- Jamaika-Koalition
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Als Jamaika-Koalition (auch Schwampel, Jamaika-Ampel, Schwarze Ampel oder Schwarz-Gelb-Grün) wird in Deutschland eine Koalition zwischen den Unionsparteien, der Freien Demokratischen Partei (FDP) und Bündnis 90/Die Grünen bezeichnet. Ursprünglich wurde für die regional vorhandenen Koalitionen die wertneutrale Bezeichnung „Schwarz-Gelb-Grün“ verwendet. Mit dem Begriff „Jamaika-Koalition“ bezeichneten Medien nach der Bundestagswahl 2005 häufig diese Koalitionsmöglichkeit; seitdem ist der Begriff in Medien und Politik etabliert. Er bezieht sich auf die schwarz-gelb-grüne Flagge Jamaikas und die deutschen politischen Parteien, die mit diesen Farben häufig benannt werden. Ein politisch-inhaltlicher Bezug des Begriffs zu dem Karibikstaat Jamaika besteht nicht.
Die erste „Jamaika-Koalition“ auf Landesebene wurde 2009 nach der Landtagswahl im Saarland gebildet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte der Bezeichnung
Die Bezeichnung Schwarze Ampel ist vom Begriff Ampelkoalition – kurz „Ampel“ – abgeleitet, der nach Angaben der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden bereits nach der Kommunalwahl vom März 1981 in Marburg auftauchte und ab 1990 durch Koalitionen auf Landesebene populär wurde. Der erste bekannte Beleg für Schwarze Ampel findet sich nach der Bremer Bürgerschaftswahl vom 29. September 1991 in der taz Bremen vom 2. Oktober, das Kofferwort Schwampel am 4. Oktober ebenda.
Die Bezeichnung Jamaika-Koalition wurde 1994 angeblich von Hans-Bernd Schmitz, Redaktionsleiter des Dormagener Anzeigenblattes „Schaufenster“, erfunden und am 6. September in einer Kolumne dieser Zeitung für eine mögliche Koalition im Stadtrat verwendet. Es gibt jedoch auch ernst zu nehmende Stimmen, die dem Dormagen-Zonser Kommunalpolitiker Hans Wingerath die Urheberschaft des Begriffs schon für Mitte des Jahres 1994 zuordnen. Die Neuß-Grevenbroicher Zeitung publizierte ihn auch über die Grenzen Dormagens hinaus.
Die neue Bezeichnung blieb weitgehend unbekannt; sie wurde später aufs Neue „entdeckt“. Beispiele
- am 26. August 2003 berichtete die HNA über ein sich abzeichnendes Jamaika-Bündnis in der Stadtverordnetenversammlung in Kassel.
- Hajo Schumacher, der Herausgeber der Zeitschrift „V.i.S.d.P.“, benutzte die Bezeichnung Jamaika-Koalition am 8. August 2005 in der Sendung „Klartext“ auf N24,
- der Politologe Karl-Rudolf Korte im „ZDF-Morgenmagazin“ am 12. September 2005,
- Tom Levine sprach am 15. September in einer Analyse des Deutschen Depeschendienstes von einer Jamaica-Connection.
Allgemeine Bekanntheit erlangte der Begriff Jamaika-Koalition dann am Abend der Bundestagswahl 2005. Bei der Wahl erreichte keines der beiden gegeneinander angetretenen politischen Lager - CDU/CSU und FDP versus SPD und Grüne - eine Mehrheit im Bundestag. Das erste Mal seit der Bundestagswahl 1949 konnte weder Schwarz-Gelb, Rot-Grün noch Rot-Gelb und auch (bis dahin nur auf kommunaler Ebene) Schwarz-Grün eine Mehrheit der Sitze erringen. Ursächlich dafür waren insbesondere die schwachen Ergebnisse der Volksparteien, die beide jeweils bei einem annähernden Patt um die 35 Prozent der Wählerstimmen erhielten. Hinzu kam die Ablehnung der SPD, mit der fünften im Bundestag vertretenen Fraktion, der Linkspartei.PDS, zu koalieren. Einige Journalisten machten daraufhin Vorschläge zu einer Schwarz-Gelb-Grünen Regierungsbildung.
