St. Matthias (Berlin)

St. Matthias (Berlin)
St. Matthias in Berlin-Schöneberg

Die römisch-katholische Kirche St. Matthias auf dem Winterfeldtplatz in Berlin-Schöneberg gehört zu einer der ältesten und größten Pfarreien in Berlin. Die neugotische Hallenkirche ist eine der wenigen frei stehenden katholischen Kirchen in Berlin.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Pfarrgemeinde

Der Bau einer katholischen Kirche „vor dem Potsdamer Thore“ wurde durch die Stiftung von 20.000 Talern durch den Ministerialdirektor im preußischen Kulturministerium Matthias Aulike (1807–1865) veranlasst. Dem mit der Stiftung verbundenen Wunsch, dass die Pfarrer der Gemeinde stets aus seiner Heimat Münster kommen sollen, wird bis heute entsprochen. Die erste Kirche wurde von der St.-Hedwigs-Gemeinde 1867/1868 an der Potsdamer Straße (heutiges Haus Nr. 94) auf 1861 nach Berlin eingemeindetem Gelände, das zuvor zu Schöneberg gehört hatte, errichtet.

Im Jahr der Fertigstellung und Benedizierung der Kirche 1868 wurde die nach dem Namenspatron des Stifters benannte Gemeinde aus St. Hedwig ausgegründet. St. Matthias ist damit nach St. Hedwig und St. Sebastian die drittälteste nachreformatorische katholische Pfarrei in Berlin. Das Gemeindegebiet erstreckte sich bis zur Pfarrei St. Peter und Paul in Potsdam. Die Zahl der zunächst 800 Gemeindemitglieder wuchs rasch an, sodass das Kirchengebäude 1881 erweitert wurde. Auch der hinzugewonnene Raum reichte bald nicht mehr aus. Daher wurde für die 10.000 Mitglieder, die die Gemeinde bereits um 1890 zählte, auf dem zur – bis 1920 selbstständigen – Stadt Schöneberg gehörenden Winterfeldtplatz eine größere Kirche erbaut, die 1895 eingeweiht wurde.

Winterfeldtplatz mit der St. Matthias-Kirche auf einer Postkarte von 1909 von Norden her gesehen

Die Kirche in der Potsdamer Straße verblieb als St.-Matthias-Kapelle bei der Gemeinde, bis sie 1921 Kuratiekirche wurde, vermögensrechtlich aber bis 1964 bei St. Matthias verblieb. Sie erhielt 1928 den Namen des ersten Bischofs von Münster, St. Ludgerus, wurde zum 1. Januar 1984 jedoch wieder der Gemeinde St. Matthias eingegliedert. Das Gebäude dient seitdem unter dem Namen St. Jacob der syrisch-orthodoxen Gemeinde Berlins, der sie per Erbbaurechtsvertrag überlassen wurde.

Aus St. Matthias wurden ausgegliedert: die Rosenkranzgemeinde in Steglitz (1891), St. Elisabeth (1907, seit 2006 wieder zu St. Matthias) und St. Norbert (1915), beide in Schöneberg.

1891 wurde an der Röblingstraße 91 im heutigen Ortsteil Tempelhof der Friedhof der St.-Matthias-Gemeinde angelegt. Die Friedhofskirche St. Fidelis wurde 1927 errichtet.

Die Pfarrkirche St. Matthias

Die Pläne zum Bau des Kirchengebäudes sind das Ergebnis eines Architektenwettbewerbs von 1893, an dem unter anderen August Menken teilnahm und den der Architekt Engelbert Seibertz gewann. Der Grundstein wurde am 23. Oktober 1893 gelegt; Georg Kardinal von Kopp, Fürstbischof von Breslau, weihte die Kirche am 24. Oktober 1895.

Das Äußere der dreischiffigen und vierjochigen neugotischen Hallenkirche ist im Wesentlichen von roten Blendziegeln geprägt, lediglich der Sockel, das Gesims und die Fensterlaibungen sind aus Sandstein.

