Li Tai-bo

Li Tai-bo
Lǐ Bái, Tuschmalerei von Liáng Kǎi

Li Bai (chin. 李白, Lǐ Bái) (* 701; † 762) ist neben Dù Fǔ (杜甫) der mit Abstand namhafteste lyrische Dichter der Tang-Zeit.

Inhaltsverzeichnis

Name

Namen
Chinesische Schrift: 李白
Xìng 姓: 李 Lǐ
Pinyin: Lǐ Bái, klassisch: Lǐ Bó
Wade-Giles: Li Pai, klassisch: Li Po
Kantonesisch: Léih Baahk
Rōmaji: Rihaku
Koreanisch: 이백 oder 이태백
: Tàibái 太白
Hào : Qīnglián Jūshì 青蓮居士
aka: Shīxiān, 詩仙
Dichtender Unsterblicher
Vietnamesisch: Lý Bạch

Bei Lǐ Bái sind mehrere Namensvarianten im Umlauf: Sein voller Name lautet in Pinyin-Umschrift Tài Bái (李太白). Der Vorname Tàibái (太白Morgenstern“) deutet auf einen Traum, den die Mutter vor der Geburt gehabt haben soll. Er wird heute meist zu Bái ( „weiß“, Wade-Giles: Pai) verkürzt. In Taiwan ist dafür heute noch die klassische Aussprache (sprich: „Buo“, Wade-Giles: Po) üblich. In der Schreibweise Li Tai Po ist der Dichter Ende des 19. Jahrhunderts erstmals in Europa bekannt geworden ist.

Daneben ist Lǐ Bái auch unter dem Beinamen Shīxiān (詩仙) bekannt, was „Dichtender Unsterblicher“ bedeutet.

Biographie

Jugend

Lǐ Bái war der Sohn eines reichen Kaufmanns. Sein Geburtsort ist unbekannt, teilweise werden Orte in der Provinz Gansu genannt, aber auch Suiye in Mittelasien (nahe dem heutigen Tokmok, Kirgisistan), wohin sein Urgroßvater verbannt worden sein soll. Gewisse sprachliche Einflüsse dieser Herkunft lassen sich in Lǐs Werk nachweisen.

Als Lǐ Bái fünf Jahre alt war, zog seine Familie nach Jiangyou, in der Nähe des heutigen Chengdu in der Provinz Sichuan. Lǐ war konfuzianischen und taoistischen Einflüssen ausgesetzt, letztlich bot ihm seine familiäre Herkunft aber nicht viele Aufstiegschancen in der Tang-Dynastie. Trotz seines Wunsches, Beamter zu werden, nahm er nicht an den kaiserlichen Beamtenprüfungen teil. Stattdessen begann er im Alter von fünfundzwanzig Jahren nach Art eines fahrenden Gesellen durch China zu reisen, die mit dem Idealbild eines konfuzianischen Edelmanns stark kontrastierte.

Der Hofdichter

742 kam er in die Tang-Hauptstadt Chang'an. Dort erweckte Lǐs verwegene Art das Interesse des Adels wie der einfachen Leute gleichermaßen. Besondere Faszination übte er auf den kaiserlichen Sekretariatschef Hè Zhīzhāng (賀知章) aus, einen freimütigen und ebenfalls dem Trunke zugeneigten Charakter, der zunächst glaubte, in Lǐ einen wahrhaften Unsterblichen vor sich zu haben. Auf Hes Empfehlung ernannte Kaiser Xuánzōng (唐玄宗) Lǐ zum Beamten der renommierten Hanlin-Akademie. Bei Überbringung des Ernennungsschreibens soll sich Lǐ volltrunken in einer Schänke befunden haben, nach einer kurzen Erfrischung mit kaltem Wasser aber trotzdem in der Lage gewesen sein, auf des Kaisers Geheiß aus dem Stegreif ein Gedicht zu verfassen, das allgemeinen Anklang fand: Qingpingtiao, ein Lobpreis auf die berühmte Konkubine Yáng Guìfēi (楊貴妃) und die Päonien.

