Operation Entebbe

Operation Entebbe
Das Terminal des Flughafens Entebbe mit einer Gedenktafel

Im Rahmen der Operation Entebbe, einer militärischen Befreiungsaktion in der Nacht vom 3. Juli bis zum frühen Morgen des 4. Juli 1976 auf dem Flughafen von Entebbe in Uganda, wurde die Entführung eines Passagierflugzeugs der Air France durch palästinensische und deutsche Terroristen nach Entebbe von israelischen Sicherheitskräften beendet.

Die lokalen, ugandischen Behörden hatten die Geiselnehmer unterstützt, der Diktator Idi Amin persönlich begrüßte sie nach ihrem Eintreffen.[1] Die jüdischen Geiseln wurden von den Terroristen ausgesondert, während die übrigen freigelassen wurden. Bei der Befreiungsaktion wurden alle Geiselnehmer getötet. Drei Geiseln und etwa 25 ugandische Soldaten kamen bei Feuergefechten ums Leben. Eine weitere Geisel wurde später in einem ugandischen Krankenhaus von ugandischen Offiziellen ermordet. Da kenianische Stellen die Israelis unterstützt hatten, wurden in der Folge auf Veranlassung Amins mehrere hundert Kenianer in Uganda ermordet. Amin selbst wurde zwei Jahre später ins Exil gezwungen.

Für die Befreiungsaktion sind neben Operation Entebbe auch die Bezeichnungen Operation Thunderbolt oder Operation Jonathan in Gebrauch; letztere nach dem Namen des dabei ums Leben gekommenen Anführers Jonathan Netanjahu.

Der spektakuläre Handstreich wurde bereits 1976 und 1977 mehrmals verfilmt. Die Aussonderung jüdischer Geiseln durch den deutschen Terroristen Wilfried Böse wie auch die Anerkennung der militärischen Fähigkeiten und der Selbstbehauptung Israels spielten dabei eine wichtige Rolle.

Zu einer breiteren Debatte über das Verhältnis der Linken zu Antizionismus und Antisemitismus und zu den Terrororganisationen RAF und Revolutionäre Zellen kam es in Deutschland erst deutlich später.

Die Aktion hatte kontroverse Debatten im Sicherheitsrat zu Folge und wirft bis heute diskutierte völkerrechtliche Fragen auf. Am Flughafen Entebbe erinnert heute eine israelisch-ugandische Gedenktafel am Eingang an die Geschehnisse.

Flughafengebäude mit UN-Fahrzeug im Vordergrund
Das alte Terminal des Flughafens Entebbe (1994)

Inhaltsverzeichnis

Entführung

Am 27. Juni 1976 wurde der Flug 139 der Air France, der von Tel Aviv über Athen nach Paris führen sollte, nach dem Start in Athen entführt. Die Maschine vom Typ Airbus A300 wurde zum Flughafen Bengasi in Libyen umgeleitet, dort aufgetankt und landete schließlich am Nachmittag des 28. Juni auf dem Flughafen Entebbe der Hauptstadt von Uganda, Kampala.

Die Entführer waren zwei[2] Terroristen der Volksfront zur Befreiung Palästinas, Wadi Haddad, sowie zwei deutsche Terroristen der Revolutionären Zellen, Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann. Die Terroristen wurden offensichtlich durch das pro-palästinensische ugandische Regime Idi Amins unterstützt.

Mit der Flugzeugentführung sollte die Freilassung von insgesamt 53 Inhaftierten aus Gefängnissen in Israel, Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz erpresst werden. Darunter waren auch Mitglieder der Rote Armee Fraktion und der Bewegung 2. Juni. Außerdem forderten die Entführer fünf Millionen US-Dollar von der französischen Regierung für die Rückgabe des Flugzeuges.

