- Internationale Atomenergie-Organisation
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Internationale Atomenergie-Organisation
International Atomic Energy Agency
Agence internationale de l’énergie atomique
IAEO-Hauptquartier in Wien, ÖsterreichOrganisationsart autonome Organisation Kürzel IAEO, IAEA, AIEA Leitung Yukiya Amano seit 2009 Gegründet 29. Juli 1957 Hauptsitz Wien, Österreich www.iaea.org Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO, englisch International Atomic Energy Agency, IAEA) ist eine autonome wissenschaftlich-technische Organisation, die innerhalb des Systems der Vereinten Nationen einen besonderen Status innehat. Die IAEO ist keine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, sondern mit diesen vielmehr durch ein separates Abkommen verbunden. Sie berichtet regelmäßig der Generalversammlung der Vereinten Nationen und darüber hinaus dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wenn sie eine Gefährdung der internationalen Sicherheit feststellt.[1] Die IAEO soll laut Satzung „den Beitrag der Kernenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand weltweit beschleunigen und vergrößern“;[2] sie soll also die Anwendung radioaktiver Stoffe und die internationale Zusammenarbeit hierbei fördern sowie die militärische Nutzung dieser Technologie (z. B. Proliferation von Kernwaffen) durch Überwachungsmaßnahmen („Safeguards“) verhindern. Für ihren Einsatz für diese Ziele wurde sie 2005 gemeinsam mit ihrem damaligen Generaldirektor Mohammed el-Baradei mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Organisation
Die Anregung zur Gründung der IAEO gab US-Präsident Dwight D. Eisenhower in einer Rede 1953:[4]
„I therefore make the following proposals. The governments principally involved, to the extent permitted by elementary prudence, should begin now and continue to make joint contributions from their stockpiles of normal uranium and fissionable materials to an international atomic energy agency. We would expect that such an agency would be set up under the aegis of the United Nations.“
Nach der im September 1955 abgehaltenen ersten Genfer Atomkonferenz im Rahmen des Programms „Atoms for Peace“ wurde die IAEO am 29. Juli 1957 unter dem Dach der Vereinten Nationen in New York gegründet und hat ihren Verwaltungssitz seit 1957 in Wien, seit 1979 im Vienna International Centre, genannt UNO-City. Regionale Büros sind in Genf (Schweiz), New York (Vereinigte Staaten), Toronto (Kanada) und Tokio (Japan) angesiedelt.
Das kerntechnische Untersuchungslabor befindet sich im etwa 30 km von Wien entfernten Seibersdorf auf dem Gelände des Austrian Institute of Technology. Außerdem betreibt und fördert die IAEO Kernforschungszentren in Monaco und Triest (Italien).
Die IAEO setzt sich aus der Generalkonferenz, dem Gouverneursrat (Board of Governors) und dem Sekretariat zusammen. Derzeitiger Generaldirektor ist Yukiya Amano. 2004 verfügte die Organisation über etwa 2.200 Mitarbeiter (davon etwa 350 Inspektoren) aus über 90 Ländern.
Die sechs Hauptabteilungen, jeweils unter einem Vizedirektor, sind den Ressorts Technische Zusammenarbeit, Kernenergie, Nukleare Sicherheit, Verwaltung, Nuklearwissenschaften und Anwendungen sowie Kernmaterialüberwachung („Safeguards“) zugeordnet.
Die Programme und Gelder werden von dem 35-köpfigen Gouverneursrat und der Generalversammlung aller Mitgliedsstaaten festgelegt. Der Etat beinhaltet ein reguläres Budget sowie zusätzlich freiwillige Beiträge. Das reguläre Budget für 2009 belief sich auf rund 293.7 Millionen US-Dollar. An zusätzlichen Beiträgen werden rund 85 Millionen US-Dollar angestrebt. Die Ausgaben der IAEO werden jährlich extern geprüft (englisch: External Auditor). Der External Auditor wird von der Generalkonferenz gewählt. Zurzeit ist der Vizepräsident des deutschen Bundesrechnungshofes External Auditor der IAEO.
Berichte zu den Aktivitäten der IAEO werden regelmäßig und zusätzlich bei Bedarf dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und der UN-Generalversammlung vorgelegt.
