Willi Henne

Willi Henne

Willi Henne (* 12. Juli 1907 in Grab bei Backnang; † 10. Februar 1977 in Wiesbaden) war ein deutscher Bauingenieur, SS-Standartenführer der Reserve, Ministerialrat beim Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen (GdS) und Präsident des Hessischen Landesamtes für Straßenbau.

Inhaltsverzeichnis

Studium und Staatsdienst

Ab 1926 studierte er das Fach Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule Stuttgart, um im Jahr 1930 den Abschluss eines Diplom-Ingenieurs zu erreichen. Danach ging er in den Staatsdienst und wurde als Referendar am Technischen Landesamt in Ludwigsburg tätig. Im Jahre 1936 erhielt er als Referent beim GdS eine Stelle für die Übernahme von Sonderaufgaben.[1]

Beginn der Tätigkeit am Westwall

In den ersten Tagen im Juni 1938 nahm er an einer Inspektionsreise teil, bei der Hermann Göring die im Aufbau befindlichen militärischen Befestigungen besichtigen sollte. Dabei waren sein Chef als GdS Fritz Todt und Ministerialdirektor Günther Schulze-Fielitz.[2] Am 7. Juni 1938 kam es zu einem gemeinsamen Treffen in der Bücherei des Wehrkreises in Wiesbaden, wo die leitenden Offiziere des Festungsbaus an der Westgrenze unter Führung des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe 2 (HGru 2) Generaloberst Wilhelm Adam[3], der Generalmajor Richard Speich als Inspekteur der Westbefestigungen (InWest), der spätere Generalleutnant Rudolf Schmetzer als Festungsinspekteur und weitere kommandierende Offiziere teilnahmen. Doch Göring nahm an diesem Koordinationstreffen nicht teil, denn dieser berichtete am 14. Juni 1938 an Hitler, dass die Heeresführung beim Festungsbau versagt hätte.[4] In Bergzabern fand vorher am 9. Juni 1938 eine Besprechung unter der Leitung von Göring statt, in der eine Form einer Bauorganisation vorgeschlagen wurde, um in kurzer Zeit Befestigungen zu errichten.

NSDAP und SS

Am 14. Juni 1938 erhielt Todt von Hitler die Generalvollmacht als Sonderbeauftragter des Führers, den Ausbau der Befestigungen im Westen des Grenzbereiches zu übernehmen. Am 16. Juni wurde Oberbaurat Henne die Leitung der Dienststelle Der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, Abteilung Wiesbaden (Westwallbau – W) mit Sitz im Palasthotel Kaiserhof übertragen.[5] Um seine Stellung im NS-Regime zu festigen, wurde Henne Mitglied der NSDAP (Nr. 3 227 049) und erhielt am 1. Juli 1938 den Dienstgrad SS-Untersturmführer (SS-Nr. 110 868)[6][7]

Führung der Bauleitung am Westwall

Als erste Maßnahme musste Henne während der nächsten zwei Monate 60.000 von den Festungspionieren der Wehrmacht ausgearbeiteten Plan- und Bauunterlagen durchsehen und prüfen lassen.[8] Danach kam auf Henne die Aufgabe zu, die Aufsicht über 19 und später 22 Oberbauleitungen zu übernehmen.[9] Dabei kam es zwischen Henne und General Speich zu widersprüchlichen Auffassungen.[10] Speich verfiel jedoch bald in Ungnade, als er keine hinreichenden Erfolgsdarstellungen am 8. August 1938 über den Festungsbau Hitler bei einer Besprechung auf dem Obersalzberg darbieten konnte. Ende 1938 wurde Speich in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Mobilisierung des Einsatzes und Organisation Todt

Henne konnte in wenigen Monaten auf eine große Mobilisierung von Arbeitskräften zugreifen, die durch die Verordnung zur Sicherstellung des Kräftbedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung durch Göring am 22. Juni 1938 (RGBl. I 1938, S. 652) erlassen hatte. So stieg die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte bei den Oberbauleitungen vom 20. Juli 1938 mit 35.000 auf 342.000 am 6. Oktober 1938.[11] Weiterhin standen vom Reichsarbeitsdienst in der fortgeschrittenen Ausbauphase etwa 100.000 Mann, 90.000 bei den Pionieren des Festungsbaus und auch Pionierbataillone und Divisionen der Infanterie zum Einsatz bereit.

