Sajeret Matkal

Sajeret Matkal
Abzeichen der Sajeret Matkal

Die Sajeret Matkal (hebräisch: סיירת מטכ"ל, „Späher des Generalstabes“; bisweilen in Anlehnung an die Transkription ins Englische auch Sayeret Matkal) ist eine Spezialeinheit der israelischen Streitkräfte mit dem Einsatzschwerpunkt Terrorismusbekämpfung und nachrichtendienstliche Aufklärung. Innerhalb der israelischen Streitkräfte wird die Sajeret Matkal allgemein nur als haJechida („die Einheit“) bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Auftrag

Einsatzschwerpunkte sind Terrorismusbekämpfung, Geiselbefreiung, gezielte Tötungen (Attentate), Tiefenaufklärung, militärische Kommandooperationen (Raids) und nachrichtendienstliche Operationen sowie bewaffnete Flugbegleitung.

Organisation

Die Sajeret Matkal untersteht administrativ und technisch dem Militärgeheimdienst Aman, operativ jedoch direkt dem israelischen Generalstab und bildet den militärischen Arm aller Nachrichtendienste des Landes, hauptsächlich aber des Mossad.

Wie viele andere Kommandoeinheiten des israelischen Militärs steht sie an der Spitze des soldatischen Ausbildungsstandes der Kampfeinheiten.

Die Einheit ist zusammen mit der Jechidat Duvdevan in mehrererlei Hinsicht einzigartig innerhalb der Gemeinschaft der militärischen Spezialeinheiten Israels. Erstens hat sie keine vordefinierte Mission für Kriegszeiten, so wie sonst jede militärische Einheit, ist also operativ frei für sämtliche Befehle vorgesetzter Kommandoebenen. Zweitens verfügt sie über eigene Unterstützungseinheiten, wie beispielsweise nachrichtendienstliche Aufklärung, medizinische Betreuung, Ex- und Infiltrationsexperten, Scharfschützenteams und Pioniereinheiten (Spreng- und Entschärfungsspezialisten), kann also völlig autark operieren. Ferner ist sie nicht, wie sonst üblich, einem Brigadekommando, sondern direkt dem israelischen Generalstab, unterstellt. Das bedeutet, dass ihr kein spezielles Einsatzgebiet zugewiesen ist, wie beispielsweise der Sajeret Egoz der Golani-Brigade oder der 5173. Taipan (Sajeret Maglan) der Fallschirmjäger-Brigade. Genauso wie die Jechidat Duvdevan sind ihre Soldaten autorisiert, Uniformen ohne Abzeichen und Rangabzeichen zu tragen. Sie operieren hauptsächlich in Zivilkleidung. Vom Einsatzspektrum ähnelt sie noch am meisten der YAMAM, der Antiterroreinheit der israelischen Grenzpolizei.

Rekrutierung und Ausbildung

Da selbst die Existenz der Spezialeinheit lange Jahre ein Staatsgeheimnis war, konnte man sich auch für sie nicht bewerben. Das Personal rekrutierte sich aus handverlesenen Mitgliedern der Aufklärungskomponenten der Nord-, Zentral- und Südkommandos, also aus der Sajeret Egoz der Golani-Brigade, der 5173. Taipan (Sajeret Maglan) der Fallschirmjäger und der Sajeret Schaked der Giv'ati-Brigade. Die Besten dieser Einheiten wurden dann auf persönliche Empfehlung ihrer Kommandeure oder nach Sichtung der Personalakten durch Werber des Aman zur Einheit versetzt.

Rekrutierung

Seit den 1980er Jahren ist die Einheit für Freiwillige zugänglich, da sie zwar immer noch als geheim eingestuft ist, ihre Existenz selbst aber nicht mehr. Zweimal pro Jahr werden potentielle Bewerber im eigenen Auswahlzentrum (Gibbusch) über einen Zeitraum von mehreren Tagen und unter der Aufsicht von Ärzten und Psychologen körperlich und geistig extrem unter Stress gesetzt, um ihre grundsätzliche Eignung zu prüfen. Diejenigen, die den Prüfparametern entsprechen, werden für die eigentliche Ausbildung zugelassen, die im Anschluss folgt.

