Litvínov

Litvínov
Litvínov
Wappen von Litvínov
Litvínov (Tschechien)
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Basisdaten
Staat: Tschechien
Region: Ústecký kraj
Bezirk: Most
Fläche: 4070 ha
Geographische Lage: 50° 36′ N, 13° 37′ O50.59972222222213.611666666667338Koordinaten: 50° 35′ 59″ N, 13° 36′ 42″ O
Höhe: 338 m n.m.
Einwohner: 27.144 (1. Jan. 2011) [1]
Postleitzahl: 436 01
Kfz-Kennzeichen: U
Struktur
Status: Stadt
Ortsteile: 12
Verwaltung
Bürgermeister: Daniel Volák (Stand: 2009)
Adresse: Náměstí Míru 11
436 91 Litvínov
Gemeindenummer: 567256
Website: www.litvinov.cz
Lageplan
Lage von Litvínov im Bezirk Most
Karte
Fußgängerzone Náměstí Míru mit St.Michael
Fußgängerzone Náměstí Míru mit St.Michael

Litvínov (deutsch: Oberleutensdorf) ist eine Stadt im Okres Most in der nordböhmischen Region Ústecký kraj am südlichen Fuß des Erzgebirges.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Name ist vermutlich auf den Besiedler Lutvín oder Litvín zurückzuführen. Als Dorf mit Kirche wurde das Dorf das erste Mal im Jahre 1352 urkundlich in der päpstlichen Steuerbulletin "Registrum decimarum" erwähnt. In diesem und weiteren Eintragungen von 1369, 1384, 1399 und 1405 wird Lutwini villa, Lutwinow, Luthvinuivilla und Litwinow erwähnt. Das Dorf war Eigentum der Herren von Hrabischitz, denen ein Großteil der Länder unterhalb des Erzgebirges gehörte. Im 14. und 15. Jahrhundert wechselte es ständig den Besitzer.

So verkaufte Bores von Riesenburg 1398 das gesamte Vermögen samt der Stadt Dux an den Meißner Markgrafen Wilhelm I.. In der Eigentumsliste tauchen dann das erste Mal auch die beiden Bezeichnungen für Litvinov auf, die später immer wieder benutzt werden. Zu einem Leutmannsdorf und Nedir Leutnnansdorf (tschechisch Dolni Litvinov). Beide Bezeichnungen wurden auch in der Urkunde von 1459 erwähnt, als die böhmische Krone unter dem König Georg von Podiebrad die Besitztümer von den Meißnern zurückkauft und der Besitz der Riesenburger zum königlichen Lehen wird. Am Ende des 15. Jahrhundert verkaufte Vladislav II. diese Güter an der Landtafel wieder.

Die Stadt erhielt Kaspar von Jahn, verpfändete diese 1505 als sogenanntes Swrchni Litvínov (Oberleutensdorf) an Sigismund von Dubany. Seit diesem Zeitpunkt wurden beide Begriffe Ober- und Unterleutensdorf in den Urkunden konsequent erwähnt.

Anfang des 16. Jahrhundert übernahmen die Herren von Jahn die Herrschaft und siedelten sich hier auch an. 1589 wurde der Ort an Wenzel von Lobkowicz verkauft, der das Dorf mit Obergeorgenthal (Horní Jiřetín) vereinte. Gleichzeitig begann man in der Rauschenbach mit dem Abbau von Kupfer, Molybdän und Zinkerzen.

1850 fand eine Gebietsreform statt. Oberleutensdorf wurde durch einen Erlass des Statthalters von Böhmen am 5. August 1852 zur Landesstadt erhoben. In ihr Zuständigkeitsgebiet fielen die Gemeinden Wiesa, Schönbach, Bergesgrün, Hammer, Oberdorf, Rauschendorf, Sandl, Zettl und Raschau. Allerdings traten später einige Gemeinden aus dem Gemeindeverband wieder aus, so 1898 Wiesa, 1905 Bergesgrün und Hammer und 1913 Schönbach, Rauschengrund, Oberdorf und Sandl.

1860 zählte die Stadt 3.181 Einwohner, 1880 3.813 und wuchs bis 1900 auf 8.810. Am 4. Januar 1905 bekam die Stadt ein Kreisgericht und Finanzamt zugesprochen.

1938 wurde Oberleutensdorf mit dem gesamten Sudetenland ins Deutsche Reich integriert. 1941 wurden Niederleutensdorf und Maltheuern eingemeindet, 1943 kam Bergesgrün wieder hinzu. Aufgrund der Beneš-Dekrete wurde ab Mai 1945 die deutsche Bevölkerung zum großen Teil enteignet und vertrieben. Viele Neubürger aus Mittelböhmen, der Slowakei, sogenannte "Repatrianten" und Roma siedelten sich in der Nachkriegszeit in Litvínov an.