Als nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Bauwerke am Westwall im Frontbereich lagen, ließ Henne die Baumannschaften am 2. September 1939 zurückziehen. Doch schon am 4. September wurde durch Todt diese Maßnahme aufgehoben. Hitler hatte befohlen, dass die jetzt entstandene Organisation Todt (OT) während der Kriegszeit fortbestehen und weiter arbeiten sollte.[12]

Einsatz in Norwegen

Anfang April 1940 kam es im Rahmen des Unternehmen Weserübung zur Besetzung von Dänemark und Norwegen durch deutsche Streitkräfte. Um die deutschen Positionen zu unterstützen, richtete die OT durch ihren Einsatzstab in Berlin durch Beschluss vom 1. April 1942[13] eine OT-Einsatzgruppe Wiking mit Sitz in Oslo ein, die von Henne geführt wurde. Mit dieser Ernennung war auch der Titel Generalingenieur für Norwegen und Dänemark verbunden.

Im Juli 1942 übernahm er auch als Nachfolger von Oberregierungsbaurat Dr. Klein die Leitung der Hauptabteilung Technik beim Reichskommissariat Norwegen, die vom Gauwirtschaftsberator Carlo Otte geführt wurde.[14] Die Abteilung Technik war unter Klein aus der bestehenden Struktur der Hauptabteilung Volkswirtschaft herausgelöst worden und bestand nun als eigenständige Hauptabteilung. Henne baute seine Position aus und wurde Generalbevollmächtigter für die Bauwirtschaft in den besetzten Gebieten Norwegens.

Weisungsmäßig unterstand er dem Reichskommissar Josef Terboven. Als Leiter der Einsatzgruppe Wiking aber war er aber auch Fritz Todt und dessen Nachfolger Albert Speer unterstellt. Aus dieser doppelten Unterstellung und der doppelten Leitung von den von ihm unterstellten Einrichtungen kam es aber bald zu Streitigkeiten mit der Hauptabteilung Volkswirtschaft bezüglich der Organisation von Arbeitskräften, Baustoffen und Betriebsmitteln. Dabei hatte er zu Terboven ein gutes Auskommen, da sich Henne nach Aussage von SS-Hauptsturmführer Herbert Noot[15] nicht zu den politischen Verhältnissen äußerte.

Henne konnte seinen Zuständigkeitsbereich weiter ausbauen als Leiter des größten Bauunternehmens in Norwegen. So hatte er auch die Zuständigkeit über die gesamte Elektrizitätsversorgung. Es blieb nicht aus, dass es zu Kompetenzstreitigkeiten mit dem norwegischen Bauwirtschaftsminister Eivind Blehr kam, die im Mai 1943 eskalierten. Henne brachte Terboven dazu, beim norwegischen Ministerpräsidenten Vidkun Quisling für Henne dessen Forderungen zu unterstützen. Henne hatte den Ehrgeiz, den Bau der Nordbahn mit allen Mitteln voranzutreiben. Um an zusätzliche Arbeitskräfte zu kommen, ließ er Betriebe schließen und ab 1943 setzte er Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ein.[16] Henne konnte sich bei seinen energischen Maßnahmen auf einen Befehl von Adolf Hitler vom 13. Mai 1941 berufen,[17] worin stand, mit allen Mitteln und in der kürzesten zur Durchführung notwendigen Zeit sollten die Bauvorhaben ausgeführt werden, da sie kriegsentscheidend seien.

Das Problem der Arbeitskräfte spitzte sich so zu, dass immer mehr norwegische Arbeiter aus Furcht vor einer Zwangsverpflichtung wegen eines Arbeitseinsatzes im Norden von Norwegen ihre Arbeitsplätze verließen. So kam es beim Aufbau der Betriebe für die Nordische Aluminium AG (Nordag) zu Störungen. Dies meldete Rudolf Sattler, der Beauftragte des Reichskommissars bei der Norges Bank, an Otte. Henne war inzwischen am 21. Juni 1943 zum SS-Standartenführer der Reserve und zum Ministerialrat befördert worden. Speer erteilte Henne den Auftrag, die Prioritäten der Bauprojekte festzulegen und alle anderen weniger wichtigen Bauvorhaben einzustellen. Am 2. Juni 1944 zeichnete Speer Henne in Magdeburg für seine Verdienste in Norwegen mit dem Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz aus.[6]

