Kemak

Kemak

Die Kemak (Ema, port.:Quémaque) sind eine Ethnie von über 62.000 Mitgliedern im Norden von Zentraltimor. Zum größten Teil leben sie in den Subdistrikten Atabae, Cailaco, Maliana (Distrikt Bobonaro, 39.000 Kemak) und Atsabe (Distrikt Ermera, 18.500 Kemak) in Osttimor, teils aber auch im Distrikt Cova Lima (2.100) und im indonesischen Westteil der Insel.

Inhaltsverzeichnis

Sprache

Kemak

Gesprochen in

Osttimor, Indonesien
Sprecher 61.969 in Osttimor (Stand 2010)[1]
Linguistische
Klassifikation

Austronesische Sprachen

Malayo-polynesische Sprachen
  • Kemak
Offizieller Status
Amtssprache von OsttimorOsttimor Osttimor (Nationalsprache)
Sprachcodes
ISO 639-1:

-

ISO 639-2:

map

ISO 639-3:

kem

Übersichtskarte von den Sprachen Osttimors

Die Sprache der Kemak ist eine Malayo-polynesische Sprache des Timorzweigs, die auf beiden Seiten der Grenze zwischen Osttimor und Indonesien gesprochen wird. Sie ist nah verwandt mit Tokodede und Mambai. Kemak ist eine der 15 in der Verfassung anerkannten Nationalsprachen Osttimors. Sie ist für 61.969 Osttimoresen die Muttersprache.[1]

Zahlen in Kemak
Zahl Kemak[2]
1 sia
2 rua
3 telu
4 pata
5 lima
6 neme
7 icu
8 balu
9 sibe
10 sapulu

Religion und Sozialstruktur

Wie die anderen Volksgruppen Osttimors sind die Kemak heute weitgehend Anhänger des katholischen Glaubens. So sind im Subdistrikt Atsabe fast alle Einwohner Katholiken. Er verbreitete sich besonders während der indonesischen Besatzungszeit (1975-1999) als Abgrenzung zu den mehrheitlich muslimischen Invasorern. Die Kirche bot Schutz, kritisierte das brutale Vorgehen der Besatzer und stellte ein Mittel zum friedlichen Protest dar. Besonders ausgeprägt ist die Marienverehrung, die sich gerade in kleinen Orten durch eine Vielzahl von Marienstatuen in Kirchen und Grotten zeigt.

Trotzdem lassen sich auch heute noch in den christlichen Riten Spuren der animistischen, traditionellen Religion finden. Bestandteile der alten Religion sind Ahnenkult, Reliquienverehrung und das Konzept der heiligen (Kemak: luli, Tetum:lulik) Orte . Einer davon ist der Berg Dar Lau, der als mythischer Ursprungsort der Atsabe Kemak gilt. Nach der Sage wurden an dieser Stelle Erde und Himmel miteinander verbunden. Christliche Priester werden, ebenso wie zuvor die animistischen, als heilige Männer mit spirituellen Kräften (Luli) verehrt. Diese Kräfte werden durch den Segen weiter gegeben. Dabei werden diese Kräfte nicht nur vom Amt abgeleitet. Vielmehr übernehmen Männer, denen spirituelle Kräfte nachgesagt werden das Priesteramt.

Es gibt leichte Variationen bei den Zeremonien zwischen den verschiedenen Gruppen der Kemak, wie zum Beispiel den Atsabe Kemak und den Marobo Kemak.

Die Gesellschaft ist geprägt durch eine hierarchische Aufteilung nach den Familien, den Häusern. Das Haus des Koronel bote (Tetum: Liurai), des traditionellen Königes, bezog seine Autorität aus seiner Herkunft von den Gründungsvätern und ihrer Luli. Letzteres konnte sowohl in einer Person selbst liegen, als auch in heiligen Objekten. Gleiches trifft auf die traditionellen Priester (Gase ubu) zu, die aufgrund Herkunft und rituellem Wissen ihre Position beanspruchten. Sie waren die Hüter der heiligen Geschichte und Überlieferungen. Nur der König übertraf sie an Heiligkeit. Er bewahrte den größten Anteil an heiligen Objekten, die von den Gründervätern abstammten. Die Autorität der Priester war aber auf das Rituelle beschränkt. Es war aber möglich, dass eine Person sowohl weltlicher Macht hatte, zum Beispiel als Dorfvorsteher, und gleichzeitig Priester war. Der König von Atsabe hatte beide Autoritäten inne. Zudem sicherte sich das Haus des Königs ihre Machtposition durch eine strategische Heiratspolitik, dem Austausch von Frauen und materiellen Gütern und einer der Aufstellung einer Armee für regionale Fehden und die Kopfjagd.

