Medizin des Altertums

Medizin des Altertums

Die Geschichte der Medizin im Altertum kann unterteilt werden in Ägyptische Medizin, Medizin des Zweistromlandes, die Medizin des Judentums, und die Medizin im Antiken Griechenland und im Römischen Reich. Die Medizin des Antiken Griechenlandes kann als Wiege der europäischen Medizin angesehen werden.

Inhaltsverzeichnis

Ägyptische Medizin

Siehe den Hauptartikel Medizin im Alten Ägypten

Die ersten Zeugnisse verfeinerter antiker Medizin stammen aus Ägypten. Bereits um das Jahr 2600 v. Chr. waren die Ägypter in der Lage, erste chirurgische Messer aus Kupfer herzustellen, die zu kleineren Operationen wie Beschneidungen verwendet werden konnten. Diese zu der Zeit übliche Praxis wurde vermutlich von den Juden oder Arabern übernommen. Im Smith-Papyrus, einer Textsammlung über Chirurgie, deren überlieferte Kopie um etwa 1700 v. Chr. entstand, deren Originalfassung aber vermutlich 1000 Jahre früher verfasst wurde, ist außerdem die Verwendung von feinen Kupfernadeln zum Nähen von Wunden und die Desinfizierung mit Honig beschrieben. Ärzte waren zumeist Priester. An einer Mumie aus der 5. Dynastie (ca. 2500 v. Chr.) fand man eine wirksame Schiene für ein gebrochenes Schienbein. Eine weitere Auflistung medizinischer Erkenntnisse findet sich im Papyrus Ebers aus dem Jahre 1550 v. Chr., dessen Inhalt jedoch hauptsächlich aus einer Auflistung von magischen Tränken sowie Zaubersprüchen besteht.

In Ägypten weit verbreitete Krankheiten waren vor allem die Pest, Bindehautentzündung (was vor allem durch feinen Sand und Staub sowie das Fehlen von ausreichender Hygiene bedingt war und in vielen Fällen zu Blindheit führte), Hepatitis und Wurmerkrankungen. Ein weiteres Problem war, dass sich die Zähne der Ägypter aufgrund von Sand in der Nahrung und Steinabrieb beim Mahlen von Getreide übermäßig abnutzten. Die ägyptischen Ärzte fertigten auch Prothesen an, die sie mit Goldbändern befestigten.

Die Ägypter besaßen des Weiteren auch gewisse Kenntnisse über Anatomie. So wussten sie über die Wichtigkeit des Herzens, hatten aber kein Wissen vom Kreislauf. Da sie erkannten, dass ein Mensch ohne Herz nicht lebensfähig war, fassten sie das Herz als Sitz der Intelligenz und Seele auf. Das Herz war folgerichtig das einzige Organ, das bei der Mumifizierung nicht entnommen wurde. Auf dieser Praktik gründete sich auch das anatomische Wissen der Ägypter, da für die Mumifizierung der Körper geöffnet wurde und so Erkenntnisse über den menschlichen Körperbau gewonnen werden konnten.

Die größte Verehrung als Arzt erfuhr Imhotep, ein Gelehrter am Hof des Pharaos Djoser. Imhotep wurde in späteren Zeiten die Begründung der ägyptischen Medizin nachgesagt. Auch soll er die Technik der Mumifizierung weiterentwickelt haben, in dem er die inneren Organe der Toten entnehmen ließ, um sie in speziellen Gefäßen, den Kanopen, aufzubewahren. In der ägyptischen Spätzeit, im "Neuen Reich", wurde er unter anderem auch als Gott des Heilwesens verehrt und die Griechen erkannten in ihm ihren Heilgott Asklepios und nannten ihn Imuthes. Allerdings sind die ihm zugeschriebenen medizinischen Errungenschaften nicht zeitgenössisch nachgewiesen und vermutlich über Jahrhunderte in der Legendenbildung gewachsen.