Während der 1990er Jahre wurde das Auswahlverfahren nach und nach auch in anderen israelischen Spezialeinheiten übernommen.

Der ehemalige Generalstabschef Dan Chalutz plant die Zusammenlegung dieser Auswahlzentren, um ein konkurrierendes Rekrutieren von besonders geeigneten Freiwilligen und erfahreneren Soldaten unter den Spezialeinheiten, was oft der Fall ist, zu vermeiden und so die Personalplanung zu optimieren. Gleichzeitig soll damit auch das immer wieder auftretende „Burn-Out-Syndrome“ bei den zu ambitionierten Rekruten durch einheitliche Überwachungsstandards reduziert werden.

Ausbildung

Die äußerst harte Ausbildung dauert 20 Monate, in denen der Aspirant in Nahkampf, infanteristischer Orientierung im Gelände, Tarnung, Aufklärung, Sprengmitteln, Kommunikation und nachrichtendienstlicher und verdeckter Informationsgewinnung und -weitergabe sowie Terrorismusbekämpfung und Geiselbefreiung unterrichtet wird. Ferner durchläuft der Bewerber ein intensives Schießtraining, bei dem er mit verschieden Lang- und Kurzwaffen vertraut gemacht wird.

Die Ausbildung unterteilt sich in folgende Phasen:

  • Grundkurs der infanteristischen Gefechtsführung (vier Monate).
  • Fallschirmspringerkurs in der Sprungschule (IDF Parachuting School) der israelischen Streitkräfte (drei Wochen).
  • Antiterrorkampf-Kurs an der Schule für Terrorismusbekämpfung (IDF Counter-Terror Warfare School) des israelischen Militärs (fünf Wochen). Anschließend werden diese Kenntnisse innerhalb der Einheit weiter vertieft und geübt.
Festungsruine Masada, der Ort, an dem traditionell die Vereidigungen der Sajeret Matkal stattfinden
  • In der letzten Phase der Ausbildung wird der Rekrut mit Techniken der Fernaufklärung und der Kommandogefechtsführung hinter feindlichen Linien vertraut gemacht. In dieser Ausbildungsphase wird die dafür erforderliche Geländeausnutzung, Orientierung und Tarnung erlernt. Obwohl Fernspähübungen aus Sicherheitsgründen innerhalb der israelischen Spezialeinheitengemeinde grundsätzlich mit Zwei-Mann-Teams abgehalten werden, werden sie bei Sajeret Matkal auch als Ein-Mann-Missionen praktiziert. Dieser Ausbildungsabschnitt bringt die Bewerber an die Grenzen ihrer physischen und auch mentalen Belastbarkeit.

Hat der Soldat all die Strapazen der Auswahl- und Ausbildungsprozesse erfolgreich überstanden, erhält er sein Abzeichen, das ihn als vollwertig einsetzbares Mitglied der Einheit ausweist, traditionell im Rahmen einer nächtlichen Aufnahmefeier auf dem Plateau der ehemaligen Festung von Masada. Diese Abzeichen darf er jedoch wegen des Geheimhaltungsstatus nicht öffentlich tragen.

Ausrüstung

Die Einheit ist gänzlich losgelöst vom allgemeinen Beschaffungswesen des israelischen Heeres. Als nachrichtendienstliche Kommandotruppe mit weltweitem Einsatzgebiet kann sie praktisch auf alle Waffentypen und Ausrüstungsgenstände zurückgreifen, die der internationale Markt bietet. Zwar werden israelische Erzeugnisse bevorzugt, aber je nach Wunsch der Operateure und dem Einsatzprofil werden auch alternative ausländische Waffen und Ausrüstungsgenstände verwendet. Für besondere Missionen werden sogar, ähnlich wie beim Mossad, eigens Waffen als Sonderanfertigung technisch modifiziert und Munitionstypen optimiert (z.B. bei Scharfschützenwaffen). Deshalb hier nur ein Auszug:

TAR-21-Sturmgewehr

Die Einheit verwendet Glock 17 und Glock 19 Selbstladepistolen, Sturmgewehre des Typs Tavor TAR-21, Maschinenpistolen des Typs Micro Uzi und Micro Para Uzi, Scharfschützenwaffen der Typen IMI Galil Galat’z, Mauser 86SR, M24 und Steyr SSG 69 und Vorderschaftrepetierflinten (Pump Guns) der Typen Remington 870 und Mossberg 500.

