- Hagen Boßdorf
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Hagen Boßdorf (* 13. August 1964 in Schwedt/Oder) ist ein deutscher Journalist.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Hagen Boßdorf wuchs als Lehrerkind in Waldsieversdorf auf. Er spielte zunächst Handball und wurde in die Jugendauswahl der DDR berufen, konnte sich dort aber nicht etablieren. Er beschloss, stattdessen Sportreporter zu werden und nahm ein Studium an der Sektion Journalistik der Leipziger Karl-Marx-Universität und des Sports an der Deutschen Hochschule für Körperkultur auf. Während dieser Zeit heiratete er Jacqueline Boßdorf, mit der er einen Sohn hat. Nach dem Studienabschluss arbeitete Boßdorf als Reporter für Radio DDR und Jugendradio DT 64. Ab 1990 war er freier Mitarbeiter und Autor einer wöchentlichen Sportkolumne der taz-ddr (ost-taz). Er machte sich später selbständig und begleitete ein Jahr lang Hooligans mit der Kamera.[1]
1992 wechselte Boßdorf als Sportreporter zur ARD, wo er beim Aufbau der Sportredaktion des neu gegründeten ORB half. In den folgenden Jahren berichtete er von sportlichen Großereignissen wie der Tour de France, den Olympischen Spielen und der Fußball-EM. Im Alter von 36 Jahren wurde er beim ORB als erster Ostdeutscher in das Gremium der ARD-Chefredakteure befördert. 2002 wurde er ARD-Sportkoordinator. Unter seiner Federführung wurden die Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga von den Privaten zurück zur ARD-Sportschau geholt.
Schwerpunkt von Boßdorfs Reportertätigkeit war seit 1997 der Radsport. Vor seiner ersten Tour de France als Berichterstatter kaufte er sich ein Rennrad und lernte Französisch.
Stasi-Vergangenheit
Aufgrund der Ende 2005 bekannt gewordenen Details zu Boßdorfs Tätigkeiten als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi „Florian Werfer“ entschied der Verwaltungsrat des NDR im Dezember 2005, ihn nicht als Nachfolger von Gerhard Delling zum Sportchef des Senders zu berufen. 2006 entschied das Landgericht Berlin, dass Boßdorf als „Stasi-IM“ bezeichnet werden darf.[2] Gegen Boßdorf ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung in Zusammenhang mit seiner Stasi-Vergangenheit. Im April 2007 wurde in der BStU-Außenstelle Leipzig die Akte des IM "Florian Werfer" aufgefunden. Laut dieser hat er seit 1988 für die Stasi gearbeitet und sogar der sowjetische Geheimdienst KGB zeigte Interesse an ihm.[3][4]
Kritik
Boßdorf geriet oft in die Kritik, besonders wegen seiner Nähe zum Radsport-Team T-Mobile und zu Radsport-Star Jan Ullrich. Er moderierte nebenbei Veranstaltungen für die Deutsche Telekom und wirkte an der Autobiographie des Telekom-Fahrers Jan Ullrich mit. Beide Tätigkeiten wurden als Verstöße gegen die journalistische Objektivität angesehen.[5] Des Weiteren wurde Boßdorf vorgeworfen, die nötige Objektivität vermissen zu lassen, als der für das Radsport-Team CSC fahrende Deutsche Jens Voigt seinen Kapitän Ivan Basso auf einer Tour-de-France-Etappe 2004 an den ausgerissenen Jan Ullrich heranfuhr. Als Voigt auf der Folgeetappe - einem Einzelzeitfahren nach Alpe d'Huez - von deutschen Fans als „Judas“ und „Verräter“ beschimpft wurde, führte Voigt selbst das auf den Fernseh-Kommentar Boßdorfs zurück. Voigt rechtfertigte sich mit der Begründung, nicht T-Mobile, sondern CSC sei sein Arbeitgeber. Tatsächlich hatte Boßdorf aber keine parteinehmenden Bemerkungen gemacht.[6]
Kritisch beäugt wurde Boßdorf auch wegen seines Verhaltens im spanischen Dopingskandal, der im Mai 2006 aufkam. Im April 2006 klagten die ARD und Hagen Boßdorf gegen den Molekularbiologen und Dopingexperten Werner Franke, weil er den Radsport als Dopingsumpf bezeichnete und die ARD als Komplizen.[7] Nur wenige Monate später, als der Dopingskandal in Spanien in allen Medien diskutiert wurde, lobte Boßdorf Werner Franke und zeigte sich dankbar, dass man mit ihm einen Spezialisten auf dem Gebiet habe, den man befragen könne.[8] Des Weiteren sieht sich Boßdorf der Kritik seiner Kollegen des RBB gegenüber, Boßdorf habe sich journalistisch zu wenig mit der Dopingproblematik im Radsport auseinandergesetzt.[9]
Weitere Kritik erntete Boßdorf, als er Hajo Seppelt als Schwimmkommentator absetzte. Seppelt gilt als Fachmann im Schwimmsport, aber auch im Bereich des Dopings, zu dem er des Öfteren, besonders in Bezug auf den Radsport, kritische Berichte lieferte. Zwar rechtfertigte sich Boßdorf damit, dass man Seppelt verstärkt im Gebiet der Berichterstattung zum Thema Doping einsetzen wolle, doch viele sahen den Schritt eher als Disziplinierungsmaßnahme, da Seppelt intern Kritik an der Dopingberichterstattung der ARD geübt hatte. Neben Seppelts Heimatsender RBB kritisierten auch Christa Thiel, Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) und der sportpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Winfried Hermann, die Absetzung Hajo Seppelts.[10][11][12]
Wegen der zunehmenden Kritik war Boßdorf 2006 nicht bei der Tour de France dabei. In der FAZ erschien eine Anzeige mit dem Text „Dieser Mann darf nicht Sportkoordinator bleiben“, die von Sportjournalisten geschaltet worden war.