Medizin im Zweistromland

Medizinische Aufzeichnungen aus der Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. wurden auf Tontafeln aus der Bibliothek des Assurbanipal gefunden. Insgesamt 660 Tontafeln geben Aufschluss über ein medizinisches Wissen, das zur Zeit seiner Aufzeichnung bereits tausend Jahre alt war. Die Tafeln enthalten Symptome, Prognosen und mögliche Behandlungen verschiedener Krankheiten.

In Babylonien wurde die Tätigkeit der Heiler von Gesetzen reguliert. Sie enthielten Richtlinien für die Entlohnung nach Operationen, aber auch Sanktionen gegen Ärzte, die während der Operation den Tod eines Adeligen verursachten. Eine der wichtigsten Heilgötter war die Ištar von Niniveh. In Hanilgabat war die schwarze Šawuška berühmt[1], eine Statue dieser Gottheit wurde von den Mittani-Königen Šuttarna II. und Tušratta sogar nach Ägypten gesandt, als Amenophis III. erkrankte.

Medizin in der Bibel

Das Alte Testament enthält Gesundheitsvorschriften, die zwischen dem achten und dem dritten Jahrhundert vor Christus niedergeschrieben wurden. Krankheit wurde als Strafe Gottes betrachtet oder als Ermahnung, wie gut es uns eigentlich geht und wie zufrieden wir sein sollten. Kleriker waren mehr mit der Kontrolle der Einhaltung der Gesundheitsvorschriften als mit tatsächlicher Heilung beschäftigt. Regelungen, die Reinlichkeit, Sanitäranlagen und Abfallentsorgung betrafen, entsprachen in ihren Intentionen heutigen Standards.

Die Gesundheitsvorschriften waren niedergeschrieben im 3. Buch Mose, dem Leviticus. Orthodoxe Juden befolgen diese Vorschriften bis heute.

Medizin im Antiken Griechenland

Besonders hervorzuheben an der griechischen Medizin ist der Umstand, dass sie sich von der Vorstellung, Krankheit sei eine göttliche Strafe, entfernt hatte und als Wissenschaft betrachtetet wurde. Die griechische Philosophie lieferte eine wichtige Basis für die damalige Medizin. Man glaubte an eine allmächtige Naturmacht. Außerdem wurde großer Wert auf Harmonie gelegt, was Ähnlichkeiten zur orientalischen Medizin aufweist.

Die alten Griechen legten großen Wert auf die Harmonie der vier Temperamente. Diese wurden den vier Elementen gleichgesetzt. Außerdem ordneten sie die Temperamente verschiedenen Körperteilen und -säften zu. Die vier Säfte waren Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle. Gesundheit wird dann erreicht, wenn die vier Säfte im richtigen Mischungsverhältnis sind (siehe auch Humoralpathologie).

Heiler waren weitgereiste hoch angesehene Männer, die großen Wert auf Reinlichkeit legten. Sie wussten bereits, dass psychische Faktoren großen Einfluss auf Verlauf und Heilung von Krankheiten haben können. Dem Asklepios geweihte Tempel, sog. Asklepieon, dienten als Sanatorien, die eine wichtige Rolle in der Heilung vor allem psychosomatischer Krankheiten spielten. In ihnen konnten die Patienten die Nacht verbringen und in ihren Träumen die Heilung durch Asklepios erwarten. Der Stab des Asklepios, der so genannte Äskulapstab, um den sich eine Schlange wickelt, ist bis zum heutigen Tage Symbol der Medizin. Die Fähigkeit der Schlange, sich zu häuten, symbolisiert Erneuerung, Wiedergeburt und Heilung.

Hippokrates

Die wohl wichtigste Figur der griechischen Medizin ist Hippokrates. Er stammte aus der medizinischen Schule auf der Insel Kós. Seine eigene Arbeit und die seiner Schüler wurde in den 70 Bänden des Corpus Hippocraticum zusammengefasst. Viele der hierin beschriebenen Krankheiten sind heute immer noch verbreitet, zum Beispiel Malaria oder Gonorrhö. Das Werk enthielt außerdem Verhaltensregeln, wie zum Beispiel Kleiderordnung oder Vorschriften, die das Leben der Heiler regelten.

