Wandlungsphasen

Wandlungsphasen

Die Fünf-Elemente-Lehre (chin. 五行 wŭxíng = Fünf Wandlungsphasen) ist eine daoistische Theorie zur Naturbeschreibung. Die Fünf-Elemente-Lehre untersucht die Gesetzmäßigkeiten, nach denen dynamische Prozesse (Wandlungen) im Bereich des Lebendigen ablaufen, betont also Werden, Wandlung und Vergehen.

Die Fünf-Elemente-Lehre prägt die chinesische Philosophie und ist ferner von großer Bedeutung im Shiatsu, Feng Shui, Taijiquan, Xingyiquan, Qigong, dem Ayurveda, in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), der Akupunktur und der Polarity-Therapie nach Randolph Stone.

Im Buddhismus gibt es ebenfalls eine Lehre der Fünf Elemente, die sich aber von der daoistischen unterscheidet. Der Buddhismus kennt die Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Leere. In der griechischen Philosophie gab es eine Vier-Elemente-Lehre mit den Aspekten Luft, Feuer, Wasser und Erde, die teilweise noch um ein fünftes Element, nämlich den Äther als Quintessenz, erweitert wurde.

Inhaltsverzeichnis

Die fünf Elemente

Die Lehre basiert auf fünf angenommenen Grundelementen (xíng), vielleicht besser zu übersetzen als Wandlungsphasen oder Aktionsqualitäten:

Holz bzw. Baum Aufbruch, Entwicklung eines Handlungsimpulses, Expansion, Steigen
Feuer huŏ Ausgestaltung, dynamische Phase, Aktion
Erde wandelnd, umwandelnd, verändernd: Fruchtbildung
Metall bzw. Gold jīn Reife, Kontraktion, Kondensation, Ablösung, Sinken
Wasser shuĭ Betrachtung, Lageerfassung, Ruhe

Die Interaktion dieser Elemente bewirkt einen Prozessablauf, der als Zyklus beschrieben und auf verschiedenste Abläufe im Bereich des Organischen angewendet wird, zum Beispiel im menschlichen Körper, in der Charakterkunde, in der Astrologie oder auch in Organisationen, zum Beispiel einem Unternehmen oder auch in der Politik.

Geistiger Hintergrund

Fragestellung und Methodik der Fünf-Elemente-Lehre ähnelt stark dem I Ging, dem Buch der Wandlungen. Beide stehen auf dem gemeinsamen geistigen Hintergrund des Taoismus.

Wie im I Ging und auch im Daodejing des Laozi ist in der Fünf-Elemente-Lehre das Dao, die monistische schöpferische Funktion des großen Einen, selbst unbenennbar und tritt als der Erkenntnis zugängliches Prinzip nur als komplementärer Dualismus in Erscheinung: als Yin und Yang. Diese beiden erzeugen, wie im Artikel zum I Ging beschrieben, durch Verdopplung die 4 Hsia und durch Verdreifachung die 8 Guan, die Acht Trigramme. Die Erde als wandelnde Qualität wird beiden dualen Polen (Yin und Yang) zugeordnet, die 4 Hsia den übrigen vier Elementen (siehe: Kosmologische Anordnung).

Im Daoismus gelten alle Aussagen über die Realität als Symbol und nicht selbst als Realität. Deshalb gibt es keinen Ausschließlichkeitsanspruch für ihre Gültigkeit, es können durchaus verschiedene Aussagen und Theorien (hier z. B.: das I Ging und die Fünf-Elemente-Lehre) nebeneinander bestehen, man wechselt je nach Anwendung zwanglos zwischen ihnen. Dieses Vorgehen erscheint uns im westlichen Denken oft problematisch, wird aber dennoch praktiziert: die Berechnung der Tide nach dem Mondstand und die Beschreibung der Tageszeiten nach dem Sonnenlauf stellt selbstverständlich die Erde als Bezugspunkt in die Mitte, obwohl das geozentrische Weltbild längst widerlegt ist. Ebenso hat etwa die klassische Physik ihren definierten Gültigkeitsbereich und ist nicht etwa durch Relativitätstheorie oder Quantentheorie hinfällig geworden.

Zyklische Anordnung

Zyklische Anordnung der 5 Elemente

Die fünf Elemente stellen Wandlungsphasen von Prozessen oder Aktionsqualitäten dar. Es handelt sich daher nicht um Elemente im Sinne von Bestandteilen, sondern um Aspekte eines dynamischen Ablaufes, der als zyklisch erlebt und meist in einem fünfgeteilten Kreis im Uhrzeigersinn dargestellt wird. Die Vorstellung organischer Prozesse als zyklisch bedeutet jedoch nicht eine stetige, monotone Wiederholung, sondern beinhaltet ebenso eine (im Westen meist linear gedachte) Evolution: jeder Durchlauf des zyklischen Prozesses verändert die Ausgangslage für den folgenden Durchlauf.

