- Marcha orientalis
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Die Marcha orientalis, auch Marchia orientalis (lateinisch für „Östliche Mark“ oder „Ostmark“), war die östliche Präfektur des Herzogtums Bayern von Beginn des 9. Jahrhunderts bis zum Magyareneinfall im Jahre 907.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Nach der Eroberung des Langobardenreiches im Jahre 774 durch Karl den Großen wurde 788 auch das mit den Langobarden verbündete Herzogtum Bayern Herzogs Tassilo III. zerschlagen und in das Fränkische Reich eingegliedert.
Zum Schutz des Reiches gegen die östlich siedelnden Awaren ließ Karl nach den erfolgreichen Feldzügen der Jahre 791 bis 803 in den eroberten Gebieten neue Grenzmarken errichten: Neben der nördlichen Ostmark die südlichere Awarenmark und die an diese im Süden anschließende Mark Karantanien.
Bereits zu Zeiten des Baiernherzogs Tassilo hatte Graf Ottocher, der Gründer von St. Pölten (771 Kloster St. Hippolyt, daraus ‚St. Pölten‘), die Awaren auf dem Ybbsfeld besiegt und hinter den Kamp und den Wienerwald zurückgedrängt. In den Feldzügen 791–796 und 803 schlug Karl der Große in der Koalition mit dem bulgarischen Khan Krum die Awaren vernichtend und dehnte die Grenzmark bis weit nach Pannonien hinein aus; dieses Avaria reichte wohl bis über den Balaton hinaus, die abhängigen Gebiete erstreckten sich bis nach Kroatien und Slowenien und schlossen im Südwesten an Karls ehemals langobardisches Oberitalien an. Daraufhin setzte er seinen Schwiegervater Gerold I., den Anglachgauer († wohl schon 795), seit der Entmachtung Tassilos 788 Präfekt in Baiern, als Markgrafen ein.
Nach dem Tode Gerolds älteren Sohnes Gerold II., Ahnherr der Geroldonen, im Jahre 799 kam es zu einem Aufstand der Awaren, in dessen Folge die Verwaltung Baierns umgestaltet wurde: Der ‚altbairische‘ Traungau wurde mit den ‚neubairschen‘ Karantanien und dem Avaria Karls (dem unteren österreichischen Donautal und Oberpannonien), sowie die friulanischen Ostlande, unter dem gemeinsamen Namen Plaga oder Marcha orientalis verwaltet.[1][2] Hauptstadt war Lorch an der Enns, und neben dem Präfekten (Alt-)Baierns in Regensburg, residierte auch hier ein Präfekt. Diesem Ostlandpräfekten, Udalrich I., Bruder des jüngeren Gerold, Ahnherr der Udalrichinger, waren die fränkischen Grenzgrafen untergeordnet, sowie die – im Raum Leithagebirge angesiedelten – frankentreuen Awaren- und im ganzen Ostland verteilten Slawenfürsten.
Schon 819–822 wurde der Süden vom südslawischen Fürsten Ljudevit von Posavien bedroht, und ab 833 musste das Territorium zunehmend gegen den Druck des Großmährischen Reiches verteidigt werden.
Der Vertrag von Verdun, der die Erbfolge-Streitigkeiten nach dem Tod Karls des Großen regelte, veranlasste im Jahre 843, die beiden bis dato gewissermaßen autonomen Marken in das ostfränkische Reich aufzunehmen.[2] Das Gebiet, das nun wieder etwa jenem der früheren Awarenmark entsprach, erstreckte sich von der Enns im Westen bis zur March und der Leitha im Osten und unterstand dem ostfränkischen König Ludwig II., dem Deutschen, während die friulanischen Ostlande an Kaiser Lothar I. gingen. Die Thron- und Territorialzwiste der Karolinger wirkten sich auch auf die Marcha orientalis aus, Karlmann, Sohn des Ludwig, von diesem mit der Verwaltung der baierischen Lande betraut, rebelliert gegen seinen Vater. Ludwig reagierte auf die Machtansprüche seines Sohnes mit großzügigen Schenkungen an die Bistümer Regensburg, Salzburg und Passau, die damit neben Missionierung die Hauptlast der Besiedlung und Kulturpflege trugen – und daher bis in das 19. Jahrhundert Besitzungen auch südlich des Alpenhauptkammes hatten.
