Henschel & Sohn

Henschel & Sohn
Der Sechszackige Stern, Markenzeichen von Henschel und Sohn
Fabrikschild einer 1948 gebauten Lok

Henschel & Sohn (ab 1957: Henschel-Werke) war eine auf eine Gießerei zurückgehende Maschinen- und Fahrzeugfabrik in Kassel. Henschel baute eine der ersten Dampflokomotiven in Deutschland und war zeitweise einer der bedeutendsten Hersteller von Lokomotiven in Europa. Von 1925 bis in die 1970er Jahre war das Unternehmen auch in der Produktion von Lastwagen und Omnibussen tätig und gehörte zu den bedeutenden deutschen Nutzfahrzeugherstellern. Von 1933 bis 1945 produzierte Henschel und seine Tochterfirmen Panzer und Flugmotoren am Stammsitz Kassel sowie Flugzeuge und Lenkflugkörper in und bei Berlin.

Nach dem Ende des eigenständigen Konzerns um 1968 fand sich der Name in fortan abhängigen Gesellschaften wieder, beispielsweise die Bahnsparte als Rheinstahl Henschel AGThyssen Henschel AGABB Henschel AG (später teilweise in Bombardier aufgegangen) und die Lkw-Sparte zu Hanomag-Henschel (später von Daimler-Benz übernommen). Einige Konzernsparten existieren als nun eigenständige Unternehmen unter dem alten Markennamen weiter.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Dampflok Drache auf Briefmarke

Gründung und Entwicklung im 19. Jahrhundert

1810 gründete Georg Christian Carl Henschel mit seinem Sohn, dem Glockengießer und Bildhauer Johann Werner Henschel, in Kassel die Gießerei Henschel & Sohn. Diese begann 1816 mit der Produktion von Dampfmaschinen. Johann Werners älterer Bruder Carl Anton Henschel, ab 1817 Teilhaber in der Firma, ließ 1837 ein zweites Werk am Holländischen Platz (heute Standort der Universität Kassel) bauen.

Nach dem Tod des Gründers Georg Christian Carl im Jahre 1835 erlebte das Unternehmen unter der Leitung von Carl Antons Sohn Oscar Henschel einen starken Aufschwung. Oscar konzentrierte die Produktion auf den stark wachsenden Bedarf der Eisenbahnen. Am 29. Juli 1848 wurde die erste von Henschel produzierte Dampflokomotive an die 1844 gegründete Friedrich-Wilhelms-Nordbahn ausgeliefert. Die Nordbahn präsentierte ihren bis zu 45 km/h schnellen Drachen am 18. August 1848 der Öffentlichkeit.

Während am 4. Oktober 1860 die 50. ausgelieferte Lokomotive der Firmengeschichte gefeiert wurde, waren 1894 bei Oscar Henschels Tod bereits über 4.000 Lokomotiven ausgeliefert worden. Auch stieg die Mitarbeiterzahl, die 1865 die Grenze von 500 überstiegen hatte, auf 1.600 im Jahr 1894. Der Gründerkrach von 1873 wurde – wenn auch mit Umsatzverlusten und Entlassungen – überstanden. Nach dem Tod Oscar Henschels wurde sein Sohn Karl Anton Theodor Ferdinand Henschel (* 3. Oktober 1878) Firmenchef (bis zur Volljährigkeit nahm die Witwe, Sophie Henschel, die Geschäfte wahr).

Jahr Arbeiterzahl
1837 200
1865 500
1873 1400
1894 1600
1904 3000 und 1600 auf der seit 1904 zum Werk gehörigen Henrichshütte bei Hattingen

Lokomotivenauslieferung:

Datum Meilenstein
29. Juli 1848 die erste abgeliefert
4. Oktober 1860 die 50ste
19. August 1865 die 100ste
21. Mai 1873 die 500ste
12. April 1879 die 1000ste
25. Juli 1886 die 2000ste
1. Februar 1890 die 3000ste
18. Januar 1894 die 4000ste
1899 die 5000ste
bis 15. März 1905 über 7000 Lokomotiven.

Unternehmensgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die 1826 in den Henschel-Werken gegossene Teufelsbrücke im Bergpark Wilhelmshöhe
Henschel Straßenwalze

1905 wurde die erste elektrische Lokomotive gebaut und 1910 die erste Henschel-Lok mit Vergasermotor. Henschel gehörte Anfang des 20. Jahrhunderts neben Borsig zu den größten Lokomotivwerken Deutschlands und wurde 1920 in eine GmbH umgewandelt. Die Henschel Antriebstechnik begann 1918 die Produktion von Getrieben im Werk Kassel-Mittelfeld. In den folgenden Jahren übernahm Henschel die Lokomotivproduktionen der R. Wolf AG (1928), der Linke-Hofmann (1930 zusammen mit Krupp zu gleichen Teilen), sowie die der Hanomag (1931). In Lizenz der David Brown Ltd. wurden 1933 die ersten Schneckengetriebe gebaut.

Ab 1925 wurden auch Automobile gebaut. Im Januar 1925 begann Henschel & Sohn mit dem Bau von Lastkraftwagen und Omnibussen (s.u.).

Mitte der 1930er Jahre erschien ein sechszackiger verchromter Stern mit einem mittig darin platzierten großen „H“ als Firmenlogo, der bis Ende der 1960er Jahre die Nutzfahrzeuge und auch die Industrielokomotiven zieren sollte.

Bereits im Ersten Weltkrieg stellte Henschel Rüstungsgüter her. Die Henschel-Werke waren während des Zweiten Weltkrieges einer der bedeutendsten deutschen Rüstungsproduzenten und damit auch ein wichtiges Ziel von Bombenangriffen. Die Werke wurden fast vollständig zerstört. Durch den schlechten Ruf, den Henschel als ehemalige Rüstungsschmiede bei den Alliierten hatte, bekamen die Werke erst 1946 die Genehmigung, kleinere Industrielokomotiven herzustellen sowie noch vorhandene beschädigte bzw. abgenutzte Lastwagen instandzusetzen. Erst ab 1948 wurden wieder größere Lokomotiven gebaut. 1953 übernahm Henschel die in Konkurs gegangene WUMAG Hamburg und gliederte sie als Henschel-Maschinenbau GmbH in das Unternehmen ein. 1961 übernahm Henschel teilweise die Diesellokfertigung der Maschinenfabrik Esslingen.

Unternehmensgeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

HMB 2, der Vorläufer des Transrapid

Die bisherige Henschel & Sohn GmbH firmierte 1957 in Henschel-Werke GmbH um, 1962 wurde Henschel eine AG, ein Börsengang war geplant. 1963 wurde die Fertigung von Omnibussen aufgegeben. 1964 übernahmen die Rheinischen Stahlwerke die Aktien der Henschel-Werke AG, die ab 1965 erneut den Namen wechselte und nun Rheinstahl-Henschel AG hieß: der bis dahin auch in der Geschäftsführung aktive Hauptaktionär Dr. Fritz-Aurel Goergen, der Henschel zuvor aus einer schweren Krise geführt und saniert hatte, war kurz zuvor verhaftet worden. Auf Kaution wieder frei, erklärte der gesundheitlich und psychisch angeschlagene Goergen, er wolle sich von seiner Aktienmehrheit trennen. Rheinstahl schlug zu. Als sich 1971 herausstellte, dass die gegen Goergen vorgebrachten Anschuldigungen haltlos waren, war Henschel längst in fremden Händen.

1969 wurden die Diesellokproduktion der Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) in Köln-Deutz übernommen und die Lkw-Fertigung von Henschel mit der von Hanomag zu Hanomag-Henschel zusammengeschlossen. Hanomag-Henschel wurde später an Daimler-Benz verkauft, die den Markennamen Hanomag-Henschel 1974 einstellte.

Die Rheinstahl AG selbst ging 1976 in die August Thyssen-Hütte AG ein, nun nannte sich das Lokomotiv-Werk in Kassel Thyssen Henschel. Der traditionsreiche Name Henschel auf den Lokomotiven blieb aber erhalten. Zusammen mit ABB (früher BBC, Mannheim) entstand 1990 die ABB Henschel AG mit Sitz in Mannheim. 1995 vereinbarten ABB und die Daimler-Benz AG den weltweiten Zusammenschluss ihrer Verkehrstechnik-Sparten unter der Bezeichnung ABB Daimler Benz Transportation Adtranz. Damit verschwand am 1. Januar 1996 der Name Henschel als Fahrzeugproduzent endgültig. Der Schienenfahrzeugbau lief unter der Bezeichnung ADtranz weiter, eine 100-%-ige Tochter der damaligen DaimlerChrysler AG. 2001 wurde ADtranz an Bombardier Transportation verkauft. Noch heute werden in Kassel überwiegend Elektrolokomotiven und Diesellokomotiven gefertigt und modernisiert. Für die Deutsche Bahn AG wurden und werden unter anderem die E-Lok-Serien 101, 145, 146 und 185 gefertigt.