Der Hippokratische Eid, eine der Säulen der medizinischen Ethik, wird auch mit Hippokrates verbunden, obwohl er vermutlich nicht auf ihn zurück geht. Die, die den Eid leisten, versprechen ein heiliges, reines Leben zu führen und den Bedürfnissen der Patienten ihr ganzes Leben zu dienen.

Das bekannteste Zentrum der hellenistischen Ära war Alexandria. Herophilos und Erasistratos waren die bekanntesten Vertreter dieses geistigen Zentrums, das auch nach dem Brand der großen Bibliothek weiter bestand. Herophilos maß als erster den Puls und unterschied zwischen einer Lähmung von motorischen und sensorischen Nerven. Damit legte er den Grundstein für die Neurophysiologie. Erasistratos führte die Arbeit seines Vorgängers weiter und erkannte das Herz als wichtigsten Bestandteil des Blutkreislaufs.

Die griechische Medizin beeinflusste die Geschichte der europäischen Medizin für Jahrhunderte.

Ärzte im Römischen Reich

Um 293 v. Chr. litt Rom unter einem Ausbruch der Pest und musste griechische Ärzte um Hilfe bitten, die sich daraufhin in Rom niederließen. Daraufhin befand sich die Medizin des Römischen Reichs für Jahrhunderte fest in griechischer Hand. Der bekannteste Arzt in Rom 219 v. Chr. war der Grieche Archagathos von Peloponnes, ein Wundarzt (vulnerarius). Dieser wurde aber bald wieder aus Rom vertrieben, weil er zu exzessiv geschnitten (d. h. operiert) haben soll. Er erhielt deshalb den Beinamen „carnifex“, was so viel wie Fleischmacher bedeutet. Es dauerte über 100 Jahre, bis der nächste griechische Arzt Erwähnung findet. In der Tat gibt es in der römischen Welt der Antike fast nichts Griechischeres als die Medizin. Nur ca. fünf Prozent aller Grabsteine von Medici tragen nichtgriechische Namen.

Die griechischen Schulen in Rom richteten sich nach den Prinzipien, die von Hippokrates im Corpus Hippocraticum niedergelegt worden waren. Die Ärzte Roms formten auf Grund ihrer Arbeit drei Schichten: Jene, die freie unabhängige private Praxen hatten, die zweite Gruppe als Familienärzte im Dienst reicher Familien oder des Kaisers, und von der Stadt angestellte Ärzte als dritte Gruppe. Unter den römischen Ärzten fanden sich auch Frauen, hauptsächlich in der Geburtshilfe und der Gynäkologie.

Das pharmazeutische Wissen der Zeit befand sich in den fünf Bänden des De Materia Medica von Dioscorides. Diese Kräuterkunde wurde bis zur Renaissance verwendet.

Das chirurgische Wissen der alten Römer war sehr fortgeschritten, sie verwendeten 200 verschiedene Instrumente. Ihr Wissen über die Anatomie erhielten die Ärzte hauptsächlich durch Sektionen und Vivisektionen von Tieren. Das Öffnen des Körpers eines römischen Bürgers war verboten. Deswegen konnte für einen Wundarzt der Militärdienst reizvoll sein. Dort boten sich viel mehr Möglichkeiten, den menschlichen Körper zu studieren.

Die griechische Wertschätzung der Reinheit war auch in Rom sichtbar. Eine gute allgemeine Gesundheit und eine hohe Hygiene waren Haupterfolge der römischen Medizin.

Wichtigste Vertreter

Asklepiades von Bithynien wirkte im 1. vorchristlichen Jahrhundert in Rom. Er lehrte, dass Krankheiten aus der Einschränkung der Bewegung der Atome entstünden und verordnete daher Wasserkuren.

Marcus Terentius Varro, zwar kein Arzt, sondern Universalgelehrter, sprach in seinem Werk „Über die Landwirtschaft“ von kleinen unsichtbaren Geschöpfen, die in den Menschen durch die Atemwege und den Verdauungstrakt eindrangen und dort Krankheiten verursachten, was in Vergessenheit geriet, bis die Mikrobiologie diese Vermutung bestätigte.

