- Philippe II. de Bourbon, duc d’Orléans
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Philippe II. de Bourbon, duc d’Orléans (* 2. August 1674 in Saint-Cloud; † 2. Dezember 1723 in Versailles), oft kurz auch nur Philippe II. d’Orléans genannt, war Titularherzog von Chartres (1674–1701), Herzog von Orléans, Chartres, Valois, Nemours und Montpensier, Fürst von Joinville, Graf von Beaujolais und mehrfacher Pair von Frankreich. Von 1715 bis 1723 übte er in Frankreich im Namen des noch unmündigen Ludwig XV. die Regentschaft aus. Die Zeit seiner Herrschaft wird daher in der französischen Geschichtsschreibung auch als Régence bezeichnet, Philippe selbst als le Régent.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Er wurde als Sohn des Herzogs Philippe I. de Bourbon, dem Bruder König Ludwigs XIV., und der Liselotte von der Pfalz geboren. Ludwig XIV. sorgte nach einigen Misserfolgen für eine gute Erziehung durch einen hervorragenden Pädagogen, der aus Philippe einen Musterschüler voller Lerneifer und Ehrgeiz machte.
Der junge Prinz kämpfte 1691 mit Auszeichnung bei der Belagerung von Mons und in den Schlachten von Steenkerke, Neerwinden und Namur (1692–1695). Danach widmete er sich naturwissenschaftlichen Studien. Später wurden ihm noch militärische Kommandos in Italien (1706) und während des Spanischen Erbfolgekriegs (1707–1708) zugedacht. Er zog sich jedoch den Groll des Königs zu, als Gerüchte auftraten, er hätte Ambitionen, an Stelle Philipps von Anjou in den Besitz der spanischen Krone zu gelangen.
Trotzdem hielt Ludwig XIV. an ihm fest und bestimmte ihn für die Zeit der Minderjährigkeit seines fünf Jahre alten Urenkels Ludwig XV. testamentarisch zum Präsidenten des Regentschaftsrates.
Philippe war erklärter Atheist, der während der Messe die in die Buchdeckel einer Bibel gebundenen satirischen Werke von François Rabelais las und ein Mann, der gerne an religiösen Festtagen Orgien abhielt. Die Jesuiten wurden unter seiner Regentschaft zunehmend entmachtet.
Als liberaler und einfallsreicher Mann war er allerdings oft schwach, unbeständig und wankelmütig und änderte als Regent die Herrschaftsausübung vom autoritären Regieren Ludwigs XIV. hin zu völliger Offenheit. Er förderte die Parlements, war gegen Zensur und ordnete die Neuauflage von Büchern an, die unter der Herrschaft seines Onkels verboten worden waren. Philippe II. gründete die Universitäten von Dijon und Pau, und aus seiner Bibliothek ging die Französische Nationalbibliothek hervor – er hatte sie, was eine absolute Neuheit war, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er folgte dem politischen Umdenken seines Onkels, indem er eine Allianz mit Großbritannien, Österreich und den Niederlanden einging, führte aber einen erfolgreichen Krieg gegen das bourbonische Spanien, der die Bedingungen für einen europäischen Frieden herstellte.
Philippe spielte in Stücken von Molière und Racine, komponierte Musik für eine Oper und war ein begabter Maler und Graveur. Zudem förderte er Bildung und Kunst, schaffte das Schulgeld für die Sorbonne ab, öffnete die Hofbibliothek für die Öffentlichkeit und verlieh zum ersten und einzigen Mal den Titel „Tischler der Herzöge von Orléans“ an den Tischlermeister Thomas Hache aus Grenoble. Er war sehr am wissenschaftlichen Fortschritt interessiert und diskutierte mit den hervorragendsten Gelehrten seiner Zeit. Er komponierte, und drei seiner Opern wurden noch lange nach seinem Tode weiter aufgeführt. Außerdem besaß er einen ausgeprägten Kunstverstand, und seine Gemäldesammlung war legendär.
Bekannt ist er vor allem für seine Ausschweifungen, die er nach Versailles und an seinen Hof am Palais Royal in Paris brachte, sowie für den Bankskandal unter John Law.
Trotz der, im Vergleich zu seinem Onkel liberaleren Regierungsart, die auch das Erstarken des adelig-großbürgerlichen Salon-Lebens begünstigte, ließ er beispielsweise den berühmten Aufklärer Voltaire in die Bastille werfen, als dieser ihm ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Tochter Marie Louise Élisabeth vorwarf.