Bereits gegen 17:55 Uhr wurde die Bezeichnung im ZDF von Focus-Chefredakteur Helmut Markwort benutzt, gegen 18:00 Uhr auch im Ersten von WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn, der den Begriff im Laufe des Abends bei der Präsentation der Hochrechnungen häufig verwendete und so zu seiner Popularisierung beitrug. Nach eigener Aussage hatte Schönenborn sich die Bezeichnung gemeinsam mit Richard Hilmer, dem Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, am Mittwoch vor der Wahl unter Zuhilfenahme einer Flaggendatenbank ausgedacht.
Die Bezeichnung ergibt sich aus der Assoziation der Farben der an einer solchen Koalition beteiligten Parteien (Schwarz für die CDU/CSU, Gelb für die FDP und Grün für die Grünen) mit der Farbkombination der Nationalflagge Jamaikas. Sie spielte gleichzeitig auf die Exotik an, die 2005 diese Konstellation angesichts der damals in Deutschland herrschenden parteipolitischen Realitäten hatte.
Jamaika-Koalitionen in Deutschland
Jamaika-Koalition im Saarland
Die erste „Jamaika-Koalition“ auf Landesebene wurde nach der Landtagswahl im Saarland 2009 geschlossen. Diese Koalition war insofern ungewöhnlich und teils überraschend [1] als dass die Spitze der Grünen sich gegen eine (hier möglich gewesene) Koalition mit der SPD und der Linken entschied. Offensichtlich spielte die Angst der Grünen vor einer Koalition mit den von Oskar Lafontaine geführten LINKEN im Saarland dabei eine wichtige Rolle.[2] Interne Kritiker der gewünschten Jamaika-Koalition wurden bei den Grünen als Delegierte verhindert[3] und auf einem Landesparteitag im Oktober 2009 votierten überraschend 78 Prozent der Delegierten für die Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP.[4]
Nach den Koalitionsverhandlungen wurde im November 2009 Peter Müller als Ministerpräsident wiedergewählt und die Minister aus den drei Parteien wurden im Kabinett Müller III vereidigt.[5] Später wurde als Hintergrund die berufliche Tätigkeit vom Grünen-Chef Hubert Ulrich bis einschließlich den Koalitionsverhandlungen für ein Unternehmen des Politikers Hartmut Ostermann[6][7] und die hohen Spendenzahlungen des Unternehmers Ostermann an CDU, SPD, FDP und Grüne enthüllt.[8][9] Der von der Opposition einberufene Untersuchungsausschuss stellte jedoch keine Verbindung fest.[10]
Bei der Umsetzung der Parteiprogramme in konkrete Politik orientieren sich die drei Koalitionspartner im Wesentlichen auf die eigenen Stärken. Während die Grünen versuchen, sich mit dem Thema Umwelt zu profilieren, orientieren sich FDP und CDU stärker an Wirtschafts- und Sozialpolitik[11]. Auf Betreiben der Grünen wurden in der Jamaika-Koalition die Studiengebühren abgesetzt[12][13] und ein striktes Nichtraucherschutzgesetz eingeführt[14]. Auf Initiative von FDP und Grünen wurden zudem die Hürden für Volksentscheide abgesenkt.[15]
Jamaika-Koalitionen auf kommunaler Ebene
Auf kommunaler Ebene koalieren CDU, FDP und die Grünen im Stadtrat im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim, ebenso im niedersächsischen Hann. Münden (unter Beteiligung von zwei freien Wählergemeinschaften), in Cuxhaven, in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden und im Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf (unter Beteiligung einer freien Wählergemeinschaft). In Frankfurt am Main zerbrach eine bereits ausgehandelte Koalition im Jahr 2001 nach nicht einmal einem Tag. Seit der Kommunalwahl im Saarland 2009 koalieren CDU, FDP und Grüne in Sankt Ingbert. Auch der Saarpfalz-Kreis wird von einer schwarz-gelb-grünen Koalition geführt. In Hessen regieren CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen seit der Kommunalwahl 2006 in einer Jamaika-Koalition unter anderem in Wiesbaden[16] und Gießen[17], in Nordrhein-Westfalen seit 2009 in Dormagen[18], Recklinghausen, Essen (unter Beteiligung einer freien Wählergemeinschaft), Leverkusen (unter Beteiligung einer freien Wählergemeinschaft)[19] Bad Honnef und Netphen[20].
