Heinrich Koppenberg

Heinrich Koppenberg
Heinrich Koppenberg im Jahr 1941

Heinrich Koppenberg (* 15. März 1880 in Herne; † 6. September 1960 in Karlsruhe) war gelernter Schlosser[1] und stieg im nationalsozialistischen Deutschen Reich zum Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke und Wehrwirtschaftsführer auf.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Über das Privatleben von Koppenberg ist wenig bekannt, nur über seinen beruflichen Werdegang. Er erlernte das Schlosserhandwerk, besuchte eine Fachschule und war bis 1906 Konstrukteur bei Krupp und anschließend bei Felten & Guilleaume. Ab 1917 war er technischer Leiter bei den Riesa Stahlwerken.[2] Koppenberg arbeitete 1922 in den Linke-Hoffmann-Lauchhammer AG, die sich im Eigentum des Flick-Konzerns befand. Als er im Jahre 1926 Generaldirektor der Riesaer Stahl- und Walzwerk war, wurden diese in die Mitteldeutschen Stahlwerke AG mit Sitz in Berlin überführt. Die Aktienmehrheit befand sich bei der Vereinigte Stahlwerke AG und damit war das Riesaer Stahl- und Walzwerk Bestandteil des Flick-Konzerns geworden. Anschließend arbeitete er bei der Allgemeine Transportgesellschaft (ATG), ein Unternehmen, das nach dem Ersten Weltkrieg aus den Allgemeinen Deutschen Flugzeugwerken entstanden war und sich ebenfalls im Eigentum des Flick-Konzerns befand. Heinrich Koppenberg gehörte zu den engsten Vertrauten von Friedrich Flick[3] und hatte sein Büro in unmittelbarer Nähe zu Flick in Berlin.[4]

Am 5. Juni 1928 wurde ihm von der TU Dresden der Doktorentitel ehrenhalber verliehen. Der Chefkonstrukteur bei Junkers, Ernst Zindel, sagte über Koppenberg: „Ein äußerst fähiger und kenntnisreicher tatkräftiger Mann, ein brutal-bulliger Baulöwe, der den Ruf hatte, sachlich und zeitlich das Unmögliche zu machen[5] Er wurde auch „Zauberer“ genannt, weil er innerhalb eines Dreivierteljahres die Produktionshallen der Junkers-Werke nicht nur hochzog, sondern durch seine derbe Art bei den Bauleuten, die die Hallen bauten, gut ankam. Im Jahre 1936 wurde er Mitglied der NSDAP[6] und 1941 zum Wehrwirtschaftsführer ernannt.

Junkers-Werke

Im Frühjahr 1933 war Koppenberg Direktor der Mitteldeutschen Stahlwerke AG. Als er sich im April 1933 in einer Besprechung auf Weisung Flicks in Gegenwart von Carl Friedrich von Siemens, Albert Vögler und Fritz Thyssen im Reichsluftfahrtministeriums befand, erfuhr er vom Plan der Verdreifachung der Flugzeugproduktion. Daraufhin bot Koppenberg sein Unternehmen hierfür an und da er keine Erfahrungen im Flugzeugbau hatte, sondierte er bei den Flugzeugbauern Heinkel, Junkers und Dornier, wo er für sein Vorhaben keine Zustimmung fand.[7] Hugo Junkers, der Eigentümer der Junkers-Werke, war gegen die Rüstungsplanungen in der Flugzeugindustrie durch die Nationalsozialisten, daher wurde er von ihnen 1933 gezwungen, sein Werk zu verkaufen, und Koppenberg wurde als sein Nachfolger zum Generaldirektor der Junkers-Werke berufen.

Gemeinsam mit Flick fädelte er die Einbindung der Allgemeinen Transportgesellschaft, in der Koppenberg Direktor war, in den Junkers-Konzern Anfang 1934 ein.[8] 1935 wurde er des Weiteren in die Aufsichtsräte der Maxhütte AG, Deutschen Mittelstahlwerke AG und Linke-Hofmann-Lauchhammer AG gewählt, die sich allesamt im Besitz von Friedrich Flick befanden.[9]

