- St. Georg (Bremen)
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Die Kirche St. Georg im Bremer Stadtteil Huchting gehört zur evangelischen St.-Georgs-Gemeinde. Sie wurde an Stelle einer mittelalterlichen Kirche 1877–1879 errichtet. Seit 1994 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.[1]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte und Baugeschichte
Urkundlich nachweisbar ist in Huchting eine Kirche im Jahre 1266. Vermutlich war sie um Jahrzehnte älter und über Jahrhunderte das kirchliche Zentrum der Dörfer Kirch-, Mittels- und Brokhuchting. Vergleichbare mittelalterliche Backsteinbauten sind noch in den Nachbargemeinden Stuhr und Arsten erhalten. Die alte Huchtinger Kirche ist auf einer Informationstafel neben der Kirche abgebildet in einer Radierung von 1820 und einem Foto um 1875, vermutlich kurz vor dem Abriss.
Von 1877 bis 1879 entstand die heutige Kirche nach Plänen der Architekten Eduard Gildemeister und Heinrich Deetjen, ein neugotischer Backsteinbau mit einem schlanken, 46 Meter hohen Turm. Das Kirchenschiff hat als Innenmaße eine Länge von 18,25 m, eine Breite von 9 m und eine Höhe von 11,30 m und bietet je nach Bestuhlung 300–400 Menschen Raum. Die Baukosten beliefen sich auf 45.000 Mark, von denen die Huchtinger 30.000 Mark selbst aufbrachten. Für die Gemeinde, die damals „zu den geringsten des bremischen Staatsgebietes“ gezählt wurde, war dies eine beachtliche finanzielle Leistung.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche durch Beschuss beider Parteien im April 1945 über 60% beschädigt: Zunächst befand sich in ihrem Turm ein Artillerie-Beobachtungsposten, wodurch er zum legitimen Ziel britischer Truppen wurde. Nach ihrem Rückzug beschoss dann deutsche Artillerie Huchting von Bremen aus. In der Nachkriegszeit wurde das Gebäude instandgesetzt, das Geläut auf drei Glocken erweitert und der Innenraum 1963 renoviert. Eigenmittel hierfür konnten aus dem Verkauf eines Grundstücks an die Thyssen Krupp Schulte GmbH beschafft werden. Federführend war der Architekt Carsten Schröck. Eine weitere Renovierung folgte in den Jahren 1991/1992 unter Architekt Timm, dabei wurde vor allem der neugotische Charakter der Kirche wieder hergestellt: Das Kreuzgewölbe wurde durch roten Anstrich der Klinkerbänder farblich hervorgehoben.
Ausstattung
Altartisch und Kanzel
Bei der Neugestaltung des Innenraumes 1963 gestaltete Carsten Schröck Kanzelfront und Altartisch korrespondierend als schlichte großflächige Platten aus grünem Marmor. Der Abendmahlstisch befindet sich an der Ostseite des Langschiffes, unter dem Glasfenster mit dem Bild des Gekreuzigten. Der Altarschmuck besteht aus einem Bronzekreuz und vier Messingleuchtern mit den Symbolen der Evangelisten (Engel, Stier, Löwe, Adler) und – ebenso wie vor der Kanzel – einem Antependium.
Taufbecken
Die Messingschale im Marmor-Taufbecken von 1958 trägt die Inschrift: „Ein Leib – ein Herr – ein Glaube – eine Taufe“.
Glasfenster
Die sieben Glasfenster, nach Entwürfen von Will Torger bei den Glaswerkstätten K. Lendenroth 1965–1967 gefertigt, verleihen dem hellen Kirchenraum mit ihrer Leuchtkraft eine starke Ausstrahlung: Das Altarfenster mit dem Gekreuzigten, das Tauffenster über dem Taufstein mit der Taufe Jesu im Jordan durch Johannes „den Täufer“. Das Kanzelfenster gegenüber zeigt den predigenden Jesus, der betende Jesus im Bewusstsein seines nahenden Todes wird im Gethsemanefenster dargestellt. Den Heiligen Georg – Namensgeber der Kirche seit Anfang des 13. Jahrhunderts – zeigt das Georgsfenster im Kampf mit dem Drachen. Auf der Orgelempore befindet sich das Davidfenster mit Saul, dem ersten König von Israel, und David – später der größte König Israels – als Harfenspieler. Auf der anderen Seite der Empore das Engelfenster mit musizierenden Engeln und „das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt“ an der Spitze des Fensters.
Orgel
Die Orgel über der gläsernen Eingangstür aus der Orgelbauwerkstatt Alfred Führer entstammt dem Jahr 1958. Sie folgte auf das nach 1879 von der reformierten Gemeinde Blumenthal übernommene kleinere und schlichtere Instrument und trug über Jahrzehnte zu einem kirchenmusikalischen Schwerpunkt der Gemeindearbeit bei. Im Rahmen der Schröck´schen Innenraumgestaltung 1963 wurde die Orgel blau gestrichen. Nachintoniert wurde sie l977. Eine gründliche Renovierung und klangliche Überarbeitung erfolgte 1994. Über zwei Manuale und Pedal erklingen ca. 1550 Pfeifen in 24 Registern.