Trennung der jüdischen von den nichtjüdischen Geiseln

Die Passagiere wurden in der alten Transithalle des Terminals von Entebbe als Geiseln gehalten. Die Terroristen „selektierten“ die jüdischen Passagiere[3] (80 Israelis sowie 22 Juden französischer Staatsangehörigkeit sowie ein Staatenloser[4]) aus und ließen die anderen Geiseln frei. Diese Aussonderung wurde von dem deutschen Terroristen Wilfried Böse übernommen. Als ihm ein Holocaustüberlebender dabei seine eintätowierte Häftlingsnummer zeigte, erwiderte Böse auf den darin implizierten Vorwurf, er sei kein Nazi, sondern Idealist.[5]

Aufgrund der Ankündigung der Entführer, dass die Crew und die nicht-jüdischen Passagiere freikommen würden und in ein anderes Air-France-Flugzeug umsteigen dürften, flog ein solches nach Entebbe. Der Kapitän des Flugs 139, Michel Bacos, verkündete den Entführern, dass alle Passagiere seiner Verantwortung unterlägen, weshalb er die jüdischen Passagiere nicht zurücklassen wolle. Seine gesamte Crew, bis hinunter zum jüngsten Flugbegleiter, folgte ihm freiwillig. Nach ihrer Rückkehr nach Paris wurde Bacos für sein Verhalten von seinen Vorgesetzten bei der Air France gemaßregelt und für einige Zeit von seinen Aufgaben entbunden. Später wurde ihm vom französischen Staatspräsidenten der Orden der Ehrenlegion verliehen. Der Rest der Crew wurde ebenfalls ausgezeichnet[6]. Eine französische Nonne weigerte sich ebenfalls zu gehen und wollte den Platz einer jüdischen Geisel übernehmen, wurde aber von ugandischen Soldaten in das wartende Air-France-Flugzeug gezwungen.

Vorbereitungen der Befreiungsaktion

In Israel und vor Ort sowie in Paris bei den freigelassenen Geiseln sammelten das israelische Militär und der Mossad mehrere Tage lang Informationen. Die alte Abfertigungshalle des Flughafens Entebbe war von einer israelischen Firma gebaut worden, weshalb Pläne der Anlage verfügbar waren. Die freigelassenen Geiseln wurden intensiv befragt; einer der Freigelassenen konnte sich an wesentliche Details der Gebäude, der Entführer, ihrer Bewaffnung und ihrer Kooperation mit den ugandischen Streitkräften erinnern.[7]

Die Israelis entwarfen Pläne für ein Eingreifen und bauten Teile der Halle nach. Schließlich flogen vier israelische Hercules-Transportflugzeuge, in Begleitung von Phantom-Jets der israelischen Luftstreitkräfte, im Tiefflug nach Entebbe und landeten nachts auf dem Flughafen. Ihnen folgten zwei Boeing 707, eine davon als Einsatzzentrale, das andere mit medizinischen Einrichtungen, die zum Flughafen von Nairobi in Kenia flogen.

Die Einsatztruppe von insgesamt etwa hundert Männern bestand aus einer Stabseinheit unter Leitung von Brigadegeneral Shomron und zugehörigen Kommunikations- und Unterstützungstruppen, einer Eingreiftruppe von 29 Mann unter Leitung von Oberstleutnant Netanjahu, darunter Soldaten der Sajeret Matkal in verschiedenen Gruppen unter Major Betser und Matan Vilnai sowie einer Verstärkungstruppe, die zur Sicherung der Umgebung, zur Zerstörung der MiG-Jäger der ugandischen Luftwaffe, zur Sicherung der Übernahme der Geiseln und zur Betankung der Flieger dienen sollte.

Ablauf der Aktion

Eines der Flugzeuge ließ kurz nach der Landung um 23:00 einen schwarzen Mercedes und einige Landrover ausrollen. Man wollte damit die Landung eines hohen ugandischen Offiziellen oder Amins selbst vortäuschen.[8] Das israelische Kommando fuhr, eine Wagenkarawane Amins imitierend, direkt zum Hauptgebäude. Auf dieser Fahrt wurden zwei ugandische Wachsoldaten erschossen, die die Fahrzeuge anhalten wollten.

Aus weiteren Lastflugzeugen wurden gepanzerte Fahrzeuge ausgeladen, mit denen der Rückweg gesichert und die ugandischen Soldaten vor Ort bekämpft wurden. Da die israelischen Flugzeuge vor dem Rückflug aufgetankt werden mussten, waren Pumpen an Bord, um die ugandischen Kerosintanks anzuzapfen; darin lag ein zusätzliches Risiko der Operation.

