Holstentor

Holstentor
Partie am Holstentor (Gegenseite)
Blick auf das Holstentor von der Petri-Kirche herab
Das Holstentor im Jahre 1961
Stadtseite des Holstentores 2009

Das Holstentor („Holstein-Tor“) ist ein Stadttor, das die Altstadt der Hansestadt Lübeck nach Westen begrenzt. Wegen seines hohen Bekanntheitsgrades gilt es heute als Wahrzeichen der Stadt. Das spätgotische Gebäude gehört zu den Überresten der Befestigungsanlagen der Lübecker Stadtbefestigung. Es ist neben dem Burgtor das einzige erhaltene Stadttor Lübecks.

Inhaltsverzeichnis

Aussehen

Das Holstentor besteht aus Südturm, Nordturm und Mittelbau. Es hat vier Stockwerke, wobei das Erdgeschoss im Mittelbau entfällt, da sich hier der Durchgang (das Tor) befindet. Die nach Westen (stadtauswärts) zeigende Seite wird als die Feldseite bezeichnet; die stadteinwärts weisende Seite ist die Stadtseite.

Die beiden Türme und der Mittelbau scheinen von der Stadtseite gesehen eine Einheit zu sein. Zur Feldseite sind sie deutlich voneinander abgesetzt. Die beiden Türme stehen hier halbkreisförmig vor und liegen am weitesten Punkt ihres Radius 3,5 Meter vor dem Mittelbau. Auf den Türmen sitzt je ein kegelförmiges Dach; der Mittelbau ist von einem Giebel besetzt.

Der Durchgang und die Inschriften

Der Durchgang war früher zur Feldseite mit zwei Torflügeln versehen, die nicht erhalten sind. Ein „Fallgatter“ wurde erst 1934 angebracht und entspricht nicht den ursprünglichen Sicherungsanlagen. An dieser Stelle befand sich einst ein so genanntes Orgelwerk, bei dem die Eisenstangen einzeln und nicht als Ganzes heruntergelassen wurden. So war es möglich, alle Stangen bis auf ein oder zwei bereits zu senken und dann abzuwarten, um den eigenen Männern noch ein Hindurchkommen zu ermöglichen. Über dem Durchgang ist auf der Stadt- wie auf der Feldseite je eine Inschrift angebracht.

Auf der Stadtseite lautet diese: S.P.Q.L. und ist von den Jahreszahlen 1477 und 1871 eingerahmt; ersteres war das vermeintliche Datum der Erbauung (korrektes Datum ist allerdings, wie man inzwischen weiß, 1478), letzteres das Datum der Restaurierung sowie der Gründung des Deutschen Reiches. Diese Inschrift hatte das römische S.P.Q.R. (lateinisch Senatus populusque Romanus – Senat und Volk Roms) zum Vorbild und sollte entsprechend für Senatus populusque Lubecensis stehen. Sie wurde allerdings erst 1871 angebracht.

Inschrift Feldseite: CONCORDIA DOMI FORIS PAX

Vorher gab es an dieser Stelle keine Inschrift. Sie hätte auch wenig Sinn gehabt, da der Blick auf die unteren Bereiche des Holstentors von der Stadtseite aus durch hohe Mauern versperrt war.

Eine andere Inschrift befindet sich auf der Feldseite. Dort steht Concordia domi foris pax (Eintracht innen, draußen Friede). Auch dieser Schriftzug stammt von 1871 und ist eine verkürzte Form der Inschrift, die zuvor auf dem (nicht erhaltenen) Vortor gestanden hatte: Concordia domi et foris pax sane res est omnium pulcherrima (Eintracht innen und Friede draußen sind in der Tat für alle am besten, siehe Äußeres Holstentor).

