Schlacht von Vittorio Veneto

Schlacht von Vittorio Veneto

Die Schlacht von Vittorio Veneto (oder “Dritte Piaveschlacht”) wurde vom 24. Oktober 1918 bis zum 3. bzw. 4. November 1918 in Nordostitalien ausgetragen. Sie führte zum Waffenstillstand von Villa Giusti bei Padua und zur Niederlage Österreich-Ungarns im Krieg gegen Italien (Erster Weltkrieg).

Inhaltsverzeichnis

Oktober 1917 bis Oktober 1918

In der Schlacht von Karfreit (12. Isonzoschlacht, Oktober/November 1917) war es Österreich-Ungarn und Deutschland gelungen, die Italiener in den Julischen Alpen vernichtend zu schlagen und sie zum Rückzug vom Isonzo zum Piave zu zwingen. Auf dem Monte Grappa und am Piave kam der Vorstoß der Mittelmächte teils wegen des italienischen Widerstandes auf dem Grappa-Eckpfeiler, teils wegen des schlechten Wetters und des hochwasserführenden Piave, teils wegen eigener Zögerlichkeiten zum Stehen (Erste Piaveschlacht, Dezember 1917).

Angesichts der zunehmenden eigenen Probleme versuchte Österreich-Ungarn in der Zweiten Piaveschlacht im Juni 1918 mit aller Entschlossenheit, Italien definitiv zu besiegen und den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Dies scheiterte am italienischen Widerstand.

Von Juli bis Oktober 1918 ging der Krieg an der Italienfront mit hoher Intensität weiter. Im Sommer gab es schwere Kämpfe, unter anderem auf dem Monte Mantello, dem Monte Cornone, dem Col Tasson, dem Monte Corno und dem Col del Rosso. Handstreichartige Gefechte fanden bis in den Oktober hinein von der Schweizer Grenze bis zur Adria statt, die sich an verschiedenen Stellen, so bei Papadopoli am Piave, auf dem Grappa-Massiv und auf der Hochfläche von Asiago manchmal zu schweren Kämpfen entwickelten. Bemerkenswert waren auch die Operationen der Luftstreitkräfte beider Seiten. Italienische Flieger bombardierten wiederholt den Kriegshafen von Pola und andere österreichische Stützpunkte in Dalmatien. Darüber hinaus griff man auch östlich des Piave an, darunter Villach und Lienz. Eine Staffel unter dem Kommando von Gabriele d'Annunzio flog im August 1918 bis nach Wien und warf knapp 400.000 Flugblätter über der Stadt ab. Die österreichischen Flieger bombardierten Ziele zwischen Ravenna und Rimini, wiederholt waren Treviso, Padua und Venedig Ziele österreichischer Luftangriffe, die hauptsächlich Ende August 1918 stattfanden.

Planung der Schlacht von Vittorio Veneto

Vorüberlegungen

Anfang September 1918 begann die italienische Führung mit Planungen für einen begrenzten Angriff im Tiefland. Man dachte an einen Brückenkopf östlich des Piave, zwischen dem Monte Cesen und Susegana, von wo aus man im Frühjahr 1919 eine Großoffensive starten wollte. Diese Planungen wurden wegen des Drucks der anderen Entente-Mächte und der italienischen Regierung bald aufgegeben. Angesichts der Niederlagen der Mittelmächte an anderen Fronten und den Forderungen Ludendorffs und anderer nach einem Waffenstillstand, verlangte man nach einer schnellen Entscheidungsschlacht, für welche die Planungen Ende September, Anfang Oktober ausgearbeitet wurden. Doch die Lage der Italiener war im Spätsommer 1918 bei weitem nicht so überlegen, wie sich Italiens Verbündete das vorstellten.

