- Gustav Vorherr
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Gustav von Vorherr (* 19. Oktober 1778 in Freudenbach / Creglingen; † 1. Oktober 1847 in München; vollständiger Name: Johann Michael Christian Gustav von Vorherr) war ein deutscher Architekt und Baubeamter im bayerischen Staatsdienst. Er amtierte u.a. als Vorstand der Königlichen Baugewerksschule München, setzte sich bereits in den 1820er Jahren für den „Schutz von Alterthümern“ ein und war somit Wegbereiter des Denkmalschutzes in Bayern.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Der Vater Johann Leonhard Vorherr (* 2. November 1746; † 5. Mai 1820) stammte aus einer alten Baumeister- und Bauhandwerkerfamilie mit Wappenbrief, die einen eigenen Sandsteinbruch in Freudenbach / Creglingen betrieb, der heute noch im Familienbesitz ist.
Vorherr studierte Architektur in Erlangen und Berlin, Volkswirtschaft in Marburg und Naturwissenschaften mit gleichzeitigem Baupraktikum in Ansbach. Er hielt ein Zweijahresstipendium der preußischen Regierung an der Kunstakademie Berlin. 1806 studierte er in Paris bei Jean Nicolas Louis Durand. Er unternahm später Studienreisen nach Italien und Wien (1816), Großbritannien, Frankreich, in die Niederlande und die Schweiz (1825).
1800 erfolgte seine Berufung als Leiter des gräflich Görtzschen Bauwesens nach Schlitz in Hessen, er leitete den Umbau von Schloss Hallenburg mit Nebengebäuden. 1803 ging er – zunächst unter Beibehaltung seines Amtes in Schlitz – als Bauoffiziant nach Fulda. 1804 wurde Vorherr dort Leiter des öffentlichen und des Hofbauwesens (u. a. Planung der Wilhelmstraße, Umbau des Residenzschlosses).
Ab 1809 stand er als „Kreisbauinspektor der Stiftungen und Kommunen am Generalkommissariat des Isarkreises“ im bayerischen Dienst. Er war seit 1810 Mitglied der Münchner Baukommission (Bauaufsicht über die Ludwigsvorstadt, für die er 1818 einen „Generalplan“ lieferte). Vorherr leitete nach dem Tode Emanuel Herigoyens 1817/1818 bis zur Ernennung Leo von Klenzes durch Intervention von König Ludwig I. im Oberbaukommissariat des Innenministeriums das öffentliche Bauwesen in Bayern, das in dieser Zeit neu organisiert wurde. Zurückversetzt zur Kreisbaubehörde, gewann er als Referent für die Genehmigung privater Bauten in München großen Einfluss auf das Bauwesen der Hauptstadt.
Vorherr starb 1847, sein Grab befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof im Glockenbachviertel Münchens. Im Münchner Stadtteil Allach ist eine Straße nach ihm benannt.
Vorherr erhielt zahlreiche Auszeichnungen, er war Ritter des griechischen Erlöserordens, trug den Ehrentitel „Königlich Bayerischer Baurat“, war Ehrenmitglied der Königlichen Akademie der Bildenden Künste München, des landwirtschaftlichen und polytechnischen Vereins und Vorstand des bayerischen Landesverschönerungsvereins. Seine Idee der „Landesverschönerung“ wurde insbesondere von Peter Joseph Lenné in Preußen weitergeführt; der Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ geht auf ihn zurück.
Werk
Vorherr propagierte ein aufklärerisches Menschheits- und Weltverbesserungssystem auf der Basis einer Verbindung von Landwirtschaft, Städtebau und Architektur in Anlehnung an die Sonnenbaulehre von Bernhard Christoph Faust. Das Stadtarchiv München besitzt aus dem Nachlass Vorherrs (Nr. 13) ein Exemplar der „Andeutungen über das Bauen der Häuser und Städte zur Sonne“ von Bernhard Christoph Faust, das mit einer handschriftlichen Widmung versehen ist, was auf eine enge Freundschaft und regen Gedankenaustausch der beiden schließen lässt.
