Kriegsbeute

Kriegsbeute

Als Kriegsbeute werden bewegliche Sachen bezeichnet, die während oder nach kriegerischen Auseinandersetzungen ohne Gegenleistung (Bezahlung) und häufig ohne vertragliche Regelung der Verfügungsgewalt des jeweiligen Gegners entzogen werden und nicht zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind. Als Besonderheit können auch Personen, die als Sache betrachtet werden (Sklaven), oder geistige Güter (Patente) als Beute genommen werden.

Kriegsbeute kann durch einzelne Kombattanten im Rahmen von inzwischen völkerrechtlich verbotenen Plünderungen erworben werden, oder in offiziellem Auftrag von dazu bestellten Kommissionen und Arbeitsgruppen, die die Kriegsbeute für den Entsendestaat aufnehmen und katalogisieren und dem zentral gesteuerten Abtransport zuführen.

Lebensmittel oder andere Verbrauchsgüter, die im Rahmen des Fouragierens dem Gewahrsam des Gegners oder seiner Staatsbürger entzogen werden, und der Versorgung der Truppe oder von Kriegsgefangenen dienen, gelten nicht als Kriegsbeute, sondern als Requisition. Im Gegensatz zur Kriegsbeute muss für Requisitionen seit 1899 ein Empfangsschein ausgestellt werden, der einen Entschädigungsanspruch verbriefen kann.

Wirtschaftsgüter, die erst nach Abschluss der Feindseligkeiten aufgrund vertraglicher Regelung dem Besiegten entzogen werden, laufen gewöhnlich unter dem Sammelbegriff Reparationen. Bereits zuvor gemachte Kriegsbeute kann bei Einverständnis der Vertragsparteien auf die Reparationen angerechnet werden.

Zu Kriegsbeute nach islamischem Recht siehe Ghanima und Fai'.

Inhaltsverzeichnis

Die Rolle von Kriegsbeute in der Geschichte der Kriegführung

Die Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen oder Versorgungslage durch das Machen von Beute war während des größeren Teils der bekannten Geschichte der Menschheit für Kriegsherren und Kombattanten ein wichtiges Motiv, in den Kampf zu ziehen. Die nur summarisch in Inschriften überlieferten Kriege der frühen Hochkulturen haben vermutlich in den meisten Fällen der Abwehr räuberischer Nachbarvölker gedient.

Bronzezeit

Die Schilderungen der ersten überlieferten Schlacht der Weltgeschichte (Schlacht bei Megiddo, 1457 v. Chr.) enthalten unter anderem eine detaillierte Aufzählung der Kriegsbeute. Auch die erste epische Schilderung eines Krieges rückt Kriegsbeute in das Zentrum des Geschehens. Die Ilias, die den Trojanischen Krieg schildert, der im 13. oder 12. vorchristlichen Jahrhundert angenommen wird, geht vom Streit um die als Kriegsbeute eingebrachte Sklavin Briseis aus. In der zweiten überlieferten Schlacht der Weltgeschichte (Schlacht von Kadesch, 1274 v. Chr.) war die Aussicht auf Beute beinahe schlachtentscheidend. Nachdem die Hethiter die ägyptische Armee unter Ramses II. zurückgeschlagen hatten und es nur noch einer letzten Anstrengung bedurfte, diese endgültig zu schlagen, entglitten die Truppen der Führung des Königs und begannen das ägyptische Lager zu plündern. Mit rasch zusammengefassten Kräften konnten die Ägypter den nun unorganisierten Feind wieder zurückdrängen. Die Tatsache, dass in den frühesten Dokumenten zu kriegerischen Ereignissen Kriegsbeute eine zentrale Rolle spielt, spricht für deren Wichtigkeit. Der in der Schlacht von Kadesch erstmals nachgewiesene Disziplinverlust einer fechtenden Armee im Angesicht lockender Kriegsbeute zieht sich als ständig wiederkehrendes Motiv durch die gesamte Kriegsgeschichte. Die relativ geringe Verfügbarkeit der Bronze und ihrer Komponenten machte vor allem auch die Waffen der geschlagenen Armee oder der Gefallenen zu beliebten und gesuchten Beutestücken.

