Walter Gröger

Walter Gröger

Walter Gröger (* 27. Juni 1922 in Mohrau, Landkreis Neisse, Provinz Schlesien im damaligen Deutschen Reich; † 16. März 1945 in Oslo, Norwegen) war Matrose der deutschen Kriegsmarine während des Zweiten Weltkriegs. 1943 versuchte er, sich der weiteren Beteiligung an den Kriegshandlungen zu entziehen, wurde verhaftet und zunächst zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, bevor das Urteil wenige Monate vor Kriegsende in ein Todesurteil umgewandelt und Gröger daraufhin erschossen wurde.

Das aufgrund des Vorwurfs der Desertion gegen ihn ausgesprochene Todesurteil bzw. der Antrag dazu durch den damaligen Marinestabsrichter des NS-Regimes, Hans Filbinger, der Jahrzehnte nach dem Ende des Krieges und der Diktatur zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Präsidenten des deutschen Bundesrates werden sollte, wurde 1978 durch den Schriftsteller Rolf Hochhuth einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Es war einer von vier Fällen, die Filbinger im Zuge der sogenannten Filbinger-Affäre zum Rücktritt vom Ministerpräsidentenamt veranlassten.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Weniger als zwei Monate nach Grögers Hinrichtung übergaben die Deutschen (hier Major Josef Nichterlein und sein Adjutant Kapitän Hamel) die Festung Akershus, in der Gröger hingerichtet wurde, an Fähnrich Terje Rollem von der Norwegischen Widerstandsbewegung Milorg.

Walter Gröger war der Sohn eines Straßenwärters. Er meldete sich nach einer Schlosserlehre 1940 als 17-Jjähriger freiwillig zur Kriegsmarine. Auf dem Schlachtschiff Gneisenau machte er den Norwegenfeldzug mit, lag kurz in Kiel und war dann 1941/42 bei der Leningrader Blockade eingesetzt.

Ende Oktober 1943 wurde er nach Sopnis bei Narvik versetzt. Er reiste mit dem Schiff nach Oslo und erfuhr dort, dass sein Weitertransport erst in etwa zehn Tage gehe. Kurz vor Ablauf dieser Frist lernte er die damals 34jährige Marie Severinsen-Lindgren kennen. Sie arbeitete als Krankenpflegehelferin in einem Lazarett der Organisation Todt.

Gröger versteckte sich vier Wochen bei Marie und plante, mit ihr ins neutrale Schweden zu fliehen. Er wurde jedoch von der Geheimen Feldpolizei (GFP) verhaftet und am 14. März 1944 zu acht Jahren Zuchthaus und dem Verlust der Wehrwürdigkeit verurteilt. Das Gericht hatte ihm in diesem Verfahren einen „guten Kern“ zugesprochen, obwohl er zahlreiche militärische Vorstrafen hatte, der Stammrollenauszug zählt bis zum 10. Februar 1944 14 Strafeintragungen.

Generaladmiral Otto Schniewind hob das Urteil am 1. Juni 1944 allerdings wieder auf, „weil auf Todesstrafe hätte erkannt werden sollen“.

Filbinger beantragte anschließend die Todesstrafe wegen charakterlicher Schwächen und Grögers militärischen Vorstrafen auf Basis einer Führer-Richtlinie. Diese Richtlinie aus dem Jahr 1940 sah bei „Flucht oder versuchter Flucht ins Ausland“ die Todesstrafe „im allgemeinen als angebracht“ an. Ein Gnadengesuch seines Verteidigers Werner Schön wurde abgelehnt.

Marineoberstabsrichter Adolf Harms verurteilte Gröger am 22. Januar 1945 zum Tod als „einzig angemessene Sühne“. Am 27. Februar 1945 bestätigte das Oberkommando der Marine in Berlin das Todesurteil und lehnte das Gnadengesuch ab.

Am 15. März 1945 verfügte der damals 31-jährige Filbinger, der im Dezember 1944 nach Oslo versetzt worden war, für den Gerichtsherrn die Todesstrafe. Die Erschießung fand um 16:02 Uhr am selben Tag in der Festung Akershus in Anwesenheit Filbingers statt, der auch den Schießbefehl erteilte.[1] Der 22-jährige Gröger verstarb laut Bericht von Filbinger um 16:04 Uhr.[2]

Seine Mutter Anna Gröger und Marie Severinsen-Lindgren wurden 1978 durch Rolf Hochhuth über Hintergründe und Einzelheiten des Urteiles und der Vollstreckung informiert. Hochhuth verarbeitete Filbingers Umgang mit der öffentlichen Kritik am bekannt gewordenen Todesurteil über Gröger 1979 in seinem Theaterstück Juristen.

Gedenken

Der Liedermacher Walter Mossmann veröffentlichte 1979 auf seinem Album Frühlingsanfang die Ballade vom toten Matrosen Walter Gröger.[3][4]

Rehabilitierung

Gröger wurde im Jahr 2002 im Zuge des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege, das sämtliche Urteile der Militärgerichte der NS-Zeit gegen Deserteure der Wehrmacht aufhob, juristisch rehabilitiert.[5][6]

Bewertungen

Nach heutiger Einschätzung der Juristen hatte es für Filbinger durchaus den Spielraum gegeben, die Todesstrafe für Gröger nicht durchzusetzen. Dies sei nicht erfolgt, weil Filbinger von der Berechtigung der Todesstrafe überzeugt gewesen sei.[2]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Robert Probst: Hans Filbinger und die Militär-Justiz. In: Die ZEIT. 13. April 2007, abgerufen am 12. November 2009.
  2. a b http://www.sueddeutsche.de/politik/filbinger-und-der-fall-groeger-kein-wort-des-bedauerns-1.776259
  3. Thomas Rothschild: Liedermacher: 23 Porträts. Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1980, S. 132
  4. Walter Mossmann: Ballade vom toten Matrosen (auf youtube.com)
  5. Internet Archive Wayback Machine
  6. Bundestag rehabilitiert "Kriegsverräter", fr online

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