Wirtschaft

Nachdem 1642 Polyxena von Lobkowicz Maximilian von Waldstein heiratete kam der Ort einige Jahrhunderte in den Herrschaftsbereich der Waldsteins. Wirtschaftlichen Wachstum erlebte Oberleutensdorf nach der Gründung der ersten Tuchweberei durch Johann Josef von Waldstein. Er galt als Vertreter des sich wirtschaftlich orientierenden Adels. Er versuchte neue Wege zu finden, um aus der Krise des Dreißigjährigen Krieges herauszukommen. Er versuchte den am Boden liegenden Erzbergbau wieder aufleben zu lassen, unter seiner Regentschaft wurde verstärkt mit dem Braunkohleabbau begonnen. Daneben gründete er die ersten Textilmanufakturen in Oberleutensdorf. Arbeitskräfte waren kein Mangel, da Landwirtschaft und der Viehzucht in den umliegenden Bergen nicht genügend Erträge abwarfen. Auch an Fachkräften mangelte es nicht. Diese kamen meist aus den Manufakturen des Kloster Ossegg. Bereits 1715 exportierten seine Manufakturen feines Wolltuch ins Ausland. Im gleichen Jahr bekam die Stadt vom Kaiser Karl VI. das Marktrecht verliehen, ein Jahr später das Stadtsiegel und Wappen, 1721 kam ein zweiter Jahresmarkt hinzu, an dem meist Tuch angeboten wurde.

1715 wurde Oberleutensdorf wegen seiner gewachsenen wirtschaftlichen Bedeutung zur Stadt ernannt. Weitere Zünfte siedelten sich an. 1717 war es die Bauzunft, 1726 die Schmiede, Wagner und Weber. 1737 trennten sich die Müller von der Duxer Zunft und gründeten in Oberleutensdorf eine eigene. 1746 kamen Tischler, Schlosser und Büchsenmacher hinzu, 1748 konstituierte sich die Bäckerzunft.

Ab 1757 kamen weitere Webereien, Strumpffabriken und Strickwarenfabriken hinzu, die anfangs von 22 Meistern gebildet wurde, deren Zahl bis 1819 auf 300 anwuchs. Die Produkte fanden bis Anfang des 19. Jahrhundert Absatz in ganz Europa. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen Spielwarenmanufakturen hinzu. 1829 wurde im Ortsteil Rauschengrund die erste Textilfabrik erbaut, die zur Herstellung Maschinen einsetzte.

Industrialisierung

Aber auch in Oberleutensdorf sollte modernste Technik eingesetzt werden. Franz Adam von Waldstein baute gemeinsam mit dem Reichenberger Unternehmer Johann Ferdinand Röhmeld und Josef Heutig die ersten Dampfmaschinen in die Textilmanufakturen ein. Die Entwicklung kam jedoch zu spät und litt zudem durch die zunehmende Konkurrenz der Unternehmen in Reichenberg und die Wirtschaftskrise in den Jahren 1847/48. Schließlich musste sie geschlossen werden. 1860 versuchten die Nonnen des Kreuzordens den Betrieb wieder zu beleben, mussten aber auch nach acht Jahren Konkurs anmelden.

Seit den 1820er Jahren wuchs die Bedeutung der Spielwarenindustrie. C. G. Krause aus dem sächsischen Heidelberg baute die erste Manufaktur auf. Acht Jahre später stieg in das Geschäft auch der ehemalige leitende Angestellte der Waldsteiner Tuchmanufaktur Johann Franz Teibler ein. Das erfolgreiche Unternehmen wuchs auch unter dem nächsten Geschäftsführer, dem Magdeburger Carl Anton Müller weiter, der es später auch übernahm, in C. A. Müller umbenannte und in Oberleutensdorf ein neues Fabrikgebäude erbauen ließ. Die Firma bestand bis 1910.

Ein weiteres bedeutendes Unternehmen im 19. Jahrhundert war die Pappmaché-Manufaktur von Johann Georg Höhnlein aus Eisfeld, die 1834 mit der Produktion begann und von seiner Tochter, die Tierfiguren und Früchte herstellte, weiter betrieben wurde. Einen ähnlichen Betrieb eröffnete Bernhard Rothe, der daneben Modelle aus Lehm, Gips und Schwefel kreierte, für die er an der Weltausstellung in London 1851 die goldene Drei-Kaiser-Verdienstmedaille erhielt.

Während des 19. Jahrhunderts wurden im nordböhmischen Becken die ersten Bergwerke zum Abbau von Braunkohle angelegt. Ein industrieller Aufschwung setzte ein, 1872 bekam Oberleutensdorf Eisenbahnanschluss durch die Dux-Bodenbacher Eisenbahn.

