Präsident des deutschen Bundesrates

Präsident des deutschen Bundesrates
Derzeitiger Bundesratspräsident, Horst Seehofer (seit 1. November 2011)

Der Präsident des Bundesrates, inoffiziell auch Bundesratspräsident, ist der Stellvertreter des Bundespräsidenten und hat das protokollarisch vierthöchste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland inne.

Dem Bundesrat als Vertretung der Regierungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland sitzt in turnusmäßigem Wechsel jeweils für ein Jahr der Ministerpräsident eines Landes vor. Die Amtszeit des Bundesratspräsidenten dauert jeweils vom 1. November eines Jahres bis zum 31. Oktober des folgenden Jahres.

Inhaltsverzeichnis

Amtierender Bundesratspräsident

Derzeitiger Bundesratspräsident ist der Ministerpräsident des Freistaates Bayern Horst Seehofer, CSU. Er wurde am 14. Oktober 2011 gewählt und hat das Amt am 1. November 2011 turnusgemäß von der Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft, SPD, übernommen.

Bis zum Oktober 2010 wurde das Amt nur von Männern bekleidet. Heide Simonis, die erste Ministerpräsidentin eines deutschen Landes, schied am 27. April 2005, ein halbes Jahr bevor Schleswig-Holstein die Präsidentschaft übernehmen sollte, aus dem Amt und konnte daher nicht zur Bundesratspräsidentin gewählt werden.

Turnusmäßige Wahl der Präsidentschaft

Der Bundesrat wählt gemäß Artikel 52 des Grundgesetzes seinen Präsidenten auf ein Jahr. Zum Bundesratspräsidenten wird der jeweilige Ministerpräsident des Bundeslandes gewählt, welches die Präsidentschaft im Bundesrat ausübt. Die Abfolge der Bundesländer beginnt beim bevölkerungsreichsten Bundesland (Nordrhein-Westfalen) und endet beim einwohnerschwächsten Bundesland (Bremen). Dieses Verfahren ist 1950 in der Königsteiner Vereinbarung festgelegt worden. Am 20./21. Dezember 1990 wurde auf der Ministerpräsidentenkonferenz in München der bis zum Jahr 2016/17 geltende Turnus vereinbart. Wegen der anhaltend starken Binnenwanderung in Deutschland weicht dieser leicht von der aktuellen Reihenfolge der Bevölkerungszahlen der Bundesländer ab.[1] So ist die Reihenfolge der Bevölkerungszahlen 2008 Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Ebenso tauschten Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern die Plätze.

Die Abfolge lautet:

Nordrhein-WestfalenNordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen 07.09.194906.09.1950 19601961 19711972 19821983 19941995 20102011
BayernBayern Bayern 07.09.195006.09.1951 19611962 19721973 19831984 19951996 20112012
Baden-WürttembergBaden-Württemberg Baden-Württemberg 07.09.195206.09.1953 19621963 19731974 19841985 19961997 20122013
NiedersachsenNiedersachsen Niedersachsen 07.09.195106.09.1952 19631964 19741975 19851986 19971998 20132014
HessenHessen Hessen 07.09.195306.09.1954 19641965 19751976 19861987 19981999 20142015
SachsenSachsen Sachsen 19992000 20152016
Rheinland-PfalzRheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz 07.09.195406.09.1955 19651966 19761977 19871988 20002001 20162017
BerlinBerlin Berlin 01.11.195731.10.1958[2] 19671968 19781979 19891990 20012002 20172018
Sachsen-AnhaltSachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt 20022003
ThüringenThüringen Thüringen 20032004
BrandenburgBrandenburg Brandenburg 20042005
Schleswig-HolsteinSchleswig-Holstein Schleswig-Holstein 07.09.195506.09.1956 19661967 19771978 19881989 20052006
Mecklenburg-VorpommernMecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern 19911992 20062007
HamburgHamburg Hamburg 07.09.195631.10.1957[2] 19681969 19791980 19901991 20072008
SaarlandSaarland Saarland 01.11.195931.10.1960 19691970 19801981 19921993 20082009
BremenBremen Bremen 01.11.195831.10.1959 19701971 19811982 19931994 20092010

Findet in der Amtszeit des Bundesratspräsidenten in seinem Heimatland ein Regierungswechsel statt, so übernimmt der neue Regierungschef auch das Präsidentenamt (so zuletzt geschehen im April 1999, als der hessische Ministerpräsident und amtierende Bundesratspräsident Hans Eichel die Landtagswahl verlor und Roland Koch sein Nachfolger wurde). Die künftigen Präsidentschaften des Bundesrates stehen bis 2017 fest.[3]

Der einzige Bundesratspräsident, der, abweichend vom vereinbarten Turnus, länger als ein zusammenhängendes Jahr dem Bundesrat vorstand, war Kurt Sieveking, dessen Amtszeit ursprünglich nur vom 7. September 1956 bis zum 6. September 1957 dauern sollte. Durch den Tod seines gewählten Nachfolgers Otto Suhr am 30. August 1957 wurde Sieveking am 6. September 1957 wiedergewählt, gab jedoch gleich zur Wiederwahl bekannt, dass er in dem Moment zurücktreten werde, in dem das Land Berlin wieder über eine gewählte Regierung verfüge [4].