Befestigungen der Feldseite

Blick auf das Holstentor von Westen (Feldseite) in Richtung der Altstadt; Doppeltürme der Marienkirche links und des Turmes der Petrikirche rechts; davor rechts die historischen Salzspeicher

Funktionsgemäß sind die Feld- und die Stadtseite sehr unterschiedlich gestaltet. Während die Stadtseite reich mit Fenstern geschmückt ist, wäre eine solche Ausstattung zur Feldseite angesichts der erwarteten Gefechtssituationen unpassend gewesen. Zur Feldseite zeigen daher nur wenige kleine Fenster. Außerdem ist das Mauerwerk von Schießscharten durchsetzt. Auch die Mauerdicke ist zur Feldseite gewaltiger als zur Stadtseite: 3,5 Meter im Vergleich zu weniger als 1 Meter. Die Überlegung beim Bau mag auch gewesen sein, das Tor von der Stadtseite im Notfall schnell zerstören zu können, damit es einem Feind nicht als Bollwerk in die Hände fiele.

Zur Feldseite zeigen die Schießscharten sowie die Öffnungen der Geschützkammern. In jedem Turm befanden sich im Erdgeschoss, im ersten und im zweiten Obergeschoss je drei Geschützkammern. Diese sind im Erdgeschoss nicht erhalten. Da das Bauwerk im Laufe der Jahrhunderte im Erdboden eingesunken ist, liegen sie mittlerweile 50 Zentimeter unter dem Erdboden und noch unterhalb des neuen Fußbodens. Im ersten Obergeschoss gibt es zusätzlich zu den erwähnten Kammern noch zwei Schießscharten für kleinere Geschütze, die über und zwischen den drei genannten Kammern lagen. Kleinere Öffnungen gibt es auch im dritten Obergeschoss, wo für Handfeuerwaffen nach vorne und nach unten weisende Scharten eingelassen sind.

Der Mittelbau hat keine Schießscharten. Die über dem Durchgang liegenden Fenster waren auch dazu ausgerichtet, einen eindringenden Feind mit Pech oder kochendem Wasser zu übergießen.

Ornamentierung

Die auffälligsten nicht unter praktischen Gesichtspunkten angebrachten Ausschmückungen sind die zwei so genannten Terrakottabänder, die rund um das Gebäude laufen. Diese bestehen aus einzelnen Platten, deren meiste quadratisch sind und eine Kantenlänge von 55 Zentimetern haben. Auf den einzelnen Platten ist jeweils eines von drei unterschiedlichen Ornamenten zu sehen: eine Anordnung vierer heraldischer Lilien, ein symmetrisches Gitter und eine Darstellung von vier Distelblättern. Es gibt keine erkennbare Reihenfolge dieser immer wiederkehrenden Symbole, jedoch stets nach acht Platten folgt eine anders gestaltete Platte. Diese hat die Form eines Wappenschildes und trägt entweder den Lübschen Wappenadler oder einen stilisierten Baum. Diese Schilde sind von zwei Männerfiguren eingerahmt, die als Wappenträger fungieren.

Die Terrakottabänder sind während der Restaurierung zwischen 1865 und 1870 wiederhergestellt worden. Nur drei der ursprünglichen Platten sind als Museumsexemplare erhalten. Die neuen Platten geben die einstigen Motive ungefähr wieder, wenn man sich auch bei der Restaurierung viel Freiheit erlaubt hat. So ist zum Beispiel bei der Gestaltung des Wappenadlers das Ursprungsmotiv keineswegs exakt wiedergegeben.

Der Giebel wurde bei der Restaurierung ebenfalls nicht originalgetreu gestaltet; hier trifft die Restauratoren aber keine Schuld, denn im 19. Jahrhundert war der Giebel längst nicht mehr erhalten und dessen ursprüngliches Erscheinungsbild unbekannt. Eine alte Darstellung auf einem Altarbild des Lübschen Burgklosters zeigt ein Holstentor mit fünf Giebeltürmen; da in diesem Bild das Holstentor allerdings inmitten einer Phantasielandschaft aus Bergen und Wäldern steht, ist die Glaubwürdigkeit der Darstellung umstritten. Heute sitzen dem Giebel drei Türme auf, die aber nur von der Stadtseite zu sehen sind.