Geschichte

Aufstellung und Entwicklung

Die Sajeret Matkal wurde 1958 unter dem Kommando von Awraham Arnange nach dem Vorbild des britischen Special Air Service aus operativen Teilen des Heeresnachrichtendienstes Aman und der 35. Fallschirmjäger-Brigade (Einheit 269) aufgestellt, nachdem er den Generalstab davon überzeugen konnte, dass eine Einheit mit diesem speziellen Einsatzkonzept von großem Nutzen für Israel sein, und eine Truppe, die in der Lage ist, in feindlichen kontrollierten Gebiet klassische Kommandoeinsätze durchzuführen, aber auch nachrichtendienstlich geschult ist, verdeckt zu operieren, die Operationsmöglichkeiten des israelischen Militärs erheblich erweitern würde.

Die ersten Mitglieder wurden von Beduinen im Wüstenkampf und der Spurenverfolgung ausgebildet, gleichzeitig wurde sie auch darin trainiert, sich als Araber zu tarnen, wie sie zu denken und entsprechend unerkannt zu bewegen. Das nur ein Jahr vor der Geburtsstunde der Sajeret Matkal aufgestellte Heeresfliegerbataillon der IDF versetzte die Einheit in die Lage, tief in arabisch kontrolliertes Gebiet einzudringen. Beide Einheiten arbeiteten in enger Kooperation zusammen, bis der Sajeret Matkal eine eigene Heeresfliegerkomponente unterstellt wurde, die von der Ausbildung und Ausrüstung her speziell auf die besondere Einsatzkonzeption der Sajeret Matkal ausgerichtet war.

Militärischer und technischer Einfluss

Trotz ihres Geheimhaltungsstatusses hatte die Einheit von Anfang an einen großen Einfluss auf die Entwicklung des israelischen Militärs, da sie, obwohl Einsatzverband, quasi auch als Experimentalplattform für neue Infiltrationstechniken und Kommandooperationstaktiken sowie Tarn- und Antiterror-Kampf-Techniken diente. Die in ihren Einsätzen gewonnenen Erkenntnisse führten in vielen Fällen zur waffentechnischen Weiterentwicklung der IDF und der Produktpalette heimischer Waffenhersteller. Beispielsweise wurde die Firma Israel Military Industries, Hersteller der Uzi-Maschinenpistole, 1973 durch Einsatzerfahrungen der Einheit zur Entwicklung und Herstellung der Micro-Uzi veranlasst, einer verkleinerten Maschinenpistole dieses Typs, die im verdeckten Einsatz besser zu verstecken war.

Die Einheit war an allen relevanten Antiterror-Operationen Israels beteiligt, einschließlich der 1972 erfolgreichen Befreiung (Operation Isotope) der von der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September entführten Boeing 707 der belgischen Fluggesellschaft Sabena (Sabena Flight 572).

Entebbe und öffentliches Bekanntwerden

Ihren wichtigsten und auch bekanntesten Einsatz hatte die Einheit, als es ihr in dem ursprünglich Operation Thunderbolt genannten und später in Operation Jonathan umbenannten Geiselbefreiungseinsatz gelang, 106 nach Ugandas Flughafen Entebbe entführte Passagiere der Air France aus der Gewalt von PLO-Terroristen zu befreien. Ihr Kommandeur Jonathan Netanjahu (Bruder des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu) wurde dabei getötet. Noch heute wird dieser Einsatz von offizieller Seite den israelischen Fallschirmjägern zugeschrieben. Dennoch ließ sich die Existenz der Sajeret Matkal nach diesem Einsatz in der israelischen Öffentlichkeit nicht mehr geheimhalten.