Der französische oberste Befehlshaber Foch forderte von Italien eine sofortige Offensive. Von den 300.000 US-Soldaten, die monatlich (ab Juni 1918) in Frankreich eintrafen und an der Westfront den Krieg entschieden, wollte Foch aber keinen einzigen an Italien abgeben, wo das italienische Heer seit der Schlacht von Karfreit in der Unterzahl war (56 zu 65 Divisionen). Ab März 1918 hatten Großbritannien und Frankreich insgesamt noch fünf Divisionen in Italien, dazu kam eine tschechische Division und ein amerikanisches Regiment, das zum Teil aus italienischen Auswanderern bestand. Foch hatte darüber hinaus zur Abwehr der deutschen Frühjahrsoffensive an der Westfront ein italienisches Korps mit zwei Divisionen erhalten. Daneben verfügte er über 70.000 italienische Arbeiter, die unter Militärjurisdiktion stehend den französischen Nachschub sicherten. Fochs Druck auf die Italiener und seine gleichzeitige Ablehnung aller ihrer Forderungen konnte nur einen Verzicht auf einen Großangriff zur Folge haben. Aber ein begrenzter Angriff konnte aus Sicht der Italiener nur zu Ergebnissen führen, wie man sie schon von den ersten elf Isonzoschlachten kannte, wobei nicht auszuschließen war, dass man wie bei Karfreit einen schweren Rückschlag erlitt. Spätestens seit der Zweiten Piaveschlacht im Juni 1918 erkannten und nutzten die Italiener den Vorteil, den die Österreicher während des ganzen Krieges hatten: die insbesondere in der Defensive enorme Wirkung der neuen Maschinenwaffen (MG), insbesondere wenn diese aus überhöhten Stellungen feuerten und einen frontalen Angreifer in der Flanke faßten. Grundsätzlich wünschte sich die italienische Führung eher einen erneuten österreichischen Großangriff wie im Juni 1918, um bei einer solchen Gelegenheit einen von langer Hand geplanten entscheidenden Gegenangriff zu starten.

Anlass zu italienischem Optimismus gab es wegen der Erfolge der Entente in Frankreich, wo die Deutschen im Juli und August 1918 schwere Niederlagen einstecken mussten, und zusätzlich wegen der Lage Österreich-Ungarns, besonders seiner Armee, die immer mehr an Nachschubproblemen und allgemeiner Auszehrung litt. Auch die politische Lage im Vielvölkerstaat spitzte sich immer mehr zu, was am 28. Oktober zur Gründung der Tschechoslowakei und am 29. Oktober zur Abspaltung der Staaten des späteren Jugoslawiens führen sollte. Am 31. Oktober endete formal Österreich-Ungarn mit dem Austritt Ungarns.

Insgesamt schien diese Entwicklung trotz aller Bedenken das Wagnis eines Angriffs zu rechtfertigen. Politisch und zeitlich passte er im Oktober 1918 aus italienischer Sicht noch ins Bild. Die strategische Entscheidung Fochs, Italien nicht zu unterstützen und den Schwerpunkt an der Westfront zu belassen, war militärisch fragwürdig. Denn die schnelle Konzentration auf das schwächere Österreich-Ungarn und eine eventuell folgende Bedrohung Deutschlands aus dem Süden hätte Berlin womöglich schneller und nachhaltiger zur Kapitulation gezwungen, als durch eine Offensive an der französisch-belgischen Front. Politisch war die Entscheidung Fochs im Sinne Frankreichs korrekt, da man der Italienfront auf keinen Fall eine für das französische Prestige abträgliche Rolle zukommen lassen wollte. Umgekehrt könnte man ähnliches bezüglich der Südfront auch über Deutschland und Österreich-Ungarn sagen. Die Italiener befürchteten eine solche strategische Entscheidung bis zum Schluss.