I Hauptwerk Quintade 16′ Prinzipal 8′ Rohrflöte 8′ Oktave 4′ Gemshorn 4′ Nasard 22/3′ Oktave 2′ Mixtur IV Trompete 8′ II Rückpositiv Gedackt 8′ Prinzipal 4′ Blockflöte 2′ Oktave 1′ Sesquialtera II Scharff IV Krummhorn 8′ Tremulant Pedal Subbass 16′ Oktavbass 8′ Gedacktbass 8′ Choralbass 4′ Nachthorn 2′ Rauschpfeife III Fagott 16′ Organisten
- –1962: Marie Auel
- 1962–1997: Nikolaus Dorsch
- 1997–2007: Ruth Drefahl
- 2008– : Manuela Buchholz
Glocken und Turmuhr
Die drei Glocken aus dem Jahr 1956 klingen über den Tönen fis, gis und h und zitieren als gemeinsame, auf die Glocken verteilte Inschrift nach (Röm 12,12 LUT): „Seid fröhlich in der Hoffnung“ – „Seid geduldig in Trübsal“ – „Haltet an im Gebet“. Sie ertönen tagsüber viertelstündlich zum Uhrschlag sowie im Rahmen der Läuteordnung. Zu den Seiten Nord, West und Süd öffnet sich die Turmuhr von 1958 und ist damit vom ganzen Kirchspiel aus sichtbar. Erwähnung findet dieser Umstand aus folgendem Grund: Aus der Zeit um 1800 ist ein langwieriger Streit um die Finanzierung der ersten Kirchturmuhr am Turm der damaligen Dorfkirche Huchtings kolportiert. Die erste Uhr hatte nur ein Zifferblatt, welches Richtung Süden zum Ortsteil Kirchhuchting wies. Die Bewohner des westlich gelegenen Mittelshuchtings weigerten sich daher zunächst, den ihnen gemäß dem seinerzeit geltenden Umlageverfahren („Baufuß“) obliegenden Anteil an der Finanzierung zu leisten, da sie die Turmuhr nicht sehen konnten.
Gemeinde
Die St.-Georgs-Gemeinde hat eine Pfarrstelle sowie acht haupt- und nebenamtliche Mitarbeiter. Hinzu kommen um die 20 Mitarbeitende der seit 1965 bestehenden Kindertagesstätte. Dort werden in fünf Gruppen 95 behinderte und nichtbehinderte Kinder integrativ betreut und gefördert. Seit 1969 betreibt die Gemeinde das Jugendfreizeithaus St.-Georgs-Hof in Düngstrup bei Wildeshausen. Aufgebaut und instand gehalten wurde und wird der Georgshof von einer kontinuierlichen Gruppe Ehrenamtlicher; die Verwaltung obliegt einer nebenamtlichen Mitarbeiterin.
Derzeit gehören der St.-Georgs-Gemeinde knapp 3700 Gemeindeglieder an (Stand: 1. Januar 2008). Bis in die 1950er Jahre umfasste das Gemeindegebiet den gesamten Stadtteil Huchting. Die Gemeindegliederentwicklung folgte der Bevölkerungsentwicklung bis zu einem Höchststand von mehreren zehntausend Gemeindegliedern Ende der 1950er Jahre. Daraufhin kam es zur Ausgründung von vier selbständigen Nachbargemeinden. Als Antwort auf das seit der Jahrtausendwende kirchenweit als Herausforderung begriffene merkliche Sinken der Mitgliedszahlen befindet sich die St.-Georgs-Gemeinde nunmehr seit 2006 wieder mit zwei dieser Gemeinden, der St.-Lukas-Gemeinde und der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde in einem umfassenden, Schwerpunkte und Arbeitsbereiche neu gewichtenden Kooperationsprozess. Konzeptionelle und kirchenrechtliche Grundlage der Zusammenarbeit ist der Kooperationsvertrag vom 29. Juni 2008. Im Arbeitsbereich Kirchenmusik kooperiert St. Georg seit 1. Januar 2008 mit der Christuskirche Woltmershausen. Seit 2008 ist Nicole Steinbächer Pastorin der Evangelischen St.-Georgs-Gemeinde in Bremen-Huchting.