Menschen als Kriegsbeute zu nehmen, spricht nicht in jedem Fall dafür, dass sie lediglich als Wirtschaftsgut angesehen wurden. Am Beispiel des Raubs der Sabinerinnen ist ersichtlich, dass menschliche Kriegsbeute in der Frühzeit auch zum Zweck der Peuplierung des eigenen Staatsgebiets gemacht wurde.

Antike

Die Kriege der Antike sind unter anderem stark durch die Beteiligung privater Kriegsherren geprägt. Neben den rein staatlichen Kriegen zwischen den griechischen Poleis oder anderen damals völkerrechtlichen Subjekten kam es sehr häufig zu Kriegszügen von Privatleuten. Diese operierten völlig selbstständig (Piraten) oder im staatlichen Auftrag (Söldner). In beiden Fällen war Kriegsbeute eine wesentliche Einkommensquelle. Insbesondere für die ab dem 5. vorchristlichen Jahrhundert vermehrt aufkommenden Söldner war das Beuteversprechen vor Beginn der Feldzüge wesentlicher Anreiz und Vertragsbestandteil. Das Römische Reich schickte hohe Verwaltungsbeamte oder Offiziere(Prätoren) mit der Zusage von Kriegsbeute in seine nicht befriedeten Kolonien. Die auf der iberischen Halbinsel zwischen 193 und 178 v. Chr eingesetzten Prätoren führten reine Vernichtungs- und Beutekriege und machten dank ihres dort erworbenen Reichtums und Prestiges glänzende Karrieren. Das Versprechen bestimmter Anteile an der Kriegsbeute war aber auch für die Legionäre ein entscheidendes Motiv, sich solchen Zügen nicht zu verweigern, was grundsätzlich durchaus möglich war und auch vorkam. Besonders nach erfolgreichen Belagerungen war es üblich, die eroberte Stadt den Soldaten zur Plünderung freizugeben. Neben den gewöhnlichen Beutestücken, wie Edelmetallen oder -steinen und gemünztem Geld, die auch für den Einzelnen leicht zu transportieren sind, wurden vom Römischen Reich auch in zunehmendem Maße Kunstgegenstände als Kriegsbeute aus den eroberten Gebieten abtransportiert. Die Einbringung von Sklaven als Kriegsbeute war allgemein normaler Bestandteil der Kriegführung und in etlichen Fällen das eigentliche Kriegsziel. Waffen und Ausrüstungsstücke verloren dementgegen ihre Bedeutung als Kriegsbeute. Während sie in den Kriegen der Griechen noch eine gewisse Rolle spielten, waren sie in der einheitlich ausgerüsteten römischen Armee bestenfalls als „Souvenir“ gefragt. Weniger einheitlich ausgerüstete Randkulturen („Barbaren“) mögen aber römische Waffen zur Vervollständigung der eigenen Ausrüstung genommen haben.

Mittelalter

Im Mittelalter wurde innerhalb der europäischen Reiche der Transfer von Bevölkerungsteilen als Sklaven weitestgehend abgeschafft. Die persönliche Bereicherung der Kriegsteilnehmer durch Beute war aber nach wie vor wichtiges Begleitmotiv der meisten Kriege. Ausschließlich auf den Erwerb von Kriegsbeute ausgerichtet waren die Züge der Wikinger und Ungarn, die kein Interesse an Eroberungen oder andere politische Absichten hatten. An die Stelle der Sklaven traten, insbesondere ab dem Hundertjährigen Krieg (1337 bis 1453), gefangene Adlige, die nur gegen hohe Lösegelder wieder entlassen wurden. Aus den Schlachten von Crécy (1346) und Azincourt (1415) sind Beispiele überliefert, wie englische Söldner während Gefechtspausen vom Pferd gefallene französische Ritter zurückschleppten, anpflockten und mit ihrem Zeichen als ihren Besitz versahen, den sie nach der Schlacht „verkauften“. Das Versprechen von Kriegsbeute war nach wie vor wichtiger Vertragsbestandteil der Dienstverträge mit Söldnern und die Freigabe eroberter Städte zur Plünderung notwendig, um die Truppe bei der Fahne zu halten. Während der Transfer von Kunstgegenständen beinahe völlig verschwand, entwickelten sich Reliquien zu begehrten Beutestücken. Als prominentes Beispiel dafür können die Gebeine der Heiligen Drei Könige dienen, die als Kriegsbeute aus Mailand nach Köln kamen. Die Zunahme der Zahl der Söldner in den Heeren zwang die betroffenen Herrscher aber auch immer häufiger dazu, selbst Sachwerte als Kriegsbeute zu vereinnahmen, um Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können.