Militärische Planungen

Zentrale Zielsetzung der Schlacht von Vittorio Veneto war die Trennung der österreichischen Kräfte im Trentino von denen am unteren Piave. Die Trennung durch einen sichelartigen Schnitt auf Vittorio Veneto (das damals noch Vittorio hieß, den Zusatz bekam es erst 1923) und darüber hinaus sollte die österreichische Gebirgsfront (die eine ständige Bedrohung für die italienischen Verbände im Tiefland südöstlich des Monte Grappa waren) zum Einsturz bringen und in der Folge, mangels Verbindungen nach Norden, auch die Piavefront im Tiefland. Von den beiden österreichischen Armeen (6. und 5.), die zwischen Grappa und der Adria standen, hatte die nördlicher gelegene 6. Armee (Alano bis Ponte della Priula) den strategisch ungünstigsten Nachschubweg (Vittorio Veneto-Conegliano-Sacile). Vittorio Veneto zu erreichen, bedeutete deshalb diese Nachschublinie zu durchtrennen und die 6. österreichische Armee zu lähmen. Um den italienischen Vorstoß auf Vittorio Veneto zu ermöglichen, sollte am Piave an der kritischsten Stelle des Gegners angegriffen werden, nämlich an der Grenze zwischen seiner 5. und der 6. Armee. Die Ziele nach Vittorio Veneto waren Feltre, also die Gegend im Rücken des Grappa-Massivs, wodurch dieses fallen musste, und die Täler Val Cismon und Valsugana, von wo aus das ganze Trentino bedroht werden konnte. Daneben wollte man über das Cadore-Tal (Belluno) auch nach Norden vorstoßen.

Die italienischen Verbände wurden umfassend auf diesen Angriff vorbereitet, insbesondere auf die schwierige Überquerung des im Oktober Hochwasser führenden Piave (wie schon 1917 nach Karfreit) und auf das Halten großer Brückenköpfe östlich des Flusses (um schwierige Rückzugsgefechte wie die der Österreicher im Juni 1918 zu verhindern). Besondere Aufmerksamkeit schenkte man auch dem Nachschub. Zur besseren Führung der Großverbände wurden zwischen der Brenta und der Piavemündung Mitte Oktober neue Armeekommandos eingerichtet. Bis zum 15. Oktober erfolgten alle italienischen Truppenbewegungen fast ausschließlich nachts und unter strenger Geheimhaltung. Ab dem 15. Oktober konnte der Angriff endlich beginnen, doch der ständige Regen und das Hochwasser zwangen abermals zu einer Verschiebung. Am 18. Oktober verschlechterte sich das Wetter so sehr, dass eine Verschiebung um eine Woche unvermeidlich wurde. Auf Grund des bevorstehenden Schnee-Einbruchs drohte das gesamte Unternehmen undurchführbar zu werden.

Auf österreichischer Seite standen 52 Divisionen. Auf italienischer Seite standen insgesamt 57 Divisionen, davon drei britische und zwei französische. Dazu kam ein US-Regiment.[1]

Verlauf der Schlacht

Karte der US-Bundesregierung

Das italienische Artilleriefeuer begann zwischen Brenta und Piave am 24. Oktober 1918 um 03:00 Uhr (vgl. Karfreit 1917). Um 07:15 Uhr griff die Infanterie bei Nebel und dann Regen an. Die Wetterbedingungen erschwerten das Artilleriefeuer auf beiden Seiten, nicht aber den Nahkampf der Infanterie. Auf dem Grappa-Massiv besetzten die Italiener zunächst den Monte Asolone, von dem man sich aber wegen österreichischer Gegenangriffe wieder zurückziehen musste. Auf dem Monte Pertica und dem Monte Pressolan spielten sich ähnliche Szenen ab. Das italienische Oberkommando ließ die Angriffe auf dem Grappa-Stock immer wiederholen, um dort österreichische Truppen zu binden, die somit nicht am Piave eingesetzt werden konnten. Dort war der Angriff für die Nacht zum 25. Oktober vorgesehen, doch die Wetterbedingungen machten eine mehrtägige Verschiebung notwendig (in den frühen Morgenstunden des 24. Oktobers hatten britische (unter Richard O’Connor) und italienische Truppen bei Papadopoli befehlsgemäß einige Piave-Inseln besetzt). Zwischen Pederobba und Sant’Andrea di Barbarana lag der Pegelstand an den sonst flachsten Stellen bei etwa zwei Metern, das Wasser floss mit über drei Metern pro Sekunde. In der Zwischenzeit kämpfte man auf dem Grappa-Massiv um den Col della Berretta, den Monte Pertica, den Monte Asolone u. a., nicht ohne Konsequenzen für die Österreicher, die dort nun ihre Reserven konzentrieren mussten.