Nachkriegszeit

Im Jahre 1945 kam er in sowjetische Kriegsgefangenschaft und konnte erst etwas mehr als zehn Jahre später nach Deutschland zurückkehren.[18] Zuerst wurde er wieder im Straßenbau tätig beim Straßenbauamt Besigheim. Ab 1957 wurde er als Regierungsoberbaudirektor Leiter des Hessischen Landesamtes für Straßenbau. Dabei übernahm er auch die Leitung der Hessischen Straßenbauverwaltung.

Unter seiner Regie entstanden die Autobahnen im Sauerland, der Bergstraße und in der Rhön. Nachdem er 1972 in den Ruhestand ging, widmete er sich noch Aufgaben der Forschung im Lenkungsausschuss der Arbeitsgruppe Asphalt- und Teerstraßen. Auch bei der Arbeitsgruppe Sonderaufgaben brachte er seine Kenntnis ein.

Schriften

  • Vom Bau des Westwalles. In: Deutsche Arbeitsfront (Hrsg.): Deutsche Gemeinschaftsarbeit – Geschichte, Idee und Bau des Westwalls. Stuttgart 1940. (wortgleich: Vom Bau des Westwalles. In: Deutsche Arbeitsfront (Hrsg.): Unbezwinglicher Westwall – Ein Volksbuch vom Ringen um Deutschlands Westmark. Wiesbaden 1940.)
  • mit Fritz Kind: Straßen und Brücken in Hessen. 1957.
  • Straßen und Brücken in Hessen – II. Folge. München 1966 .

Weblinks

Einzelnachweise

  1. DEB. Band 4. München 2006, S. 686.
  2. Franz W. Seidler: Fritz Todt. Baumeister des Reiches. München 1986, S. 164.
  3. Dieter Robert Bettinger, Hans-Josef Hansen, Daniel Lois: Der Westwall von Kleve bis Basel. Eggelsheim 2002, S. 14
  4. Franz W. Seidler, ebenda
  5. Hedwig Singer: Entwicklung und Einsatz der Organisation Todt (OT). In: Hedwig Singer: Quellen zur Geschichte der Organisation Todt. Band 1. Osnabrück 1998, S. 11
  6. a b Klaus D. Patzwall: Die Ritterkreuzträger des Kriegsverdienstkreuzes 1942–1945. Militaria-Archiv Patzwall, Hamburg 1984, S. 140.
  7. Albert Molt: Der deutsche Festungsbau von der Memel zum Atlantik – Festungspioniere – Ingenieurkorps – Pioniertruppe – 1900–1945. Friedberg 1993, S. 58
  8. Franz W. Seidler, ebenda, S. 166.
  9. Dieter Bettinger, Martin Büren, Martin Wolff: Der Westwall. Die Geschichte der deutschen Westbefestigungen im Dritten Reich. Band I. Osnabrück 1990, S. 102.
  10. Albert Molt, ebenda, S. 58.
  11. Willi Henne: Vom Bau des Westwalls. In: Deutsche Arbeitsfront, Deutsche Gemeinschaftsarbeit – Geschichte, Idee und Bau des Westwalls. Stuttgart 1940, S. 52.
  12. Franz W. Seidler, ebenda, S. 185.
  13. Hedwig Singer: Entwicklung und Einsatz der Organisation Todt (OT). In: Hedwig Singer (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Organisation Todt. Band 1 und 2. Osnabrück 1998, S. 27.
  14. Robert Bohn: Reichskommissariat Norwegen, „Nationalsozialistische Neuordnung“ und Kriegswirtschaft., München 2000, S. 167.
  15. Robert Bohn, ebenda, S. 180.
  16. Robert Bohn, ebenda, S. 181.
  17. Martin Moll: Führer-Erlassse 1938-1945. Stuttgart 1997, S. 249, In: Robert Bohn, ebenda, S. 362.
  18. W. Knoll: Präsident a. D. Dipl.-Ing. Willi Henne. In: Bauingenieur. 52, 1977, S. 239.

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