Einsätze

Obwohl die israelischen Streitkräfte offiziell die Existenz der Einheit weiter nicht bestätigen und ihre Operationen regelmäßig der Fallschirmjäger-Sajeret zugeschrieben werden, können dennoch einige Einsätze den Sajeret Matkal zugeordnet werden:

Kontroversen (Sajeret-Matkal-Brief)

Am 21. Dezember 2003 gaben dreizehn Reservisten (darunter als der ranghöchste ein Major) der Einheit im Büro des Premierministers in Jerusalem eine Erklärung ab, in der sie ihre Ablehnung, künftig in besetzten Gebieten Dienst zu leisten, zum Ausdruck brachten [1].

„Wir sind hierhergekommen, um Ihnen, Herr Premierminister, mitzuteilen, dass wir weder länger Komplizen der Unterdrückungspolitik in den besetzten Gebieten und der Verweigerung elementarer Menschenrechte gegenüber von Millionen Palästinensern sein werden, noch als Schutz von Siedlungen auf konfisziertem Land dienen werden [2]

Diese als Sajeret-Matkal-Brief bekanntgewordene Erklärung löste eine heftige Debatte in der israelischen Öffentlichkeit aus, weil erstmals Mitglieder der Spezialeinheiten, noch dazu der renommiertesten und leistungsfähigsten, öffentlich die israelische Siedlungspolitik kritisierten. Die Kontroverse zog auch deshalb so große Kreise, weil etliche Mitglieder des politischen Establishments und des Generalstabes ehemalige Mitglieder der Einheit waren, und sogar zwei ehemalige Premierminister, Ehud Barak und Benjamin Netanjahu, aus ihren Reihen kamen.

Das Knesset-Mitglied Scha'ul Jachalom der rechten Nationalreligiöse Partei forderte eine Inhaftierung und gerichtliche Verurteilung der Unterzeichner, während Parlamentsmitglieder der linksliberalen Meretz-Partei die Erklärung als einen „mutigen Schritt auf dem Weg zur Abkehr Israels von Besetzung“ bezeichneten.

Letztendlich wurden die Unterzeichner zwar nicht strafrechtlich verfolgt, aber unehrenhaft entlassen. Diese Maßnahme wurde offiziell als Fortschritt im Kampf gegen den öffentlichen Druck, die Siedlungspolitik neu zu überdenken, gewertet. Intern machte der Kommandeur aber unmissverständlich klar, dass er eine öffentliche und politische Instrumentalisierung der Einheitszugehörigkeit der Unterzeichner verurteilt und er eine solche künftig nicht dulden werde.

Nur ein Jahr später gestand der politische Berater von Premierminister Ariel Scharon, Dov Weissglass, öffentlich ein, dass der Sajeret-Matkal-Brief ebenso wie eine inhaltlich vergleichbare Deklaration von Piloten der Luftstreitkräfte (September 2003) einer der maßgeblichen Beweggründe Scharons gewesen war, Israels einseitigen Abkoppelungsplan zu beschließen, der den Weg für den Teilabzug der israelischen Streitkräfte aus den besetzten Gebieten und für palästinensische Selbstverwaltung öffnete [3][4].

Bekannte ehemalige Mitglieder

Zahlreiche ehemalige Angehörige der Sajeret Matkal haben höchste Funktionen in Politik und Militär erreicht. Hier eine kleine Auswahl:

  • Ehud Barak – Kommandeur der Einheit, später Generalstabschef und Premierminister.
  • Benjamin Netanjahu – Teamführer in der Einheit, später Finanzminister und Premierminister.
  • Jonathan Netanjahu – Kommandeur der Einheit, fiel bei der Operation Entebbe; Benjamin Netanjahus älterer Bruder.
  • Schaul Mofaz – stellvertretender Kommandeur der Einheit, später Generalstabschef und Verteidigungsminister, danach Verkehrsminister in der Regierung Olmert.
  • Muki Betser – Ehemaliger Einsatzleiter und Ausbildungschef.
  • Mosche Jaalon – Kommandeur der Einheit, später Generalstabschef.
  • Dani Jatom – Kommandeur der Einheit, später Generalmajor, Chef des Geheimdienstes Mossad und Mitglied der Knesset.
  • Avi Dichter – Soldat in der Einheit, später Chef des Geheimdienstes Schabak (Schin Bet).

Eine Reihe weiterer ehemaliger Mitglieder der Einheit wurden später Generäle.


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