Außerhalb Europas wurden weiterhin Menschen als Kriegsbeute genommen. Die Mauren verwendeten sie als Sklaven, die südamerikanischen Völker als Menschenopfer für ihre Götter. In Afrika hatten sich einige Stämme darauf spezialisiert, Feldzüge zu führen, bei denen Angehörige fremder Stämme für den späteren Verkauf als Sklaven gefangen wurden.

Frühe Neuzeit

Die schrittweise Wiedereinführung straffer Disziplin in den neu entstehenden Streitkräften betraf zunächst ausschließlich das Gefecht. Außerhalb der reinen Kampftätigkeit, im Lagerleben und auf Märschen, setzte sich die Disziplin nur langsam durch. Trotzdem finden sich bereits im 15. Jahrhundert für Schweizer und Landsknechte kodifizierte Vorschriften, die die Güterentnahme aus durchzogenen Gebieten regeln und Widerrechtlichkeiten mit Strafe bedrohen. Gewöhnlich war es aber nur verboten, im eigenen Lande zu plündern oder selbstständig zu requirieren. Sobald die Truppe fremdes Gebiet betrat, befanden sich die Söldner in einem mehr oder weniger rechtsfreien Raum. Dadurch entstanden aber auch in verstärktem Maße wieder die Gefahren, die sich bereits in der Schlacht von Kadesch (s. o.) durch mangelnde Disziplin und Plünderung gezeigt hatten. In den Verträgen wurde daher neben der regulären Bezahlung auch ein bestimmter Anteil an der Kriegsbeute und das Recht auf Plünderung zu bestimmten Gelegenheiten vereinbart. Die Möglichkeit, Kriegsbeute zu erwerben, hatte bereits im ausgehenden Mittelalter die neuerliche Entstehung privater Kriegsherren (Condottieri) begünstigt. Diese bereicherten sich nicht nur während der Kriege, sondern plünderten auch während Zeiten ohne Auftraggeber die von ihnen durchzogenen Gebiete.

Während des Dreißigjährigen Kriegs, der vom sogenannten letzten Condottiere, Wallenstein, mitgeprägt wurde, kam es zu verheerenden Plünderungen. Die willkürliche Plünderung durchzogener Landstriche oder eroberter Städte endete erst im 18. Jahrhundert, nachdem staatliche Gewalt die gewünschte Disziplin in allen Situationen im Heer durchzusetzen vermochte. Kriegsbeute wurde nun nur noch in Ausnahmefällen von Einzelnen gemacht, gewöhnlich wurde sie von staatlichen Stellen vereinnahmt. Wegen des hohen Produktionsaufwandes und der hohen Kosten von Feuerwaffen, insbesondere Geschützen, waren die Waffen des Besiegten nach wie vor geschätzte Beutestücke, die der eigenen Ausrüstung beigefügt wurden. Neu war hingegen der häufig gepflegte Brauch, relativ wertarme Ausrüstungsstücke des feindlichen Heeres als Trophäe zu nehmen. Abgesehen von erbeuteten Fahnen, die an prominenter Stelle des herrschaftlichen Haushaltes oder in Kirchen ausgestellt wurden, waren auch Kesselpauken, Harnische, Säbel und ähnliches beliebte Andenken an erfochtene Siege. Diese wurden als Auszeichnung bestimmten Truppenteilen zum Gebrauch überlassen. Bekanntes Beispiel für ein als Kriegsbeute eingebrachtes Renommierstück der damaligen Zeit ist das Zelt des türkischen Großwesirs Suleyman Pascha, das 1687 in der Schlacht bei Mohacs erbeutet wurde und heute im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt ausgestellt wird.