Generaldirektoren der IAEO
- 1957 bis 1961 William Sterling Cole, USA (Stellvertreter: Paul Jolles, Schweiz)
- 1961 bis 1981 Sigvard Arne Eklund, Schweden
- 1981 bis 1997 Hans Blix, Schweden
- 1997 bis November 2009 Mohammed el-Baradei, Ägypten
- seit 1. Dezember 2009 Yukiya Amano, Japan
Geschichte
- Gründung der Organisation am 29. Juli 1957.
- Am 30. März 1962 unterstellen die USA vier Kernkraftwerke unter die Kontrolle der IAEO. Der Generaldirektor Sigvard Arne Eklund nimmt 1962 an, dass bis 1980 die Hälfte des jährlichen Zuwachses der Stromerzeugung durch Kernkraftwerke produziert wird.
- Auf der Generalkonferenz vom 18. bis 26. September 1962 wird Saudi-Arabien in die IAEO aufgenommen und das Budget für 1963 mit 7,4 Millionen US-Dollar bekanntgegeben.
- 1962 wird im Rahmen eines australisch-japanischen Abkommens über die friedliche Nutzung der Kernenergie das Sicherheitssystem der IAEO unterstellt.
- Ab März 1970 übernimmt die IAEO auch die Überwachung des Atomwaffensperrvertrages.
In den letzten Jahren erregte die IAEO vor allem durch ihre Missionen im Irak vor Beginn des Krieges im Jahr 2003 sowie für ihre Arbeit in Nordkorea und dem Iran weltweite Aufmerksamkeit. Anlässlich der Nuklearkatastrophe von Fukushima hat die IAEO das Geschehen in Japan zeitnah dokumentiert und im Internet veröffentlicht.
US-Lauschangriff auf die IAEO
Im Dezember 2004 wurde bekannt, dass Mohammed el-Baradei, von 1997 bis 2009 Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, von den USA systematisch belauscht wurde. El-Baradei zeigte sich empört, zumal er bislang zwar wusste, dass die USA gegen ihn arbeiteten, jedoch nicht, dass die Regierung der USA einen Eklat riskieren und ihn belauschen würde. Der Ägypter vermutet, dass die US-Regierung den illegalen Lauschangriff benutzen wollte, um belastendes Material zu finden, mit dem es möglich gewesen wäre, ihn zu erpressen und aus dem Amt zu drängen.[5]
Arbeitsgebiete
Atomwaffensperrvertrag
Unter anderem ist die IAEO seit März 1970 auch zuständig für die Überwachung des Atomwaffensperrvertrages. Neben der Entsendung von Inspektoren, die weltweit etwa 2500 Überprüfungen vor Ort anstellen, bedient sich die IAEO mittlerweile auch der Satellitenüberwachung und ähnlicher Mittel, um die Einhaltung des Sperrvertrags zu kontrollieren. Ins internationale Interesse rückte sie 1991 nach Beendigung des zweiten Golfkriegs, als sie im Irak erstmals auch Untersuchungen außerhalb der vertraglichen Selbstverpflichtung eines Unterzeichnerstaates anstellen durfte und dabei ein geheimes Atomwaffenprogramm enthüllte.
Verbesserung der nuklearen Sicherheit
Um die Sicherheit von Kernkraftwerken zu fördern, unterstützt die IAEO unter anderem die Umsetzung des Übereinkommens über nukleare Sicherheit.[6] Zu diesem Zweck unterstützt sie die Betreiber von kerntechnischen Anlagen auch bei der Einstufung von Stör- und Unfällen gemäß der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES):
- Liste von Unfällen in kerntechnischen Anlagen (INES Stufe 4 bis 7)
- Liste meldepflichtiger Ereignisse in deutschen kerntechnischen Anlagen (INES Stufe 1 bis 3)
- Liste von Störfällen in europäischen kerntechnischen Anlagen (INES Stufe 2 bis 3)
IRS (International Reporting System for Operating Experience)
Die IAEO stellt eine internationale, nicht öffentliche Datenbank für Störungen in Anlagen der Atomwirtschaft wie Kernkraftwerken zur Verfügung, die IRS "International Reporting System for Operating Experience"[7] auch "IAEA/NEA Incident Reporting System" genannt. Sie wird von der Nuclear Energy Agency (NEA) betrieben und gemanagt,[8] die noch weitere Nuklear-Datenbanken betreibt. Die IRS ist die einzige internationale Datenbank in der Berichte über Störungen, Erfahrungen und gezogene Lehren "Lessons Learned" gesammelt und ausgetauscht werden. Die Koordinatoren der IRS halten jährliche Meetings ab.[9] Die Daten des IRS sind teilweise in den Reports der schwedischen Strahlenschutzbehörde Strålsäkerhetsmyndigheten (vor 2008 SKI) verfügbar.