Neben einigen Mossad-Mitarbeitern waren hauptsächlich über hundert Elitesoldaten der Sajeret Matkal an der Aktion beteiligt.

Die Kommandoeinheit drang wenige Minuten nach der Landung in das Hauptgebäude ein, in dem die Geiseln festgehalten wurden. Bei dem einsetzenden Schusswechsel starben drei der 103 Geiseln, darunter eine, als sie auf die israelischen Truppen zulief. In kurzer Zeit wurden die verbleibenden Geiselnehmer getötet und mit der Rückführung der Geiseln begonnen.

Ugandische Truppen eröffneten ihrerseits das Feuer auf israelische Truppen, wobei Oberstleutnant Jonathan Netanjahu, ein Bruder des späteren israelischen Ministerpräsidenten, vermutlich von einem Scharfschützen im Tower getötet wurde. Beim Rückzug kam es zu Feuergefechten mit den Ugandern. Die Kampfhandlungen selbst dauerten ungefähr neunzig Minuten. Dabei wurden sieben Terroristen und etwa 25 ugandische Soldaten getötet. Elf ugandische MiG-Jagdjets (und damit der wesentliche Teil der ugandischen Luftwaffe), die sich auf dem Flugfeld befanden, wurden am Boden zerstört. Die befreiten Geiseln wurden kurze Zeit später über Nairobi nach Israel ausgeflogen. In Kenia wurden den Israelis ein regulärer Zwischenhalt und das Auftanken der Flugzeuge ermöglicht.

Nachfolgen

Die 75-jährige israelische Geisel Dora Bloch befand sich zum Zeitpunkt der Geiselbefreiung in einem Krankenhaus in Kampala; daher wurde sie durch die Operation Entebbe nicht erfasst. Sie wurde am folgenden Tag auf Befehl Amins von ugandischen Offiziellen getötet; ebenso wurden Ärzte und Schwestern, die sich für sie einsetzten, ermordet. Weiterhin ließ Amin mehrere Hundert in Uganda befindliche Kenianer umbringen, weil Kenia mit den Israelis kooperiert hatte.[9]

Völkerrechtliche Fragen

Im Sicherheitsrat der UN hatten die afroarabischen und sozialistischen Staaten eine Sondersitzung aufgrund der Verletzung der Souveränität Ugandas verlangt. Der UN-Generalsekretär Kurt Waldheim verurteilte die Aktion als ernsthafte Verletzung der Souveränität eines Mitgliedsstaates.

Die von einigen Staaten wie Tansania nie anerkannte Regierung Ugandas hatte mit ihrer Unterstützung der Terroristen unter anderem das Haager ICAO-Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen wie die Mindestvorgaben des Umganges mit fremden Staatsangehörigen verletzt. Die meisten westlich orientierten Staaten mit Ausnahme Japans tolerierten die Aktion. Im Sicherheitsrat fand eine ausdrückliche Verurteilung Israels keine Mehrheit.[1] Botschafter Chaim Herzog verteidigte den Einsatz, auf den man mit Fug und Recht stolz sei, vor dem UN-Sicherheitsrat als Ausdruck der Werte, für die Israel stehe, für Menschenwürde, das Menschenleben wie für die menschliche Freiheit an sich.[10]

“We come with a simple message to the Council: we are proud of what we have done because we have demonstrated to the world that in a small country, in Israel's circumstances, with which the members of this Council are by now all too familiar, the dignity of man, human life and human freedom constitute the highest values. We are proud not only because we have saved the lives of over a hundred innocent people—men, women and children—but because of the significance of our act for the cause of human freedom.”

„Wir treten mit einer einfachen Botschaft an den Sicherheitsrat: Wir sind stolz auf das, was wir getan haben, weil wir der Welt gezeigt haben, dass in einem kleinen Land, in der Situation Israels, die den Mitgliedern dieses Rates nun allzu bekannt ist, die menschliche Würde, menschliches Leben und die Freiheit der Menschen höchste Werte darstellen. Wir sind nicht nur stolz, weil wir das Leben von über hundert Unschuldigen – Männern, Frauen und Kindern – gerettet haben, sondern aufgrund der Bedeutung unserer Tat für das Anliegen der Freiheit der Menschen.“

Chaim Herzog[11][12]