Verfassungsgeschichte
Die St.-Georgs-Gemeinde unterstand seit Alters her dem Patronat des Domes zu Bremen. Seit der Reformation war sie dann unter dem Namen „Kirchengemeinde Huchting“ dem Kirchenregiment des Bremer Rates zugeordnet. Die Stellung als sogenannte „Landgemeinde“ brachte ein besonderes, hochkomplexes Steuer- und Abgabensystem mit sich, das – im Gegensatz zu der im Stadtgebiet herrschenden Wahlfreiheit jedes Gläubigen – einen strikt territorialen Pfarrzwang erforderte. Im Ergebnis wurden so aber in den Landgemeinden in hohem Maße Eigenmittel generiert. Dies mag den Rat noch im September 1850 dazu bewogen haben, dieses „mittelalterlich“ anmutende Modell einer Vielzahl kleiner und kleinster Abgaben- und Entgelttatbestände machtvoll gegen alle Überlegungen zu verteidigen, neue, liberalere Gemeindeverfassungen der Landgemeinden auch auf die Fragen der Gemeindefinanzierung auszuweiten. Erst mit der Gründung der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) 1920 wurden die Landgemeinden den Stadtgemeinden kirchenverfassungsrechtlich gleichgestellt.
Bekenntnisgeschichte
Eine konfessionelle Festlegung als dezidiert reformierte Gemeinde in Abgrenzung zum Luthertum war noch in der Wahl von Pastor Wessels (Amtszeit 1915–1947) erkennbar. Die mit der Zugehörigkeit zur BEK verbundene Bekenntnisfreiheit der Gemeinde ermöglichte, dass mit Pastor Baeßler (Amtszeit 1947–1974) in Huchting der erste Lutheraner seit der Reformation in das Predigtamt berufen und der vorreformatorische Name „St. Georgs-Gemeinde“ wieder eingeführt wurde. Beim Altartisch von 1963 finden reformierte Tradition und lutherisches Bekenntnis gleichermaßen Gestalt: Es handelt sich um einen Tisch reformierter Bauart mit lutherischer Ausstattung (siehe oben). Aus der Zeit des Kirchenkampfes (1933ff.) ist eine überwiegend unkritisch nationalkonservative Position des seinerzeitigen Pastors und der Gemeinde überliefert, ein Spalier von Mitgliedern des Stahlhelm vor dem Kirchenportal anlässlich einer Trauung ist fotografisch dokumentiert.
Zwischen 1969 und 2004 bestand eine zweite Pfarrstelle. Deren Amtsinhaber, Pastor Schmidt, brachte eine gemäßigt evangelikale Prägung in die Gemeinde ein. Mit dem zunächst vielseits begrüßten, modernisierenden Aufbruch in den Frömmigkeits- und Gottesdienst-Formen ging aber auch eine zeitweilig harte Richtungsauseinandersetzung einher, welche die haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterschaft zu entzweien drohte. Dies betraf insbesondere die Amtszeit des auf Baeßler folgenden, orthodox lutherisch geprägten, theologisch liberalen Amtskollegen, Pastor Altmann (Amtszeit 1974–1993). Dessen Nachfolgerin, Pastorin Renate Thiele (1993–2006), gelang ein seelsorgerlich-integrativer Ansatz, durch den die genannten „Gräben“ für die praktische Gemeindearbeit an Bedeutung verloren gegenüber einem verstärkten Zusammengehörigkeitsgefühl.
Einzelnachweise
Literatur
- A. Mönnich, W. Lindow (Hrsg.): 1879–1979. 100 Jahre St.-Georgs-Kirche. Bremen 1979.
- Hans Baeßler: Die Fenster in der St.-Georgs-Kirche in Bremen-Huchting. Kirchenvorstand, Bremen 1984.
- Claus Heitmann: Von Abraham bis Zion. Die Bremische Evangelische Kirche. Temmen, Bremen 2000, ISBN 3-86108-619-0.
- Claus Heuer: Pastoren der Ev. Gemeinde zu Kirchhuchting. In: 125 Jahre St.-Georgs-Kirche. St.-Georgs-Brief Nr. 26, Juli 2004.
- Emil Höfner: Geschichte der St. Georgskirche. Vortrag zum 125jährigen Jubiläum am 22. August 2004.
- Nikolaus Dorsch: Begleitheft zur CD Werke von Johann Sebastian Bach – Nikolaus Dorsch an der Orgel der St. Georgs-Kirche, Bremen-Huchting; Eigenverlag ohne Datum
- Nikolaus Dorsch: Unsere St. Georgs-Orgel wird 50 Jahre alt. In: Gemeinsam. Gemeindebrief für die Ev. Gemeinden Dietrich-Bonhoeffer, St. Georg, St. Lukas, Nr. 4, September-November 2008.
Siehe auch
- Bremer Kirchengeschichte
- Bremische Evangelische Kirche
- Liste von Orgelregistern
- Liste der Kulturdenkmäler in Huchting
Weblinks
Commons: St. Georgs-Kirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- St.-Georgs-Gemeinde in der BEK
- Kindertagesheim St. Georg
53.0513194444448.7413611111111Koordinaten: 53° 3′ 4,7″ N, 8° 44′ 28,9″ OKategorien:- Neugotisches Kirchengebäude in Bremen
- Baudenkmal (Bremen)
- Disposition einer Orgel
- Georgskirche
- Erbaut in den 1870er Jahren
- Kirchengebäude der Bremischen Evangelischen Kirche
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