Obwohl er wenig Kenntnisse im Flugzeugbau hatte, trieb Koppenberg die Produktion der Junkers-Flugzeuge erfolgreich voran. 1936/37 fusionierte er die Junkers Flugwerke AG und die Junkers Maschinenwerke GmbH zur Junkers Flug- und Motorenwerke AG. Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sich der Flugzeugbau zum größten Industriezweig in Deutschland und 1937 beschäftigten die Junkerswerke in elf Werken 40.000 Personen. Am 30. September 1938 ernannte ihn Hermann Göring zum Sonderbevollmächtigten zur Herstellung der Ju 88, dem Standardbomber der Luftwaffe.[10] Damit wurde Koppenberg zum größten privaten Manager in einem Rüstungsbetrieb in der Zeit des Nationalsozialismus und in den rund zwei Dutzend Standorten seiner Junkerswerke – überwiegend in Mitteldeutschland – wurden mehrere zehntausend Menschen, unter ihnen viele Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, unter zum Teil unmenschlichen Bedingungen beschäftigt.

Argus-Motorenwerke

Der Eigentümer der Argus-Motoren GmbH in Reinickendorf, der jüdische Moritz Straus, wurde 1938 im Rahmen der „Arisierung“ von den Nationalsozialisten gezwungen, dieses Motorenwerk, das leistungsfähige Flugzeugmotoren herstellte, zu verkaufen. Es gab zwei Kaufinteressenten, Koppenberg und die Bayerischen Motorenwerke und er erwarb mit seinem Schwager Viktor Polak dieses Unternehmen für 5,2 Millionen Reichsmark, das einen Buchwert von 11 Millionen Reichsmark hatte.[11] Die Arguswerke von Koppenberg waren die größten Zulieferer der Luftfahrtindustrie und die Süddeutschen Arguswerke erreichten im Kriegsjahr 1944 einen Umsatz von 13 Mio. Reichsmark im Armaturenbau für Panzer und Flugzeuge.[12] In den Kloppenburg gehörenden Argus-Werken bestand seit 1941 das KZ Berlin-Reinickendorf als KZ-Außenlager des KZ Sachsenhausen,[13] wie auch in den Süddeutschen Arguswerken in Karlsruhe gab es ein Konzentrationslager.[14]

Braunkohle AG

Eine wichtige Rolle spielte Koppenberg bei der Braunkohle AG Brabag und schon 1934 versuchte er, ein Werk zur synthetischen Benzinherstellung aufzubauen.[15] In der Brabag war er mit Carl Krauch einem IG-Farben-Vorstand, Alfred von Vollard-Bockelberg, einem Chemiker und Spezialisten für Hydrierungsverfahren und dem ehemaligen Chef des Heereswaffenamtes Friedrich Carl Arthur Kranefuß, einem Vertrauten Himmlers, der dessen Freundeskreis organisierte, Vorstandsmitglied.

Norwegen

Nach der Invasion Norwegens am 9. April 1940 suchte Koppenberg bereits Mitte April Norwegen auf. Nach seinem Norwegenaufenthalt stellte er dem Reichsluftfahrtministerium seine Vorstellungen zur Nutzung der Bauxitvorkommen Norwegens vor. Da zahlreiche Bauteile aus Aluminium im Flugzeugbau verwendet werden, wird Bauxit als Rohstoff zur Aluminiumherstellung benötigt. Daraufhin schrieb Hermann Göring an Koppenberg, dass er dieses Land als Rohstoffquelle für das deutsche Wehrwirtschaftspotential betrachte.[16] Aluminium war für die Firmen von Koppenberg von Bedeutung, denn er wollte die norwegischen Ressourcen zur weiteren Steigerung der Flugzeugproduktion nutzen. Das Luftfahrtministerium errichtete daraufhin die Nordische Aluminium AG (Nordag), als deren Aufsichtsratsvorsitzender Koppenberg eingesetzt wurde.[17] Am 15. September 1941 wurde Koppenberg zum Treuhänder der Leichtmetallindustrie Norwegens ernannt, die unter § 13 des Reichsfeindvermögensverordnung stand.[18]

Koppenberg plante für den Aufbau der metallurgischen Werke sowie der erforderlichen Wasserkraftwerke in Norwegen 1½ Milliarden Reichsmark ein. Der zur Herstellung von Aluminium fehlende Rohstoff Tonerde sollte nach seinen Vorstellungen im Kriegsjahr 1942 quer durch Europa von Kroatien und Rumänien transportiert werden.[19] Im Oktober 1942 wurde Koppenberg die Vollmacht für den Aufbau der Leichtmetallindustrie Norwegens entzogen, nachdem sich seine Vorstellungen nicht realisieren ließen. Am Ende des Frankreichfeldzuges hatte er für Frankreich im Übrigen ähnliche Pläne.[17]