Dem Juristen Ulrich Beyerlin zufolge war das Vorgehen der israelischen Streitkräfte mangels eines bewaffneten Angriffs Ugandas gegen Israel nicht vom Recht zur Selbstverteidigung im Kriegsfall gedeckt. Ähnlich wie nach der Caroline/McLeod-Affäre oder der Operation Dragon Rouge und Dragon Noir stellt sich bei der Operation Entebbe die Frage nach der Vereinbarkeit militärischer Schutzmaßnahmen eines Staates zugunsten seiner im Ausland angegriffenen Bürger mit dem Völkerrecht und anderen Rechtsansprüchen unterhalb der Schwelle eines Krieges.[1]

Bei der Vorbereitung der Operation Feuerzauber in Zusammenhang mit der Entführung des Flugzeugs Landshut wurde im Gegensatz zu Entebbe mit Polizeikräften und nach Abstimmung mit den somalischen Machthabern eingegriffen. Dies war in Entebbe offensichtlich unmöglich. Offen bleibt die grundsätzliche Frage, wie angesichts versagender staatlicher Strukturen in manchen Ländern erforderliche, auch militärisch begleitete Rettungsmaßnahmen für Bürger anderer Länder zu begründen sind und durchgeführt werden können.[1]

Rezeption und Wirkungsgeschichte

Bei vielen Deutschen führte die Aktion in Entebbe zu einer länger anhaltenden Israelbegeisterung. Dabei wurden auch Formulierungen wie Blitzkrieg verwendet, deren Bezug auf das deutsche Militär in Deutschland selbst tabu gewesen wäre und die deshalb später Anstoß erregten. Annette Vowinckel sprach von einer „Verlängerung der deutschen Geschichte in den Nahen Osten“.[13] Die uneingeschränkte[1] und nachhaltige Unterstützung auf Regierungsebene trug zu einer deutlichen Verbesserung und Festigung der regierungsamtlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel bei, während sich die israelischen Beziehungen zur DDR weiter verschlechterten.[14]

Deutsche Kommentatoren betonten 1976 den erheblichen Druck, unter dem die bundesdeutschen Behörden angesichts der Verantwortung für die von deutschen Terroristen bedrohten jüdischen Geiseln gestanden hätten. Es wurde spekuliert, inwieweit die Bundesrepublik ohne das israelische Eingreifen das Freipressen der deutschen Häftlinge ohne erheblichen Gesichtsverlust hätte vermeiden können.

Die Zeit sprach von einem „kaum wiederholbaren Glücksfall“:

„Die Bundesregierung kam dabei ebenso glücklich aus dem Schneider. Ihre nachträglich publizierte Willenserklärung, sie werde keinen hierzulande inhaftierten Terroristen im Austausch gegen israelische Geiseln freilassen, ließ sich allein unter der Prämisse des Erfolges der Befreiungsaktion halten. Was hätten wir denn getan, was hätten wir tun sollen, wenn Israel genötigt gewesen wäre, vierzig inhaftierte Palästinenser freizugeben, um seine Geiseln zu retten? Hätten wir auf Kosten des Lebens der Juden, die zuvor ein deutscher Terrorist von anderen mit vorgehaltener Pistole selektierte, einen Austausch à la Peter Lorenz verweigert, nur um fünf in deutschen Gefängnissen einsitzende Baader-Meinhof-Leute nicht hergeben zu müssen? Wir hätten das schwerlich ausgehalten.“[15]

Eine rein „strategische“ Erklärung bot dagegen der Spiegel an:

„Geschickt zogen die Entführer das besondere Verhältnis, das Deutsche und Juden miteinander verbindet, in ihr Kalkül. Sie demonstrierten, nachdem sie einmal die Aufmerksamkeit der Welt auf ihre Aktion gerichtet sahen, Großzügigkeit und ließen die Mehrzahl der Geiseln frei. Durch Deeskalation hofften sie, auch die Gegenseite zu Kompromissen bewegen zu können. Zugleich aber hielten sie sämtliche jüdischen Passagiere zurück. Und sie kalkulierten offenbar genau ein, dass Bonn auf ihr Verlangen nach Freilassung von sechs westdeutschen Häftlingen eingehen müsste. Denn weder innenpolitisch noch vor der Weltöffentlichkeit könnten es sich gerade die Deutschen mit ihrer Vergangenheit leisten, wieder Mitverantwortung für Mord an Juden zu tragen.“[16]

