- Alfred Grosser
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Alfred Grosser (* 1. Februar 1925 in Frankfurt am Main) ist ein deutsch-französischer Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Sein Vater Paul Grosser (* 4. Februar 1880 in Berlin; † 7. Februar 1934 in Saint-Germain-en-Laye) war Direktor einer Frankfurter Kinderklinik, Sozialdemokrat und jüdischer Herkunft, außerdem Freimaurer, nach den Angaben von Grosser, weshalb er 1933 mit seiner Familie nach Frankreich emigrierte. Durch eine Verordnung des Justizministers Vincent Auriol am 1. Oktober 1937 wurde seiner verwitweten Mutter Frau Lily Rosenthal und somit auch ihm die französische Staatsbürgerschaft verliehen, was sie davor bewahrte, von der Regierung Daladier im September 1939 wie die anderen von Hitler verfolgten Deutschen als „Feinde“ in französische Lager interniert zu werden. Er studierte Politikwissenschaft und Germanistik und war ab 1955 Inhaber eines Lehrstuhls am Institut d'études politiques de Paris (Sciences Po) in Paris. 1992 wurde er als Studien- und Forschungsdirektor an der „Fondation Nationale des Sciences Politiques“ emeritiert.
Grosser war ab 1965 Mitarbeiter zahlreicher Zeitungen und Fernsehanstalten. Unter anderem schrieb er politische Kolumnen für La Croix und Ouest-France. Er setzte sich sehr für die deutsch-französische Verständigung ein.
Neben Joseph Rovan (1918-2004) ist Grosser ein herausragender französischer Intellektueller mit deutsch-jüdischen Wurzeln. Er hat sich in der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart für die deutsch-französischen Beziehungen eingesetzt und war einer der intellektuellen Wegbereiter im Vorfeld des Elysée-Vertrags. Bei zahlreichen Reisen und Vorträgen in Deutschland und Frankreich hat er an der Aussöhnung der Nachbarländer mitgewirkt und sie gefestigt[1].
Grosser ist bekannt als Gegner der israelischen sowie zum Teil auch der französischen Regierungspolitik. Seit einigen Jahren vertritt er die These, dass "Israelkritik" in Deutschland nicht erlaubt sei und eine Keule gegen die Deutschen geschwungen werde, die sagen würde "ich schlage Dich mit Auschwitz". Er bekräftigte damit ausdrücklich die Position und Formulierung Martin Walsers, die 1998 zu einem Eklat geführt hatte. Grosser ist außerdem der Meinung, die Politik Israels fördere den Antisemitismus.[2] Aus Protest gegen die aus seiner Sicht unausgewogene Nahost-Berichterstattung verließ der Publizist im Jahr 2003 den Aufsichtsrat des französischen Magazins L’Express. „Die Chefredaktion hatte nur zögernd meine positive Rezension eines israel-kritischen Buches veröffentlicht. In der folgenden Nummer druckte man einen Sturm Leserbriefe, die mich beschimpften.“[3] Alfred Grosser kritisierte anlässlich der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises 2007 durch den Focus-Herausgeber Helmut Markwort an Henryk M. Broder beide als des Börnepreises und einer Verleihung in der Frankfurter Paulskirche für nicht würdig[4] Hintergrund war eine vom Focus nicht abgedruckte positive Rezension Grossers über ein Buch von Rupert Neudeck, in dem dieser Israel als Apartheidstaat bezeichnet.
