Knoeringen

Knoeringen

Waldemar Freiherr von Knoeringen (* 6. Oktober 1906 in Rechetsberg bei Weilheim in Oberbayern; † 2. Juli 1971 in Bernried am Starnberger See) war ein deutscher Politiker (SPD). Er war maßgeblich am Wiederaufbau der SPD in Bayern nach 1945 beteiligt und lebte in Rosenheim.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Knoeringen entstammte dem schwäbischen Adelsgeschlecht von Knoeringen; die Teilnahme von Vorfahren an den Kreuzzügen lässt sich nachweisen. Das Familienwappen findet sich auf einer Abbildung des Konzils von Konstanz, die von Knoeringens stellten mehrere Bischöfe und Äbte in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche in Bayern.

Leben

1926 trat er als Verwaltungsangestellter tätige von Knoeringen in die SPD ein und übernahm leitende Funktionen in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) in München. Für ihn verkörperte nur diese Partei die Verbindung von Gerechtigkeit und Freiheit. Da zu dieser Zeit Reichsfreiherren nur selten Sozialdemokraten werden, erhielt er den Beinamen Der Rote Baron. 1933 wartete der damals 26-jährige am Maschinengewehr mit seinen Freunden vom Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold – in der ziemlich sicheren Gewissheit, dass der Widerstand aussichtslos sein würde – auf das Signal zum Kampf gegen die Nationalsozialisten. Das Signal blieb indes aus und von Knoeringen floh nach Österreich. Die Gestapo verhaftete auf der Suche nach ihm seine Verlobte Juliane und drohte, sie erst freizulassen, wenn von Knoeringen sich freiwillig stelle. Sie trat in den Hungerstreik, wurde entlassen und floh ebenfalls nach Tirol. Ab 1933 war von Knoeringen Mitglied der Widerstandsgruppe Neu Beginnen. Knoeringen lebte von Vorträgen, die er größtenteils vor der SPÖ hielt, später in Frankreich eröffnete er ein schlecht laufendes Fotoatelier.

Knoeringen musste nach dem Dollfuss-Putsch aus Österreich in die Tschechoslowakei fliehen, wo er in Neuern (Nýrsko) ein Grenzsekretariat der Sopade und anschließend von Prag die Inlandsarbeit von Neu Beginnen leitete und die Widerstandsarbeit eines Netzwerkes von 13 Stützpunkten und Gruppen im bayerischen und österreichischen Raum koordinierte. Dort traf er Léon Blum, der an ihn und weitere anwesende Sozialdemokraten Einreisevisa nach Frankreich verteilte, wo er sich ab 1938 aufhielt. Bei Kriegsbeginn befand sich von Knoeringen schließlich in England. Von 1940 bis 1943 arbeitete er für das deutschsprachige Programm der BBC wie auch für den Sender der europäischen Revolution. Er verließ die BBC, da er nicht mehr auf eigene Verantwortung arbeiten durfte und die BBC vor der Ausstrahlung eine Einsicht in die Sendemanuskripte forderte.

Ende 1945 kehrte Knoeringen als Major der britischen Armee nach Deutschland zurück und wurde aufgrund seiner Emigration und der „Arbeit für den Feind“ teilweise heftig angefeindet. Knoeringen war 1947 bis 1963 Landesvorsitzender der SPD in Bayern und 1958 bis 1962 stellvertretender Parteivorsitzender der SPD. 1946 bis 1970 war er Landtagsabgeordneter (bis 1958 als Fraktionsvorsitzender), von 1949 bis zum 3. April 1951 auch Bundestagsabgeordneter. Zusammen mit Wilhelm Hoegner baute er ab 1948 die Georg-von-Vollmar-Schule (ab 1968: Georg-von-Vollmar-Akademie) auf, deren Vorsitzender er bis zu seinem Tode 1971 war. Sein Ziel war, durch politische Bildung und Schulung die Menschen dazu zu befähigen, sich aktiv für die soziale Demokratie einzusetzen, um so dem bei vielen Menschen immer noch vorhandenen nationalsozialistischen Gedankengut entgegenzuwirken.