Eine Sonderform des Erwerbs von Kriegsbeute entwickelte sich bei den seefahrenden Nationen, die gegen Ausstellung von Kaperbriefen private Unternehmer als Piraten die Erlaubnis erteilten, Schiffe feindlicher Nationen zu kapern und zu versenken. Eine andere Einnahmequelle dieser Nationen war der Sklavenhandel, bei dem auf speziellen Sklavenfeldzügen – wie in der Antike  – afrikanische Sklaven gemacht und gewöhnlich nach Amerika verkauft wurden. Beide Formen, Kriegsbeute zu machen, wurden in beinahe industriell anmutendem Maßstab aufgezogen.

19. Jahrhundert

Bald nach der Französischen Revolution (1789) schickte sich Frankreich unter Napoléon Bonaparte an, Europa zu erobern. Mit den Revolutionsheeren kehrte eine Praxis, Kriegsbeute zu machen zurück, die man in Mitteleuropa seit wenigstens einer Generation nicht erlebt hatte. Die Bedrückungen der Bevölkerung durch eigenmächtige Requisitionen einquartierter napoleonischer Soldaten oder durch gewaltsame Aneignung von Wertgegenständen durch durchziehende französische Truppen, sind in vielen zeitgenössischen Berichten überliefert. Eindrucksvolle Schilderungen von den Plünderungen Moskaus 1812 und wie die Angehörigen der Grande Armée während des Rückzugs Damenkleider, Vorhangstoffe, Silbergeräte und andere Beutestücke als unnötige Last wegwarfen sind auch von französischen Soldaten erhalten.

In Anekdotenform wurden Berichte über eine Sonderform des Erwerbs von Kriegsbeute übermittelt. Auch die Angehörigen des zivilen Trosses der Armeen haben sich großzügig aus den fremden Haushalten bedient und die Waren an die Soldaten der eigenen Armee verkauft. Ähnliche Berichte gibt es bereits aus dem Dreißigjährigen Krieg (Trutz Simplex) und es dürfte sich dabei um ein Phänomen handeln, das zu allen Zeiten mit der Begleitung von Armeen durch zivile Trosse einherging. Die Grande Armée folgte allerdings lediglich dem Beispiel ihres Oberfeldherrn Napoléon, der in zeitgenössischen Karikaturen auch als größter Dieb Europas geschmäht wurde. Neben der 1806 nach Paris verbrachten – allerdings 1814 nach Berlin zurückgekehrten Quadriga vom Brandenburger Tor – wurde eine Vielzahl von Kunstwerken auf Anweisung Napoleons als Kriegsbeute nach Frankreich geschafft. Derartige Kulturgüter werden als Beutekunst bezeichnet. Der Louvre und einige andere bedeutende französische Museen enthalten noch heute große Mengen damals erbeuteter Kunstwerke.

Demgegenüber ging die Verwertung erbeuteter Waffen weitestgehend zurück. Die Rüstung hatte sich so weit entwickelt, dass fremde Waffen nicht mehr unbedingt den inzwischen eingeführten eigenen Standards entsprachen. Aus dem Metall der bei Austerlitz erbeuteten Kanonen ließ Napoleon die Triumphsäule für die Place Vendome gießen. Das Vorgehen der französischen Streitkräfte führte dazu, dass nicht nur Privatleute ihr Vermögen versteckten, sondern auch die Reichskleinodien (bereits 1794) und andere bedeutende Gegenstände von den Fürsten versteckt wurden.

Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts sind vor allem Plünderungen während des Sezessionskrieges in den USA (1861 bis 1865) von marodierenden Nordstaatlern bekannt geworden. Während des Deutsch-Französischen Kriegs (1870/71) wurden Vorwürfe gegen den preußischen Kronprinzen Friedrich III. wegen der Entnahme von Kunstwerken und Möbeln aus einem französischen Schloss erhoben. Davon abgesehen sind die von Preußen siegreich geführten Kriege dadurch gekennzeichnet, dass kaum Kriegsbeute gemacht wurde. An die Stelle der Kriegsbeute traten Reparationszahlungen, die der Besiegte nach Abschluss der Kriege zu entrichten hatte. Trotzdem wirken einige der wenigen Kriegsbeutestücke aus diesen Kriegen bis heute nach, wie das Beispiel des Flensburger Löwen zeigt.