Gemeinsam mit Hè Zhīzhāng sowie Zhāng Xù (張旭), Lǐ Shìzhi (李適之), Cuī Zōngzhī (崔宗之), Sū Jìn (蘇晉), Wáng Jìn (王璡) und Jiaō Suì (焦遂) bildete Lǐ Bái einen Dichterkreis, der in einem zeitgenössischen Gedicht mit dem Titel „Die acht Poeten der Zechgelage“ erwähnt werden. Diese trinkfreudigen Herren wurden später zu Schutzheiligen der Weinhändler und Schankwirte.

Auf Wanderschaft

Bereits nach zwei Jahren wurde Lǐ aufgrund unbekannter Ursache aus dem Staatsdienst entlassen. Vermutet wird eine Intrige des Eunuchen Lishi: Er soll der Konkubine Yáng Guìfēi fälschlich hinterbracht haben, Lǐ Bái habe in einem Gedicht Yángs unvergleichliche Schönheit mit der einer anderen Konkubine aus der Han-Zeit verglichen. Fortan streifte Lǐ für den Rest seines Lebens durch China. Im Herbst 744 und dann noch einmal im Jahr darauf traf er Dù Fǔ (杜甫), den zweiten berühmten Dichter der Epoche. Obwohl sich die beiden Meister nur zweimal trafen, sollte ihre Bekanntschaft vor allem in Dù Fǔs Werk erheblichen Niederschlag finden: Etwa ein Dutzend Gedichte widmete er seinem Kollegen Lǐ Bái, während dieser Dù Fǔ nur ein einziges zueignete.

Verbannung

755 wurde Lǐ Bái in die Revolte des Ān Lùshān (安禄山) hineingezogen. Nach deren Scheitern wurde er 757 nach Yelang verbannt, durfte aber 759 vorzeitig zurückkehren.

Tod

Lǐ Bái starb 762 in Dangtu (Provinz Anhui). Der Überlieferung nach soll er ertrunken sein, als er in berauschtem Zustand versucht hat, das Spiegelbild des Mondes auf einem Fluss zu umarmen. Andere Quellen berichten von einer Quecksilberkontamination, die sich Lǐ Bái infolge alchemistischer Studien zugezogen haben soll, wieder andere von einer Alkoholvergiftung.

Die bekannteste Darstellung Lǐ Báis ist eine Tuschmalerei von Liáng Kǎi, einem Maler aus dem 13. Jahrhundert – also lange nach dem Tod des Dichters. Das Bild trägt den Titel „Lǐ Bái – ein Gedicht deklamierend“ und ist in nahezu jeder Anthologie seiner Werke abgebildet.

Werk

Eigenhändige Original-Kalligraphie Lǐ Báis, Palastmuseum Peking

Lǐ Bái werden etwa tausend Gedichte zugeschrieben, darunter

  • acht Rhapsodien (Fu)
  • 149 Titel nach Musikamtsliedern (Yuefu)
  • 59 Gedichte im Alten Stil (Gushi)
  • 779 Gedichte im Alten und Neuen Stil (Gujintishi) sowie
  • 58 Prosastücke.

Bei zahlreichen Werke erscheint die Urheberschaft freilich zweifelhaft. Häufig wird Lǐs Werk wegen der zum Ausdruck gebrachten Empfindungen, aber auch wegen seines spontanen Tons mit dem Taoismus in Verbindung gebracht. Gleichwohl gibt es auch konventioneller geprägte Werke, so greifen etwa seine Gufeng („Alte Weisen“) häufig den Blickwinkel des konfuzianischen Moralisten auf.