Das Innere

Nachgebildete Kanone im Holstentor

Die Innenräume der Türme sind gleichartig gestaltet. Erdgeschoss und das erste Obergeschoss haben die höchsten Decken, während die darüber liegenden Stockwerke deutlich niedriger sind. Zwei enge Wendeltreppen winden sich aufwärts, und zwar jeweils zwischen dem Mittelbau und dem angrenzenden Turm. Gänge verbinden in jedem Geschoss den Raum des Mittelbaus mit den auf gleicher Höhe liegenden Räumen der Türme. Heute ist im Nordturm die Decke des zweiten Obergeschosses herausgebrochen, so dass zweites und drittes Obergeschoss hier einen gemeinsamen Raum bilden. Diese Umgestaltung war 1934 vorgenommen worden und entspricht nicht der ursprünglichen Anlage.

Vor den Schießscharten liegen die Geschützkammern. Im zweiten Obergeschoss findet man heute noch Kanonen in den Kammern, die allerdings nachträglich hier ausgestellt wurden und keine Originale sind. Über den Geschützkammern befinden sich Haken, von denen Ketten mit den Kanonen verbunden waren, die den Rückstoß abfedern sollten. Die oberen Geschützkammern des ersten Obergeschosses waren nur über Leitern zu erreichen.

Geschichte

Die gesamte Holstentoranlage im Jahre 1728. Ausschnitt aus einer Stadtansicht von Friedrich Bernhard Werner

Die reiche und wohlhabende Hansestadt Lübeck sah sich im Laufe der Jahrhunderte genötigt, sich mit immer stärkeren Mauern und Befestigungsanlagen gegen Bedrohungen von außen zu schützen. Dabei erlaubten drei Stadttore den Zugang zur Stadt: das Burgtor im Norden, das Mühlentor im Süden, und das Holstentor im Westen. Nach Osten war die Stadt durch die aufgestaute Wakenitz geschützt. Hier führte das weniger martialische Hüxtertor aus der Stadt hinaus.

Diese Stadttore waren anfangs einfache Tore und wurden immer weiter verstärkt, so dass es letztlich von all diesen ein äußeres, mittleres und inneres Tor gab. Heute sind nur noch Fragmente der einstigen Stadttore erhalten. Das heute als Burgtor bekannte Tor ist das einstige Innere Burgtor, während Mittleres und Äußeres Burgtor nicht mehr vorhanden sind. Die drei Mühlentore sind restlos verschwunden. Das heute als Holstentor bekannte Tor ist das einstige Mittlere Holstentor; daneben gab es ein (noch älteres) Inneres Holstentor, ein Äußeres Holstentor und noch ein viertes Tor, das als Zweites Äußeres Holstentor bezeichnet wurde. Die Geschichte des Holstentors ist daher in Wahrheit eine Geschichte von vier hintereinander liegenden Toren, auch wenn nur eines von diesen erhalten ist.

Die Bezeichnungen der einzelnen Tore wechselten naturgemäß mit dem Entstehen und Verschwinden der Komponenten. Das Mittlere Holstentor war einst ein Äußeres Holstentor, ehe die zwei jenseits davon liegenden Tore errichtet wurden. Auch heute findet man eine ziemliche Verwirrung der Namen, wenn man geschichtliche Rückblicke sichtet. Im folgenden werden die vier Tore und ihre Geschichte beschrieben.

Inneres Holstentor

Holstentore um 1700 – Die Zeichnung zeigt die Holstentore, wie sie um etwa 1700 ausgesehen haben. Ganz vorn ist das Zweite Äußere Holstentor zu sehen, gefolgt vom Äußeren und Mittleren Holstentor. Hinter der Holstenbrücke liegt das Innere Holstentor – in diesem Bild der Fachwerkbau, der das ursprüngliche Tor im 17. Jahrhundert ersetzt.

Das älteste Holstentor wachte direkt am Ufer der Trave. Von der Stadt aus musste man durch dieses Tor, um auf die über den Fluss führende Holstenbrücke zu gelangen. Wann hier erstmals ein Tor errichtet wurde, ist unbekannt. Die Holstenbrücke wurde erstmals 1216 in einer Schenkungsurkunde des dänischen Königs genannt. Es ist wahrscheinlich, dass es zu jener Zeit bereits ein Tor und eine Mauer entlang der Trave gab. Die Benennung als Holstenbrücke (und Holstentor) hat den einfachen Hintergrund, dass der westliche Ausgang der Stadt nach Holstein zeigte.

