Manichäer

Manichäer
Manichäer aus einem Manuskript von Khocho, Tarimbecken.

Der Manichäismus war eine antike offenbarte Religion. Das aktive Bemühen ihrer Vertreter, die Weisheit und das Wissen anderer Religionen, Kirchen und Traditionen aufzunehmen, wird oftmals als Synkretismus bezeichnet. Sie ist benannt nach ihrem Gründer, dem Perser Mani (216-276 oder 277).

Mit der Genehmigung des Schapur I. (r. 242–273) konnte Mani seine Lehre zumindest in Babylonien und Irans Südwesten verbreiten. Einer der nachfolgenden Herrscher, entweder Bahram I. (r. 273–276) oder Bahram II. (r. 276–293), ließ ihn jedoch auf Anstiften des zoroastrischen Oberpriesters Kartirs verhaften. Der 60-jährige Mani starb in Gefangenschaft; der Grund seines Todes ist nur aus manichäischen Quellen bekannt, in denen er zur Kreuzigung stilisiert dargestellt wird.

Die Lehre des Mani wird des Öfteren als die der zwei Naturen (oder Substanzen, Prinzipien) und drei Zeiten (oder Epochen) bezeichnet. Die zwei Naturen sind die des Lichts und die der Finsternis, und die drei Zeiten sind die Zeit, in der beide Naturen getrennt waren, dann die Zeit, in der sie vermischt sind, und dann die Zeit, in der sie wieder (endgültig) getrennt sein werden.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Die Zeit, in der Mani heranwuchs, war zoroastrisch geprägt, aber Mani wuchs in einem judenchristlichen Umfeld auf. Er gehörte, ebenso wie sein Vater, nach Aussage des Kölner Mani-Kodexes den Elkesaiten an. In der früheren Forschung wurde die Täufergruppe fälschlich als Mandäer identifiziert. Noch in seiner Jugend hatte Mani Offenbarungserlebnisse. Nach Manis eigenen Worten erschien ihm mit zwölf Jahren zum ersten Mal sein von Gott gesandter Gefährte, der ihm bis zu seinem vierundzwanzigsten Lebensjahr „all das offenbarte, was war und sein wird, all das, was die Augen sehen, die Ohren hören und der Gedanke denkt“. Nach dem Abschluss dieser Offenbarungen löste er sich von der Täufersekte.

Kontakte

Reisen in den Osten brachten ihn in Kontakt mit dem Mahayana-Buddhismus. Mani sah die Beschränkungen dieser Religionen, die nur in einzelnen Sprachen und für einzelne Völker Verbindlichkeit besaßen und deren Angehörige oft unter sich um die Lehre stritten. Daher bemühte er sich, die Schriften seiner Religion noch zu seinen Lebzeiten aufschreiben zu lassen, die Lehre eindeutig zu formulieren, um Schismen zu vermeiden und sie weltweit zu verbreiten. Bis zu seiner Hinrichtung missionierte er im Perserreich, doch seine Anhänger brachten den Manichäismus nach Westen ins Römische Reich, nach Osten bis in das Kaiserreich China.

Mani verstand sich selbst als Nachfolger der großen Religionsstifter: Jesu, Zarathustras und Siddhartha Gautamas (Buddhas). Entsprechend stellt der Manichäismus eine synkretistische Lehre dar, die sowohl zoroastrische, christliche als auch buddhistische Elemente enthält. Auch die geistige Strömung des Gnostizismus hatte Einfluss auf Manis Religion. Das führte dazu, dass der Manichäismus im Mittelmeerraum als „Kirche des heiligen Geistes“ auftrat und der Prophet Mani als der von Christus verheißene Paraklet galt, in anderen Teilen der Welt der Religionsstifter als Wiedergeburt des Laozi oder als neuer Buddha gesehen wurde.