Über Lǐ Báis Genie sind zahlreiche Legenden in Umlauf: So wird etwa berichtet, mit welcher Leichtigkeit er seine Gedichte zu Papier brachte. Angeblich konnte er mit erstaunlicher Geschwindigkeit ohne eine einzige Korrektur schreiben. Seine bevorzugte Gattung war das Jueju, das Kurzgedicht mit vier Zeilen zu fünf oder sieben Schriftzeichen; 160 Stück sind hiervon erhalten. Lǐ Báis Sprache ist nicht so ausgefeilt wie die Dù Fǔs, beeindruckt aber gleichwohl durch ausgeprägte Imaginationskraft und die unmittelbare Verbindung, die der Dichter zum Leser herzustellen weiß.

Lǐ Báis wohl bekanntestes Gedicht ist Yuè Xià Dú Zhuó (月下獨酌), zu deutsch Gelage im Mondschein (E. Schwarz), in dem sich der Dichter mit einem Krug Wein zurückzieht und mit seinem Schatten und dem Mond anstößt. Im Westen gilt es vielfach geradezu als Inbegriff chinesischer Lyrik und wurde in fast alle europäischen Kultursprachen, meist jeweils mehrfach, übersetzt (Überblick: [1]). Die Thematik von Wein und Mond kehrt auch sonst häufig in Lǐs Werk wieder, daneben sind Freundschaft und Sehnsucht häufig Gegenstand, weiter Naturerlebnisse von Bergen, Buchten und Föhrenwäldern sowie Frauenschönheit. Bisweilen erfolgt aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit zeitgeschichtlichen Problemen wie dem Krieg, der Korruption der Beamtenschaft oder dem harten Leben der einfachen Leute.

Wirkungsgeschichte

Lǐ Báis libertärer Individualismus erweckte bei den Zeitgenossen wie den nachfolgenden Generationen Faszination, rief aber auch erheblichen Widerspruch hervor. So rügte etwa Wáng Ānshí (王安石) in der Song-Zeit, neun von zehn Gedichten Lǐ Báis handelten von Frauen und Wein. Guō Mòruò (郭沫若) blieb der Nachweis vorbehalten, dass bei Lǐ Bái nur in 16% der Texte vom Trinken die Rede ist, während Dù Fǔ insofern immerhin auf 21% kommt.

Im 13. Jahrhundert wurden Lǐ Báis Werke systematisch gesammelt, 1758 schließlich von Wāng Qí (郭汪琦) herausgegeben. Zu diesem Zeitpunkt waren indes angeblich 90% des ursprünglichen Œuvres verloren gegangen.

Erstmals in eine europäische Sprache übersetzt wurden Lǐ Báis Werke 1862 durch den Marquis d’Hervey-Saint-Denys, der sie ins Französische übertrug. Sehr umfangreich ist die Zahl der Übertragungen ins Deutsche, zu nennen sind Wilhelm Grube, Erwin Ritter von Zach, Alfred Forke, Manfred Hausmann, Vincenz Hundhausen, Günter Eich, Günther Debon, Ernst Schwarz und Jan Ulenbrook.

Nicht hierher gehören Nachdichtungen wie solche von Hans Bethge oder Klabund (1916), die nicht auf dem chinesischen Originaltext, sondern ihrerseits bereits auf Übersetzungen beruhen. Gleiches gilt für Ezra Pounds Übersetzung ins Englische, die auf japanischen Vorlagen beruhen.

Bethges Lǐ-Bái-Übertragungen aus seiner Anthologie Die chinesische Flöte sollten später als Vorlage für Gustav Mahlers berühmtes Orchesterwerk Das Lied von der Erde dienen.

Übersetzungsprobleme – Am Beispiel von „Nachtgedanken“

Eines der bekanntesten Gedichte von Lǐ Bái ist Yèsī (chin. 夜思), meist mit Nachtgedanken übersetzt. Das Gedicht ist auch unter dem Titel Jìngyèsī (chin. 靜夜思) bekannt, Gedanken in einer stillen Nacht.