Aus den Chroniken geht hervor, dass 1376 die Holstenbrücke und das Tor erneuert wurden. Das Aussehen des hierbei errichteten Tors ist durch den Holzschnitt der Lübecker Stadtansicht des Elias Diebel gut überliefert. Dabei handelt es sich zwar um eine Stadtansicht von der östlichen Wakenitzseite des Altstadthügels, der Künstler klappt aber wesentliche Bestandteil der Westseite hoch, so dass auch diese sichtbar werden. Es handelte sich um einen rechteckigen Turm mit einer hölzernen Galerie im oberen Teil.

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt des 17. Jahrhunderts wurde das Innere Holstentor durch ein kleineres, schlichtes Fachwerktor ersetzt – womöglich sah man wegen der inzwischen starken Außenbefestigungen keinen Sinn mehr in einem starken inneren Tor. Verbunden war das Innere Holstentor mit dem Haus des Zöllners, der an dieser Stelle über den Zugang zur Stadt wachte.

Das Fachwerktor wurde 1794 durch ein einfaches Gittertor ersetzt; dies wurde wiederum 1828 abgerissen, gemeinsam mit dem Zöllnerhaus und der Stadtmauer entlang der Trave.

Es ist wahrscheinlich, dass es auch am entgegengesetzten Ufer der Trave frühzeitig ein Tor gab. Sein Aussehen ist aber nicht überliefert. Wenn es existiert hat, wurde es vor oder nach dem Bau des Mittleren Holstentors abgerissen.

Mittleres Holstentor

Im 15. Jahrhundert hielt man die Toranlagen nicht mehr für ausreichend. Die Verbreitung von Schusswaffen und Kanonen machte stärkere Befestigungen nötig. Man beschloss, ein weiteres Tor zu bauen – das Äußere Holstentor, später als Mittleres Holstentor und heute nur noch als das Holstentor bekannt. Die Finanzierung war aufgrund eines Vermächtnisses des Ratsherrn Johann Broling über 4.000 Mark lübisch sichergestellt.[1] 1464 begann der Ratsbaumeister Hinrich Helmstede mit dem Bau, der 1478 vollendet wurde. Errichtet wurde es auf einem sieben Meter hohen, eigens aufgeschütteten Hügel. Bereits während der Bauzeit erwies sich diese Unterlage als instabil. Im morastigen Grund sackte der Südturm ab, so dass man schon beim Weiterbau versuchte, einen Ausgleich für die Neigung zu schaffen.

Zur weiteren Geschichte des Mittleren Holstentors siehe den Abschnitt Abbruch und Restaurierung.

Äußeres Holstentor

Das Äußere Holstentor war auch unter den Namen Renaissancetor, Vortor oder Krummes Tor bekannt. Es wurde im 16. Jahrhundert errichtet, als man westlich des Mittleren Holstentores einen Wall aufschüttete und in diesen ein weiteres Tor einließ. Das Äußere Holstentor wurde 1585 vollendet. Sein östlicher Ausgang war nur 20 Meter vom Mittleren Holstentor entfernt, so dass dieses neue Tor den Blick darauf versperrte. Zwischen den Toren wurde ein ummauerter Bereich geschaffen, der als Zwinger bezeichnet wurde.

Verglichen mit dem rund hundert Jahre älteren Mittleren Holstentor war sein Vortor klein, jedoch an der Front der Feldseite viel reichhaltiger verziert. Die Stadtseite war dagegen schlicht gehalten. Als erstes der Tore trug das Äußere Holstentor eine Inschrift. Sie lautete: Pulchra res est pax foris et domi concordia – MDLXXXV („Schön sind der Friede draußen und die Eintracht innen – 1585“) und war an der Stadtseite angebracht. Später wurde sie auf die Feldseite verlegt und leicht abgeändert (Concordia domi et foris pax sane res est omnium pulcherrima, „Eintracht innen und Friede draußen sind in der Tat für alle am besten“). Mit dem Tor verbunden war das Wohnhaus des Wallmeisters, der für die Instandhaltung der Befestigungsanlagen zu sorgen hatte.