Der Sklavenhandel kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wegen der weggefallenen Nachfrage aus den amerikanischen Südstaaten beinahe vollständig zum Erliegen und mit ihm schwanden die Feldzüge, die in erster Linie Menschen als Kriegsbeute einbringen sollten. Die Kolonialstaaten hatten jedoch seit längerer Zeit eine andere lukrative Quelle für Kriegsbeute in den wenig befriedeten Kolonien gefunden. Unbotmäßige Fürsten oder Völkerschaften wurden militärisch in ihre Schranken gewiesen und der wirtschaftlich interessante Besitz eingezogen. Vor allem Großbritannien bediente sich dazu auch noch im 19. Jahrhundert privater Unternehmer wie Cecil Rhodes in Südafrika oder der Ostindien-Kompanie in Indien.

20. Jahrhundert

Deutsches Lager für Beutegeschütze an der Westfront im Ersten Weltkrieg, 1914

Im 20. Jahrhundert waren beinahe alle europäischen Staaten so gefestigt, dass eigenmächtige Willkürakte der Streitkräfte ausgeschlossen werden konnten. Die inzwischen hochentwickelten Produktions- und Transportmöglichkeiten ermöglichten die ständige und rechtzeitige Versorgung aller Truppen, wodurch Requisitionen weitgehend unnötig wurden. Völkerrechtliche Vereinbarungen regelten, was dem besetzten Gebiet unter welchen Bedingungen entnommen werden durfte, und strafrechtliche Regelungen der einzelnen Nationen belegten Eigentumsdelikte auch während des Krieges mit empfindlichen Strafen. Dadurch wurde aber lediglich das Machen von Kriegsbeute durch den Einzelnen untersagt, der Staat durfte nach wie vor Kriegsbeute machen. Aus dem Ersten Weltkrieg sind daher nur sehr wenige Beispiele für Kriegsbeute bekannt. Prominentester Beklagter war erneut ein preußischer Kronprinz, Wilhelm von Preußen, dem wiederum die widerrechtliche Entnahme von Kunstgegenständen und Möbeln aus einem französischen Schloss zur Last gelegt wurde. Die umfangreichen Auslieferungen von Wehrmaterial, Industriegütern und Geldern, die Deutschland nach dem Kriege an die Siegermächte leistete, waren keine Kriegsbeute im engeren Sinne, sondern Reparationen. Die eigenmächtigen Entnahmen der zunächst als Besatzung einmarschierenden alliierten Truppen können hingegen durchaus noch als Kriegsbeute gelten, da der Krieg offiziell erst mit der deutschen Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles am 28. Juni 1919 endete.

Der Zweite Weltkrieg stellt sich auch hinsichtlich der Frage nach Kriegsbeute vollständig anders dar. Zwar enthielten sich die deutschen Truppen im Interesse der aufrecht zu erhaltenden Disziplin weitestgehend Plünderungen, die politische Führung sah sich jedoch durch keinerlei Zwang gebunden. Auch im Nachhinein haben die umfangreichen Entnahmen von Kunstgegenständen aus privaten und öffentlichen Sammlungen große Aufmerksamkeit erregt. Dabei war nicht immer das Deutsche Reich als völkerrechtliches Subjekt Akteur. In vielen Fällen handelte es sich auch um private Kriegsbeute führender Persönlichkeiten, bekanntestes Beispiel dafür ist Hermann Göring, der ganze Zugladungen von Gemälden, Statuen und Teppichen von eigens dazu bestimmten Kommandos einsammeln ließ.

Rein staatlicher Natur waren dahingegen die vollständigen Enteignungen ausländischer Juden und anderer verfolgter Gruppen, deren Besitz vollständig als Kriegsbeute verfiel, obwohl die so gesammelten Gegenstände nach damaliger deutscher Rechtsauffassung keine Kriegsbeute darstellten. Immerhin, so die seinerzeit gängige Auffassung, waren auch die deutschen Juden in gleicher Weise enteignet worden. Gegenüber fremden Staatsbürgern im Kriege muss hier aber die Betrachtung als Kriegsbeute Anwendung finden.

