- Bahnstrecke Bodenheim–Alzey
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Bodenheim–Alzey Kursbuchstrecke (DB): zuletzt 661 Streckennummer: 3563 Spurweite: 1435 mm (Normalspur) Legendevon Mainz 0,00 Bodenheim nach Ludwigshafen 4,00 Gau Bischofsheim 5,31 Harxheim-Lörzweiler 7,45 Mommenheim (Rheinhessen) Selz 11,20 Selzen-Hahnheim Bundesstraße 420 13,83 Undenheim-Köngernheim nach Nierstein 20,10 Bechtolsheim-Biebelnheim 22,11 Gau Odernheim nach Osthofen 23,58 Gau Köngernheim 25,26 Framersheim 26,99 Schafhausen bis hier kompletter Rückbau Nebengleis zum Industriegebiet Alzey Bundesautobahn 61 Brücke L406 von Armsheim 30,90 Alzey nach Worms und nach Marnheim Die ehemalige Bahnstrecke Bodenheim–Alzey von Bodenheim über Gau-Odernheim nach Alzey hieß im Volksmund Amiche.
Die 30,9 km lange Strecke befand sich komplett in Rheinhessen.
Die Gleise verliefen zwischen Alzey und Selzen entlang links des Flusses Selz. Kurz nach dem Doppelbahnhof Hahnheim-Selzen überquerte die Bahn den Fluss. Der Abschnitt im Landkreis Mainz-Bingen (Bodenheim–Undenheim) wurde zu einem Fahrradweg umgebaut.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bau und Streckenführung
Nach dem Bau der Hauptstrecken der Hessischen Ludwigsbahn (Bahnstrecke Mainz–Ludwigshafen und Rheinhessenbahn) wurde auch in vielen Ortschaften der Provinz Rheinhessen der Wunsch, einen eigenen Bahnanschluss zu erhalten, größer. Für die Erschließung des Landesinneren gab es mehrere unterschiedliche Projekte: Die zunächst favorisierte Linienführung von Worms nach Nieder-Olm scheiterte am Widerstand der Stadt Mainz und dem Desinteresse einiger Ortschaften.
Einigen konnte man sich jedoch über eine Linienführung von Bodenheim über Gau-Odernheim nach Alzey, diese Strecke verfügt über keine nennenswerten Steigungen, da sie zum größten Teil parallel der Selz verläuft. Die Strecke entstand in zwei Phasen. Zunächst wurde am 1. Oktober 1879 der Abschnitt Bodenheim-Undenheim eröffnet.[1] Die Bauarbeiten für den zweiten Abschnitt von Undenheim nach Alzey wurden im September 1894 begonnen und zwei Jahre später beendet: Am 28. September 1896 erfolgte die feierliche Eröffnung. Zwei Tage später wurde der reguläre Betrieb aufgenommen.
Bahnübergänge
Bei den Bahnübergängen handelte es sich hauptsächlich um unbeschrankte, nur mit Blinklichtanlagen ausgestattete Übergänge. Selbst eine Landstraße zwischen Framersheim und Gau-Köngernheim, heute Bestandteil der Deutschen Alleenstraße, war unbeschrankt. Durch die in diesem Bereich guten Sichtverhältnisse stellte dieses auch kein größeres Problem dar.
Der einzige mit Schranken ausgestattete Bahnübergang gab es innerhalb von Gau-Odernheim kurz vor dem Bahnhof, da hier zwei Gleispaare die Straße überquerten.
Da die Strecke auch hauptsächlich durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet (Acker- und Weinbau) führte, waren auf den dortigen Feldwegen die Übergänge nur durch Andreaskreuze gesichert.
Bahnhöfe
Die Bahnhöfe wurden im sogenannten Typenbau errichtet. Sie ähneln sich bis auf wenige Details, entweder sind sie zweiteilig mit einem verbretterten Güterschuppen oder dreiteilig mit separatem Güterschuppen. Bei den zweiteiligen Bauwerken kann die Ausführung auch seitenverkehrt stattfinden. Im Erdgeschoss befanden sich die Diensträume und im ersten Stock die Wohnung des Bahnbediensteten.[2] Alle Gebäude befinden sich heute in Privatbesitz und dienen als Wohnhäuser, sechs davon stehen unter Denkmalschutz (Reihenfolge in Fahrtrichtung von Alzey nach Bodenheim):
- Gau Odernheim: zweiteiliger spätgründerzeitlicher Klinkerbau, um 1890
- Bechtolsheim-Biebelnheim: zweiteiliger spätgründerzeitlicher Klinkerbau, verbretterter Güterschuppen, um 1896
- Undenheim-Köngernheim: dreiteiliger gründerzeitlicher Typenbau, Güterschuppen verbrettert, um 1896
- Hahnheim: gründerzeitlicher Klinkertypenbau, um 1896
- Mommenheim: dreiflügeliger, spätgründerzeitlicher Typenbau, um 1896
- Gau-Bischofsheim: zweiflügeliger spätgründerzeitlicher Klinkerbau
Stilllegung
Die Strecke wurde am 31. Mai 1985 im Personenverkehr eingestellt, im Güterverkehr am 31. Mai 1985 zwischen Bodenheim und Harxheim-Lörzweiler, am 31. Dezember 1989 zwischen Harxheim-Lörzweiler und Selzen-Hahnheim und am 1. Januar 1995 schließlich auch zwischen Selzen-Hahnheim und Alzey. Danach folgte der allmähliche Gleisrückbau, wobei die ehemalige Gleistrasse schnell bebaut wurde, was eine Reaktivierung zusätzlich verhinderte. Das in Alzey noch vorhandene Streckenstück wird als Bahnhofsgleis befahren.