Weblinks
Wiktionary: Jamaika-Koalition – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen- Arbeitspapier der Universität Mannheim über Chancen einer Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl 2005 (PDF-Datei; 588 kB)
- Arbeitspapier des DVPW-Arbeitskreises Parteienforschung: 'Quo vadis, Schwampel?' (PDF-Datei; 712 kB)
- Über die Erfindung der Bezeichnung 1994
- ARD über Wortschöpfung durch Schönenborn (nicht mehr online verfügbar)
- Politische Farbenlehre
Einzelnachweise
- ↑ Thematisiert wurde diese Möglichkeit jedoch bereits vor der Wahl, so nahm Die Linke eine Koalitionsentscheidung der saarländischen Grünen für die CDU an. vgl. Kopie eins Plakates der Linken von Landtagswahlkampf
- ↑ BILD: Warum hassen alle Lafo?, 17. November 2009
- ↑ Stuttgarter Zeitung: Mobbing bei den Saar-Grünen, 31. Oktober 2009
- ↑ Stuttgarter Zeitung: Jamaika-Filz an der Saar, 24. Oktober 2009
- ↑ Müller erneut Regierungschef Artikel im Online-Angebot des Saarländischen Rundfunks(aufgerufen am 10. November 2009)
- ↑ Telepolis: Saar-Grünen-Chef Ulrich und seine pikanten Verbindungen zum Schattenmann der Saar-FDP, 28. Oktober 2009
- ↑ Stern: Die Saarland-Connection, 24. Oktober 2009
- ↑ Saarbrücker Zeitung: Ostermanns Firma spendete 30.000 Euro an die SPD, 27. Februar 2010
- ↑ Big Spender Ostermann. In: Frankfurter Rundschau vom 23. März 2010. Abgerufen am 1. September 2010
- ↑ Saarbrücker Zeitung: Persilschein für den Saar-Fiskus, 10. Juni 2011
- ↑ Hamburger Abendblatt: Saar-Grüne entscheiden sich gegen Hartz-IV-Reform, 10. Februar 2011
- ↑ taz: Jamaika ohne Sonnenschein, 30. August 2010
- ↑ Die Zeit: Leichte Wolken über Jamaika, 16. Februar 2010
- ↑ SR online: Keine Gnade für Raucherkneipen, 28. März 2011
- ↑ SR-online:Bürger sollen mitreden, 22. Juni 2012
- ↑ http://www.hr-online.de/website/fernsehen/sendungen/video_archiv5300.jsp?key=standard_document_37744286&jmpage=1&type=v&r=7&rubrik=5300&t=20090816&y=2009&jm=2&mediakey=fs/hessenschau/20090816_hs_jamaica_wiesbaden_beitrag
- ↑ http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=5710&key=standard_document_22149834
- ↑ http://www.rp-online.de/politik/deutschland/Jamaika-in-Dormagen-beschlossen_aid_756579.html
- ↑ http://www.rp-online.de/bergischesland/leverkusen/nachrichten/Jamaika-Leitgedanken_aid_815013.html
- ↑ http://www.derwesten.de/staedte/netphen/Jamaika-legt-Programm-vor-id3486754.html
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