Das ursprünglich ebenfalls neugotisch gestaltete Innere wurde bereits 1931 durch den expressionistischen Kirchenmaler Fritz Wingen verändert. Die Inneneinrichtung wurde jedoch zusammen mit den Fenstern, den Gewölben und Teilen des Mauerwerks mit Ausnahme von zehn Kreuzwegstationen im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Der Wiederaufbau zog sich bis 1952 hin. Die auffälligste Vereinfachung war hierbei der Verzicht auf den Turmhelm (die ursprüngliche Höhe betrug 93 Meter, heute 60 Meter). Auch das Dach des Kirchenschiffs wurde flacher und in reduzierter Form wieder hergestellt. Die Chorfenster wurden zunächst vermauert, 1989 jedoch im Zuge einer grundlegenden Modernisierung der Kirche wieder geöffnet.

Die heute 22 Fenster wurden in den Jahren 1988 bis 1993 von Hermann Gottfried gestaltet.

Die einzigen Ausstattungsstücke aus der Vorkriegszeit sind zehn polychrom bemalte Kupferplatten mit Kreuzwegstationen (1907–1915 von Philipp Schuhmacher, München). Die zwölf Apostelleuchter und das „Galenportal“ schuf Werner Gailis (Berlin). Die Tabernakelstele, den Ambo und das ehemalige Chorraum-Kreuz (heute in der Totengedächtnis-Kapelle) stammen von Egino Weinert. An dessen Stelle hängt seit Wiederöffnung der Fenster im August 1989 das „Mauerkreuz“, das zum 25. Jahrestag des Mauerbaus 1986 von Kevelaerer Goldschmied Wilhelm Polders jun. geschaffen wurde. Im westlich des Hauptchores liegenden Marienchor befindet sich eine Vorarlberger Strahlenkranzmadonna aus dem 17. Jahrhundert, östlich gegenüber im Matthiaschor ein Schrein mit Reliquien des Apostels Matthias. Diese kamen unter dem Pfarrer Clemens August Graf von Galen aus der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier hierher. Der als „Löwe von Münster“ bekannt gewordene, wortgewaltige spätere Kardinal von Galen wirkte von 1906 bis 1911 als Kaplan und von 1919 bis 1929 als Pfarrer an St. Matthias. Eine Berliner Gedenktafel neben dem Haupteingang erinnert an ihn. Am 11. Februar 2007 wurde ein stelenförmiges Reliquiar mit der Reliquie des 2005 seliggesprochenen Kardinals im Kirchenraum aufgestellt und durch den Münsteraner Domkapitular Martin Hülskamp gesegnet. Nachfolger Galens als Pfarrer von St. Matthias war von 1929 bis zu seiner Ausweisung 1941 Albert Coppenrath, der wegen seiner kritischen Kanzelvermeldungen als „Dickkopf vom Winterfeldtplatz“ bekannt wurde. Derzeitiger Pfarrer ist seit 1977 Edgar Kotzur (* 1936 in Bobrek/Oberschlesien), der 2009 zum Ehrendomherrn an St. Hedwig ernannt wurde.

Wegen ihrer Größe und zentralen Lage fungierte St. Matthias in den Jahren der Berliner Teilung als eine Art Co-Kathedralkirche für den Westteil Berlins. Aus diesem Grund wurde der Sarg des verstorbenen Berliner Bischofs Alfred Kardinal Bengsch, der selbst 1929 in St. Matthias gefirmt worden war, am 21. Dezember 1979 auch in St. Matthias aufgebahrt und dort ein Requiem für ihn zelebriert, bei dem der spätere Papst Benedikt XVI., Joseph Kardinal Ratzinger, die Predigt hielt.

Orgel

Die Orgel wurde 1958 von der Orgelbaufirma Seifert (Kevelaer) erbaut und 1974 auf 75 Register auf vier Manualen und Pedal erweitert. Das Instrument wurde in den Jahren 1992/1993 von der Orgelbaufirma Stockmann (Werl) überholt, und zuletzt in den Jahren 2008/2009 durch die Firma Sauer für 185.000 Euro komplett restauriert.[1]

Die Orgel hat heute 75 Register, darunter ein extendiertes Register, und sieben Transmissionen. Außerdem ist der Einbau einer Flute harmonique 8' im Hauptwerk (mit Transmission in das Positiv) vorbereitet. Das Instrument ist damit eine der größten Orgeln (und die größte Orgel in einer katholischen Kirche) Berlins.