Auch die Grafengeschlechter der Ostlande befehdeten sich als Parteigänger bitter, in den 870er und 880er-Jahren beherrschte der Zwist der Wilhelminer, die Karlmann unterstützt hatten, und der Aribonen die lokalpolitische Landschaft. Nachdem die Wilhelminerbrüder Wilhelm II. und Engelschalk I. 871 gefallen waren, regierte Aribo I. im Traungau, die Wilhelminer zogen sich nach Kärnten zurück. Aribo rief, im Streit mit dem Wilhelminer Arnulf von Kärnten sogar Sventopluk den Mäherer zu Hilfe, worauf dieser 882 den niederösterreichische Donauraum verwüstete, und 884 auch in Pannonien einrückte. Mit der Kaiserwahl Arnulfs 896 wurde Luitpold, Stammherr der Luitpoldinger, zum Widersacher Aribos.
In diese instabile Lage drang von Osten ab den 870ern eine neues Reitervolk, die Magyaren, ein. Sie zerschlugen das Neutraer Fürstentum, und machten sich um 900 am Plattensee ansässig. Schon 881 war ein Beutezug bei Wenia (Wien) angeschlagen worden, 900 und 901 erzielte der fränkische Heerbann Siege an Donau und Fischa. 906 überrannten die Magyaren aber Großmähren. Mit der Niederlage von Pressburg 907, bei der der Großteil des bayerischen Adels ausgelöscht wurde, gingen die Ostlande an die Magyaren verloren.[3][4][5] Die Baiern zogen sich hinter die Enns und aus den Gebieten südlich der Alpen zurück, die folgenden Ungarneinfälle führten bis tief in das Frankenreich.
Erst seit der Schlacht auf dem Lechfeld 955 begann die Rückeroberung für das Reich, die als Mark Ostarrîchi etwa 100 Jahre später mit der Verfestigung der Herrschaftsgrenzen abgeschlossen war.[5][4] Man geht davon aus, dass die Bezeichnung Ostarrîchi für die bairischen Ostgebiete ab dem späten 10. Jahrhundert, aus dem später das Herzogtum Österreich entstand, die umgangssprachliche Form von Marcha orientalis ist – schließlich wurden im Mittelalter zahlreiche lateinische Begriffe durch das Volk gewandelt, welches nur in den seltensten Fällen der Sprache des Lateins mächtig war, der Name wird sich wohl über den Magyarensturm hinaus gehalten haben.
Siehe auch
- Donau- und Alpenreichsgaue, zur Entlehnung des Begriffes im Dritten Reich
Literatur
- Manfred Scheuch: Historischer Atlas Österreich. Verlag Christian Brandstätter, Wien 1994. Lizenzausgabe: Österreich – Provinz, Weltreich, Republik. Ein historischer Atlas. Verlag Das Beste, Wien, ISBN 3-87070-588-4. Besiedlung durch die Slawen ca. 550–906. S. 20 f; Awarenherrschaft und Magyareneinfall 582–955 S. 22 f; Baiern und das karolingische Ostland ca. 791–907. S. 24 f
Einzelnachweise
- ↑ Scheuch: Baiern und das karolingische Ostland. In: Historischer Atlas. Das Beste, S. 25 Sp. 1.
- ↑ a b Andere Autoren sehen den Beginn als eigenständiges Gebilde mit dem Vertrag von Verdun 843.
- ↑ Scheuch: Baiern und das karolingische Ostland. In: Historischer Atlas. Das Beste, S. 25 Sp. 3.
- ↑ a b Markgrafschaft. In: Österreich-Lexikon, online auf aeiou.
- ↑ a b Auch wird von manchen Autoren der Magyareneinfall als „zeitweise Besetzung“ angesehen, und die Mark Ostarrîchi in Kontinuität gesehen, das Ende wäre dann 1156 mit dem Privilegium minus zu sehen.
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