Teile der ehemaligen Henschel-Werke in Kassel gehören heute zur TKTR (Thyssen-Krupp Transrapid) GmbH, die ehemalige Henschel-Wehrtechnik gehört seit Ende 1999 zur Rheinmetall DeTec AG.

2003 hat das Henschel-Museum seinen Platz im ehemaligen Werksgelände in Kassel-Rothenditmold in der Wolfhager Straße gefunden und ist der Allgemeinheit zugänglich. In direkter Nachbarschaft eröffnete im September 2009 ein begehbares Museumsdepot des Technik-Museums Kassel, wo Lkw, Dampfwalzen, Feuerwehrautos und Schienenfahrzeuge wie der „Drache“ oder der Transrapid-Vorläufer HMB-2, sowie seit November 2010 der Prototyp des Transrapid 05 ausgestellt sind.

Die wichtigsten Unternehmensteile

Henschel als Lokomotivenhersteller

Die Henschel-Werke befassten sich bereits früh mit der Entwicklung und Herstellung von Dampflokomotiven, avancierten schon im 19. Jahrhundert zu einem der führenden deutschen Hersteller und blieben dies bis zum Ende der Dampflokfertigung. Henschel tat sich auch bei der Entwicklung besonderer Dampflokomotiv-Bauarten wie der Kondenslokomotive und der Dampfmotorlokomotive hervor. Bereits 1905 wurde bei Henschel die erste elektrische Lokomotive gebaut. Im Jahr 1910 wurde bei Henschel die zehntausendste Lokomotive gebaut. Henschel war über lange Zeit hinweg neben Firmen wie Siemens, AEG, Krauss-Maffei und zunächst noch Borsig einer der Hauptlieferanten von Lokomotiven für die Deutsche Reichsbahn und später die Deutsche Bundesbahn.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Produktion im stark zerstörten Henschel-Werk zunächst nicht wieder aufgenommen werden, man betätigte sich zunächst unter Aufsicht des United States Army Transportation Corps und später als privates Ausbesserungswerk in der Instandsetzung von im Krieg beschädigten Lokomotiven. Die ab Mitte der 1960er Jahre entwickelte Baureihe E 03 bzw. 103, wurde maßgeblich von Henschel mitkonstruiert und auch gebaut. Ab Mitte der 1950er Jahre baute Henschel Diesellokomotiven unter Lizenz von General Motors Electro-Motive Division. Größter Kunde war die ägyptische Staatsbahn.

Typen von Privatbahnloks

Generation 1
  • Henschel DH 110
  • Henschel DH 200
  • Henschel DH 360
  • Henschel DH 550
Generation 2
Generation 3
  • Henschel DH 120 B
  • Henschel DH 180 B
  • Henschel DH 240 B
  • Henschel DH 360 B
  • Henschel DH 500 B
  • Henschel DH 360 Ca
  • Henschel DH 440 Ca
  • Henschel DH 500 Ca
  • Henschel DH 600 Ca
  • Henschel DH 700 Ci
  • Henschel DH 360 D
  • Henschel DH 700 D
  • Henschel DH 850 D
Generation 4
Generation 5
  • Henschel DHG 300 B
  • Henschel DHG 700 C
  • Henschel DHG 700 C-F
  • Henschel DHG 800 BB
  • Henschel DHG 1200 BB
Generation 6
Esslinger
Export
  • Henschel DHG 625 C als SJ-Baureihe V 4 und SJ-Baureihe V 5
  • Henschel DH 600 C für den Export nach Ghana und in den Sudan
  • Henschel NY5 für die chinesischen Staatsbahnen
  • Henschel NY6 für die chinesischen Staatsbahnen
  • Henschel NY7 für die chinesischen Staatsbahnen

Henschel als Nutzfahrzeughersteller

Vor und während des Zweiten Weltkriegs

Henschel 40 S 1 Bj. 39 mit „Nieren“-Kühlermaske, 95-PS-Dieselmotor[1]
Henschel-Lkw der Wehrmacht in Italien 1943