Demgegenüber hatte 1972 die Bundesrepublik die Terroristen, welche die Geiselnahme von München überlebt hatten, gegen erhebliche israelische Proteste nach einer Flugzeugentführung kurzerhand von Deutschland nach Tripolis ausgeflogen.[17] 1977 war die Bundesregierung willens und fähig, eine gewaltsame Lösung des Geiseldramas in Mogadischu herbeizuführen, und nicht mehr bereit, abgeurteilte Häftlinge durch eine Geiselnahme freipressen zu lassen. Dazu hatte die Erfahrung aus der Operation Entebbe beigetragen, die der damalige BGS-Beamte Ulrich Wegener, der erste Kommandeur der GSG 9, administrativ unterstützt hatte.

Wiedergabe in den Medien

In den englischsprachigen Ländern und Israel wurde die Auseinandersetzung zwischen deutschen Terroristen, jüdischen Geiseln und israelischer Eingreiftruppe bereits unmittelbar nach den Anschlägen in einer Fernsehserie und 1976 und 77 gedrehten, und hochkarätig (unter anderem mit Elizabeth Taylor und Richard Burton) besetzten Kinofilmen thematisiert.

Parallel war es nach dem Sechstagekrieg 1967 und dem Jom-Kippur-Krieg 1973 aufgrund der Bedrohungslage Israels zu einer stärkeren Einbeziehung des Holocaust in den Gründungsmythos des Staates Israel wie in die internationale Medienwelt gekommen.[18] Diese führte zu einer stärkeren Thematisierung der Judenvernichtung in internationalen Medien und Filmproduktionen und wurde ebenso bei den filmischen Wiedergaben der Operation Entebbe thematisiert.[18] In allen Verfilmungen wurde Böse jeweils von einem deutschen Schauspieler mit entsprechendem Akzent dargestellt, die Selektion der jüdischen (nicht der israelischen) Geiseln, darunter eine Holocaustüberlebende durch deutsche Terroristen als Schlüsselszene interpretiert. Bei der israelischen Verfilmung Mivtsa Yonathan spielten die Akteure Shimon Perez, Jigal Allon und Jitzchak Rabin sich selbst als Darsteller, was den Anspruch an den dokumentarischen Charakter unterstrich.

In den 1970er Jahren wurden Flugreisen zunehmend breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich, gleichzeitig stieg die Anzahl der Flugzeugentführungen. Während sie anfangs zumeist durch Geiselaustausch beendet wurden, zeichnete sich mit Entebbe eine Tendenz zur Intervention ab, deren Stattfinden wie Erfolg in der westlichen Welt zunehmend begrüßt wurde.[19] In Westdeutschland geriet Entebbe gegenüber dem Geiseldrama der Landshut und dem Deutschen Herbst etwas ins Hintertreffen. Eine filmische oder literarische Verarbeitung fand erst viel später statt. Thomas Ammann drehte 2010 eine ARTE-Dokumentation zum Thema, erneut mit der Selektion als Schlüsselszene.[20][21]

In Israel kam es einige Zeit später zu längeren öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Major "Muki" Betser und den Brüdern Iddo und dem späteren Politiker Benjamin Netanyahu. Betser warf Jonathan Netanyahu im Nachhinein vor, die beiden Wachsoldaten, die seiner Afrikaerfahrung nach die Kolonne nicht ernsthaft gestoppt, sondern schlicht in Erwartung eines Offiziellen durchgewunken hätten, im Eingangsbereich unnötigerweise erschossen zu haben. Er habe damit seinen eigenen Tod verursacht wie den Überraschungseffekt der Aktion unnötigerweise riskiert. Netanyahu war nur teilweise bei den Vorbereitungen anwesend gewesen,[22] Betser sah Netanyahu daher auf übertriebene Weise glorifiziert.[23].