Aulus Cornelius Celsus verfasste ein medizinisches Textbuch mit dem Titel De medicina bestehend aus acht Bänden. Unter anderem beschrieb er komplexe chirurgische Operationen, aber seine Beschreibung akuter Entzündung (lat. rubor, tumor, cum calore et dolore, dt. rot, schmerzhaft, warme Schwellung), die heute noch verwendet wird, brachte ihm die meiste Anerkennung.

Galenus (ca. 129-216 n. Chr.) war der bekannteste griechische Arzt und Autor einer Zusammenfassung, die den besten Überblick über das medizinische Wissen der Antike gibt. Eine seiner wichtigsten Entdeckungen war die Rolle des Blutes bei der Ernährung von Gewebe, und die Funktionsweise der Nerven. Dieser Teil seiner Lehren wurde jedoch kaum rezipiert, und er selbst und seine Nachfolger betrachteten die griechische Lehre von den vier Temperamenten als so wichtig, dass seine überarbeitete Theorie über die vier Flüssigkeiten dogmatisch für die gesamte mittelalterliche Medizin wurde. Der Glaube an die Heilwirkung von Aderlassen und vergleichbare Praktiken kostete zahlreiche Leben in späteren Jahrhunderten.

Die medizinischen Lehren, die sich mit Hippokrates und Galen verbinden, waren teilweise noch bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch. Die befriedigende Beantwortung der Frage, warum eine offenbar naturwissenschaftlich nicht haltbare Lehre weit über tausende Jahre in der Heilkunde als wirksam gelten konnte, und was dieser Umstand für die Methoden und Annahmen der modernen Medizin bedeutet, ist noch immer Aufgabe der medizingeschichtlichen Forschung.

Siehe auch

Literatur

  • Heike Achner: Ärzte in der Antike. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2009, ISBN 978-3-8053-4058-8.
  • Karl Deichgräber: Hippokrates' De humoribus in der Geschichte der griechischen Medizin. Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz 1972; Steiner, Wiesbaden 1972.
  • Gerhard Fichtner: Corpus Galenicum (Verzeichnis der galenischen und pseudogalenischen Schriften). Inst. für Geschichte der Medizin, Tübingen 1997.
  • Stephanos Geroulanos, Rene Bridler: Trauma - Wund-Entstehung und Wund-Pflege im antiken Griechenland. Philipp von Zabern, Mainz am Rhein 1994.
  • Peter James, Nick Thorpe: Keilschrift, Kompass, Kaugummi – Eine Enzyklopädie der frühen Erfindungen. 3. Auflage. dtv, 2004.
  • Jutta Kollesch, Diethard Nickel: Antike Heilkunst - Ausgewählte Texte. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1994, ISBN 3-15-009305-8-.
  • Olaf Krause: Der Arzt und sein Instrumentarium in der Römischen Legion. Bernhard A. Greiner, Remshalden 2010, ISBN 978-3-86705-046-3.
  • Antje Krug: Heilkunst und Heilkult. Medizin in der Antike. C.H. Beck, München 1993, ISBN 978-3-406-37375-6.
  • Ernst Künzl: Medizinische Instrumente aus Sepulkralfunden der römischen Kaiserzeit. Bonner Jahrbücher 182, 1982, 1-132.
  • Karl-Heinz Leven (Hrsg.): Antike Medizin. Ein Lexikon. C.H. Beck, München 2005.
  • Walter Müri: Der Arzt im Altertum. Griechische und lateinische Quellenstücke von Hippokrates bis Galen mit der Übertragung ins Deutsche. 5. Auflage. Artemis Verlag, München/Zürich 1986.
  • Vivian Nutton: Ancient Medicine. Routledge, London, 2004.
  • Henry E. Sigerist: Anfänge der Medizin. Von der primitiven und archaischen Medizin bis zum Goldenen Zeitalter in Griechenland. Europa-Verlag, Zürich 1963.

Einzelnachweise

  1. I. Wegner, Gestalt und Kult der Istar-Sawuska in Kleinasien. Alter Orient Altes Testament 36 (Neukirchen-Vluyn 1981)

Weblinks


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