Als sich Mitte der 1920er Jahre ein Einbruch der Weltwirtschaft absehen ließ, überlegte man bei Henschel den Aufbau eines weiteren Geschäftszweiges, um vor allem vom Lokomotivbau nicht mehr so abhängig zu sein. So fiel der Entschluss, in den bereits stark expandierenden Bereich der Nutzfahrzeugherstellung einzusteigen. 1925 begann die Fertigung von Lastkraftwagen und Omnibus-Fahrgestellen, zunächst bereits sehr fortschrittliche 3- und 5-Tonner auf Basis einer Lizenz des schweizerischen Herstellers FBW (ca. 300 Fahrzeuge).

In den darauffolgenden Jahren entwickelte Henschel eigene Lkw und Omnibusse mit Benzin- und Dieselantrieb sowie eigene Motoren. Ende der 1920er Jahre experimentierte man auch mit dampfgetriebenen Lastwagen sowie Fahrzeugen (auch Omnibussen) mit Holzvergasern, beide blieben jedoch bei sehr geringen Stückzahlen. Anfang der 1930er Jahre waren Nutzfahrzeuge von zwei bis zwölf Tonnen Nutzlast im Angebot. 1932 erschienen die ersten Henschel-Lanova-Dieselmotoren nach einem Verfahren des Technikers Franz Lang, die gegenüber den bisherigen Dieselmotoren eine weichere Verbrennung ermöglichten. Diese Motoren fanden teilweise auch im Lokomotiv- und Omnibusbau Verwendung. Das Lanova-Einspritzverfahren blieb den Henschel-Lastwagen bis Anfang der 1960er Jahre erhalten. In den 1930er Jahren machte sich Henschel im Nutzfahrzeugbereich vor allem einen Namen als Hersteller schwerer Omnibus- und Lastwagenfahrgestelle. Schwere Lastwagen von Henschel kamen im Zweiten Weltkrieg vielfach zum Einsatz. Die Werksanlagen wurden im Krieg stark zerstört, die Lkw-Fertigung kam zum Erliegen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

1946 waren die Anlagen soweit wieder instandgesetzt, dass zunächst mit Genehmigung der Alliierten ein Reparaturbetrieb für die noch vorhandenen, stark abgenutzten und teilweise kriegsbeschädigten Lastwagen wieder aufgenommen werden konnte. Später wurden in größerer Zahl zuvor benzinbetriebene amerikanische Militärlastwagen mit Henschel-Dieselmotoren ausgerüstet. Der zu stark mit der Rüstungsproduktion im Zweiten Weltkrieg belastete Name Henschel blieb durch die Alliierten zunächst gesperrt, so dass das Werk übergangsweise unter dem Namen Hessia firmierte (eine Ableitung von Hessen, denn der Sitz von Henschel befand sich im hessischen Kassel). Die Bezeichnung Henschel kehrte erst 1948 zurück.

HS 160 der Stadtwerke Trier

Nachdem dies 1946 erlaubt worden war, entstanden auch bereits wieder dringend benötigte Oberleitungs-Omnibusse in nennenswerter Zahl. In den 1950er Jahren war Henschel der größte deutsche Anbieter von Oberleitungsbus-Fahrgestellen. Wie in dieser Zeit üblich, erschienen auch bei Henschel in der Folge noch vom Lkw abgeleitete Omnibus-Fahrgestelle, die häufig von Aufbauherstellern zu Reisewagen karossiert wurden. 1955 erschien mit dem Typ HS 160 ein neuer Linienbus- bzw. O-Bus-Typ, ein Frontlenker mit selbsttragendem Aufbau in Schalenbauweise. Dieses als Diesel- sowie Oberleitungsbus erhältliche Modell war sowohl als Solo-Linienwagen wie auch als Gelenkbus zunächst ein beachtlicher Verkaufserfolg. Es war bereits in Modulbauweise (nach heutiger Terminologie als „Plattformfahrzeug“ zu bezeichnen) konstruiert und hatte einen Wagenkörper aus Aluminium. Dennoch wurde die unrentabel gewordene Fertigung 1963 eingestellt. Bemerkenswerte Konstruktionen für den Busbereich der Firma Henschel waren auch der Typ II 6500 (abgeleitet vom „Kriegs-Einheitsobus“, von dem noch ein Exemplar in Eberswalde vorhanden ist) und der Typ Uerdingen/Henschel ÜHIIIs, der mit 212 Exemplaren häufigste gebaute Obus-Typ Westdeutschlands.