I Hauptwerk C–
Prinzipal 16′
Prinzipal 8′
Holzflöte 8′
Liebl. Gedackt 8′
Gambe 8′ N
Flûte harm. 8′ V
Oktave 4′
Querflöte 4′
Quinte 22/3
Superoktave 2′
Kornett V (ab f0) 8′
Mixtur VI 22/3
Scharff IV 1′
Trompete 16′
Trompete 8′
Clairon 4′
II Positiv C–
Prinzipal 8′ N
Grobgedackt 8′
Quintadena 8′
Gambe (aus I.) 8′
Flûte harm. (aus I.) 8′ V
Prinzipal 4′
Rohrflöte 4′
Nachthorn 2′
Sifflöte 11/3
Sesquialter II 22/3
Mixtur IV 2′
Dulzian 16′
Schalmei 8′
Cromorne 8′
Tremulant
III Schwellwerk C–
Bourdon 16′
Holzprinzipal 8′
Bartpfeife 8′
Bourdon (ext.) 8′
Aeoline 8′
Schwebung 8′
Hornprinzipal 4′
Koppelflöte 4′
Nasat 22/3
Oktave 2′
Terzflöte 13/5
Quinte 11/3
Oktävlein 1′
Obertöne III 11/7
Scharff V 1′
Bombarde 16′
Trompette harm. 8′
Hautbois 8′
Vox humana 8′
Clairon 4′
Tremulant
IV Solowerk C–
Quintade 16′
Prinzipal 8′
Rohrgedackt 8′
Weidenpfeife 8′
Oktave 4′
Gemshorn 4′
Spillpfeife 2′
Mixtur IV 11/3
Zimbel III 1/6
Span. Trompete 8′
Krummhorn 8′
Tremulant
Pedal C–

Untersatz 32′
Prinzipalbass 16′
Prinzipal (aus I.) 16′
Subbass 16′
Bourdon (aus III.) 16′
Quintade (aus IV.) 16′
Quintbass 102/3
Oktavbass 8′
Prinzipal (aus II.) 8′
Gedacktbass 8′
Choralbass 4′
Pommer 4′
Flachflöte 2′
Rauschquinte V 51/3
Mixtur IV 2′
Kontraposaune 32′
Posaune 16′
Bombarde (aus III.) 16′
Bombarde (aus III.) 8′
Trompete 8′
Klarine 4′
Singend Kornett 2′
  • Koppeln:
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, IV/I, IV, III, I/P, II/P, III/P, IV/P
    • Superoktavkoppeln: II/I, III/I, III/II, II/II, III/III, II/P, III/P
    • Suboktavkoppeln: II/I, III/I, III/II, II/II, III/III,
  • Anmerkungen:
N = Neues Register von Sauer, 2008
V = derzeit vakant, vorbereitet für späteren Einbau

Literatur

  • Albert Coppenrath: Unsere St. Matthias-Pfarrei im Wandel der Zeiten. Ernstes und Heiteres aus 7 Jahrhunderten in Wort und Bild, Berlin, 1938. Salvator-Druck
  • Albert Coppenrath: Der westfälische Dickkopf am Winterfeldtplatz. Meine Kanzelvermeldungen und Erlebnisse im Dritten Reich, Köln: J. P. Bachem, 1948 (2. vermehrte Auflage)
  • Andrea Gosten: Kath. Pfarrkirche St. Matthias Schöneberg. Schnell Kunstführer Nr. 2244, Regensburg: Schnell & Steiner, 1995. ISBN 978-3-7954-5996-3
  • Uwe Pape: Orgeln in Berlin, Berlin, 2003. ISBN 3-921140-62-5
  • Die Gottfried-Fenster in der St. Matthias-Kirche Berlin Schöneberg, Berlin, 1995. Kath. Pfarramt St. Matthias (Hrsg.)
  • Katholische Kirche in der Berliner Innenstadt, Berlin, 1998. Pressestelle des Erzbistums Berlin (Hrsg.)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Näheres zur Restaurierung der Orgel
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