Der Erbauer des Renaissancetors war vermutlich Ratsbaumeister Hermann von Rode, der sich für die Gestaltung der Front an niederländischen Vorbildern orientierte. Direkt vergleichbar ist beispielsweise die Nieuwe Oosterpoort in Hoorn. Das Tor bestand rund 250 Jahre und fiel letztlich der Eisenbahn zum Opfer: Es wurde 1853 abgerissen, um Platz für den ersten Lübschen Bahnhof und die Gleise zu schaffen. Heute besteht auch dieser Bahnhof nicht mehr; der jetzige Hauptbahnhof liegt etwa 500 Meter weiter westlich.

Zweites Äußeres Holstentor

Am Anfang des 17. Jahrhunderts wurden vor dem Stadtgraben neue Wallanlagen unter der Aufsicht des Festungsbaumeisters Johann von Brüssel errichtet. Im Rahmen dieser Bauten wurde 1621 ein viertes Holstentor errichtet. Es war vollkommen in die hohen Wälle eingebettet und von einem achteckigen Turm bekrönt. Die Torbögen trugen die Inschriften Si deus pro nobis, quis contra nos („Wenn Gott für uns ist, wer wird dann gegen uns sein?“, Stadtseite) und Sub alis altissimi („Unter dem Schutz des Höchsten“, Feldseite). Das Tor, als letztes der vier Holstentore entstanden, verschwand auch als erstes, nämlich im Jahre 1808. Über den Stadtgraben führt als älteste Lübecker Steinbrücke die Puppenbrücke nach Holstein.

Abbruch und Restaurierung im 19. Jahrhundert

Im Zuge der Industrialisierung sah man die Befestigungsanlagen nur noch als lästige Hindernisse. 1808 wurde das Zweite Äußere Holstentor, 1828 das Innere Holstentor und 1853 das Äußere Holstentor abgerissen. Es galt damals nur als eine Frage der Zeit, bis auch das Mittlere Holstentor, das einzig verbliebene der vier Tore, niedergerissen würde. Tatsächlich gab es 1855 eine Eingabe lübscher Bürger an den Senat, endlich das verbliebene Tor abzureißen, da es einem Ausbau der Bahnanlagen im Wege stünde. 683 Unterschriften stützten diese Eingabe.

Allerdings gab es in jener Zeit auch Widerstände gegen die Zerstörung der alten Bausubstanz. So schrieb 1852 August Reichensperger: Selbst Lübeck, einst das stolze Haupt der Hanse, scheint den Abglanz seiner früheren Herrlichkeit nicht ertragen zu können. Es verstümmelt, beschneidet und übertüncht so unverdrossen, daß die „moderne Aufklärung“ sich bald seiner nicht mehr zu schämen haben wird.[2]

Als König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen davon hörte, entsandte er den damaligen Konservator für Kunstdenkmäler im Königreich Preußen, Ferdinand von Quast, um zu retten was zu retten ist.[3]

Der Streit um den Abbruch zog sich lange hin. Erst 1863 kam es zu einer Entscheidung, in der die Lübecker Bürgerschaft mit nur einer Stimme Mehrheit beschloss, das Gebäude nicht abzureißen und stattdessen umfassend zu restaurieren.

Inzwischen war das Tor in einem sehr schlechten Zustand, da es jedes Jahr einige Zentimeter im Erdboden versank. Die tiefsten Schießscharten befanden sich bereits 50 Zentimeter unter dem Erdboden, und die Neigung des gesamten Tores nahm gefährliche Ausmaße an. Dadurch veränderte sich die Statik des Gebäudes drastisch, so dass man den Einsturz befürchtete. Bis ins Jahr 1871 wurde das Holstentor von Grund auf restauriert.

Hiernach änderte sich die Beziehung der Lübecker zum Holstentor. Es wurde nicht mehr als lästige Ruine wahrgenommen, sondern als Wahrzeichen einer stolzen Vergangenheit. 1925 machte der Deutsche Städtetag das Holstentor zu seinem Wahrzeichen. Schon 1901 übernahm der Marzipanhersteller Niederegger das Holstentor in sein Firmenwappen. Andere lübsche Firmen taten es ihm gleich.