Am Abend des 26. Oktobers begannen die italienischen Pioniere mit dem Bau von elf Brücken über den Piave (Molinello, sieben zwischen Fontana del Buoro und Priula, drei bei Papadopoli). Zwischen Vidor und Nervesa, im Bereich der beiden italienischen Sturmdivisionen, konnten einige Brücken wegen des Hochwassers und des österreichischen Artilleriebeschusses nicht gebaut werden. Nur auf insgesamt sechs Brücken konnte der Piave überquert werden, ansonsten kamen Boote zum Einsatz.

Am Morgen des 27. Oktobers entstanden bei Valdobbiadene, Sernaglia und Cimaldolmo drei Brückenköpfe. Kurz darauf zerstörten das Hochwasser und die österreichische Artillerie mehrere Brücken, was die italienischen Brückenköpfe in erhebliche Bedrängnis brachte. Dennoch konnten diese in nördlicher und westlicher Richtung ausgebaut werden. Am Nachmittag des 27. Oktober begannen die Österreicher mit einem Gegenangriff, den die italienischen Sturmtruppen bis in die Nacht hinein von den Brückenköpfen heraus zurückschlugen. Den ganzen 28. Oktober über arbeiteten die Italiener an ihren Brücken und kämpften gegen das Hochwasser und das österreichische Artilleriefeuer (z. T. Gasangriffe). Zwischen Falzè und Nervesa stand am Ende des Tages wiederum keine einzige Brücke, was zu einer Lücke zwischen der 8. und der 10. italienischen Armee führte. Die 10. italienische Armee unterstand Frederick Rudolf Lambart, 10. Earl of Cavan, dem Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte in Italien. Ein komplettes Korps (XVIII.) wurde über die Brücken der 10. Armee geschickt, um auf Conegliano vorzustoßen und somit dem VIII. Korps der zentralen 8. Armee (General Caviglia) am 29.10. die Flussüberquerung und den weiteren Vorstoß zu ermöglichen.

Am 29. Oktober hatten die 8. Armee und östlich davon die 10. Armee größere Brückenköpfe gebildet[2]. Den Italienern gelang nun die Trennung der österreichischen Verbände und am 30. Oktober auch der Vorstoß auf Vittorio (aufgrund dieser Schlacht 1923 in Vittorio Veneto umbenannt).[2] Auch in den Bergen gelang bei Quero trotz des österreichischen Widerstands und des schwierigen Geländes ein Durchbruch.

Auf dem Grappa-Massiv begannen die Österreicher am 27. Oktober eine Gegenoffensive. Acht Angriffe auf den Monte Pertica wurden von den Italienern in sechsstündigem Kampf abgewehrt. Auf beiden Seiten gab es große Verluste. Auch an den folgenden beiden Tagen kam es zu heftigen Kämpfen mit Artillerieeinsätzen. Die österreichischen Truppen kämpften auf dem Grappa-Massiv mit dem Ziel, vom Grappa ins Tiefland durchzubrechen und die italienische Piavefront von hinten aufzurollen. Am unteren Piave brach am 30. Oktober der österreichische Widerstand zusammen, woraufhin die Italiener gemäß ihrem Plan weiter vordrangen und die auf dem Grappa kämpfenden österreichischen Verbände in eine unhaltbare Situation brachten. Von einer Umfassung bedroht zogen sich die Österreicher in der Nacht vom 30. auf den 31. Oktober vom Grappa zurück. [3]

An der Piavemündung erhielt nun auch die 3. italienische Armee, die unter dem Kommando von Herzog Emanuel von Aosta stand, den Angriffsbefehl. Nach anfänglichem Widerstand der österreichischen Verbände war der italienische Vormarsch nicht mehr aufzuhalten. Bis zum 1. November hatten die Italiener im Westen eine Linie etwa Asiago-Feltre-Belluno erreicht, und im Osten den Parallelfluss zur Piave, die Livenza, überschritten.[2] Bis zum 4. November waren große Teile Friauls und des Trentinos in italienischer Hand.[2] Die Besatzungslinie gemäß Waffenstillstand verlief dann auf dem Alpenhauptkamm.