Unter Philippes Regentschaft kam es in kultureller Hinsicht zu einer Blüte des Früh-Rokoko, in der besonders Maler wie Antoine Watteau aufgehen konnten.
Als kurz nach dem Ende der Regentschaft im August 1723 Premierminister Kardinal Dubois verstarb, der früher Philippes Erzieher und als langjähriger Außenminister ein sehr einflussreicher Berater des bisherigen Regenten gewesen war, wurde dieser schließlich selbst zum Ersten Minister ernannt.
Er starb jedoch am 2. Dezember 1723 im Alter von 49 Jahren an einem wiederholten Schlaganfall. Keine Stunde nach seinem Ableben wurde bereits der Herzog von Bourbon zum neuen Premierminister berufen. Der Körper des Herzogs von Orléans wurde in der Basilika Saint-Denis, sein Herz in der Kirche Val-de-Grâce und seine Eingeweide in der Kirche seiner Geburtsstadt Saint-Cloud beigesetzt.
Familie
Philippe heiratete 1692 Françoise Marie de Bourbon, eine legitimierte Tochter seines Onkels Ludwig XIV. mit Madame de Montespan und damit seine Cousine ersten Grades. Dies geschah gegen den Willen seiner Mutter, die das große plumpe Mädchen, diesen „Bastard aus doppeltem Ehebruch”, so ihre Worte, als Schwiegertochter ablehnte. Ihre Mitgift belief sich auf zwei Millionen Livres in bar, 150.000 Livres Jahresapanage für Françoise Marie, 200.000 für Ehemann Philippe sowie eine große Menge edlen Schmucks und Juwelen.[1]
Aus der Ehe mit Françoise Marie entstammten ein Sohn und sieben Töchter:
- Demoiselle de Valois (* 17. Dezember 1693; † 17. Oktober 1694)
- Marie Louise Élisabeth (* 20. August 1695; † 21. Juli 1719)
- ∞ 1. 1710 Herzog Charles de Bourbon
- ∞ 2. 1716 Armand von Aydic, Graf von Rion (* 1692; † 1741)
- Marie Louise Adélaïde (* 13. August 1698; † 19. Februar 1743), Äbtissin von Chelles
- Charlotte Aglaé (* 22. Oktober 1700; † 19. Januar 1761)
- ∞ 1720 Francesco III. d’Este, Herzog von Modena
- Louis I. (* 4. August 1703; † 4. Februar 1752)
- Louise Élisabeth (* 11. Dezember 1709; † 16. Juni 1742)
- ∞ 1722 König Ludwig I. von Spanien
- Philippine Elisabeth (* 18. Dezember 1714; † 21. Mai 1734)
- Louise Diane (* 27. Juni 1716; † 26. September 1736)
- ∞ 1732 Louis-François de Bourbon, Fürst von Conti
Des Weiteren hatte der Herzog noch anerkannte außereheliche Kinder.
Mit der Operntänzerin Florence Pellegrin (* 1660; † 1716):
- Louis Charles de Saint-Albin (* 5. April 1698; † 9. April 1764), Bischof von Laon und Erzbischof von Cambrai
Mit Christine Charlotte Desmares (* 1682; † 1753):
- Philippe Angélique de Froissy (* 1702; † 15. Oktober 1786) ∞ 1718 Henri François de Ségur
Mit Marie Louise Madelaine Victorine Le Bel de La Boissière, dite comtesse d’Argenton (* 1684; † 1747):
- Jean Philippe François d’Orléans (* 28. August 1702; † 16. Juni 1748), Laienabt von Hautvillers
VorfahrenFilme
- Wenn das Fest beginnt (französisch: Que la fête commence) von 1975. Verfilmung des Lebens am Hofe des Regenten Philippe d’Orléans vor dem Hintergrund der Revolte des bretonischen Marquis de Pontalec, von Bertrand Tavernier.
Literatur
- Andrew McNaughton: The Book of Kings. A Royal Genealogy. Band 1. London 1973, S. 421 (Genealogie).
Einzelnachweise
- ↑ Thea Leitner: Skandal bei Hof. Ueberreuter, Wien 1993, ISBN 3-8000-3492-1, S. 104.
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