Restaurierung 1933/34

Da sich die Neigung der Türme fortsetzte und letztlich noch immer ein Einsturz nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde eine zweite Restaurierung erforderlich. Zu dieser kam es in den Jahren 1933/34, in denen das Holstentor derart befestigt wurde, dass es endlich sicher stand. Bei dieser letzten Restaurierung wurden Stahlbetonanker zur Sicherung der Türme eingesetzt, die von eisernen Ringen umgeben wurden. Es wurden aber auch Umgestaltungen vorgenommen, die nicht dem ursprünglichen Charakter des Tores entsprachen, unter anderem die erwähnte Zusammenlegung der Geschosse des Nordturms. Die Nationalsozialisten machten das Holstentor zum Museum. Dies wurde Ruhmes- und Ehrenhalle genannt und sollte lübsche und deutsche Geschichte aus Sicht der nationalsozialistischen Ideologie darstellen.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden bauhistorisch heute nicht mehr vollständig nachvollziehbar kleinere Ausbesserungsarbeiten am Holstentor durchgeführt.

Restaurierung 2005/06

Erneuerte Terrakottaplatte mit lübschem Doppeladler

Von März 2005 bis Dezember 2006 wurde das Holstentor erneut restauriert. Die Restaurierungskosten wurden auf etwa eine Million Euro geschätzt, wobei eine Summe von 498.000 Euro (ursprünglich geplante Kosten) von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Possehl-Stiftung aufgebracht wurden. Der Rest der Kosten wurde hauptsächlich über Spenden von Privatpersonen, Firmen und wissenschaftlichen Einrichtungen übernommen. Ein 1934 angebrachtes Hakenkreuz wurde wenige Tage nach Gerüstaufbau von Unbekannten herausgeschnitten und mitgenommen.[4] Es galt als letztes an einem öffentlichen Gebäude in Deutschland und sollte im Laufe der Arbeiten mit einem Blech überdeckt werden. Anstelle des gestohlenen Hakenkreuzes wurde eine Platte mit der Jahreszahl 2006 zur Erinnerung an den Abschluss der Restaurierungsarbeiten angebracht. Am 2. Dezember 2006 wurde das Holstentor im Rahmen einer Lichtershow des Künstlers Michael Batz der Bevölkerung wieder zugänglich gemacht. Während der Arbeiten war das Tor aus Sicherheitsgründen mit einer hochauflösend bedruckten Gerüstplane, die das Tor vor Beginn der Arbeiten abbildete, verhüllt.

Das Holstentor heute

Schiffsmodelle im Holstentor
Holstentor mit den Salzspeichern (links v. Holstentor) auf dem jenseitigen Trave-Ufer

Seit 1950 dient das Holstentor wieder als Museum, nun für Stadtgeschichte. Funde aus Alt-Lübeck wurden präsentiert, die Entwicklung des mittelalterlichen Lübecks in Modellen und Bildern dargestellt und Modelle der Schiffe der Hanse wie das Flaggschiff Adler von Lübeck ausgestellt. Auch dieses Museum war historisch nicht exakt. So beinhaltete es auch eine Folterkammer mit einem Verlies, einer Streckbank und weiteren Torturgeräten. Eine solche hatte sich aber in Wahrheit im Holstentor nie befunden.

Die beiden in der von Harry Maasz gestalteten Anlage vor dem Holstentor liegenden Monumentalstatuen von Löwen aus Eisen werden Christian Daniel Rauch zugeschrieben. Die Liegenden Löwen aus Eisenguss von 1823 sind unsigniert. Sie entstanden möglicherweise unter Mitwirkung von Rauchs Werkstattmitarbeiter Th. Kalide (1801-1863). Einer der beiden Löwen schläft, der andere wachende blickt aufmerksam auf den ersten. Weitere Abgüsse der gleichen Löwen befinden sich vor dem Schloss Philippsruhe in Hanau. Ursprünglich befanden sich die Lübecker Löwen seit 1840 vor dem Wohnhaus des Kaufmanns und Kunstsammlers Johann Daniel Jacobj (1798-1847) in der Großen Petersgrube 19, standen 1873 bis zu dessen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1942 vor dem Hotel Stadt Hamburg am Klingenberg und wurden erst später vor dem Holstentor aufgestellt. Passend steht auf der anderen Straßenseite die Bronzestatue der Schreitenden Antilope des Bildhauers Fritz Behn.