Eine Besonderheit stellte der nur 1950 und 1951 in geringer Stückzahl produzierte Henschel Bimot dar, der von zwei Motoren angetrieben wurde, da bis 1951 der Alliierte Kontrollrat die Leistung auf 150 PS je Motor begrenzt hatte.

Erst 1950, damit weit nach den wichtigsten Wettbewerbern, wurden wieder eigene Lastwagen angeboten. Dies war aber für das Unternehmen nicht kritisch, da ohnehin alle verfügbaren Fahrzeuge dringend für den Wiederaufbau benötigt und daher vom Markt sofort abgenommen wurden. Zunächst erschien der schwere Typ Henschel HS 140 für 6,5 Tonnen Nutzlast. Die Bezeichnung des zunächst als Haubenwagen ausgeführten Lkw rührte von der Motorleistung von 140 PS her, das Modell war der Zeit entsprechend mit langer schmaler Motorhaube und freistehenden Scheinwerfern ausgerüstet. Später erschienen leistungsstärkere Schwestermodelle, darunter maßgeblich der HS 170 mit 170 PS. Ab 1953 waren auf technisch weitgehend identischer Basis auch Frontlenker mit rundlichem Kabinendesign im Angebot. Die Grundmuster der Haubenwagen wie der Frontlenker blieben bis 1961 im Programm. Im Jahr 1951 wurde das Lkw-Programm mit der Einführung des Typs HS 100 nach unten ergänzt. Dieses Kurzhauben-Modell war Ausgangsbasis einer ganzen Modellfamilie, die sich bei steter Weiterentwicklung, jedoch fast unverändertem Design bis Ende der 1960er Jahre im Programm hielt. Die Motorleistung begann bei 100 PS und steigerte sich bis zum Produktionsende auf bis zu 140 PS.

Neues Lkw-Programm

Zur IAA 1961 wurde ein neues Lastwagenprogramm vorgestellt, neue Typbezeichnungen für alle Lkw-Modelle eingeführt und die Zusammenarbeit mit der französischen Saviem-Renault-Gruppe bekannt gegeben. Die neuen kubischen Kabinen, vom französischen Designer Louis Lucien Lepoix entworfen, waren im Baukastensystem angelegt und als Frontlenker mit Tramführerhaus (T) sowie Haubenlastwagen (H) lieferbar. Die Frontlenker gab es sowohl mit Nahverkehrsführerhaus als auch mit Fernverkehrsführerhaus. Den zweiachsigen HS 14 und HS 16 mit 14 t bzw. 16 t zulässigem Gesamtgewicht folgte 1962 der HS 12 T mit 12 t zulässigem Gesamtgewicht, der nur als Frontlenker angeboten wurde. Unter der Bezeichnung HS 12 H wurden die alten mittelschweren Hauber der früheren Reihe HS 100/120 weiter angeboten. Ebenfalls ab 1962 wurde mit dem HS 15 ein aufgelasteter HS 14 angeboten, der mit dem Motor des HS 16 ausgestattet war und vor allem als Sattelschlepper beliebt war. Für den Export gab es ab 1962 zudem noch den HS 19.

Zur IAA 1963 folgten dann die dreiachsigen HS 22 und HS 26 mit 22 t bzw. 26 t zulässigem Gesamtgewicht (in Deutschland auf 22 t beschränkt) als Frontlenker und Hauber.

Anfang 1965 wurden die runden Frontscheinwerfer durch ovale ersetzt. Zur IAA 1965 bekamen alle Modelle ein größeres HENSCHEL-Schild auf der Front, das SAVIEM-RENAULT-Zusatzschild war bereits Ende 1962 entfallen. Die größte Neuerung war jedoch, dass das Frontlenker-Fernverkehrsführerhaus mit Ausnahme des HS 12 T nun kippbar ausgeführt wurde. Dabei wurde das gesamte Führerhaus um 20 cm nach vorn versetzt. Äußerlich erkennbar war das kippbare Führerhaus am Dachaufsatz und den in die Stoßstange versetzten Frontscheinwerfer.