Die im Prozess wechselnden Phasen werden häufig an der Jahreszeitenfolge verdeutlicht: Wasser steht unten als ruhender Ausgangspunkt und wesentlicher Bestandteil jeder Dynamik, und entspricht dem Winter. Holz folgt als vorbereitende, expandierende Phase, (Vor)frühling. Feuer bildet den Höhepunkt der eigentlichen Aktion; es steht für den Sommer. Erde steht für den wandelnden Aspekt, der im zyklischen Prozess Evolution bewirkt (etwa die Metamorphose hin zur Fruchtbildung) sowie den Spätsommer. Metall konzentriert und strukturiert die Aktion, dies gewährleistet die Wirkung der Aktion, entsprechend der Reifung im Herbst. Dem schließt sich wieder die Ruhephase (Wasser) an.

Nährungszyklus

In der besprochenen Reihenfolge (zyklisch im Uhrzeigersinn) nähren die Elemente einander, sie stehen etwa in der Relation wie Eltern zu Kindern:

Holz lässt Feuer brennen.
Asche (durch Feuer) reichert die Erde mit Nährstoffen an.
Erde bringt Erze (Metall) hervor.
Spurenelemente (Metall) beleben Wasser.
Wasser nährt Bäume und Pflanzen (Holz).

Schwächungszyklus

Jedes Element entwickelt sich durch Schwächung seines Vorgängers im Nährungszyklus (zyklische Relation entgegen dem Uhrzeigersinn).

Feuer verbrennt Holz,
Holz saugt Wasser auf,
Wasser korridiert Metall,
Metall zieht Mineralien aus der Erde, und
Erde erstickt Feuer.

Kontrollzyklus

Mangel oder Überfluss eines der 5 Elemente des betrachteten Prozesses würde den Prozess insgesamt stören beziehungsweise seinen Träger (einen lebendigen Organismus) schädigen. Kontrollierende Eingriffe können nicht willkürlich erfolgen, ohne den Prozess zu stören. Vielmehr soll die inhärente Gesetzmäßigkeit auch bei der Prozesskontrolle von außen berücksichtigt werden:

Wasser löscht Feuer.
Feuer schmilzt Metalle.
Eine Axt (Metall) spaltet Holz.
Bäume und Pflanzen (Holz) entziehen der Erde Nährstoffe. Wurzeln halten die Erde zusammen.
Staudämme (Erde) halten Wasser auf. Erde verschmutzt Wasser.

Die Kontrollrelation ist deshalb ein Pentagramm im Kreis, das dadurch entsteht, dass jedes Element auf seinen Nach-Nachfolger einwirkt.

Schädigungszyklus

Die entgegengesetzte Relation (auf den Vor-Vorgänger) wird als destruktiv, verletzend beschrieben.

Wasser weicht Erde auf (Erosion)
Erde erstickt Holz,
Holz macht Metall stumpf,
Metall nimmt Hitze (Feuer) auf,
Feuer verdampft Wasser.

Kosmologische Anordnung

Eine im Westen weniger bekannte Anordnung der fünf Elemente ergibt sich, wenn das wandelnde Prinzip der Erde in den Mittelpunkt des Rades rückt und die verbleibenden vier Elemente auf zwei orthogonalen Achsen angeordnet werden: Vertikale: Wasser unten (großes Yin, Statik) – Feuer oben (großes Yang, Dynamik) Horizontale: Holz links (kleines Yang, Expansion) – Metall rechts (kleines Yin, Kontraktion)

Diese orientierende quaternio stellt das Wirkprinzip des Prozesses anstelle der Prozessdynamik selbst in den Mittelpunkt der Betrachtung und ähnelt damit den orthogonalen westlichen Begriffsystemen, die der Orientierung dienen (Beispiel: Vier-Elemente-Lehre, Kompassrose, kartesisches Koordinatensystem, Vier Jahreszeiten) In der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) wird die vertikale Achse als konstitutionell, die horizontale als situativ bezeichnet.