Die Bestattungszeremonien der Kemak

Die Bestattungszeremonien der Kemak (Tau tana mate) wird in drei Phasen unterteilt: Huku bou, Leko-cicir lia und Koli nughu. Die Bestattungszeremonien werden als Schwarze Rituale (Metama no) bezeichnet. Es ist eine der Gelegenheiten bei denen die Lebenden mit ihren Ahnen in Kontakt treten, was auch zur Erneuerung und Restrukturierung der sozialen Verbindungen sowohl zwischen Lebenden und Toten, als auch zwischen den Bündnispartnern, die durch Heirat miteinander verbunden sind. Das Haus der „Braut-Geber“ (ai mea) und jenes der „Braut-Aufnehmenden“ spielen bei den Bestattungszeremonien zentrale Rollen, genauso wie bei anderen Großereignissen. Bevor nicht alle Angehörigen eingetroffen sind, kann daher mit dem Ritual auch nicht begonnen werden. Das Blut der Opfertiere, die die Ai mea gestiftet haben, wird zum Bestreichen von rituellen Objekten und des Grabes verwendet. Zu Zeiten der Polygamie war auch die Anwesenheit der Zweitfrauen und derer Häuser (Bei-bei) absolute Pflicht. Dazu kommen noch die gesamten Seitenlinien, wie jene Häuser der älteren und jüngeren (ka'ara-aliri), der durch Heirat verbundenen und der befreundeten und alliierten.

Bei den Atsabe Kemak besteht die erste Phase der Bestattung, das Huku bou, aus der Opferung von mindestens fünf Wasserbüffeln und mehrerer Ziegen und Schweinen. Der Tote wird dann in einem christlichen Grab beerdigt. Die zweite Phase, das Leko-cicir lia, ist das kostenintensivste Ritual der Kemak-Kultur. Dieses wird gewöhnlich für mehrere Verstorbene gemeinsam durchgeführt. Nur hochgestellte Tote, wie etwa ein Koronel bote erhalten ein eigenständiges Ritual. Das Ritual wird für gewöhnlich vor Beginn der Pflanzzeit (August bis September) durchgeführt, da es mit der Bitte an die Ahnen um eine reiche Ernte verbunden wird. Nach dem traditionellem Glauben verbleibt die Seele des Verstorbenen ohne den zweiten Ritus in der Nähe seines Hauses und Dorfes (Asi naba coa pu). Je später das Leko-cicir lia stattfindet, desto mehr soll sich die einsame Seele nach Gesellschaft sehnen und daher nach den Seelen der Lebenden zu sich rufen. Eine Anhäufung von Todesfällen innerhalb eines Hauses wird als Zeichen für einen solchen Fall angesehen. Trotzdem wird das Ritual für gewöhnlich erst Jahre nach der ersten Phase durchgeführt, da das Haus des Toten erst die ökonomischen Bedingungen für das teure Ritual wieder herstellen müssen. Es ist besonders aufwändig durch das Konzept der Zweiten Bestattung. Die Knochen der Verstorbenen werden ausgegraben, gereinigt und erneut beerdigt, während die Seele des Toten durch rituelle Gesänge (Nele) des Priesters zum Dorf der Ahnen auf dem Tatamailau, Osttimors höchsten Berg, geführt wird. Die Gesänge können bis zu 14 Stunden dauern. Während des Rituals werden wieder vor allem Wasserbüffel als Tieropfer dargebracht. Die abgeschnittenen Geschlechtsorgane aller Opfertiere werden am Schluss der Zeremonie tief in den heiligen Hain (Ai lara hui) gebracht und dort vor Bia Mata Ai Pun (der Ursprung des Frühlings und der Bäume) abgelegt. Die Ahnen werden durch ein Lied beschworen durch die Tieropfer die Seelen der Toten zu den Ahnen zu überführen. Am Ende werden die Knochen des Toten wieder beigesetzt. Den Abschluss bildet heutzutage eine christliche Messe. Die einzige Referenz an den neuen Glauben.[3]

Geschichte

Atsabe war bereits vor der Kolonialzeit unter dem Koronel bote der Atsabe-Kemak eines der Zentren Timors, das bis in die Kolonialzeit hinein die gesamten von Kemak bewohnten Gebiete in Osttimor dominierte. Die Kemakgebiete im Norden des heutigen Bobonaro, im nördlichen Ainaro und im Gebiet von Suai waren Atsabe tributpflichtig. Das kleine Kemak-Reich von Marobo hatte eine periphere Lage, weswegen die Kemak sich dort über Generationen mit den benachbarten Bunak vermischten. Atsabe war Teil des komplexen Bündnissystems durch Rituale, Heirat und Handel, welches das Tetum-Reich von Wehale mit seiner Hauptstadt Laran geknüpft hatte. Laran war gleichzeitig das spirituelle Zentrum der gesamten Insel. Neben Tetum und Kemak waren auch Bunak und die Mambai von Aileu Teil dieses Bündnissystems. Zusammen mit dem Osten der Insel nannten die Portugiesen dieses Gebiet Belu (auch Belos oder Behale).