Seit dem 15. September 1879 residierte in der Stadt die fünf Jahre zuvor in Katharinaberg gegründete Spielwarenfachschule, die 1882 verstaatlicht wurde. Die Schule wurde in ganz Österreich-Ungarn für originelle Ideen und erfolgreiche Projekte bekannt und erhielt mehrere Auszeichnungen. 1890 erfolgt die Erweiterung und Umbenennung in k.k. Fachschule für Keramik und Fachgewerbe. Durch schlechte Bezahlung in der Holz- und Spielwarenproduktion und des Wachstums der Textilindustrie und des Bergbaus sanken in den Folgejahren die Schülerzahlen und die Schule wurde schließlich 1916 geschlossen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Einwohnerzahl durch Zuzug stark zu. Grund war die zunehmend starke Stellung der Textilproduktion Ende der 1820er Jahre. In der Stadt selbst und im Rauschengrunder Tal erbaute Augustin Wilhelm Marbach aus Chemnitz 1828 bis 1831 die ersten Textilindustriebetriebe. Später trat Konrad Riecken in das bis 1945 erfolgreich tätige Unternehmen Marbach & Riecken ein. 1846 kam eine Spinnerei der Gesellschafter Gulder und Halisch, die M. Schick & Co. hinzu, 1890 die Spinnerei E. G. Pick & Co. 1879 ersteigerte Familie Keller aus Lennep Teile der Firma A. Müller nebst Wasserrechten und eröffnete eine Filzhutfabrik.

Braunkohletagebau

Ein weiterer starker und über Jahrhunderte hinaus auf die Menschen und die Umwelt einflussnehmender Wirtschaftszweig war der Bergbau. Mit der ersten Tagebau-Förderung wurde 1922 begonnen. Für den Transport der gewonnenen Braunkohle, aber auch der Industrieerzeugnisse wurde der Ort an das nordböhmische Bahnnetz angeschlossen. Der Bahnhof, gleichzeitig wichtiger Bahnknotenpunkt wurde am 24. November 1894 in Betrieb genommen.

Industriekomplex Záluží mit der "Ewigen Flamme"

Ab 1937 errichtete die Sudetenländische Treibstoffwerke AG (STW)[2] in den Gemarkungen der Gemeinden Maltheuern, Rosenthal und Kopitz ein Hydrierwerk zur Herstellung von synthetischem Benzin aus Braunkohle. Die Braunkohlenbergwerke wurden von der Sudetenländischen Bergbau AG (SUBAG) verwaltet, beides Teilbetriebe der Hermann-Göring-Werke. Die benötigten Arbeiter bildeten in dieser Zeit Gefangene und Zwangsarbeiter. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Werk unter dem Namen SK Stalinovy Zavody (Stalinwerk) weitergeführt, später als Chemische Werke der tschechoslowakische-russischen Freundschaft (Chemické závody československo-sovětského přátelství) und heißen seit 1991 Chemopetrol. Inzwischen gehört der Betrieb zum polnischen Konzern PKN Orlen.

Auf der anderen Seite kam es Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr zum Niedergang der Textilindustrie. Die Herstellung von Spielwaren wurde ebenfalls eingestellt. Der Niedergang der Industrie führte schließlich zu einer Arbeitslosenquote von knapp 25 %.

Verkehrswesen

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es eine Straßenbahnlinie, die Litvínov mit der Nachbarstadt Most verbindet.

Städtepartnerschaften

Sehenswürdigkeiten

Pfarrkirche St. Michael

Ortsteile

  • Dolní Litvínov (Niederleutensdorf)- bis auf 6 Häuser liquidiert durch den Braunkohleabbau.
  • Hamr (Hammer)
  • Horní Litvínov (Oberleutensdorf)
  • Horní Ves (Oberdorf)
  • Chudeřín (Bergesgrün)
  • Janov u Litvínova (Johnsdorf)
  • Křížatky (Kreuzweg)
  • Lounice (Launitz)
  • Písečná (Sandl)
  • Růžodol (Rosenthal)
  • Šumná (Rauschengrund auch Rauschenbach)
  • Záluží (Maltheuern)

Persönlichkeiten

Söhne und Töchter der Stadt

  • Edgar Marsch (* 6. April 1938 in Oberleutensdorf), deutsch-schweizerischer Germanist und Literaturwissenschaftler

Im Ort lebten und wirkten

Ehrenbürger

  • 1925, Franz Xaver Klausnitzer, früherer Bürgermeister

Sport

Einzelnachweise

  1. Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2011 (XLS, 1,3 MB)
  2. [1] Anleihe der STW AG von 1942

Weblinks

 Commons: Litvínov – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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