Leopold Gutterer

Leopold Gutterer

Leopold Gutterer (* 25. April 1902 in Baden-Baden; † 27. Dezember 1996 in Aachen) war ein nationalsozialistischer Funktionär und Politiker. Während der NS-Zeit stieg er bis ins Amt des Staatssekretärs im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda auf und war zeitweise Vizepräsident der Reichskulturkammer. Gutterer galt als enger Vertrauter von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Abitur arbeitete Gutterer seit 1922 zunächst als Redakteur, ehe er 1923 für 9 Semester ein Studium der Germanistik, Theaterwissenschaft und Völkerkunde aufnahm. Ob er einen Abschluss erwarb, ist unklar, steht jedoch zu vermuten.

1925 trat er der NSDAP bei. Vermutlich bei einer von ihm selber in Frankfurt am Main mitbegründeten NS-Zeitung war er ab 1927 wiederum als Redakteur beschäftigt, denn er nahm gleichzeitig auch verlegerische Aufgaben wahr. Zwischenzeitlich fungierte Gutterer auch als Kreisleiter in Göttingen und Hannover und trat ebenfalls 1927 in Frankfurt am Main in die SS ein. Ab 1929 war Gutterer hauptamtlich für die NSDAP tätig. Zunächst fungierte er kurzzeitig als Gaugeschäftsführer des Gaues Hessen der NSDAP, ehe er am 1. Mai 1930 das Amt des Gaupropagandaleiters im Gau Süd-Hannover-Braunschweig antrat. Im selben Jahr folgte auch sein Beitritt zur SA. Gleichzeitig fungierte Gutterer auch als sogenannter Reichsredner der NSDAP, d.h. er galt rhetorisch als so versiert, dass er im gesamten Reichsgebiet bei Parteiveranstaltung bedenkenlos als Redner eingesetzt werden konnte. Aufgrund dieses politischen Engagements war er Anfang der 1930er Jahre zudem mehrfach verurteilt worden und hatte offenbar auch eine gewisse Zeit in Haft verbracht.

Zum 1. April 1933 wurde er im Range eines Regierungsrates zunächst auf Widerruf in den Dienst des am 13. März 1933 neu gegründeten Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) übernommen. Dort war er in der Abteilung II („Propaganda“) „für Staatsfeiertage u. Großkundgebungen sowie für die Organisation u. Beaufsichtigung der 31 Landesstellen“ des RMVP zuständig. Neben der Inszenierung der Berliner Feierlichkeiten zum 1. Mai und der Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg gehörte auch die Koordination des 1933 bis 1937 alljährlich auf dem Bückeberg bei Hameln stattfindenden Reichsbauerntages zu seinen Aufgaben. Auch die Verantwortung für die Durchführung des Winterhilfswerkes innerhalb des RMVP oblag ihm. Als Leiter des NS-Wahlkampfes bei der aus NSDAP-Sicht erfolgreichen Wahl in Lippe-Detmold Anfang 1933 hatte Gutterer sich als Organisationstalent für derartige Aufgaben empfohlen.

Am 1. Januar 1935 wurde Gutterer zum Oberregierungsrat befördert. Nachdem er zunächst Stellvertretender Abteilungsleiter im RMVP gewesen und am 20. April 1937 (i.e. „Führers Geburtstag“) zum Ministerialrat ernannt worden war, übernahm er im Frühjahr 1938 selbst die Leitung „seiner“ Abteilung II. Im März 1938 erfolgte die nächste Beförderung, und zwar, den Rang eines Ministerialdirigenten überspringend, direkt zum Ministerialdirektor.

Im Mai 1941 folgte Gutterer offiziell dem wegen seiner dubiosen Rolle in der Ehekrise von Magda und Joseph Goebbels schon 1938/39 in Ungnade gefallenen und beurlaubten Karl Hanke als Staatssekretär nach. Zuvor hatte er bereits kommissarisch die Fachaufsicht über die Abteilungen Haushalt, Personal und Recht des RMVP geführt. Dieses Amt bekleidete Gutterer bis 1944, ehe er nach einem Kurzgastspiel als Aufsichtsratsvorsitzender der Universum-Film AG (UFA) bei Goebbels in Ungnade fiel und durch Werner Naumann ersetzt wurde. Gutterer, zuletzt im Dienstrang eines SS-Brigadeführers, kam als einfacher SS-Panzerjäger in der Kriegsendphase zum Fronteinsatz.