1954 erreichte von Knoeringen in Koalitionsverhandlungen mit Bayernpartei, FDP und GB/BHE die Bildung der sogenannten Viererkoalition unter Wilhelm Hoegner und damit die Ablösung der CSU als Regierungspartei in Bayern.

In seiner Eröffnungsrede zum Bundesparteitag 1959 setzte er sich für das zu beschließende Godesberger Programm ein. An dessen Erarbeitung war er führend beteiligt. Durch sein Insistieren auf der Notwendigkeit theoretischer Grundlagen oder seinen Vorschlag der Basismobilisation im Wahlkampf nahm er in den frühen 1950ern viele Ideen vorweg, die sich in der SPD erst wesentlich später durchsetzten. 1965 gehörte er zur Regierungsmannschaft von Willy Brandt für den Fall eines Wahlsieges bei der Bundestagswahl.

Er wurde auf dem Waldfriedhof in München/Alter Teil im Grab Nr. 90-W-11 beigesetzt.

Rosenheimer Arbeiterbibliothek

Knoeringen eröffnete 1927 in Rosenheim die erste und einzige Arbeiterbibliothek, deren Bücherbestand 1932 rund 2000 Bände umfasste. 1933 erfolgte die Zwangsauflösung der Bibliothek durch die Nationalsozialisten.

Literatur

  • Franz Menges: Knoeringen, Waldemar von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, S. 204 f.
  • Thomas Zunhammer / Pichelmeier Werner: Bibliotheks-Geschichte von Rosenheim. Ein Beitrag zur kulturellen Entwicklung der Stadt. Snayder-Verlag, Paderborn 1997, ISBN 3-932319-53-2.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Knoeringen — Knœringue Knœringue Pays …   Wikipédia en Français

  • Waldemar Freiherr von Knoeringen — (* 6. Oktober 1906 in Rechetsberg bei Weilheim in Oberbayern; † 2. Juli 1971 in Bernried am Starnberger See) war ein deutscher Politiker (SPD). Er war maßgeblich am Wiederaufbau der SPD in Bayern nach 1945 beteiligt und lebte in Rosenheim.… …   Deutsch Wikipedia

  • Waldemar von Knoeringen — Detail des Grabes von Waldemar Freiherr von Knoeringen; München, Waldfriedhof Waldemar Freiherr von Knoeringen (* 6. Oktober 1906 in Rechetsberg bei Weilheim in Oberbayern; † 2. Juli 1971 in Bernried am Starnberger See) war ein deutscher… …   Deutsch Wikipedia

  • Vollmar-Akademie — Georg von Vollmar Akademie e.V. Schultyp Akademie für politis …   Deutsch Wikipedia

  • Vollmar Akademie — Georg von Vollmar Akademie e.V. Schultyp Akademie für politische Erwachsenenbildung Gründung 1948 Ort Koche …   Deutsch Wikipedia

  • Georg-von-Vollmar-Akademie — e.V. Schulform Akademie für politische Erwachsenenbildung Gründung …   Deutsch Wikipedia

  • Urs Liechti — Wilhelm Hoegner (* 23. September 1887 in München; † 5. März 1980 ebenda) war ein deutscher Jurist und Politiker (SPD). Er war von 1945 bis 1946 und 1954 bis 1957 Bayerischer Ministerpräsident. Damit ist er der einzige Ministerpräsident Bayerns… …   Deutsch Wikipedia

  • Renate Pokorny — Renate Schmidt Renate Schmidt geb. Pokorny (* 12. Dezember 1943 in Hanau) ist eine deutsche Politikerin (SPD). Sie war von 2002 bis 2005 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und von 1990 bis 1994 …   Deutsch Wikipedia

  • Leninistische Organisation — Neu Beginnen (NB) auch Leninistische Organisation (ORG oder LO) oder Miles Gruppe war eine marxistische Organisation und Widerstandsorganisation gegen den Nationalsozialismus Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1.1 1929 bis 1933 1.2 Nach 1933 1.3 Die …   Deutsch Wikipedia

  • SPD Bayern — Vorsitzender Logo Florian Pronold   Basisdaten Gründungsdatum: 26. Juni 1892 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”