Auswirkungen in der linken Szene

Hans-Joachim Klein, der noch 1975 als Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) während der OPEC-Geiselnahme in Wien drei Menschen erschossen hatte, tauchte kurz darauf unter. Er distanzierte sich 1977 von den RZ und warnte vor geplanten RZ-Anschlägen gegen die prominenten jüdischen Vertreter Heinz Galinski und Ignaz Lipinski (Leiter der Jüdischen Gemeinde Frankfurt).[24]

Weitere Angehörige der Organisation begannen erst 1991 öffentlich Selbstkritik zu üben und im Rahmen des gewaltsamen Todes eines Mitglieds ihr Verhältnis zu den Palästinensern zu hinterfragen:

„[…] Anstatt wahrzunehmen, was uns vorgehalten wurde, nämlich dass wir als Organisation an einer Operation teilhatten, in deren Verlauf israelische Staatsbürger und jüdische Passagiere anderer Nationalität ausgesondert und als Geisel genommen worden waren, beschäftigten wir uns vor allem mit dem militärischen Aspekt der Aktion und ihrer gewaltsamen Beendigung.“[25]

Das ehemalige RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock äußerte als Erklärung, dass RZ wie RAF ohne Hilfe der Palästinenser „von Mitte der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre nicht mehr oder nur sehr bedingt aktionsfähig gewesen“ wären.[26] Parallel versuchte die DDR, die lange Zeit für einen vehementen Antizionismus bis zu einer Gleichsetzung von Israel mit Nazi-Deutschland einstand, Ende der 1980er-Jahre das Verhältnis zu Israel zu verbessern.[27]

Deutsche Linke und Linksextreme blieben bis in die Gegenwart teilweise antizionistisch und antiisraelisch eingestellt.[28] 2004 wurde dies einschließlich der unterschiedlichen Reaktionen zu Entebbe bei einer Konferenz zum „Antisemitismus der Linken“ in der Hans-Böckler-Stiftung thematisiert.[29]

Entebbe war nur für einige „intellektuelle Außenseiter“ wie Wolfgang Pohrt, Eike Geisel und Christian Schultz-Gerstein ein Grund, anhand der Vorfälle das Verhältnis der deutschen Linken zum Antisemitismus kritisch zu betrachten oder sich ganz von der Linken zu distanzieren. Eine breitere Auseinandersetzung in der Linken fand erst deutlich später statt und prägte die Diskurse, welche von der Strömung der Antideutschen neu angestoßen wurden.[30]

Filmische Adaptionen

Der Zwischenfall wurde in drei größeren Filmproduktionen thematisiert. Zwei waren US-amerikanische Produktionen mit internationaler Besetzung, der dritte wurde in Israel mit zumeist israelischen Schauspielern in den Hauptrollen produziert.

Literatur

  • William Stevenson: Ninety Minutes at Entebbe. Bantam Books, 1976, ISBN 0-553-10482-9.
    • französisch: 90 minutes à Entebbe : tonnerre israélien sur l'Ouganda. Ed. Stanké, Montréal 1976, ISBN 0-88566-042-0.
  • Muki Betser, Robert Rosenberg: In geheimen Auftrag. Heyne, 1998, ISBN 3-453-14137-7.
  • Annette Vowinckel: Der kurze Weg nach Entebbe oder die Verlängerung der deutschen Geschichte in den Nahen Osten. In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History. Online-Ausgabe. 1 (2004), H. 2, (online)