Die begrenzten industriellen Kapazitäten des Deutschen Reiches machten es schon zu Beginn des Krieges erforderlich, auch Waffen und Ausrüstung besiegter Armeen als Kriegsbeute in den eigenen Streitkräften zu verwenden. Zudem wurden auch Angehörige anderer Nationen, sowohl Zivilpersonen als auch – völkerrechtswidrig – Kriegsgefangene, zur Zwangsarbeit herangezogen. Diese Praxis wurde auch von der Sowjetunion übernommen. Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches begannen die Siegermächte, ihrerseits Kriegsbeute zu machen. Während das Vorgehen der Roten Armee und der französischen Armee von Vergeltungsdenken dominiert wurde, verfolgten die Amerikaner und Briten in erster Linie wirtschaftliche Ziele. Folgerichtig kam es speziell im Osten zu umfassenden Plünderungen und Abtransport eines großen Teils der Kulturgüter und Industrieeinrichtungen. Die wenig gesteuerten Eingriffe der sowjetischen Truppen in Privatbesitz oder öffentliche Sammlungen führten teilweise zum Verlust der Gegenstände. Eine lange Liste verschiedenster Kunstgegenstände und Bücher ist noch heute Gegenstand von Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Russland. Die nicht durch sowjetische Truppen vorgenommenen Entnahmen, die vor allem in Polen und der Tschechoslowakei stattfanden, sind ebenfalls bis heute zwischen den Regierungen der Nachfolgestaaten umstritten. Anders stellte sich die Situation in den westlichen Reichsteilen dar. Besonders die Amerikaner ließen den Kampftruppen in kurzem Abstand Aufnahmekommandos folgen, die alle Gegenstände von Interesse vereinnahmten oder gezielt nach bestimmten Dingen oder Schätzen suchten. Allein der Wert der von den USA als Kriegsbeute entnommenen deutschen Patente wurde auf 300 Milliarden Mark geschätzt. Spezielle Kommandos besetzten unmittelbar nach Einnahme der fraglichen Städte die deutschen Patentämter und übernahmen das, was ihnen brauchbar erschien. Andere Kommandos suchten nach Prototypen von Flugzeugen oder anderen Maschinen und Einrichtungen. Da dies auch von der sowjetischen Führung praktiziert wurde, setzte ein zeitweiliger Wettlauf der verschiedenen Kommandos zu den deutschen Denkfabriken ein. Wegen des fortdauernden latenten Kriegszustandes mangels Friedensvertrag, sind diese Entnahmen insgesamt als alliierte Kriegsbeute zu betrachten. Private Kriegsbeute einzelner westalliierter Soldaten fällt demgegenüber kaum ins Gewicht, da diese häufig eher an Souvenirs interessiert waren. Einzelne suchten sich aber durchaus mit Kennerblick wertvolle Stücke aus, die wie in vergangenen Zeiten Grundstock eines privaten Vermögens nach dem Kriege auch für den einfachen Soldaten darstellten. Wiederholt finden sich in Berichten der damaligen Zeit Schilderungen, wie amerikanische Soldaten Deutschen die Armbanduhr vom Arm nehmen, obwohl sie selbst bereits ein Dutzend solcher Uhren bis zum Ellenbogen trugen, oder sich Zutritt zu Privatwohnungen verschafften, um Güter zu stehlen. Diese Schilderungen illustrieren das Rechtsempfinden, mit dem sich wohl zu allen Zeiten der Sieger beim Besiegten zu bedienen pflegte.

In den Kriegen, die dem Zweiten Weltkrieg folgten, veränderte sich die zuletzt durch und an Deutschland geübte Praxis nicht. Die Sieger nahmen wieder alles Brauchbare als Kriegsbeute mit. In den zahlreichen Bürgerkriegen und Kriegen schlecht ausgestatteter Truppen gewannen dabei Waffen und Ausrüstung wieder hohe Bedeutung. Aber auch die Einbringung von Kriegsbeute als Vergeltungsmaßnahme, die sich im Zweiten Weltkrieg erstmals gezeigt hatte, wurde wiederholt praktiziert. Aus dem Repertoire des Mittelalters wurde das Nehmen von Geiseln als Kriegsbeute übernommen, deren Lösegeldzahlungen der Finanzierung des Kampfes oder der Bereicherung eines Einzelnen dient.

Literatur

  • Dietrich Beyrau u. a. (Hrsg.), Formen des Krieges - Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2007. ISBN 3506763687

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