Der italienische Sieg von Vittorio Veneto bestätigte das Ende Österreich-Ungarns, das am 31. Oktober 1918 mit dem Austritt Ungarns aufhörte zu existieren, nachdem sich am 28. und 29. Oktober bereits die Tschechoslowakei und Kroatien für unabhängig erklärt hatten (völkerrechtliche Bestätigung am 10. September 1919 im Vertrag von Saint-Germain, in Kraft getreten am 16. Juli 1920).

Waffenstillstand von Villa Giusti

Einer der letzten Züge, die Heimkehrer der österreichisch-ungarischen Armee aus Trient transportierten. Wenige Stunden später wurde die Stadt von italienischen Truppen besetzt und die dort verbliebenen österreichischen Soldaten gefangengenommen. (4. November 1918)

Österreichische Parlamentäre übergaben bereits am 29. Oktober 1918 in der Nähe des Gardasees ein schriftliches Waffenstillstandsersuchen. Am folgenden Tag traf eine österreichische Delegation unter General Viktor Weber von Webenau mit einer von General Pietro Badoglio geführten italienischen Delegation in Padua zusammen. Die österreichische Seite war beauftragt worden, schnellstmöglich einen Waffenstillstand auszuhandeln, der nicht den Charakter einer Kapitulation haben sollte. Die Italiener übergaben die aus Paris übermittelten Bedingungen der Entente (kurz darauf schickte Paris die genauen Klauseln, zu denen noch italienische Zusatzklauseln kamen), welche in der Substanz eine Kapitulation Österreich-Ungarns verlangten, was Webenau angesichts der Vorgaben aus Wien nicht akzeptieren konnte. Mit der harten Kapitulationsforderung konfrontiert und zugleich an die (angesichts der militärischen Lage) völlig unrealistischen Vorstellungen Wiens über einen Waffenstillstand gebunden, blieb Webenau nichts anderes übrig, als drei seiner Delegationsmitglieder (Schneller, Liechtenstein, Ruggera) nach Trient zu schicken, um den dortigen General Waldstätten um neue Verhandlungsvorgaben zu bitten. Dieser verwies auf die Führung in Wien. Auf einem ersten Treffen zwischen Kaiser Karl, seinen Ministern und Generalen traf man keine Entscheidung, sondern richtete eine Erklärung an die Völker Österreich-Ungarns. Auch auf folgenden Sitzungen wurden keine Entscheidungen getroffen, sondern Zuständigkeiten bezüglich des Waffenstillstands von einem Gremium zum anderen geschoben.

Während in Wien niemand Verantwortung übernehmen wollte, wartete man in Trient und Padua vergeblich auf klare Anweisungen. Österreichische Soldaten starben oder gerieten auf erniedrigende Weise in Gefangenschaft, weil die Führung in Wien Webenau in Padua allein ließ. Als die Italiener ungeduldig wurden und drohten, die Verhandlungen abzubrechen, trafen in Trient widersprüchliche Telegramme aus Wien ein. Zunächst akzeptierte man die Bedingungen der Entente und Italiens, dann widerrief der Kaiser sein Einverständnis. In der Zwischenzeit hatte man den österreichischen Truppen (3. November) aufgrund eines dieser Telegramme den Befehl gegeben, das Feuer einzustellen. Am Ort der Waffenstillstandsverhandlungen wusste man nicht nur nichts von der einseitigen österreichischen Feuereinstellung (wobei nicht alle österreichischen Verbände das Feuer einstellten), sondern auch sonst nichts von den Telegrammen, die zwischen Wien und Trient unterwegs waren. Als Webenau nach Entsendung eines weiteren Delegationsmitglieds nach Trient endlich die konfusen Telegramme zu Augen bekam, brachten ihn diese keinen Schritt weiter. Schließlich musste er allein eine Entscheidung treffen und unterschrieb den Waffenstillstandsvertrag. Die erste italienische Zusatzklausel legte unzweideutig fest, dass die Kampfhandlungen 24 Stunden nach Vertragsunterzeichnung einzustellen waren, um alle Einheiten auf beiden Seiten der Front über die Waffenstillstandsmodalitäten unterrichten zu können. Die Italiener hielten dies für vernünftig, die Österreicher für eine Verzögerungstaktik.