Auf der IAA 1967 traten die Rheinstahl-Töchter Hanomag und Henschel erstmals gemeinsam auf und führten ein einheitliches Bezeichnungsschema an. Anstelle der Buchstaben HS wurde nun ein F für Frontlenker oder H für Haubenlastwagen vorangestellt und die Typziffer um eine dritte ergänzt. Das Frontlenker-Nahverkehrsführerhaus war jetzt teilweise auch kippbar erhältlich, wobei die nichtkippbaren Frontlenker-Nahverkehrsführerhaus weiterhin angeboten wurden, insbesondere für Bau- und Kommunalfahrzeuge. Die kippbaren Frontlenkerführerhäuser wurden optisch überarbeitet. Die Frontscheibe wurde nach unten verlängert, der Absatz (von Spöttern als Fensterbank bezeichnet) entfiel und die Front wurde geglättet. Ebenfalls ab 1967 wurden dreiachsige Sattelzugmaschinen mit zwei Lenkachsen (F 201 bzw. 221 S-2) angeboten, wobei die mittigliegende zweite Lenkachse wahlweise mit Antrieb (F 201 bzw. 221 S-2A) geordert werden konnte.

Im April 1969 wurden die Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke gegründet, an der Daimler-Benz mehrheitlich beteiligt war. Einheitlich trugen nun alle Fahrzeuge den HANOMAG-HENSCHEL-Schriftzug auf der Front, der Henschel-Stern entfiel. 1974 gab Daimler-Benz die Marke „Hanomag-Henschel“ auf. Zu Beginn der 1980er Jahre lief die Produktion von Fahrzeugen im ehemaligen Lkw-Werk in Kassel aus. Seitdem werden dort Achsen für Daimler-Benz-Nutzfahrzeuge, Sattelauflieger, Anhänger und Transporter sowie Nutzfahrzeug-Gelenkwellen und Ausgleichgetriebe für Pkw gefertigt.

Henschel als Flugzeughersteller

Bis 1945

Hs 126
Hs 117 „Schmetterling“

Anfang der 1930er Jahre unternahm Henschel einige zunächst erfolglose Versuche, im Flugzeugbau Fuß zu fassen. Verhandlungen über eine Teilhaberschaft mit Junkers, Arado, den Bayerischen Flugzeugwerken und Rohrbach führten zu keinem Ergebnis.

Nach Fürsprache von Erhard Milch wurde am 30. März 1933 schließlich die Henschel Flugzeug-Werke AG (HFW) in Kassel gegründet. Im Mai desselben Jahres schloss Henschel mit der Karosserie-Firma Ambi-Budd einen Nutzungsvertrag über deren Räumlichkeiten in Schönefeld auf dem heutigen Flughafen Berlin-Schönefeld ab; am 17. Juli 1933 kamen Gebäude auf dem Flugplatz Johannisthal in Berlin hinzu. Erste Flugzeugtypen waren das Jagdflugzeug Hs 121 und der Schuleinsitzer Hs 125, die jedoch Prototypen blieben. In kleiner Serie wurde die W 33 von Junkers produziert.

Im Oktober 1934 übernahm Henschel in Schönefeld die im Interesse der „Landesverteidigung“ enteigneten Flächen des Karl Frede gehörenden Rittergutes und baute sie bis 1936 zum Stammwerk der Flugzeug-Werke AG aus. 1936 wurden dort in Lizenz die ersten 24 Flugzeuge Do 23 gebaut. Im selben Jahr erschien das erste erfolgreiche Flugzeugmuster von Henschel, das Sturzkampfflugzeug Hs 123. Als Tochtergesellschaft der Flugzeugwerke wurde im Jahr 1936 die Henschel Flugmotorenbau G.m.b.H. (HFM) gegründet, die im Lohwald bei Altenbauna (heute Baunatal) eine völlig neue Produktionsstätte bauten. Aus dem ehemaligen „Lohwerk" wurde Ende der 1950er Jahren das Volkswagenwerk Kassel.

Aufgrund des Mangels an geeigneten Fachkräften wurde 1937 in Schönefeld ein Ausbildungskomplex für Metallflugzeugbauer errichtet, damals einer der größten im Deutschen Reich. 1938 begann im Johannisthaler Werk 2 die Serienproduktion des Aufklärers Hs 126. Ab 1938 begann die Lizenzproduktion der Bombenflugzeuge Do 17Z und Ju 88 sowie von Teilen für den Jäger Bf 109.

