Jürgen Todenhöfer

Jürgen Todenhöfer
Jürgen Todenhöfer (2008)

Jürgen Todenhöfer (* 12. November 1940 in Offenburg) war bis 1990 deutscher Bundestagsabgeordneter (CDU), bis 2008 Manager und ist heute Autor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Todenhöfer studierte ab 1959 Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten München, Paris, Bonn und Freiburg im Breisgau. In Freiburg promovierte er 1969. Er war dort auch als wissenschaftlicher Assistent tätig. 1972 wurde er Strafrichter am Landgericht Kaiserslautern.

1970 trat Todenhöfer in die CDU ein. Ende 1972 wurde er über die Landesliste Rheinland-Pfalz in den Bundestag gewählt und blieb bis 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages, von 1980 an als direkt gewählter Vertreter des Wahlkreises Tübingen-Hechingen. Im Bundestag trat er seit 1973 als entwicklungspolitischer Sprecher und später als abrüstungspolitischer Sprecher seiner Fraktion hervor. Todenhöfer wurde nach eigenen Angaben „mehr aus Spaß und ungefragt“ zum Ehrengirlscout und später zum Ehrenoberst der US Army gekürt.[1] Todenhöfer forderte 1982 die Halbierung der Zahl der sowjetischen und amerikanischen Interkontinentalraketen und wurde daraufhin auch von Politikern der CDU angegriffen. Auch setzte sich Todenhöfer, anders als Helmut Kohl, lange vor der Wiedervereinigung für die deutsche Einheit ein.[2] Als Hardliner der so genannten „Stahlhelmfraktion“ um Alfred Dregger dem rechten Flügel der CDU zugerechnet, vertrat er oft konservative Positionen, für die er von der Opposition gern aufs Korn genommen wurde. Der SPD-Politiker Herbert Wehner beschimpfte ihn als „Hodentöter“ und kreierte damit einen Spitznamen, der Todenhöfer lange anhaftete.[3] Weil er nach Chile fuhr und mit dem Militärdiktator Augusto Pinochet verhandelte, um sich für die Freilassung politischer (überwiegend marxistischer) Gefangener einzusetzen, galt er seinen linken Gegnern als Faschistenfreund.[4]

Nach dem Ende seiner 18-jährigen Abgeordnetenzeit zog er sich aus der Parteipolitik zurück. 1987 war er von seinem Jugendfreund Hubert Burda, der mit ihm gemeinsam das Schiller-Gymnasium in Offenburg besucht hatte, in die Leitung des Medienkonzerns Hubert Burda Media berufen worden. Dort war er bis zum November 2008 als stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes tätig und für die Bereiche Verlage, Finanzen und Verwaltung zuständig.[5]

Seit 1980 bereiste Todenhöfer gefährliche[6] Krisenregionen wie das sowjetisch besetzte Afghanistan und berichtete über das Leid der dortigen Bevölkerung. Er ist ein entschiedener Gegner der US-amerikanischen Feldzüge in Afghanistan 2001 und im Irak 2003.[7] Josef Joffe bezeichnete ihn deswegen als „Vulgärpazifisten“. Über beide Kriege schrieb Todenhöfer Bücher, die in hoher Auflage verkauft wurden. Mit den Honoraren unterstützt er Hilfsprojekte in den jeweiligen Ländern. Er finanziert Prothesen für verletzte irakische Kinder, unterstützt ein Versöhnungsprojekt in Jerusalem, baute im Kongo ein Krankenhaus für HIV-infizierte Kinder und finanzierte in Kabul den Bau eines Waisenhauses. Todenhöfer bereiste regelmäßig die Kriegsgebiete in Nahost. Um auch in für Journalisten gesperrte Zonen des Iraks zu kommen, verkleidete er sich als Arzt. Nach der Rückkehr von einer solchen Erkundung bekannte er, sich dort oft "für den Westen geschämt“ zu haben, und erläuterte in einem Interview im Stern, Bush habe noch mehr Menschen getötet als Bin Laden.[8]

Im März 2011 hielt sich Todenhöfer während des Bürgerkriegs in Libyen für ein paar Tage in Libyen auf und entging nur knapp einem Raketenangriff. Anschließend forderte er Europa auf, die Freiheitskämpfer mit Verteidigungswaffen zu beliefern. Eine Militärintervention der Nato lehnte er ab. Stattdessen setzte er sich für ein diplomatisches Eingreifen der UNO ein. [9] [10] [11] [12]

Privates

Todenhöfer ist in zweiter Ehe verheiratet und hat drei Kinder; das Paar lebt getrennt.

Sein jüngerer Bruder Joachim, genannt Ago, beging mit 22 Jahren Selbstmord; seinem Gedenken ist die AGO-Stiftung gewidmet. [13] Studenten erhalten 400 Euro im Monat dafür, dass sie einsame und verarmte alte Menschen besuchen, sich um sie kümmern, ihnen vorlesen und für sie einkaufen.