Im Bereich der östlichen Manichäer um Samarkand sind vom 4. bis 6. Jahrhundert - als das Parthische als gesprochene, nicht jedoch liturgische Sprache am Aussterben war - buddhistische Einflüsse auf liturgische Texte erkennbar.[1]

Mythos

Am Anfang war das Lichtreich Gottes, dessen Wesen fünf Denkformen umfasste: Vernunft, Denken, Einsicht, Sinne und Überlegung. Demgegenüber steht das Reich der Finsternis, bestehend aus Rauch, Feuer, Wind, Wasser und Finsternis. In diesem Reich herrscht Kampf und Uneinigkeit. Während seiner inneren Kämpfe attackiert die Finsternis das Licht. Gott der Vater ist Friede und will daher keinen Kampf. Aus diesem Grund sendet er seinen Sohn in den Kampf, damit dieser von der Finsternis gefangengenommen wird. Durch das Opfer seines Sohnes bleibt zum einen das Lichtreich unversehrt, zum anderen wird der endgültige Sieg über die Finsternis damit vorbereitet. Um die Lichtelemente zu retten, wird die Welt erschaffen; dabei bildet der „lebendige Geist“ die übrig gebliebenen Lichtelemente zu Sonne, Monde, Gestirne, Himmel und Erde, die somit eine Vermischung von Licht und Finsternis darstellen. Erst der „Dritte Gesandte“, nach Urmensch (Gayomarth) und lebendigem Geist, setzt die Räder (Feuer, Wasser und Wind) in Bewegung, welche das Licht nach oben zur Milchstraße ableiten und letztendlich an die Sonne weitergeben. Danach enthüllt sich der „Dritte Gesandte“ zum Menschenpaar (Adam und Eva), das fortan für das Weltschicksal verantwortlich ist. Um ihrer Rolle gerecht werden zu können, sendet der „Dritte Gesandte“ „Jesus den Glanz“, der den Menschen über die „göttliche Vernunft“ aufklärt.

Die Endzeit tritt dann ein, wenn die Lichtbefreiung fast vollendet ist und die materielle Welt zu einem Klumpen zusammengeschmolzen wird. Eine Neuerstehung, nach der endgültigen Trennung von Licht und Finsternis, findet nicht statt.

Lehre

In der manichäistischen Weltsicht stehen sich das göttliche Lichtreich und das Reich der Finsternis als Gegner gegenüber. Durch den Kampf zwischen diesen Mächten sind Teile des Lichts von der Finsternis gefangen und in der Welt eingeschlossen worden (vgl. Abschnitt zum Mythos). Lebewesen zu töten, ja allein schon Obst zu pflücken, verletzt diese göttliche Substanz und verlängert ihre Gefangenschaft in der Welt.

Um das Licht zu befreien und wieder zum Reich Gottes hinzuzufügen, braucht es die „Auserwählten“. Sie vermeiden jegliche Verletzung des eingeschlossenen Lichtes bzw. die Verlängerung seiner Gefangenschaft, indem sie keinen Geschlechtsverkehr haben und weder Menschen, Tiere noch Pflanzen verletzen. Für ihre Nahrungsbeschaffung müssen daher die „Hörer“ sorgen, eine Art manichäische Laien. In der Verdauung der Auserwählten wird das Licht von der Finsternis geschieden und durch Gesang und Gebet kann es wieder zu Gott zurückkehren.

Hörer mussten dafür zu ihrer Reinigung mehrere Inkarnationen durchlaufen, was von einzelnen in Beziehung zur mittelalterlichen Lehre vom Fegefeuer gesetzt wird.

Die Weltgeschichte endet mit einem Gericht, in dem Licht und Finsternis auf ewige Zeiten getrennt werden.

Gliederung der manichäistischen Kirche und Ethik

Mani unterteilte seine Anhänger in zwei Gruppen, die er in Hörer („Auditores“) und Auserwählte („Electi“) unterschied. Den Auserwählten wurden drei ethische Grundsätze (oder Siegel) auferlegt. Die Hörer sollten diese zumindest am Sonntag befolgen.

  • Siegel des Mundes, mit der Enthaltung von Fleisch, Blut, Wein, Früchten und Fluchworten.
  • Siegel der Hände, mit der Enthaltung von jeglicher Arbeit. Nur zur Begrüßung durfte die rechte Hand gereicht werden, des weiteren waren auch rituelle Handauflegungen sowie jede Form geistiger Arbeit ausgenommen.
  • Siegel der Enthaltsamkeit, mit dem Verbot jeglichen Geschlechtsverkehrs.