Die Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages am 3. November 1918 um 15:00 Uhr legte die Einstellung der Kampfhandlungen rechtlich für beide Seiten bindend auf den 4. November um 15:00 Uhr fest. Die Ergebnisse der Beschlüsse von Padua, wohin die Vertreter Österreich-Ungarns auf Bitte ihrer Regierung gekommen waren, waren nicht nur formalrechtlich, sondern auch in der Substanz für beide Seiten entscheidend. Die Verantwortung für die einseitige österreichische Feuereinstellung liegt dort, wo noch vor der Unterzeichnung des Waffenstillstands einseitig der Befehl zur Feuereinstellung gegeben wurde.

Kurz nach dem Krieg veröffentlichte die neue österreichische Führung u. a. in der “Wehrzeitung” ihre Bewertung der Geschehnisse. Man gestand offiziell ein, dass die Front zwischen Etsch und Adria in den ersten Novembertagen, noch vor der Unterzeichnung des Waffenstillstands bzw. der einseitigen Feuereinstellung, völlig zusammengebrochen war; dass die österreichischen Forderungen nach einer Einstellung der Kampfhandlungen zeitgleich mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands ungerechtfertigt weil technisch nicht realisierbar waren; dass sich das österreichische Oberkommando gänzlich im Ton vergriffen hatte, um der Weltöffentlichkeit zu suggerieren, dass Italien ungerechtfertigterweise versucht habe, soviele Gefangene wie nur möglich zu machen, um einen militärischen Sieg zu konstruieren, den es so überhaupt nicht gegeben habe. Auf diese Weise sollte Österreich-Ungarns Position bei späteren Verhandlungen verbessert werden.

Einzelnachweise

  1. *Michael Duffy: Darstellung der Schlacht (Englisch)
  2. a b c d vgl. US-Karte zur Schlacht
  3. Heinz von Lichem: Krieg in den Alpen 1915-1918. Weltbild Verlag, Augsburg 1993. Band 3, S. 348-350: Bis zum 26. Oktober verloren die Italiener in wenigen Tagen 40.000 Mann an der Grappa-Front; sie konnten aber nicht durchdringen, außer am Monte Pertica und am Hang des Col dell'Orso (...). Nahezu alle Völker Kaiser Karls standen zwischen Asolone und Spinuccia, alle Nationalitäten der Armee hatten diesen ergreifenden Erfolg im Augenblick des Untergangs errungen und legten ein Beispiel des zumindest in der Armee funktionierende Vielvölkerstaates von fast mystischer Größe ab. (...) Auch am 30. Oktober konnte Österreich-Ungarn alle Grappa-Positionen gegen härteste italienische Angriffe halten. Durch den Vormarsch Italiens im Tiefland wurde die Grappa-Front nun umgangen und drohte durch das gleichzeitig erfolgende, italienische Vorrücken nach Feltre umzingelt zu werden.

Literatur

  • Pier Paolo Cervone: Vittorio Veneto. L’ultima battaglia. Mursia, Mailand 1994.
  • Manfried Rauchensteiner: Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg. Styria, Graz, Wien, Köln 1993

Weblink


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