Seine jüngste Tochter ist im April 2004 mit 19 Jahren an Multipler Sklerose erkrankt und hat im Dezember 2006 mit finanzieller Unterstützung ihres Vaters eine Stiftung für MS-Kranke, die Nathalie-Todenhöfer-Stiftung, gegründet, die sie selbst führt.

Zu seinem 70. Geburtstag veröffentlichte Todenhöfer unter dem Titel Teile dein Glück ...und du veränderst die Welt! autobiografische „Fundstücke einer abenteuerlichen Reise“, die ursprünglich nur als „Vermächtnis“ für seinen Sohn Frédéric und seine zwei Töchter Valérie und Nathalie gedacht waren.[14]

Veröffentlichungen

Bücher

  • Die deliktische Haftung des Hehlers unter besonderer Berücksichtigung des § 830 BGB, 1969
  • Wachstum für alle. Plädoyer für eine internationale soziale Marktwirtschaft (verantwortlicher Hrsg. Todenhöfer), 1976, ISBN 3-512-00457-1
    • englisch: Growth for All, 1979
    • spanisch: Crecimiento para Todos. Intercesion por una Economia Social de Mercado Internacional, 1979
  • Ich denke deutsch. Abrechnung mit dem Zeitgeist, (verantwortlicher Hrsg. Todenhöfer) 2. rev. Aufl. 1989, ISBN 3-927491-12-8
  • Wer weint schon um Abdul und Tanaya? Die Irrtümer des Kreuzzugs gegen den Terror, Freiburg im Breisgau 2003, ISBN 3-451-05420-5
  • Andy und Marwa. Zwei Kinder und der Krieg, C. Bertelsmann München 2005, ISBN 3-570-00859-2
  • Warum tötest du, Zaid?, C. Bertelsmann München 2008, ISBN 978-3-570-01022-8
  • Teile dein Glück ...und du veränderst die Welt! - Fundstücke einer abenteuerlichen Reise, C. Bertelsmann, München 2010 ISBN 978-3-570-10069-1[14][15]

Artikel in Zeitungen

Literatur

Einzelnachweise

  1. "Bush fördert den Terrorismus" - Interview von Fred David mit Jürgen Todenhöfer in Cicero Online vom 24. August 2005
  2. Karl Hugo Pruys, ehemaliger Sprecher Helmut Kohls, erinnert sich in seinem Buch Der Mythos vom Kanzler der Einheit: „1987 ist es der Intervention des Abgeordneten Todenhöfer zu verdanken, dass die Deutsche Einheit als nationales Ziel im CDU-Programm verbleibt. Obwohl Helmut Kohl bereit gewesen wäre, sie sang- und klanglos unter den Tisch fallen zu lassen.“ Zitiert nach J. Todenhöfer: Teile dein Glück. Seite 36.
  3. Vgl. hierzu Mark Spörrle: „08/2003 S. 47 Der Friedenskämpfer“ Porträt in Die Zeit Nr. 08/2003
  4. Die Zeit, 12 (2011), S. 36.
  5. „Nicht immer zu treffen, gehört dazu“. Interview der Süddeutschen Zeitung, 3. Oktober 2008
  6. Noch heute trägt Todenhöfer den Splitter einer sowjetischen Maschinengewehrpatrone im linken Knie.- Vgl. Todenhöfer, Teile dein Glück, Seite 259.
  7. Mark Spörrle: „08/2003 S. 47 Der Friedenskämpfer“ Porträt in Die Zeit Nr. 08/2003
  8. „Bin Laden tötete weniger Menschen als Bush“. Interview mit Jürgen Todenhöfer in: Stern, Nr. 31, 24. Juli 2008
  9. http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Ich-rannte-nicht-Ich-wusste-ueber-mein-Leben-war-entschieden/story/10852033
  10. http://www.wdr5.de/sendungen/morgenecho/s/d/22.03.2011-06.05/b/eindruecke-aus-libyen.html
  11. http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~EE32E594A7F9249028716ADFD846171F9~ATpl~Ecommon~Scontent.html
  12. http://www.sueddeutsche.de/medien/tv-kritik-menschen-bei-maischberger-erkenntnisse-ueber-einen-mordenden-clown-1.1075751
  13. Der Name dieser Münchner Stiftung rührt daher, dass Joachim Todenhöfer in seiner Familie als Kind Ago genannt wurde.- Vgl. Todenhöfer, Teile dein Glück, Seite 245.
  14. a b Rezension in der FrankfurterRundschau vom 11. November 2010
  15. FAZ vom 20. Dezember 2010, Seite 26: Ich habe das Glück fünfzig Jahre lang am falschen Ort gesucht (Rezension)

Weblinks


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