Weitere Arbeitsgebiete
Außerdem engagiert sich die IAEO in der Anwendung und Entwicklung von friedlichen Möglichkeiten der Nukleartechnologie, z. B. in der Medizin, Landwirtschaft, Produktionsprozessen und natürlich der Stromerzeugung. Das IAEO-Forschungszentrum auf dem Gelände des Austrian Institute of Technology in Seibersdorf (Niederösterreich) beherbergt mehrere Abteilungen, die sich mit den verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der Kernenergie befassen; im landwirtschaftlich-biotechnologischen Bereich gibt es eigene Abteilungen für Pflanzenzucht (Plant Breeding), Erdreich (Soil Science), Agrochemie, Entomologie (Insektenkunde, in deren Rahmen u. a. das unten genannte SIT-Programm erforscht wird), sowie veterinärmedizinische Anwendungen. Andere Abteilungen befassen sich mit Kernphysik, Dosimetrie, Chemie, instrumentaler Technik, u. ä. Die Safeguards-Laboratorien sind ebenfalls in Seibersdorf angesiedelt. Die Laboratorien beschäftigen ca. 180 Mitarbeiter (ca. 2.229 IAEO gesamt).
Zusammen mit der FAO betreibt die IAEO unter anderem ein Forschungsprogramm, das sich mit der Sterile Insect Technology (SIT) beschäftigt. Dabei werden männliche Insekten radioaktiv bestrahlt und auf diese Weise sterilisiert. Danach werden sie in freier Wildbahn ausgesetzt und können ihren sterilen Samen an Weibchen weitergeben. Die weiblichen Insekten vermeiden daraufhin Kontakt mit Männchen oder sie legen Eier, aus denen sich keine oder nur minderwertige Larven entwickeln. Langfristig sollen so Krankheiten wie Malaria oder die Schlafkrankheit ausgerottet werden.
Auszeichnungen und Preise
Die Internationale Atomenergie-Organisation wurde für ihre Arbeit mit einer Reihe von internationalen Friedenspreisen ausgezeichnet.
- 2003: Peace Pole, Friedenspreis der Goi Peace Foundation, Japan
- 2003: Science & Peace Gold Medal der Albert Schweitzer International University, Spanien
- 2004: Berliner-Friedensuhr-Preis des Berliner Komitees für UNESCO-Arbeit
- 2005: Friedensnobelpreis
Die Vergabe des Friedensnobelpreises wurde von der Anti-Atomkraft-Bewegung kritisch kommentiert, da die Behörde sich zwar gegen eine militärische Nutzung der Atomenergie ausspricht, die zivile Nutzung jedoch unterstützt.[10]
Kritik
Die IAEO und Tschernobyl
Die IAEO hat vor dem Reaktorunfall in Tschernobyl auch diesen RBMK-Reaktortyp erwähnt. In einer auf ihrer Website abrufbaren Publikation (IAEO Bulletin, Vol. 22, No. 2) spricht sie vom „ökonomisch vollumfänglich gerechtfertigten Bau“ dieses Reaktortyps und davon, dass mit recht geringem Aufwand (durch Erhöhung der Leistungsdichte im Kern) eine Leistungssteigerung von 1000 MW el. auf 1500 MW el. erzielbar sei.[11]
Am 1. Juli 2009 kritisierte die IPPNW, eine internationale atomkritische Ärzteorganisation, das seit 50 Jahren bestehende Abkommen der IAEO mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In diesem Abkommen übernimmt die IAEO die Hauptverantwortung für alle atomaren Forschungsprojekte. Dadurch behindere sie die WHO bei der Berichterstattung über Gesundheitsrisiken von Strahlung. Gesundheitsfolgen von Tschernobyl, Thema zweier größerer UN-Konferenzen, 1995 in Genf und 2001 in Kiew, seien der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden.[12]
Die IAEO und Fukushima/Japan