Vertragsverlängerung versagt
Trotz Kritik entschieden die ARD-Intendanten bei ihrer Hauptversammlung in Schwerin im September 2006 zunächst, den Vertrag mit Boßdorf ab Frühjahr 2007 um weitere fünf Jahre zu verlängern. Nach nicht einmal einem Monat machten die Intendanten ihren Entschluss aber rückgängig. Grund dafür sollen unerlaubte Produktplatzierungen, so genannte „Schleichwerbung“, im Vorabendprogramm der ARD gewesen sein. Auf Boßdorfs Initiative waren elf Sendungen mit einer Länge von jeweils zwei Minuten gestartet worden, die über den „Becel Deutschland Walk“, einer vom Margarinehersteller Unilever gesponserten Walkingveranstaltung, berichteten.
Bereits im Vertrag, den Boßdorf im Frühjahr 2007 hätte unterschreiben sollen, wäre auf Grund vorherigen Fehlverhaltens eine Klausel enthalten gewesen, die den Intendanten die Möglichkeit gegeben hätte, Boßdorfs Vertrag zu kündigen, sollte es wieder zu Fehlverhalten kommen. [13]
Am 19. Februar 2007 gab die ARD bekannt, dass man sich mit Boßdorf einvernehmlich auf eine Trennung zum 31. März geeinigt habe. Einzelheiten der Vereinbarung wurden nicht bekannt.[14] Seit April 2007 arbeitet Boßdorf nach Medienberichten für den Sportrechtevermarkter Sportfive.[15]
Weblinks
- Literatur von und über Hagen Boßdorf im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Die Stasi-Akte «Florian Werfer», Artikel der Netzeitung vom 13. Dezember 2005
- Die ARD und Doping - Überrollt, Hintergrundartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 30. Juni 2006
Fußnoten
- ↑ Die Zeit: Auf seine Tour, 26. Oktober 2006
- ↑ n-tv: "Stasi-IM" erlaubt - Entscheidung gegen Boßdorf, 28. Juni 2006
- ↑ Die Welt: Von der Vergangenheit eingeholt, 13. April 2007
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung: IM Boßdorf: Aktenfund widerlegt einstigen ARD-Sportchef, 13. April 2007
- ↑ Netzeitung: Boßdorf stellt Nebentätigkeiten ein, 12. August 2004
- ↑ Vgl. Holger Ihle: Die Tour de France in den deutschen Medien. Strukturen, Themen und Beispiele der Berichterstattung in Fernsehen und Presse. VDM, Saarbrücken 2008, S. 122-126.
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung: Doping: Die ARD verklagt einen ihrer härtesten Kritiker, 12. April 2006
- ↑ NDR - Zapp: Dopingsumpf im Fernsehen, 2. August 2006
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung: Fall Boßdorf/Seppelt: Druck von der ARD-Basis, 18. Juni 2006
- ↑ Die Welt: ARD-Fall Seppelt: Protestbriefe gegen Boßdorf, 19. Juni 2006
- ↑ epd: Boßdorf wehrt sich gegen Kritik an Seppelt-Absetzung, 14. Juni 2006
- ↑ Berliner Morgenpost: ARD: Boßdorf verbannt Sportreporter, 19. Juni 2006
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung: Medien: Keine Vertragsverlängerung für ARD-Sportkoordinator Boßdorf, 11. Oktober 2006
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung: Medien: ARD und Boßdorf trennen sich, 19. Februar 2007
- ↑ Hamburger Abendblatt: Hagen Boßdorf verhandelt nun für Sportfive, 14. April 2007
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