Prä-Hilbertraum

Prä-Hilbertraum
Prähilbertraum

berührt die Spezialgebiete

ist Spezialfall von

umfasst als Spezialfälle

In der Funktionalanalysis wird ein reeller oder komplexer Vektorraum, auf dem ein inneres Produkt (=Skalarprodukt) definiert ist, als Prähilbertraum (auch prähilbertscher Raum), Skalarproduktraum (oder auch Vektorraum mit innerem Produkt, vereinzelt auch Innenproduktraum) bezeichnet, wobei zwischen euklidischen (Vektor-)Räumen im reellen und unitären (Vektor-)Räumen im komplexen Fall unterschieden wird. Die endlichdimensionalen (n-dimensionalen) euklidischen Vektorräume sind Modelle für den n-dimensionalen euklidischen Raum. Die Nomenklatur ist aber – wie oft in der Mathematik – nicht einheitlich. Manche Autoren schließen beim unitären Vektorraum den reellen Fall (der ja als Einschränkung aufgefasst werden kann) mit ein, und manchmal ist es auch umgekehrt, das heißt auch die komplexen Vektorräume heißen euklidisch.

Die Bedeutung der Prähilberträume liegt darin, dass das Skalarprodukt in Analogie zur analytischen Geometrie die Einführung der Begriffe Länge (über eine Norm) und Winkel gestattet. Jeder Prähilbertraum ist daher ein normierter Vektorraum. Durch die Länge (Norm) wird auch ein Abstand (Metrik) definiert. Ist der Raum bezüglich dieser Metrik vollständig, so ist er ein Hilbertraum. Hilberträume sind die direkteste Verallgemeinerung der euklidischen Geometrie auf unendlichdimensionale Räume.

Inhaltsverzeichnis

Formale Definition

Ein wesentlicher Aspekt der klassischen (euklidischen) Geometrie ist die Möglichkeit, Längen und Winkel zu messen. In der axiomatischen Begründung der Geometrie wird dies durch die Axiome der Kongruenz gesichert. Führt man ein kartesisches Koordinatensystem ein, so können die Längen und Winkel mithilfe des Skalarprodukts aus den Koordinaten berechnet werden. Um nun Längen und Winkel vom euklidischen Raum auf allgemeine Vektorräume zu übertragen, lässt man den Bezug auf eine bestimmte Basis fallen und charakterisiert abstrakte innere Produkte durch die für die Längenmessung entscheidenden Eigenschaften. Das führt zu folgender Definition:

Sei V ein Vektorraum über dem Körper K der reellen oder komplexen Zahlen. Ein inneres Produkt ist eine positiv definite Hermitesche Form, das ist: eine Abbildung

 \langle \cdot,\cdot \rangle : V \times V \to K ,

die für alle x, y, z aus V und für alle a aus K die folgenden axiomatischen Bedingungen erfüllt:

Aus den Bedingungen (3) und (4) folgt

Wegen (4) und (5) ist  \langle \cdot,\cdot \rangle eine Sesquilinearform.

Bemerkungen:

  • Der Überstrich im dritten Axiom bedeutet komplexe Konjugation. In einem reellen Vektorraum (also wenn K=R) hat die komplexe Konjugation keine Auswirkung. Es folgt:
In einem reellen Vektorraum ist (3) gleichbedeutend mit
  • (3') \langle\mathbf{x},\mathbf{y}\rangle = \langle\mathbf{y},\mathbf{x}\rangle (symmetrisch)
und das Skalarprodukt ist eine symmetrische Bilinearform.
  • Bedingung (4a) wird manchmal – insbesondere in der theoretischen Physik – für das zweite statt für das erste Argument gewählt:
  • (4a')  \langle \mathbf{x},a\mathbf{y} \rangle = a\langle \mathbf{x},\mathbf{y} \rangle
    (Linearität im zweiten Argument) und daher
  • (5a')  \langle a\mathbf{x},\mathbf{y} \rangle = \overline{a}\langle \mathbf{x},\mathbf{y} \rangle
    (Semilinearität im ersten Argument)
Man muss also aufpassen, ob das innere Produkt in einem gegebenen Text linear im ersten oder im zweiten Argument ist.