In seiner Zeit als Staatssekretär von 1940 bis 1944 führte Gutterer die „Kennzeichnungpflicht für Juden“ im Deutschen Reich ein. Nachdem die Pflicht zum Tragen des „Judensterns“ ab September 1939 im besetzten Polen eingeführt worden war, war diese Kennzeichnung ab September 1941 auch im Deutschen Reich vorgeschrieben. Nicht zuletzt wegen Gutterers diesbezüglichem Engagement wurde er wohl als Vertreter des RMVP zur berüchtigten Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 eingeladen. Aus terminlichen Gründen konnte Gutterer zwar letztlich nicht teilnehmen, ließ in seiner Absage jedoch wissen, dass er grundsätzlich großes Interesse an der Thematik habe und zu Folgeterminen gerne eingeladen werden wolle.

Nach Kriegsende lebte Gutterer bis zum Oktober 1947 zunächst unerkannt als Landwirt im Dorf Motten (Kreis Bad Kissingen), bevor er aufgespürt, inhaftiert und in einem Spruchkammerverfahren im Rahmen der Entnazifizierung als Hauptschuldiger zu fünf Jahren Arbeitslager verurteilt wurde. In einer Verhandlung vor der Berufungskammer Nürnberg am 14. Dezember 1948 wurde dieses Urteil jedoch mit Verweis auf seine angeblich milde Haltung in der „Judenfrage“ reduziert; das Urteil lautete nunmehr ein Jahr Arbeitslager, lebenslanger Pensionsentzug, Abgabe von 80 Prozent des persönlichen Vermögens sowie acht Jahre Berufsverbot. Mitte der 1960er Jahre wirkte Gutterer dann als Direktor am Theater Aachen.

1985 stand Gutterer dem amerikanischen Historiker Nathan Stoltzfus bei dessen Recherchen um den Rosenstraßen-Protest als einer der wenigen Zeitzeugen mit nationalsozialistischer Vergangenheit zur Verfügung.

Hinweis

Die Ausführungen basieren im Wesentlichen auf einem anlässlich Gutterers Beförderung zum Ministerialdirektor im März 1938 erstellten Personalbogen mit persönlichen Angaben Gutterers zu seiner Biographie und beruflichem Werdegang. Das Material ist überliefert im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (BAB), Bestand R-43 II (Reichskanzlei), Akte Nr. 1150c, Bl. 3 u. 4.

Literatur

Hinweise zur Beteiligung des RMVP an der Einführung des "Judensterns" (Bd. 1, S. 186f.)
Der knappe Artikel enthält z.T. fehlerhafte Angaben zu G.s Beförderungen.
  • Fritz Koch: "Die Artillerie des Nationalsozialismus". Die NS-Gau-Presse vom "Frankfurter Beobachter" zur "Rhein-Mainischen Zeitung" 1927-1945, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 65 (1999), S. 9–52.
Über Gutterer als Redakteur
  • Stefan Krings: Das Propagandaministerium. Joseph Goebbels und seine Spezialisten, in: Lutz Hachmeister/Michael Kloft (Hg.): Das Goebbels-Experiment. Propaganda und Politik, Stuttgart 2005, S. 29-48 (ISBN 3-421-05879-2).
Einige knappe Bemerkungen zu G.s Rolle als inoffizieller SS-Verbindungsmann zwischen Goebbels und Heinrich Himmler.
  • Bernd Sösemann: Appell unter der Erntekrone. Das Reichserntedankfest in der nationalsozialistischen Diktatur, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 2 (2000), S. 113-156, bes. S. 119.
Kurzer Auszug aus G.s Personalakte im Bundesarchiv Berlin, ehem. Berlin-Document-Center (BDC)
  • Nathan Stoltzfus: Widerstand des Herzens. Der Aufstand der Berliner Frauen in der Rosenstraße 1943, München et al. 1999, S. 13, 51f., u.ö. (ISBN 3-446-16123-6).
Über G. als Auskunftsgeber über den Rosenstraßenprotest mit vereinzelten Hinweisen zu seiner Arbeit im RMVP.

Weblinks


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