Projektion

Beide Darstellungen (die zyklische und die kosmische) können als zwei verschiedene ebene Projektionsmöglichkeiten ein und derselben räumlichen Pyramide (mit der Erde an der Spitze und einem Scheitelwinkel von 36 Grad) aufgefasst werden. Diese Eigenschaft zeigt, dass beide planaren Darstellungen nicht alternativ nebeneinander stehen, sondern (dreidimensional) konstruktiv ineinander übergeführt werden können (vgl. die beiden Anordnungen der Acht Trigramme „alter Himmel“ und „neuer Himmel“ im I Ging)

Zuordnungen, Analogien

Den fünf Elementen ist eine Vielzahl anderer Begriffe zugeordnet, die zum Teil nur in ihrem speziellen Erfahrungsumfeld nachvollziehbar sind. Am bekanntesten ist wohl die Zuordnung zu Formen und Farben:

Holz grün zylindrische Formen
Feuer huŏ rot Pyramidenformen
Erde gelb Quaderformen
Metall jīn silber / grau / weiß Kuppelform
Wasser shuĭ blau / schwarz irreguläre Formen

Die Liste der weiteren Analogien ist praktisch unbegrenzt: den Elementen sind z. B. auch 5 Jahreszeiten zugeordnet, 5 Himmelsrichtungen, 5 Geschmacksrichtungen, 5 Emotionen, 5 Witterungen, 5 Landschaftsformen, 5 Planeten, 5 Beziehungen, 5 Töne in der Musik (Pentatonik), usw.

Mit den Fuwa (福娃, fúwá), den Maskottchen der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking, ist die Reihe der Analogien wiederum erweitert worden.

Eine vergleichbare Analogiebildung ist auch Grundlage der Chinesischen Medizin.

木   Holz 火   Feuer 土   Erde 金   Metall 水   Wasser
Himmelsrichtung Ost Süd Zentrum West Nord
Jahreszeit Frühling Sommer (6. Monat) Herbst Winter
Tageszeit Morgen Mittag Nachmittag Abend Nacht
Lebensalter Geburt und
Wachstum
Ausbildung und
Entwicklung
Reife und
Übergang
Nachreife und
Ernte
Abbau und
Genuss der Ernte
Klima windig heiß feucht trocken kalt
Wandlungsphase schwaches Yang starkes Yang Ausgeglichenheit schwaches Yin starkes Yin
Farbe Grün Rot Gelb Weiß Schwarz
Form Zylinder Pyramide Quader Kuppel irregulär
Tonleiter Terz Quinte Prime Sekunde Sexte
Planet Jupiter Mars Saturn Venus Merkur
Tier Drache Feng Huang Qilin Tiger Schildkröte
Geschmack sauer bitter süß scharf salzig
Gefühl Zorn Freude Sorgen Trauer Angst
Sinnesorgan Auge Zunge Mund Nase Ohr
Sinnesfunktion sehen sprechen schmecken riechen hören
Körperflüssigkeit Tränen Schweiß Speichel Schleim Urin
Körpergewebe Muskeln Blutgefäße Bindegewebe Haut Knochen
Yin-Organ Leber Herz Milz Lunge Niere
Yang-Organ Gallenblase Dünndarm Magen Dickdarm Blase
12 Erdzweige
(Tierzeichen)
Tiger
Hase
Schlange
Pferd
Drache
Schaf
Hund
Ochse
Affe
Hahn
Schwein
Ratte
10 Himmelsstämme jiă
bĭng
dīng

gēng
xīn
rén
guĭ
Acht Trigramme ☴ 巽 xùn
☳ 震 zhèn
☲ 離 ☷ 坤 kūn
☶ 艮 gèn
☰ 乾 qián
☱ 兌 duì
☵ 坎 kǎn
CJK-Wochentage Donnerstag Dienstag Samstag Freitag Mittwoch

Nach den fünf Elementen sowie Sonne und Mond (Sonntag und Montag) sind auch die koreanischen und japanischen Wochentage benannt.

Fünf-Elemente-Lehre in Japan

In Japan gibt es eine alternative Version der Fünf-Elemente-Lehre, die sich der vier „westlichen“ Elemente „Erde“, „Wasser“, „Feuer“ und „Wind/Luft“ bedient und als Fünftes die „Leere/Äther“ hinzufügt. Diese Form der Fünf-Elemente-Lehre taucht auch in der Tibetischen Medizin auf.

Diese fünf Element-Lehre wird von Miyamoto Musashi im Gorin no Shō, dem Buch der fünf Ringe verwendet. Sie ist für die japanische Kampfkünste von Bedeutung, vor allem für die Fechtkunst.

„Fünf-Elemente-Lehre“ im Abendland

In gewisser Weise gibt es auch im Abendland eine „Fünf-Elemente-Lehre“. Aristoteles fügte zu den üblichen Vier Elementen Wasser, Feuer, Erde und Luft noch den Äther hinzu, der dann später als Quintessenz (von lat. quinta essentia, wörtl. „fünftes Seiendes“) bezeichnet wurde, sich aber nicht durchzusetzen vermochte. Die Ähnlichkeit zur japanischen Version der Fünf-Elemente-Lehre muss als zufällig gelten.

Siehe auch


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