Grosser war Hauptredner bei der von der Stadt Frankfurt am Main veranstalteten Gedenkfeier an die Pogromnacht am 9. November 2010 in der Paulskirche, wofür Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth im Vorfeld von verschiedener Seite kritisiert worden war. Mitglieder des Zentralrats der Juden in Deutschland hatten gedroht, die Feier zu verlassen, sollte Grosser "ausfallend gegenüber Israel" werden.[5] Roth erklärte daraufhin, einige Äußerungen Grossers seien ihr nicht bekannt gewesen, verteidigte jedoch dessen Einladung, da er sich "viele Jahrzehnte um die Aussöhnung der Völker bemüht" habe.[6] Der befürchtete Eklat blieb aus. Sowohl Grosser als auch der Redner des Zentralrats der Juden, Vizepräsident Dieter Graumann, waren bei der Gedenkfeier um Mäßigung bemüht und gaben sich symbolisch die Hand.[7]
Preise und Auszeichnungen
Für seine zur Völkerverständigung beitragenden Werke erhielt Grosser zahlreiche Preise und Auszeichnungen:
- 1975 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, Laudator Paul Frank [8], für seine Rolle als „Mittler zwischen Franzosen und Deutschen, Ungläubigen und Gläubigen, Europäern und Menschen anderer Kontinente“
- 1978 Theodor-Heuss-Medaille
- 1986 Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt am Main
- 1993 Einrichtung des "Lehrstuhl Alfred Grosser" (Gastprofessuren der Sciences Po in Paris und Nancy)
- 1995 Cicero Rednerpreis [9]
- 1996 Schillerpreis der Stadt Mannheim [10]
- 1998 Grand Prix de l'Académie des Sciences morales et politiques
- 2002 Humanismus-Preis des Deutschen Altphilologenverbands
- 2004 Abraham Geiger-Preis des Abraham-Geiger-Kollegs an der Universität Potsdam
- Großes Verdienstkreuz (1975) mit Stern (1985) und Schulterband (2003)
- Offizier (1991), Großoffizier (2001) der Ehrenlegion
- 2009 Einrichtung der Alfred-Grosser-Gastprofessur an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main[11]
In Bad Bergzabern wurde zudem ein Schulzentrum nach ihm benannt[12].
Schriften (Auswahl)
- Deutschlandbilanz. Geschichte Deutschlands seit 1945, 1970
- Das Bündnis, 1981
- Versuchte Beeinflussung, 1981
- Der schmale Grat der Freiheit, 1981
- Das Deutschland im Westen, Carl Hanser Verlag, München 1985, ISBN 3-446-12619-8
- Frankreich und seine Außenpolitik, 1986
- Mit Deutschen streiten, 1987
- Mein Deutschland, 1993
- Deutschland in Europa, 1998
- Was ich denke., November 2000
- Wie anders sind die Deutschen?, 2002
- Wie anders ist Frankreich, 2005
- Die Früchte ihres Baumes. Ein atheistischer Blick auf die Christen, September 2005
- Der Begriff Rache ist mir völlig fremd in: Martin Doerry (Hg): Nirgendwo und überall zu Haus. Gespräche mit Überlebenden des Holocaust DVA, München 2006 ISBN 3-421-04207-1 (auch als CD) S. 120 - 129
- Von Auschwitz nach Jerusalem, Rowohlt-Verlag 2009, ISBN 978-3-498-02515-1
- Die Freude und der Tod. Eine Lebensbilanz, Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2011 ISBN 978-3-498-02517-5
Literatur
- Martin Strickmann: L´Allemagne nouvelle contre l´Allemagne éternelle: Die französischen Intellektuellen und die deutsch-französische Verständigung 1944–1950. Diskurse, Initiativen, Biografien. Frankfurt a. M. [u.a.] 2004, ISBN 3-631-52195-2
Gespräche
siehe auch Weblinks
- „Distanznahme zu sich selbst ist das wichtigste Bildungsziel!“, Gespräch mit Alfred Grosser vom Dezember 2000 aus DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung
- Freiheit schafft Europa, Interview mit Prof. em. Alfred Grosser, 11. Februar 2005 zur Eröffnung der 9. Karlsruher Gespräche des ZAK | Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale am Karlsruher Institut für Technologie
- Israels Politik fördert den Antisemitismus Martina Doering interviewt Alfred Grosser, Berliner Zeitung vom 15. August 2006
- Ich muss als Jude nicht für Israel sein Interview von Stefan Reinecke und Daniel Bax mit Alfred Grosser in der taz vom 4. April 2007
- "Der Stern" Interview mit der Hamburger Illustrierten am 21. Oktober 2007, Nr. 41, in dem Grosser sich zum Begriff Moralkeule von Walser äußert[13]
- Gespräch mit Alfred Grosser am 18. Juni 2008 in Paris
- Sofort heißt es: Antisemitismus! Tobias Kaufman interviewt Alfred Grosser anlässlich seines neuen Buches "Von Auschwitz nach Jerusalem" am 18. September 2009
- "Ich bin genetisch optimistisch" Gespräch über "Von Auschwitz nach Jerusalem" mit Moritz Reininghaus, taz 28. September 2009
- Interview im Fernsehen am 4. November 2010 zu seinem Auftritt in der Paulskirche am 9. November 2010. 3sat "Kulturzeit": Kritik an Grosser. Zentralrat lehnt Politologen als Redner ab. Redaktionelle Zusammenfassung. Rechts, im Bild: Link zum Lifestream mit dem Interview. Darunter: Lifestream, Interview mit Salomon Korn zum selben Thema[14]
- Video-Interview über Alfred Grossers Buch Die Freude und der Tod. Eine Lebensbilanz am 2. Mai 2011 in Paris
- „Meine Beerdigung ist schon bezahlt“ Interview von Jens Mühling und Anna Sauerbrey mit Alfred Grosser im Tagesspiegel vom 10. Juli 2011
Rezensionen
- über das Buch Deutschland in Europa, Autor nicht genannt
- Michael Hereth Alfred Grosser at his bestüber das Buch Wie anders ist Frankreich.