Original

Original Pinyin Übertragung
床前明月光 chuáng qián míng yuè guāng (Bett - vor - hell - Mond - Strahl)
疑是地上霜 yǐ shì dì shàng shuāng (zweifeln - ist - Erde - auf - Frost)
舉頭望明月 jǔ tóu wàng míng yuè (heben - Kopf - blicken - hell - Mond)
低頭思故鄉 dī tóu sī gù xiāng (senken - Kopf - denken - alt - Heimat)

Übersetzungen

Sieben unterschiedliche Versionen mögen einen Einblick geben, wie schwierig es ist, chinesische Lyrik angemessen zu übersetzen und zu übertragen:

Übersetzer/Nachdichter Text
Wilhelm Grube Zu meiner Lagerstätte scheint licht der Mond herein,
bedeckt mit fahlem Glanze wie kalter Reif den Rain.
Ich heb das Haupt und blicke empor zum lichten Mond,
drauf laß ich's wieder sinken und denk der Heimat mein.
Alfred Forke Vor meinem Bette ich Mondschein seh',
als wär' der Boden bedeckt mit Schnee.
Ich schau zum Mond auf, der droben blickt,
der Heimat denkend das Haupt mir sinkt.
Hans Bethge In fremdem Lande lag ich. Weißen Glanz
malte der Mond vor meiner Lagerstätte.
Ich hob das Haupt - ich meinte erst, es sei
der Reif der Frühe, was ich schimmern sah,
dann aber fühlte ich: der Mond, der Mond!
und neigte das Gesicht zur Erde hin,
und meine Heimat winkte mir von ferne.
Manfred Hausmann Vor meiner Bettstatt lag wie Reif so weiß
des Mondlichts mitternächtiges Gegleiß.
Ich hob das Haupt – der Mond schien voll und blank –
und ließ es wieder sinken, heimwehkrank.
Vincenz Hundhausen Vor meinem Bette spielt ein weißes Licht.
Ist es der Morgen schon? Ich weiß es nicht.
Und wie ich zweifelnd hebe mein Gesicht,
seh' ich den Mond, der durch die Wolken bricht.
Da muß ich mich zurück aufs Lager senken
und heimatlos an meine Heimat denken.
Günter Eich Vor meinem Bette das Mondlicht ist so weiß,
Daß ich vermeinte, es sei Reif gefallen.
Das Haupt erhoben schau ich auf zum Monde,
Das Haupt geneigt denk ich des Heimatdorfs.
Niklas Hoppe Bald blickt der Mond hell auf mein Schlafgemach,
ich spüre Schwere, kalt wie starren Reif,
so sehnsuchtsvoll blick ich dem Mondlicht nach,
wenn ich gedanklich hin zur alten Heimat reis.

Literatur

  • Hans Bethge: Die chinesische Flöte. Nachdichtungen chinesischer Lyrik Bd 1. YinYang Media Verlag, Kelkheim 2001 ISBN 3-9806799-5-0
  • Günther Debon: Li Tai-bo. Gedichte Philipp Reclam, Stuttgart 1962
  • Klabund: Li-Tai-Pe Insel, Frankfurt 1959
  • Helwig Schmidt-Glintzer: Geschichte der chinesischen Literatur Bern 1990, ISBN 3-406-45337-6
  • Erwin Ritter von Zach, Hartmut Walravens, Lutz Bieg: Li T'ai-po, Gesammelte Gedichte Wiesbaden: I-X, 2007 ISBN 978-3-447-05587-1; Bücher XI-XV, 2000 ISBN 978-3-447-04279-6; Bücher XVI-XXV und XXX, 2005 ISBN 978-3-447-05158-3
  • Chang, Shoou-Huey: China-Rezeption auf Jiddisch. Zu den Li-Tai-Po-Übersetzungen in: Jiddistik Mitteilungen. Jiddistik in deutschsprachigen Ländern. Wissenschaftliche Halbjahresschrift. Universität Trier, 1997, Heft 18, S. 1–16 ISSN 0947-6091

Weblinks


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