Für den Ritus wichtig waren Gebete, Rezitieren von Hymnen, feierliches Abendmahl, die wöchentliche Beichte und magische Rituale.

Geschichte

Manichäische Priester, Wandfreske aus Khocho, Xinjiang, 10. und 11. Jahrhundert nach Christus (Museum für Asiatische Kunst in Berlin-Dahlem)

Der Manichäismus breitete sich in der Spätantike im 3. und 4. Jahrhundert rasch in Persien und den umliegenden Regionen aus. Ein Bruder des persischen Großkönigs Schapur I. konvertierte zum Manichäismus, unter Schapurs Nachfolgern wurden die Manichäer jedoch verfolgt. Ende des 4. Jahrhunderts war der Manichäismus bereits in vielen Teilen des Römischen Reiches präsent (wo schon unter Diokletian ebenfalls gegen Manichäer vorgegangen worden war), unter anderem in Nordafrika, wo der spätere christliche Kirchenvater Augustinus von Hippo zehn Jahre Hörer – Auditor – der Manichäer war. Nach seiner Abwendung von dieser Lehre (und der Hinwendung zum Skeptizismus, gefolgt vom Neuplatonismus und anschließend zum Christentum) bestimmten seine polemischen Schriften gegen die Manichäer bis in das 20. Jahrhundert die europäischen Vorstellungen vom Manichäismus. In welchem Umfang der Manichäismus Augustinus’ Denken mit formte und so Eingang ins (vor allem westliche) Christentum fand, ist nicht bis ins Letzte geklärt. Alfred Adam vertritt die These, Augustinus sei auch als Christ vom Manichäismus beeinflusst gewesen und führt Lehren wie den starken Dualismus (Staaten des Guten und Bösen in seinem Werk Gottesstaat), die Fegefeuerlehre (Inkarnation der „Hörer“), die Höllenlehre, die Erbsündenlehre, die Lehre der doppelten Prädestination (electi, auditores und Sünder), den Kreislauf (zwei Staaten zu Anfang und zum Ende) und die Körper- und Sexualfeindlichkeit auf den Manichäismus zurück.

Durch rege Missionstätigkeit breitete sich der Manichäismus bis in das Kaiserreich China und Spanien aus. Der Manichäismus wurde 762 unter Bögü Khan Staatsreligion der Uiguren. Die Gründe für den großen missionarischen Erfolg des Manichäismus sind bisher nicht völlig geklärt. Ein Faktor war sicherlich seine Anpassungsfähigkeit an lokale Gegebenheiten: Die Manichäer passten den Wortschatz ihrer Lehre im Osten dem Buddhismus und im Westen dem Christentum an, wobei der spezifische Gehalt ihrer religiösen Botschaft und ihre Identität trotz der unterschiedlichen Terminologie bemerkenswert homogen waren.

In Westeuropa gelangte der Einfluss der manichäischen Gemeinden vor allem nach Oberitalien, Spanien, Südfrankreich, teilweise sogar bis in die Rheinebene sowie nach Flandern und Holland. Er war zeitweise eine ernsthafte Konkurrenz für das Christentum und hielt sich trotz heftiger Verfolgung bis ins fünfte Jahrhundert. In China ging die Religion etwa im 14. Jahrhundert unter. Anhänger des Manichäismus übten einen gewissen Einfluss auf die Gründung der Ming-Dynastie aus (Ming bedeutet „hell“ bzw. „Licht“). Die Manichäer im südwestlichen China zählten zu den einflussreichen Rebellengruppen.