Rückbau
Heute sind die Gleise demontiert und der nördliche Teil der Strecke ist zu einem Fahrradweg ausgebaut. Am 12. Dezember 2003 wurde mit dem ersten Spatenstich zur Gau-Odernheimer Ortsentlastungsstraße auch das Schicksal des südlichen Teils der Strecke besiegelt, denn die Straße führt über die Trasse der ehemaligen Bahnlinie. Der Fahrradweg erhielt – ebenso wie vorher die Eisenbahnstrecke – den Namen Amiche.
Verkehr
Lokomotiven
Vier dreiachsige Tenderlokomotiven von Henschel & Sohn (Cassel) zogen damals zwölf Personen-, zwei Post-und Gepäckwagen (Gebrüder Gastell, Mainz-Mombach) sowie dreißig Güterwagen (Talbot, Aachen) über die Strecke.
In den letzten Jahrzehnten wurde die Nutzung von Dampf- auf Akku- und Dieselantrieb umgestellt.
Personenverkehr
Am Anfang verkehrten auf der Gesamtstrecke täglich fünf Personenzüge in beiden Richtungen sowie ein Frühzug von Undenheim/Köngernheim nach Alzey. Später gab es auch durchgehende Zugverbindungen von Alzey nach Mainz.
Ab den 1960/1970 Jahren wurden hier hauptsächlich Schienenbusse der Baureihen Uerdinger Schienenbus und DB-Baureihe ETA 150 eingesetzt. Im letzten Jahrzehnt Anfang der 1980er Jahre, teilweise aber auch von der DB-Baureihe V 100 gezogene n-Wagen.
Eine Erwachsenen-Fahrkarte der zweiten Klasse von Alzey nach Bodenheim und zurück kostete am letzten Beförderungstag 14,00 DM[3] (entspräche einer heutigen Kaufkraft von 11,42 Euro).
Güterverkehr
Auch für den Güter- und Bahnpostverkehr wurde die Strecke benutzt. Hauptsächlich wurden die landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Produkte wie in der Zuckerrübenkampagne, Getreide, Wein und sonstige Landwirtschaftliche Produkte auf der Strecke transportiert, wobei hier Zuckerrüben überwiegend zur Südzucker AG nach Offstein transportiert wurden. Für die Rübenkampagne wurden neben der Baureihe V 100 auch die Baureihe V 60 meist in Verbindung als Doppeltraktion für die Übergabegüterzüge der offenen Güterwagen der Regelbauart E benutzt.
Nostalgiefahrten
Nach Beendigung des planmäßigen Personenverkehrs gab es am 5. August 1989 und 31. Dezember 1992 mit einem Schienenbus VT 95 zwei Sonderfahrten.
Namensherkunft
Der Name Amiche geht wahrscheinlich zurück auf eine Frau namens Annemarie, die oft mit dieser Bahn unterwegs war; möglicherweise aber auch auf das französische ami (= Freund) oder auf einen Lokomotivführer namens Armin.
Amiche-Radweg
Der als Amiche-Radweg ausgeschilderte Radweg ist nur zum Teil mit dem Originaltrassenverlauf der Bahnstrecke identisch. Die größte Ähnlichkeit erreicht der Radweg zwischen Bodenheim und Undenheim. Ab Undenheim führt jedoch der ausgeschilderte Weg über die ebenfalls ehemalige Bahnstrecke Valtinche nach Nierstein. Um von dort wieder zum Ausgangspunkt nach Bodenheim zu kommen, ist der Weg mit dem Rheinterrassen-Radweg und dem Rhein-Radweg identisch.
Möchte man hingegen jedoch auf dem richtigen Streckenverlauf des Amiches bleiben, so muss man ab Undenheim der Beschilderung des Selztal-Radweges nach Alzey folgen.
Literatur
- Gerhard Fillinger und Manfred Hinkel: Die Nebenbahn Bodenheim–Alzey. Sutton Verlag, Erfurt 2006, 1. Auflage, ISBN 3866800711
- Manfred Hinkel: Vom glanzvollen Anfang bis zum traurigen Ende 1896–1985 - Dokumente aus 89 ‚Lebensjahren‘ der Nebenbahn Bodenheim–Alzey, Alzey 1985
- Gerhard Lubojanski: Das „Amiche“ - die ehemalige Eisenbahnstrecke von Bodenheim nach Alzey. - Ill., Kt. In: Mainz-Bingen: Heimat-Jahrbuch. - 42 (1998), S. 134–137
- Karl Ludwig Lehmann: „Amiche“ wird 100 Jahre alt: Erinnerungen an eine Nebenbahn in Rheinhessen. - Ill. In: Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte: DGEG-Nachrichten. - Nr.133 (1996), Sept./Okt., S. 18–19
Siehe auch
- Liste der stillgelegten Eisenbahnstrecken in Rheinland-Pfalz
- Großherzoglich Hessische Staatseisenbahnen
Weblinks
Commons: Bahnstrecke Alzey–Bodenheim – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienBahnstrecke
- Infos zu Amiche und weiteren Bahnen in Rheinhessen auf amiche.de
- Bericht über die Bahnstrecke sowie Bilder mit Zuckerrübentransport auf schrankenposten.de
- Akkus in Rheinhessen: Bodenheim–Alzey
Kultur und Radweg
- Kunst am Radweg
- Erfahrungsbericht eines Radfahrers (Selzen–Bodenheim)
- Bahntrasseradeln zwischen Gau-Bischofsheim – Selzen (Streckenverlauf und Bilder)
Einzelnachweise
Kategorien:- Spurweite 1435 mm
- Hessische Ludwigsbahn
- Bahnstrecke in Rheinland-Pfalz
- Verkehr (Rheinhessen)
- Radweg auf ehemaliger Bahnstrecke
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