Notation

Das innere Produkt wird manchmal auch mit einem Punkt als Multiplikationszeichen geschrieben: x·y. In der französischen Literatur ist ein tiefgestellter Punkt gebräuchlich: x.y. In der Funktionalanalysis, oder wann immer sonst der Zusammenhang des inneren Produkts mit linearen Funktionen (und insbesondere die Dualität zwischen x und y) betont werden soll, bevorzugt man die Notation <x,y>. Davon abgeleitet ist die Bra-Ket-Notation, die in der Quantenmechanik gerne verwendet wird: <x|y>.

Wie bei der normalen Multiplikation kann das Multiplikationszeichen auch ganz weggelassen werden, wenn keine Missverständnisse zu befürchten sind; das ist insbesondere in Texten der Fall, in denen Vektoren durch Vektorpfeile, durch Fettdruck oder durch Unterstreichen kenntlich gemacht sind und daher nicht mit Skalaren verwechselt werden können:

x·y = xy ist ein inneres Produkt,
a x dagegen ist die Multiplikation des Vektors x mit dem Skalar a.

Wenn – wie es auch häufig geschieht – Vektoren nicht fett, sondern als normale Variable geschrieben werden, werden zur Unterscheidung für Skalare oft griechische Buchstaben verwendet:

\ xy\ für das innere Produkt und
\ \alpha x\ für die Multiplikation mit einem Skalar  \alpha \in K .

Beispiele

Komplexe Zahlen

Der Körper \mathbb{C} selbst mit dem Skalarprodukt \langle x,y \rangle := {x}\overline{y} ist ein unitärer Vektorraum.

Hilbertraum

Jeder Hilbertraum ist ein Prähilbertraum.

Der Vektorraum Kn

Für x,y \in K^n wird durch \langle x,y \rangle := \sum_{j=1}^n x_j \overline{y_j} ein Skalarprodukt definiert, das den Vektorraum Kn zu einem Prähilbertraum macht.

Stetige Funktionen

Ein anderes Beispiel für einen Prähilbertraum ist der Raum aller stetigen Funktionen von einem reellen Intervall [a,b] nach R mit dem inneren Produkt

\langle f,g\rangle = \int_a^b p(x) f(x) g(x)\ {\rm d}x,

wobei p(x) eine positive Gewichtsfunktion (oder "Belegung") ist (statt p(x)>0 genügt es, p(x)≥0 mit schwachen Zusatzbedingungen zu fordern). Eine orthogonale Basis dieses Raums heißt orthogonales Funktionensystem; Beispiele für solche Funktionensysteme sind die trigonometrischen Funktionen, die in Fourier-Reihen verwendet werden, die Legendre-Polynome, die Tschebyscheff-Polynome, die Laguerre-Polynome, die Hermite-Polynome usw.

Norm und Winkel

Das innere Produkt induziert eine Norm

\|\mathbf{x}\| := \sqrt{\langle \mathbf{x}, \mathbf{x} \rangle}.

Damit ist jeder Innenproduktraum ein normierter Raum.

Bemerkung: der Beweis, dass das so definierte ||·|| tatsächlich eine Norm ist, also insbesondere die Dreiecksungleichung erfüllt, erfordert als nichttrivialen Zwischenschritt die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung.

Die Norm kann man anschaulich als die Länge eines Vektors verstehen. Zumindest in geometrischem Kontext schreibt man die Norm üblicherweise mit einfachen Betragszeichen

|\mathbf{x}| := \|\mathbf{x}\| = \sqrt{\langle \mathbf{x}, \mathbf{x} \rangle}

und nennt sie auch den Betrag eines Vektors. Vektoren mit dem Betrag 1 heißen Einheitsvektoren.