1940 wurde in der Abteilung F die Entwicklung ferngelenkter Flugkörper aufgenommen, so zum Beispiel der Gleitbombe Hs 293 oder der Flugabwehrrakete Hs 117 „Schmetterling“. Im gleichen Jahr erfolgte der erste Einsatz von Zwangsarbeitern aus Polen, der Tschechoslowakei und Frankreich.

1944 umfassten die Henschel Flugzeug-Werke acht Hauptbetriebe in Berlin und Kassel mit 17.100 Beschäftigten sowie Büros in sechs europäischen Hauptstädten. Im Rahmen des „Totalen Krieges“ wurden weitere Produktionskomplexe errichtet, unter anderem als Außenstelle der KZs Ravensbrück und Dora-Mittelbau.

Am 22. April 1945 wurden die durch Bombenangriffe stark beschädigten Produktionskomplexe in Schönefeld von der Roten Armee besetzt.

Die wichtigsten Henschel-Flugzeuge waren:

Daneben wurden mehrere Prototypen und Experimentalflugzeuge hergestellt, die allerdings nicht in Serie gingen.

Nach 1945

1956 gründete Henschel als Tochterfirma zur Betreuung von Hubschraubern der Bundeswehr (Typ Alouette II SE 3130 und Sikorsky S-58/H34) die Henschel Flugzeugwerke AG (HFW), Kassel. Die Firma mit einer Werfthalle, Hangar und großzügigem Hubschrauberlandeplatz hatte ihren Sitz zunächst im Henschel-Werk Kassel-Mittelfeld. Ein Zweigwerk befand sich bei Kruft auf dem Hummerich, einer etwa 300 m hohen Erhebung, die zwischenzeitlich dem Lava-Abbau zum Opfer gefallen ist. Später kam die Betreuung von Grenzschutz- und Polizeihubschraubern hinzu und auf dem alten Flugplatz Kassel-Waldau wurde die deutsche Generalvertretung der Piper Aircraft eingerichtet. In diesen Glanzzeiten hatte das Unternehmen bis 450 Mitarbeiter und entwickelte auch Prüfstände für Hubschraubergetriebe nach dem Verspannprinzip sowie Rotorprüfstände.

1970 erlangten die Vereinigten Flugtechnischen Werke (VFW) eine Mehrheitsbeteiligung an der HFW AG, die daraufhin auch die Betreuung von Getrieben und Rotorköpfe der Bundeswehrhubschrauber vom Typ Sikorsky CH 53 übernahm. Das Zweigwerk auf dem Hummerich wurde um 1970 geschlossen. In der Folge wurde das HFW-Werk von Kassel-Mittelfeld auf den neuen Flughafen Kassel-Calden verlegt. 1981 übernahm die Messerschmitt-Bölkow-Blohm die VFW. MBB löste als VFW-Anteil die Hubschrauberbetreuungsaktivitäten aus der HFW und schlug sie dem MBB-Hubschrauberbereich zu. Die verbliebenen Anteile der Getriebebetreuung wurden von Henschel als deren Anteil an die ZF Friedrichshafen AG verkauft. Die Piper-Aktivitäten wurden von Mitarbeitern übernommen und weitergeführt.

Heute befinden sich auf dem Flughafen Kassel-Calden drei selbständige Firmen, die ihren Ursprung in der Henschel Flugzeugwerke AG haben:

Henschel als Panzerhersteller

Tiger beim Verladen bei Henschel auf einen Waggon – im Hintergrund ein Panther
Schützenpanzer Marder

Mit der Aufrüstung der Wehrmacht in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre begann auch Henschel mit dem Wiedereinstieg ins Rüstungsgeschäft. Das Unternehmen wurde zu einem bedeutenden Produzenten von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen. Dazu wurde das Werk III in Kassel-Mittelfeld stark ausgebaut. Bei Henschel erfolgte die Montage folgender Panzermodelle:

Daneben trat Henschel auch als Mitproduzent der 8,8-cm-PaK 43 und der 2-cm-Flak 38 auf. Während des Zweiten Weltkrieges nahm das Kasseler Werk erheblichen Schaden, konnte jedoch trotzdem die Produktion auf relativ hohem Niveau aufrechterhalten. Aufgrund einer Anweisung aus dem Jahre 1943 war dabei im Gegensatz zur üblichen Kriegsproduktion im Reich bei der Herstellung der komplizierten und wertvollen Tiger-Panzer die Beschäftigung ausländischer Fremdarbeiter ohne Genehmigung ausdrücklich untersagt.[2]

Mit dem Kriegsende endete auch die Rüstungsproduktion bei Henschel, die nach der Aufstellung der Bundeswehr aber wieder aufgenommen wurde. Henschel war an diversen Rüstungsprojekten beteiligt, unter anderem am Kanonenjagdpanzer, dem Spähpanzer Luchs und am Schützenpanzer Marder. Henschel bewarb sich auch um die Produktion des Kampfpanzers Leopard 2, verlor den Wettbewerb aber gegen den Münchner Konkurrenten Krauss-Maffei. 1999 wurde Henschels Wehrtechniksparte vom Rheinmetall-Konzern übernommen.

Henschel aktuell

Henschel-Stern

Auch heute noch existieren Unternehmen, die den Namen Henschel tragen. Nach der Übernahme der Bereiche Mischtechnik, Handhabungstechnik und Antriebstechnik von der ThyssenKrupp AG durch die KERO sind 2003 drei eigenständige Gesellschaften entstanden, die den Namen Henschel und den Stern weiterleben lassen. Die Handhabungstechnik und die Antriebstechnik wurden 2006 durch Verkauf wirtschaftlich und rechtlich eigenständig. Die Handhabungstechnik wird von der VF Capital geführt und die Antriebstechnik wurde 2006 durch ein Management-Buy-out der beiden Geschäftsführer übernommen.

  • Als Geburtsstunde der heutigen Henschel Antriebstechnik GmbH[3] wird der Beginn der Getriebefertigung von Henschel 1918 in Kassel gezählt. Noch unter dem Namen Henschel werden 1933 die ersten Schneckengetriebe in Lizenz der David Brown Ltd. gebaut. Unter den daraufhin wechselnden Firmennamen Rheinstahl Henschel (1964), Thyssen Henschel (1976) und TGW (Thyssen Getriebe- und Kupplungswerke) (1981) werden in langer Tradition Getriebe und Zahnräder produziert, wie:
  • Das Angebotsspektrum der Reimelt-Henschel Mischsysteme[4] umfasst neben diversen Mischertypen auch speziell das Know-how der Mischprozesse.
  • Die Henschel Industrietechnik GmbH[5] stellt Produkte für Gießereien, Schmieden und andere metallverarbeitende Branchen her. Eines der Hauptprodukte sind Manipulatorsysteme. Mit über 600 installierten Systemen ist das Unternehmen Marktführer in diesem Segment. Die heutige Produktepalette umfasst unter anderem:
    • Manipulatoren für Gießereinen und Schmieden (mit einer Tragfähigkeit von über 3000 kg)
    • Schusshammer
    • Kreislaufbrecher
    • Schleifmanipulatoren
    • Sondermaschienen (z.B. Manipulatoren für radioaktive Umgebung mit externen Steuerstand)

Verweise

Weblinks

 Commons: Henschel Fahrzeuge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Thomas Vollmer/Ralf Kulla: Panzer aus Kassel: Die Rüstungsproduktion der Firmen Henschel und Wegmann. Prolog Verlag 1994, ISBN 3-89395-004-4
  • Peter Engelhard: Ich habe den Ruf, ein brutaler Hund zu sein. Fritz-Aurel Goergen und die Henschel-Werke. Lechner Verlag 2010, ISBN 978-3-9813522-3-8
  • Horst Materna: Die Geschichte der Henschel Flugzeug-Werke A.G. in Schönefeld bei Berlin 1933 bis 1945. Verlag Rockstuhl 2011, ISBN 978-3-86777-049-1

Einzelnachweise

  1. Zeitschrift: Lastauto Omnibus – 100 Jahre L+O, Seite 118
  2. Walter J. Spielberger: Der Panzerkampfwagen Tiger und seine Abarten, Motorbuch Verlag, ISBN 3-87943-456-5, S. 133
  3. Henschel Antriebstechnik
  4. Reimelt-Henschel-Group
  5. Henschel Industrietechnik GmbH
51.3329.4845

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