2002 wurde das Holstentormuseum modernisiert. Dabei wurde nicht nur die Folterkammer beseitigt, sondern alle Räume nach einem neuen Konzept ausgestattet, das die Einbeziehung von Bild- und Tondokumenten beinhaltete.

Briefmarke der Deutschen Post (1997)

Seit 2006 liegt die Leitung des Museums bei der Kulturstiftung Hansestadt Lübeck. Im Sommer 2010 wurde an der Feldseite des Holstentors durch die Stadt Lübeck ein gelbes Banner mit der Aufschrift Lübeck kämpft für seine Uni angebracht, um auch an prominenter Stelle auf die aktuelle Lage der Universität zu Lübeck aufmerksam zu machen.[5]

Rückseite 50 DM-Note

Ein Stich der Westansicht (Feldseite) des Holstentors ist auf der Rückseite der von 1960 bis 1991 produzierten 50-DM-Scheine.

Das Holstentor ist auf der deutschen 2-Euro-Münze von 2006 zu sehen.

1948 erschien es auf den vier höchsten Werten (1 DM, 2 DM, 3 DM und 5 DM) der Bautenserie, der ersten Serie von Dauerbriefmarken in D-Mark-Währung. 2000 folgte eine weitere Briefmarke zu 5,10 DM in der Serie "Sehenswürdigkeiten". Eine Stilisierung des Holstentores findet sich seit 1926 im Emblem des Deutschen Städtetages (DST).

Umgebung

Das Holstentor liegt an der Hauptzugangsverbindung vom Hauptbahnhof in der Vorstadt St. Lorenz über die Puppenbrücke in den Lübecker Wallanlagen. Der Holstentorplatz ist umgeben von der Filiale der Deutschen Bundesbank, deren Reichsbankgebäude um einen rückwärtigen Neubau ergänzt wurde. Auf der anderen Seite liegt zwischen den historischen Salzspeichern und dem Gewerkschaftshaus des DGB die backsteinexpressionistische Holstentorhalle, die zwischen 2005 und 2007 mit Mitteln der Possehl-Stiftung zu einem Übungs- und Unterrichtsgebäude der Musikhochschule Lübeck umgebaut wurde. Zur Verbindung mit dem Hauptgebäudekomplex der Hochschule in der Altstadt wurde im Frühjahr 2007 eine weitere Fußgängerbrücke über die Obertrave fertig gestellt.

Im Hansa-Park in Sierksdorf wurde 2008 ein verkleinerter und vereinfachter Nachbau des Holstentors fertiggestellt.

Literatur

  • Jonas Geist: Versuch, das Holstentor zu Lübeck im Geiste etwas anzuheben. Wagenbach, Berlin 1976, ISBN 3-8031-2012-8
  • Wulf Schadendorf: Das Holstentor. Weiland, Lübeck 1977, 1985, ISBN 3-87890-023-6
  • Heinz-Joachim Draeger: Lübeck anschaulich – Geschichte erleben in einer alten Stadt. Convent, Hamburg 2003, ISBN 3-934613-48-9

Einzelnachweise

  1. Emil Ferdinand Fehling: Lübeckische Ratslinie. Nr. 525
  2. August Reichensperger: Die christlich-germanische Baukunst und ihr Verhältniß zur Gegenwart. Fr. Lintz, Trier 1845, S. 85, Anm. 2.
  3. Otto Dziobek: Geschichte des Infanterie-Regiments Lübeck (3. hanseatisches) Nr. 162; erste Auflage 1922, im Zusammenhang mit dem General v. Quast und der Bedeutung der v. Quasts für Lübeck
  4. RP-Online: Hakenkreuz am Lübecker Holstentor gestohlen, 21. Mai 2005, abgerufen am 24. April 2010
  5. bastianwehler.de und luebeck-kaempft.de abgerufen am 3. Juli 2010

Weblinks

 Commons: Holstentor – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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