Unter Verwendung der Norm kann man im reellen Fall das Skalarprodukt beliebiger Vektoren

\langle x,y \rangle = |x| |y| \cos \varphi

schreiben. Die Zahl φ kann man geometrisch als den von den beiden Vektoren eingeschlossenen Winkel deuten.

Dabei verwendet man wiederum die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung, die sicherstellt, dass -|x| |y| \le \langle x,y\rangle \le |x| |y|, was die Voraussetzung dafür ist, dass wir den Quotienten \langle x,y\rangle \over |x||y| als einen Kosinus interpretieren.

Diese geometrische Deutung legt es nahe, Vektoren, deren Skalarprodukt Null ist, senkrecht oder orthogonal zueinander zu nennen. Orthogonale Einheitsvektoren heißen orthonormal.

Parallelogrammgleichung

Mit der oben definierten Norm gilt in Prähilberträumen die Parallelogrammgleichung:

2\|x\|^2+2\|y\|^2=\|x+y\|^2+\|x-y\|^2.

Umgekehrt gilt, dass ein normierter Raum, der die Parallelogrammgleichung erfüllt, ein Prähilbertraum ist. Das ist der Satz von Jordan-von Neumann aus dem Jahre 1935 (nach P. Jordan und J. von Neumann): Durch die sog. Polarisationsidentität

\langle x,y\rangle := {1 \over 4} \left( {\| x+y \|}^2 -{\| x-y \|}^2 +i {\| x+iy \|}^2 -i {\| x-iy \|}^2 \right)

in einem Vektorraum über \mathbb{C} bzw. durch

\langle x,y\rangle := {1 \over 4} \left( {\| x+y \|}^2 -{\| x-y \|}^2  \right)

in einem Vektorraum über \mathbb{R} wird ein Skalarprodukt definiert, das mit \|\mathbf{x}\| = \sqrt{\langle \mathbf{x}, \mathbf{x} \rangle} genau die Ausgangsnorm erzeugt.

Einordnung in die Hierarchie mathematischer Strukturen

Mit der durch das innere Produkt induzierten Norm ist jeder Innenproduktraum ein normierter Raum, damit auch ein metrischer Raum, damit auch ein topologischer Raum; er besitzt also sowohl eine geometrische als auch eine topologische Struktur.

Ein vollständiger Innenproduktraum heißt Hilbertraum.

Bilinearräume erlauben auch die Betrachtung anderer Grundkörper außer den reellen oder komplexen Zahlen. Die Theorie der Bilinearräume ist eng verbunden mit der Theorie der quadratischen Formen (homogene Polynome vom Grad 2).

Verallgemeinerungen: metrischer Tensor, Bilinearräume, Relativitätstheorie

Vom Standpunkt der Tensoralgebra aus kann das innere Produkt

g: V\times V \rarr K

mit der Notation g(\mathbf{x},\mathbf{x}):=\langle \mathbf{x},\mathbf{x}\rangle als ein Tensor zweiter Stufe

g\in V^* \otimes V^*

aufgefasst werden, wobei \otimes ein Tensorprodukt und V* den Dualraum von V bezeichnet; g heißt metrischer Tensor oder kurz Metrik. Die Anforderung, dass das innere Produkt positiv definit sein muss, bedeutet, dass in jedem beliebigen Koordinatensystem die zu g gehörige Matrix gik positiv definit ist, also nur positive Eigenwerte besitzt.

Eine Verallgemeinerung von Innenprodukträumen sind Bilinearräume, bei denen das innere Produkt ersetzt ist durch eine Hermitesche Form oder Bilinearform, die nicht notwendig positiv definit ist. Ein wichtiges Beispiel ist der Minkowski-Raum der speziellen Relativitätstheorie, dessen Metrik in der gängigsten Konvention Eigenwerte mit den Vorzeichen (-,+,+,+) hat.

Siehe auch


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