Mit der Wahl Willy Brandts zum Regierenden Bürgermeister von Berlin am 3. Oktober 1957 war dieser Zustand gegeben, so dass Sieveking zum 1. November 1957 sein Amt an Brandt übergeben konnte.

Seither erfolgt der Wechsel stets zum 1. November eines jeden Jahres.

Protokollarische Stellung des Bundesratspräsidenten

Der Bundesratspräsident ist gemäß Artikel 57 des Grundgesetzes Stellvertreter des Bundespräsidenten, und übt bei dessen Abwesenheit, Rücktritt, Krankheit oder Tod dieses Amt aus.[5] Nach der protokollarischen Staatspraxis steht er jedoch an vierter Stelle, nach dem Bundespräsidenten, dem Bundestagspräsidenten, dem Bundeskanzler und vor dem Bundesverfassungsgerichtspräsidenten.

Seit 1990 richtet das Bundesland, welches den Bundesratspräsidenten stellt, die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit aus.

Vertretung des Bundesratspräsidenten

Neben dem Bundesratspräsidenten gehören dem Präsidium des Bundesrates zwei Vizepräsidenten an. Als Stellvertreter fungieren der Erste und der Zweite Vizepräsident. Der Erste Vizepräsident ist der turnusgemäße Vorgänger des aktuellen Präsidenten, zurzeit Vizepräsidentin Hannelore Kraft. Zweiter Vizepräsident ist der voraussichtliche Nachfolger des aktuellen Präsidenten, dies ist derzeit der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann.

Eine Vertretung des Bundesratspräsidenten ist auch dann gegeben, wenn dieser die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten wahrnimmt. Dieser Fall trat beispielsweise nach dem Rücktritt Horst Köhlers am 31. Mai 2010 ein. Der Bundesratspräsident Jens Böhrnsen war ab diesem Zeitpunkt bis zur Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten am 30. Juni 2010 dauerhaft verhindert und wurde in diesem Zeitraum durch seine Vizepräsidenten vertreten.

Bekannte frühere Bundesratspräsidenten

Bundesratspräsidenten waren u. a. die späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, Willy Brandt und Gerhard Schröder, ebenso der spätere Bundespräsident Johannes Rau, die SPD-Vorsitzenden Björn Engholm, Oskar Lafontaine, Matthias Platzeck und Kurt Beck, sowie die CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber.

Der einzige Politiker, der in seiner Laufbahn als Präsident sowohl dem Bundesrat wie auch dem Deutschen Bundestag vorstand, war Kai-Uwe von Hassel.

Insgesamt sieben Ministerpräsidenten amtierten bisher mehrfach als Bundesratspräsidenten, nämlich der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard (CSU, 19501951 und 19611962), der hessische Ministerpräsident Georg August Zinn (SPD, 19531954 und 19641965), der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Peter Altmeier (CDU, 19541955 und 19651966), der saarländische Ministerpräsident Franz-Josef Röder (CDU, 19591960 und 19691970), der Bremer Bürgermeister Hans Koschnick (SPD, 19701971 und 19811982), der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU, 19761977 und 19871988) sowie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau (SPD, 19821983 und 19941995).

Flaggen

Gemäß der Anordnung über die deutschen Flaggen führt der Präsident des deutschen Bundesrates an Dienstkraftfahrzeugen die Bundesdienstflagge in der Größe 30 × 30 cm[6]; die Vizepräsidenten führen diese an Dienstkraftfahrzeugen in der Größe 25 × 25 cm.[7]

2-Euro-GedenkmünzenBundesländer-Serie

Für das Land, dessen Regierungschef Bundesratspräsident ist, werden seit 2006 2-Euro-Münzen mit landesspezifischer Rückseite hergestellt.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wahlrecht.de: Wahl des BundesratspräsidentenTurnus der Bundesländer. 20. November 2005 (letzte Aktualisierung: 17. Oktober 2008)
  2. a b Der Beginn der Amtszeit wurde 1957 vom 7. September auf den 1. November verschoben.
  3. www.bundesrat.dePräsidentschaften des Bundesrates ab dem Geschäftsjahr 2010/2011
  4. [1]
  5. Wer vertritt den Bundespräsidenten, wenn er krank oder im Ausland ist?
  6. (Muster I) der Anordnung über die deutschen Flaggen vom 13. November 1996 (FlaggAO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. November 1996 www.bmi.bund.de Anhang 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. a Flaggenanordnung BMI, (PDF). Aufgerufen am 16. Oktober 2009.
  7. (Muster II) Anhang 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. b FlaggAO (PDF)

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