Einzelnachweise

  1. a b c d e Ulrich Beyerlin: Abhandlungen: Die israelische Befreiungsaktion von Entebbe in völkerrechtlicher Sicht. auf: zaoerv.de Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1977.
  2. umfassender Bericht im Archiv des IDFs, s.9, Abs.1
  3. Gerhard Hanloser: Bundesrepublikanischer Linksradikalismus und Israel - Antifaschismus und Revolutionismus als Tragödie und als Farce. In: Moshe Zuckermann (Hrsg.): Antisemitismus, Antizionismus, Israelkritik. Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-872-8, S. 194.
  4. Klaus Biesenbach: Zur Vorstellung des Terrors. Zur Vorstellung des Terrors. Die RAF-Ausstellung. Band 2. Steidl, Berlin 2005, ISBN 3-86521-102-X, S. 151.
  5. David Tinnin: Like Father. In: Time. 8. August 1977; Julian Becker: A review of Hitler's children. Page 2
  6. http://www.flightglobal.com/pdfarchive/view/1976/1976%20-%201254.html
  7. The Rescue: 'We Do the Impossible'., Time Magazine. Monday, 12 July 1976. Abgerufen am 26 July 2009. 
  8. Remembering Entebbe,Larry Domnitch. The Jewish Press (1. Juli 2009). Abgerufen am 4. Juli 2009.
  9. 1976: Israelis rescue Entebbe hostages, BBC – On this day. 4. Juli 2008. Abgerufen am 26. Juli 2009. 
  10. Chaim Herzog: Heroes of Israel: Profiles of Jewish Courage. Little Brown and Company, September 1989.
  11. Chaim Herzog: Heroes of Israel. S. 284.
  12. Hillel Fendel: Israel Commemorates 30th Anniversary of Entebbe Rescue. In: Israel National News. 5. Juli 2006.
  13. Annette Vowinckel: Der kurze Weg nach Entebbe oder die Verlängerung der deutschen Geschichte in den Nahen Osten. In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History. Online-Ausgabe, 1 (2004), H. 2, (online)
  14. Ilse Dorothee Pautsch, Matthias Peter, Michael Ploetz, Tim Geiger: Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1976. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2007, ISBN 978-3-486-58040-2.
  15. Hans Schueler: Terror ohne Ende. Die Entebbe-Aktion war ein Glücksfall. In: Die Zeit. 9. Juli 1976, S. 1. Zit. nach: Annette VowickelDer kurze Weg nach Entebbe … 2004, S. 11.
  16. Bonn: „Härte bedeutet Massaker“. In: Der Spiegel. 5. Juli 1976, S. 21-25, hier S. 22 und spiegel-online.de. Abgerufen am 5. April 2011.
  17. Flugzeugentführung: Terroristen befreit. In: Die Zeit. 3. November 1972.
  18. a b Judith E. Doneson: The Holocaust in American film, Judaic traditions in literature, music, and art. 2. Ausgabe. Verlag Syracuse University Press, 2002, ISBN 0-8156-2926-5.
  19. Manuel Borutta, Frank Bösch (Hrsg.): Die Massen bewegen: Medien und Emotionen in der Moderne. Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2006, ISBN 3-593-38200-8.
  20. Thomas Ammann: Von Auschwitz nach Entebbe. In: arte. 30. Juni 2010. (Abrufbar auf youtube.com: Teil 1 (Stand: 4. April 2011)).
  21. Thomas Gehringer: „Von Auschwitz nach Entebbe“: Und wieder selektiert ein Deutscher. (Rezension) In: tagesspiegel.de, 28. Juni 2010. Abgerufen am 4. April 2011.
  22. Sharon Roffe-Ofir: Entebbe's open wound. auf: Ynet. 7 February 2006.
  23. Josh Hamerman: Battling against 'the falsification of history'. auf: Ynet News. 4 February 2007.
  24. Hans-Joachim Klein: Rückkehr in die Menschlichkeit. Appell eines ausgestiegenen Terroristen. Reinbek 1979.
  25. Revolutionäre Zelle: Gerd Albartus ist tot. In: ID-Archiv im IISG/Amsterdam (Hrsg.): Früchte des Zorns. Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionären Zellen und der Roten Zora. Edition ID-Archiv, Berlin 1993, ISBN 3-89408-023-X, S. 20–34. Dort datiert auf Dezember 1991. Abgerufen am 5. April 2011.
  26. Gunther Latsch: Geschichte des Terrors: Eldorado der Linksguerilla. In: Spiegel Special. 29. Juni 2004. S. 89. (online)
  27. Sebastian Voigt: Das Verhältnis der DDR zu Israel. auf: bpb. 28. März 2008.
  28. Rudolf van Hüllen: „Antiimperialistische“ und „antideutsche“ Strömungen im deutschen Linksextremismus. auf: bpb.de, 16. April 2008
  29. Matthias Brosch (Hrsg.): Konf: Antisemitismus in der deutschen Linken. Hans-Böckler-Stiftung, Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf 26. November 2004 - 28. November 2004, IG Metall Bildungsstätte Berlin / Pichelsee.
  30. Patrick Hagen: Die Antideutschen und die Debatte der Linken über Israel. In: trend. 04/2005 (onlinezeitung)

Weblinks


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