Nach diesem System entstanden Wiederaufbaupläne für abgebrannte Orte und Ortsteile (u. a. für Seeshaupt, Schwabsoien, Weilheim, Thaining, Kolbermoor, Buch bei Landshut, Enghausen bei Moosburg). Seit seiner Berufung nach Schlitz wirkte Vorherr als Lehrer und Publizist besonders an der Weiterbildung von Bauhandwerkern (u. a. Zeichenlehre an der Feiertagsschule in München, ab 1813; Gründung der Königlichen Baugewerksschule, 1823). Er fungierte 1821–1830 als Herausgeber der Zeitschrift „Monatsblatt für Bauwesen und Landesverschönerung in Bayern“, daneben publizierte er zahlreiche Schriften, Musterblätter (u. a. für Schulen, Pfarrhäuser und Stallungen) und Entwürfe (u. a. zur Verbindung des Louvre mit den Tuilerien, 1809; zur Stadterweiterung Münchens wie der Areale rund um den Sendlinger- und Isartorplatz 1819 und 1821; für den Umbau der Münchner Salvatorkirche in eine Schule und evangelische Kirche, 1819) Anlage des Alten Südfriedhofs 1818/1821 (bei gartenkünstlerischer Mitwirkung von Friedrich Ludwig von Sckell) im Sinne einer „architecture parlante“.
Er plante die Sonnenstraße entlang der ehemaligen Stadtbefestigung und das Areal westlich des Karlsplatzes mitsamt dem Neubau seines eigenen Wohnhauses direkt gegenüber dem Karlstor (Karlsplatz 25), das als „Vorherrhaus“ später das Grand Hôtel Bellevue beherbergte. Nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde es als Hotel Königshof wieder aufgebaut. Bei der Planung wandte Vorherr erstmals in München das „offene Bausystem“ an, eine Variation gleicher Elemente über einem Raster nach einem modularen Proportionssystem. Geistige Grundlage des neuen Architektursystems beruhte auf bürgerlichen Idealen der Sparsamkeit (économie) und Zweckmäßigkeit (convenance). Reiseberichte des 19. Jahrhunderts, wie von Edward Wilberforce, loben diese damals neue Bauweise als „Häuser, die sich frei und gesund ausbreiten dürfen, einen fröhlichen, luftigen Anblick bieten, besonders wenn sie mit Bäumen und Gartengrundstücken aufgelockert werden und so viel zu einem angenehmen Stadtbild beitragen“. Vorherr gilt als Vertreter der „gemäßigt“ progressiven realen Revolutionsarchitektur.
Literatur
- Hyacinth Holland: Vorherr, Gustav. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 40, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 303 f.
- Hans Lehmbruch: Ein neues München. Stadtplanung und Stadtentwicklung um 1800. Forschungen und Dokumente. Buchendorf 1987.
- Winfried Nerdinger (Hrsg.): Klassizismus in Bayern, Schwaben und Franken. Architekturzeichnungen 1775–1825. (Ausstellungskatalog der Architektursammlung der Technischen Universität München und des Münchner Stadtmuseums in Verbindung mit dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte und dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv.) München 1980.
- Winfried Nerdinger (Hrsg.): Romantik und Restauration, Architektur in Bayern zur Zeit Ludwigs I. 1825–1848. Hugendubel, München 1987, ISBN 3-88034-309-8.
- Regina Prinz: Der Architekt Gustav Vorherr (1778–1848) und die Idee der Landesverschönerung. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 59 (1996).
- Georg Waldemer: Die „Verschönerung“ des Dorfes Seeshaupt am Starnberger See. Spuren des Werkes von Gustav Vorherr (1778–1847), königlicher Baubeamter im neuen Bayern. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde, 2007.
- Bernhard Christoph Faust: Beytrag zum Bauwesen.
- Bernhard Christoph Faust: Andeutungen über das Bauen der Häuser und Städte zur Sonne.
- Hans Dollinger: Die Münchner Straßennamen. Ludwig, München 2004, ISBN 3-7787-5174-3.
- G. Hetzer, M. Stephan (Hrsg.): Entdeckungsreise Vergangenheit. Die Anfänge der Denkmalpflege in Bayern. (Ausstellungskatalog Nr. 50 der Staatlichen Archive Bayerns.) München 2008.
- Oswald Hederer: Münchner Baukunst um 1800 und Aussagen zur Gartengestaltung. München 1952.
- Edward Wilberforce: Ein Snob in München. Die erstaunlichen Beobachtungen des Mr. Edward Wilberforce in München anno 1860. Ehrenwirth Verlag, München 1990, ISBN 3-431-03112-9.
Quellen
- Stadtarchiv München, Nachlass Vorherr Nr. 4, 20, 22, 24
- J. M. Chr. G. Vorherr: Andeutungen über die Direktion des öffentlichen Bauwesens in Baiern, 1. Juni 1819
- Monatsblätter für Bauwesen und Landesverschönerung 1821–1830
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