Nach der Reaktorkatastrophe in Japan 2011 forderte die IPPNW am 22. März 2011 die Kündigung des Abkommens zwischen WHO und IAEO. Die WHO solle die Bevölkerung, insbesondere die japanische, ungeschönt und objektiv über die gesundheitlichen Risiken informieren und sich für die Evakuierung von Frauen, Kindern und schwangeren Frauen aus den betroffenen Gebieten einsetzen.[13]
Die in Fukushima durchgeführten Strahlungsmessungen der IAEO stießen aufgrund ihrer undurchsichtigen Darstellung auf Kritik.[14]
Allgemeine Kritik
Der deutsche Politikwissenschaftler Lutz Mez wies im März 2011 darauf hin, die IAEO sei in einer Zeit entstanden, als man Atomstrom „als Lösung aller Menschheitsfragen“ betrachtet habe. Sie habe ihre Haltung auch nach Tschernobyl 1986 kaum geändert; das Hauptziel der Organisation, den Beitrag der Atomenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand zu vergrößern, sei unverändert. Das 1997 unter der Schirmherrschaft der IAEO geschlossene Atommüllabkommen sehe keinerlei Sanktionen vor. Über hundert IAEO-Mitgliedstaaten besäßen bis heute keine innerstaatlichen Sicherheitsstrukturen zur Kontrolle solcher Standards. Die IAEO habe noch 2004 damit gerechnet, dass der Anteil der Atomenergie an der weltweiten Stromversorgung bis 2050 auf über 50 % steigen werde.[15]
Siehe auch
- Wikinews: Themenportal Iranisches Atomprogramm – Zur Wiederaufnahme des iranischen Anreicherungsprogrammes (2005)
- Kernenergie nach Ländern
- Liste der Kernkraftwerke
- Anti-Atomkraft-Bewegung
Weblinks
Commons: Internationale Atomenergie-Organisation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Website der Internationalen Atomenergie-Organisation
- IAEA Primer (Deutsch; PDF; 567 kB)
- Statut der IAEO (englisch)
- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 2005 an die Internationale Atomenergie-Organisation (englisch)
- Geschichte der IAEO – die ersten 40 Jahre (PDF; 2,22 MB)
- 35 Jahre Förderung der Atomenergie – Eine kritische Dokumentation (Anti-Atom-International, Wien) (PDF; 151 kB)
- IAEA Red Book – Uranium 2003: Resources, Production, and Demand: Uranium 2003 (Englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Das System der Vereinten Nationen. Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, 2008 (PDF)
- ↑ Satzung der IAEO, Artikel II: Ziele
- ↑ About IAEA: Member States
- ↑ Aus der Rede „Atoms for Peace“, im Text The Agency loses its initiator anläßlich des Todes von Präsident Eisenhower (PDF, englisch)
- ↑ spiegel.de Nachrichtenmagazin Der Spiegel, Hamburg
- ↑ ns.iaea.org: Convention on Nuclear Safety, Zugriff am 17. Januar 2011
- ↑ IRS (International Reporting System for Operating Experience)
- ↑ Nuklear power plant operating experiences from the IAEO/NEA Incident Reporting System 2002-2005 PDF
- ↑ Nuclear Safety and Regulation (CNSI) 2003: PDF
- ↑ stern.de Lob und Tadel für Atomenergiebehörde
- ↑ http://www.iaea.org/Publications/Magazines/Bulletin/Bull222/22204763445.pdf
- ↑ IPPNW-Forum 117/118
- ↑ IPPNW-Presseinformation vom 22. März 2011
- ↑ Ed Lyman: IAEA Data Appear to Show Increased Ground Contamination. Why Doesn’t the IAEA Just Say So? (englisch). In: All Things Nuclear. Union of Concerned Scientists, archiviert vom Original am 29. April 2011.
- ↑ Atomare Missionare, Interview von Benedikt Erenz mit Politikwissenschaftler Lutz Mez
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