw.).


Manchmal spricht man in diesem Zusammenhang von Graphemketten, verwandt zu Zeichenketten, wobei Ketten durchaus eingliedrig sein oder gar satzübergreifend lang sein können. Jener Begriff ist somit noch weiter gefasst.

Grapheme in Nicht-Alphabetschriften

Grapheme in Segmentalschriften

Eine Segmentalschrift ordnet den Graphemen wie eine Alphabetschrift Phoneme zu. Die Eigenschaft ihrer Abbildungen sind aber nie bijektiv, sondern nur injektiv. Das ist damit zu erklären, dass Vokale keinem Graphem zugeordnet werden. Beispiele für Segmentalschriften sind die Arabische Schrift oder die Hebräische Schrift.

Grapheme in Silbenschriften

Bei einer Silbenschrift werden den Graphemen Lautgruppen (Silben) zugeordnet. Beispiele für die Silbenschrift sind die Keilschrift oder die japanischen Kana.

Logographie

Logographie (griech. logos „Wort“, graphein „schreiben“) heißt die Zuordnung von Morphemen zu Graphemen. Rein logographische Systeme sind kaum denkbar, weil die Sprache aus praktischen Gründen in einem solchen System schwerlich surjektiv abgebildet werden kann. Verglichen mit alphabetischen Systemen haben Logogramme den Nachteil, dass man von ihnen sehr viele benötigt, um die einzelnen Wörter surjektiv darzustellen. Ein Vorteil ist, dass man die Sprache des Verfassers nicht zu kennen braucht, um sie zu verstehen – jeder versteht, was „1“ bedeutet, egal ob man nun eins, one, uno oder ichi sagt; ebenso können sich Chinesen, die unterschiedliche chinesische Sprachen sprechen, manchmal sogar Chinesen und Koreaner oder Japaner miteinander schriftlich verständigen, obwohl sie nicht die gleiche Sprache sprechen.

Piktogramme

Ein Piktogramm ist eine vereinfachte grafische Darstellung der Wirklichkeit in Form eines Bildsymbols. Die Qualität eines Piktogramms ergibt sich daraus, dass möglichst viele unwesentliche Informationen aus dem Bild herausgelassen werden und nur die für die Erkennbarkeit wesentlichen Informationen dargestellt werden.

Ideogramme

Ein Ideogramm (Ideogramm, von griechisch idéa – Gestalt, Form, Erscheinung, gráphein – schreiben) enthält wie ein Piktogramm eine vereinfachte grafische Darstellung, deren Bedeutung jedoch dem Bilde nicht direkt entnommen werden kann, sondern assoziativ erschlossen werden muss. Der Vorteil eines Ideogramms besteht in der größeren Möglichkeit, bestimmte Sachverhalte darzustellen. Der Nachteil von Ideogrammen ist darin zu sehen, dass sie wegen des erforderlichen kognitiven Bedeutungstransfers erlernt werden müssen.

Einige der äygptischen Hieroglyphen-Zeichen können unter anderem z. B. die Funktion eines Ideogramms haben.

„Ideogramm“ ist nicht zu verwechseln mit Idiogramm (grafische Darstellung der Chromosomen).

Logogramme

Logogramme (von griechisch lógos – Wort, gráphein – schreiben auch: Wortzeichen) sind Piktogramme, Ideogramme und sonstige abstrakte Symbole, welchen ein Morphem (d. h. eine eigene Bedeutung) zugeordnet ist. Logogramme umfassen daher auch Zeichen, welche grafisch nicht einen Teil der Wirklichkeit darstellen oder assoziativ nicht mehr erschlossen werden können. Ein Beispiel dafür sind die Determinative der Hieroglyphen und der Keilschriften. Vereinfacht kann man sagen, dass ein Zeichen einem Wort entspricht.

Folgende Schriften sind größtenteils logografisch

Logografisch sind zahlreiche symbolische Fachsprachen aufgebaut:

Beispiele für Logogramme
„Baum“ (Piktogramm) und „Mensch“ (Piktogramm) ist „ruhen“ (Ideogramm)
„Sonne“ (Piktogramm) und „Mond“ (Piktogramm) ist „hell“ (Ideogramm)
„Baum“ (Piktogramm); „Wäldchen“ (Ideogramm); „Wald“ (Ideogramm)
„über“ (Ideogramm)
„unter“ (Ideogramm)

Weitere Beispiele für moderne westliche Logogramme sind die Zahlen oder auch das Kaufmanns-Und & oder das @-Zeichen, das für englisch „at“ verwendet wird.

Phonogramm

Phonogramme sind allgemein grafische Zeichen, die Laute darstellen, speziell aber Logogramme, die statt der Bedeutung des betreffenden Objekts eine phonemische Gestalt seiner Benennung repräsentieren, z. B. im Japanischen die Manyōgana.

Mischsysteme

Die Chinesische Schrift sowie die altägyptischen Hieroglyphen stellen ein logografisch-phonografisches Mischsystem dar. Auch die lateinische Schrift enthält logografische Zeichen, wie z. B. die Satzzeichen. Reine logografische Schriften sind sehr selten; sie enthalten meistens auch andere Elemente. Die ägyptische und sumerische Schrift sind eine Mischung aus piktografischen, ideografischen und sprachlichen Elementen. Das trifft auch zu für die chinesische Schrift, die aus einer piktografischen Schrift entstand, sich jedoch bald über einer ideografischen und einer logografischen Schrift zu einem logografisch-phonografischen Mischsystem entwickelte.

Siehe auch

Weblinks


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