Laut der mündlichen Überlieferungen kamen die Atsabe-Kemak erst relativ spät unter portugiesische Kolonialherrschaft. Ein Grund könnte die weit reichende Zerstreuung der Einwohner und die Unwegsamkeit der bergigen Landschaft gewesen sein. Erst im 19. Jahrhundert sollen portugiesisch-angolanische Truppen erstmals in das Gebiet eingedrungen sein. Der damalige Koronel bote Dom Tomas widersetzte sich den Invasoren. Dom Tomas wurde jedoch besiegt und musste nach Atambua im Westen Timors fliehen. Portugiesische Quellen erwähnen tatsächlich erst Mitte des 19. Jahrhunderts die Region von Atsabe und einen dortigen Liurai. Die Atsabe-Herrscher standen im Ruf besonders dazu zu neigen gegen die Kolonialherren und ihre Anwesenheit aufzubegehren. Zwei von Dom Tomas Enkeln, Nai Resi und Nai Sama kämpften später um die Macht. Während Nai Resi sich gegen die portugiesischen Kolonialherren wandte, unterstützte Nai Sama die Portugiesen. Nai Sama wurde schließlich von seinen eigenen Männern hingerichtet, während Nai Resi von den Portugiesen in Hatulia gefangen genommen und ebenfalls hingerichtet wurde.

Die Portugiesen wurden zunächst als ein weiteres Volk mit einem eigenen Koronel bote angesehen. Nachdem der Widerstand gegen sie gescheitert war, akzeptierten die Kemak die Führer der Portugiesen in ihrer Hierarchie als höhergestellt mit einer größeren Armee und heiligen Männern, den katholischen Priestern, mit einem größeren Luli. Die Flagge der Portugiesen und selbst der Fahnenmast wurden als heilige Objekte angesehen. Die als Verwalter Portugals bestätigten Koronel bote wurden durch Übergabe der Flagge erneut legitimiert.

Die Akzeptanz der Kemak für den eingeführten Katholizismus hing eng mit ihrem Verständnis von der personifizierten Heiligkeit zusammen. Man sah die importierte Heiligkeit als stärkere Erweiterung der lokalen, traditionell existierenden Luli. Den katholischen Priestern wurde Land zum Bau von Kapellen überlassen und die Missionierung gestattet. Weniger aufgrund von Freundlichkeit oder aufgrund erfolgreicher Konvertierung, als aus dem Kalkül heraus, so die eigenen spirituellen Kräfte steigern zu können.

Nai Resis Sohn Dom Siprianu wurde 1912 Koronel bote von Atsabe. Während der japanischen Besetzung Timors leisteten er und die Bevölkerung von Atsabe passiven Widerstand. Siprianu wurde daher zusammen mit sechs Verwandten von den Japanern als Geisel genommen und später hingerichtet.

Da das portugiesische Bildungssystem der herrschenden Schicht vorbehalten war, konnte sie sich auch die führenden Posten in der kolonialen Administration sichern. Gleiches galt später während der indonesischen Besatzungszeit, wobei die Grenzen von Kollaboration und scheinbare Mitarbeit zum Schutze der eigenen Bevölkerung fließend waren. Auch der osttimoresische Widerstand fand hier teilweise Unterstützung.

Der Sohn von Siprianu und letzte Koronel bote von Atsabe, Dom Guilherme Maria Gonçalves, war 1974 ein Mitbegründer der pro-indonesischen Partei APODETI, die den Anschluss Osttimors an Indonesien forderte. Während der indonesischen Besatzung war Dom Guilherme zwischen 1978 und 1982 der indonesische Gouverneur von Timor Timur. Später distanzierte er sich von Indonesien und ging ins portugiesische Exil. Nachdem sich die Bevölkerung Osttimors in einem Referendum 1999 für die Unabhängigkeit von Indonesien ausgesprochen hatte, griffen pro-indonesische Milizen Familienmitglieder und Verbündete des Koronel bote an. Als Gründe werden einmal die Unterstützung der Unabhängigkeitsbewegung durch den Koronel bote vermutet, andererseits aber auch Neid auf wirtschaftlichen Wohlstand der Familie.

Quellen

Einzelnachweise

  1. a b Direcção Nacional de Estatística: Population Distribution by Administrative Areas Volume 2 English (Census 2010)
  2. The Languages of East Timor: Some Basic Facts
  3. Center for Southeast Asian Studies, Northern Illinois University - East Timor People and Culture

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