Nach 1945

Nach 1945 arbeitete Koppenberg in seinem Betrieb der Süddeutschen Arguswerke und in weiteren Aufsichtsräten. Er war auch als beratender Ingenieur tätig und sprach vor ehemaligen Junkers-Mitarbeiter auf Veransammlungen.[20] Auf einer Rückreise aus der Schweiz zu seinem Wohnsitz in Baden-Oos verunglückte er am 6. September 1960 tödlich. Für seine Tätigkeit als einem wesentlich Beteiligten am Rüstungsprogramm der Nationalsozialisten wurde er nie juristisch belangt.

Patente Koppenbergs

  • Erzeugung von Synthesegas aus Kohlenstaub vom 9. November 1942
  • Sauerstoffmetallurgie der Schachtofenprozesse

Literatur

  • Johannes Bähr u. a.: Der Flick-Konzern im Dritten Reich. Herausgegeben durch das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin im Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Oldenbourger Wissenschaftsverlag, München 2008, ISBN 978-3-486-58683-1.
  • Robert Bohn: Reichskommissariat Norwegen. „Nationalsozialistische Neuordnung“ und Kriegswirtschaft. Beiträge zur Militärgeschichte Band 54, R. Oldenbourg Verlag, München 2000, ISBN 3-486-56488-9 (506 S., eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  • Hans Kehrl: Krisenmanager im Dritten Reich. 6 Jahre Frieden – 6 Jahre Krieg. Erinnerungen. 2. korrigierte Auflage. Mit kritischen Anmerkungen und einem Nachwort von Erwin Viefhaus. Droste Verlag, Düsseldorf 1973, ISBN 3-7700-0355-1.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-10-039309-0.
  • Holger Lorenz: Kennzeichen „Junkers“. Ingenieure zwischen Faustanspruch und Gretchenfrage. Technische Entwicklungen und politische Wandlungen in den Junkerswerken zwischen 1931 und 1961. Druck- u. Verlagsgesellschaft Marienberg, Marienberg 2005, ISBN 3-931770-57-5, einige Seiten online verfügbar: Kennzeichen Junkers.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Holger Lorenz: Kennzeichen Junkers. S. 63.
  2. Kim Christian Priemel: Flick – Eine Konzerngeschichte vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik. Wallstein Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0219-8.
  3. Johannes Bähr et al: Der Flick-Konzern im Dritten Reich. Hrsg. v. Institut für Zeitgeschichte München-Berlin im Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Oldenbourger Wissenschaftsverlag, München 2008, S. 125, 135, 230.
  4. Johannes Bähr: Flickkonzern. S. 194.
  5. Hans Kehrl: Krisenmanager im Dritten Reich. S. 198.
  6. Holger Lorenz: Kennzeichen Junkers. S. 63.
  7. Johannes Bähr: Flickkonzern. S. 330.
  8. Johannes Bähr: Flickkonzern. S. 135.
  9. Johannes Bähr: Flickkonzern. S. 230.
  10. Till Lorenzen: BMW als Flugmotorenhersteller 1926–1940. S. 18. Oldenbourger Wissenschaftsverlag. München 2008, S. ISBN 978-3-486-58155-3.
  11. Constanze Werner: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW. Oldenbourger Wissenschaftsverlag. München 2005, ISBN 3-486-57792-1, S. 39.
  12. Roland Peter: Rüstungspolitik in Baden. Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz in einer Grenzregion im Zweiten Weltkrieg. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1995, ISBN 3-486-56057-3, S. 126.
  13. Thomas Irmer: Berlin-Reinickendorf. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel: Orte des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Sachsenhausen, Buchenwald. Bd. 3. Beck, München 2006, ISBN 3-406-52963-1, S. 117f.
  14. Martin Weinmann (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1999.
  15. Johannes Bähr: Flickkonzern. S. 76.
  16. Robert Bohn Reichskommissariat Norwegen. S. 126.
  17. a b Robert Bohn: Reichskommissariat Norwegen. S. 385.
  18. Robert Bohn: Reichskommissariat Norwegen. S. 299.
  19. Robert Bohn: Reichskommissariat Norwegen. S. 397.
  20. Rede Koppenbergs vor ehemaligen Junkersmitarbeitern am 17. November 1956 im Frankfurter Ratskeller

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