- Ursula Homann Hinwendung zur Welt Warum Alfred Grosser nicht an Gott glaubtüber das Buch Die Früchte ihres Baumes. Ein atheistischer Blick auf die Christen.
Weblinks
Commons: Alfred Grosser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Alfred Grosser im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Richtig denken, das heißt: gerecht denken Artikel zum 80. Geburtstag Grossers in der Die Welt vom 1. Februar 2005
- Vortrag im Rathaus Stuttgart am 1. Juni 2005
- Zum Gedenktag 9. November 2010 in Frankfurt Die Welt: Ist die Meinungsfreiheit für Israelkritiker wirklich bedroht? 4. November 2010, zur Diskussion um Grossers Unterstützung für Martin Walser und seinen Begr
Einzelnachweise
- ↑ Martin Strickmann, L'Allemagne nouvelle contre l'Allemagne éternelle. Die französischen Intellektuellen und die deutsch-französische Verständigung 1944-1950. Diskurs, Initiativen, Biografien, Peter Lang, Frankfurt/M. 2004. 512 Seiten
- ↑ http://www.stern.de/politik/ausland/alfred-grosser-israels-politik-foerdert-antisemitismus-600037.html
- ↑ Warum ich Israel kritisiere, Internationale Politik, Februar 2007
- ↑ Beleidigung des Humanismus Falsche Wahl: Henryk M. Broder hat den Börne-Preis nicht verdient, die tageszeitung, 3. Februar 2007
- ↑ http://www.dw-world.de/dw/article/0,,6196224,00.html
- ↑ http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,726836,00.html
- ↑ Erinnerung an Reichspogromnacht - Alfred Grosser in der Paulskirche, Frankfurter Rundschau, 9. November 2010
- ↑ Text der Laudatio
- ↑ Homepage
- ↑ Landeshauptarchiv Speyer
- ↑ [Alfred-Grosser-Gastprofessur Vom Status der Bürgergesellschafthttp://www.fr-online.de/rhein-main/vom-status-der-buergergesellschaft/-/1472796/3090076/-/index.html], Frankfurt Rundschau vom 15. Mai 2009
- ↑ http://www.schulebza.de
- ↑ Zitat: In diesem Punkt stehe ich hinter Martin Walsers Kritik an der Auschwitz-Keule. Ja, ich sehe diese Keule, die ständig gegen Deutsche geschwungen wird, falls sie etwas gegen Israel sagen. Tun sie es trotzdem, sagt die Keule sofort: "Ich schlage dich mit Auschwitz." Ich finde das unerträglich. Ich habe immer gegen Antisemitismus gekämpft. Und ich werde es immer tun! Aber Israelkritik per se mit Antisemitismus gleichzusetzen - das ist falsch und führt in die Irre.
- ↑ Aus der Zusammenfassung: (Die Kritiker der Einladung) begründeten ihre Ablehnung ... mit Grossers Kritik an der Politik Israels sowie dessen Unterstützung des Schriftstellers Martin Walser. ... Walser hatte anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998 von der "Moralkeule Auschwitz" gesprochen ...
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