Nachdem der Manichäismus als eigene Religion in Europa verschwunden war, hielt sich die Bezeichnung vor allem als polemischer Ausdruck für ketzerische Gruppen, die aber meist inhaltlich keinerlei Übereinstimmungen mit der manichäischen Lehre aufwiesen. Parallelen zum manichäischen Dualismus gab es bei den Bogomilen und Katharern (Albigensern); eine direkte Beziehung zum Manichäismus ist jedoch nicht erwiesen. Die heutige Forschung über den Manichäismus stützt sich stark auf die 1930 in Medinet Madi (Medînet Mâdi) in Ägypten gefundenen Texte. Dabei handelt es sich um mindestens 51 verschiedene Schriften in koptischer Sprache. Die meisten stammen aus dem 4. Jahrhundert und sind Übersetzungen verlorener Originale in griechischer Sprache. Ein weiterer wichtiger Hinweis ist der seit der Mitte des 20. Jahrhunderts bekannte Kölner Mani-Kodex aus dem 5. Jahrhundert, das kleinste Buch der Antike. Auf winzigen Pergamentseiten ist die Lebensgeschichte Manis festgehalten.

Verschiedene neugnostische Bewegungen berufen sich auf den Manichäismus.

Siehe auch

Literatur

  • A. Adam: Das Fortwirken des Manichäismus bei Augustin. In: ZKG (69) 1958, Seiten 1 bis 25
  • A. Adam: Der manichäische Ursprung der Lehre von den zwei Reichen bei Augustin. In: ThLZ 77 (1952), Seiten 385 bis 390
  • Alexander Böhlig: Die Gnosis: Der Manichäismus. Neuauflage, Düsseldorf und Zürich, 2002, ISBN 3-7608-1150-7 (übersetzte Quellentexte, enthält eine gute und informative Einleitung sowie umfangreiche Anmerkungen).
  • Alexander Böhlig: Manichäismus. In: Theologische Realenzyklopädie 22 (1992), Seiten 25 bis 45 (hervorragender Überblick mit umfangreichen Literaturhinweisen).
  • Iain Gardner und Samuel N. C. Lieu: Manichaean Texts from the Roman Empire, Cambridge, 2004
  • Wilhelm Geerlings: Augustinus, Herder/Spektrum Meisterdenker, (2004), Seiten 19 bis 24, ISBN 3-926642-51-3
  • Wassilios Klein: Die Argumentation in den griechisch-christlichen Antimanichaica, Wiesbaden, 1991 (= Studies in Oriental Religions 19)
  • Hans-Joachim Klimkeit: Mani, Manichäismus. In: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage, Band 6, Seiten 1265 bis 1269.
  • Hans-Joachim Klimkeit: Hymnen und Gebete der Religion des Lichts. Iranische und türkische liturgische Texte der Manichäer Zentralasiens, Opladen, 1989
  • Ludwig Koenen, Cornelia Römer: Mani. Auf der Spur einer verschollenen Religion, Herder, Freiburg, 1993, ISBN 3-451-23090-9 (enthält die Übersetzung des Kölner-Mani-Kodex’).
  • Johannes von Oort: Mani, Manichäismus. In: Religion in Geschichte und Gegenwart, Band 5, Seiten 731 bis 741
  • Steven Runciman: Häresie und Christentum. Der mittelalterliche Manichäismus, München, Wilhelm Fink Verlag, 1988
  • Werner Sundermann: Der Manichäismus an der Seidenstraße. Aufstieg, Blüte und Verfall. In: Ulrich Hübner u.a. (Herausgeber): Die Seidenstraße. Handel und Kulturaustausch in einem eurasiatischen Wegenetz. 2. Auflage, Hamburg, 2005 (= Asien und Afrika 3), Seiten 153 bis 169, ISBN 3-930826-63-1
  • Nahal Tajadod: Mani le bouddha de lumière, catéchisme manichéen chinois, Cerf, 1991, ISBN 2-204-04064-9
  • Geo Widengren: Mani und der Manichäismus, Kohlhammer, Stuttgart, 1961
  • Manichaica Iranica. Ausgewählte Schriften von Werner Sundermann. Hrsg. von Christiane Reck, Dieter Weber, Claudia Leurini, Antonio Panaino, 2 Bände, Rom, 2001 (Serie Orientale Roma LXXXIX, 1/2)

Einzelnachweise

  1. Jotiya Dhirahseva; Encyclopaedia of Buddhism; s.l. 1979 (Government of Sri Lanka), in Vol. IV, "Central Asia“ Seite 24

Weblinks


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