Burgenlandungarn

Burgenlandungarn

Als Burgenlandungarn (alternativ Burgenlandmagyaren, ungarisch Felsőőrvidéki magyarok, Lajtabánsági magyarok, várvidéki magyarok, burgenlandi magyarok) werden die Angehörigen der im Burgenland beheimateten bodenständigen ungarischen Volksgruppe bezeichnet. Sie sind auch die Nachfahren jener Grenzwächter des Gyepűsystems, welche die ungarische Westgrenze zu schützen hatten.

Inhaltsverzeichnis

Grenzwächter

Über Jahrhunderte gab es entlang des heutigen Burgenlandes Grenzwächtersiedlungen, in denen die „Grenzbeobachter“ und die „Grenzschützer“ lebten. Die heutigen Ortsnamen mit der Endung „wart“ - wie Oberwart, Unterwart, Siget in der Wart - weisen noch auf die Siedlungsräume der „Grenzwarte“ hin, während Ortsnamen wie Oberschützen, Unterschützen oder Deutsch-Schützen jenen Raum markieren, in denen die damaligen, bewaffneten „Grenzschützer“ lebten. Die Grenzwächtersiedlungen konnten sich über Jahrhunderte halten, die Bewohner genossen noch bis 1848 königliche Privilegien.

Siedlungsgebiete

Die Türkenkriege des 16. Jahrhunderts brachten nicht nur die Kroaten ins Land, sondern trennten vor allem das ungarische Siedlungsgebiet, wodurch die Grenzwächter nunmehr in so genannten Sprachinseln zu leben hatten. An der besonderen gesellschaftlichen Stellung der ungarischen Grenzwächter änderte dies jedoch nichts. Sie erhielten sogar noch einen stärkeren Zuzug aus dem Hinterland, da durch die jahrhundertelange Vorrangstellung der Kleinadel entstanden ist. Zwischen den zugewanderten Kroaten und den ansässigen Ungarn entwickelte sich mit der Zeit ein Klassenunterschied. Die kleinadeligen Ungarn waren in einer wesentlich besseren rechtlichen Situation als die kroatischen Siedler, trotz deren königlichem Sonderstatus. Der Klassengegensatz verschärfte sich noch im 17. und 18. Jahrhundert, als die Ungarn in den Auseinandersetzungen mit den Grundherren ihre Position behaupten konnten, während die Kroaten in den Stand der Untertanen absanken.

Das geschlossene ungarische Siedlungsgebiet hatte sich nur mehr in den Grenzwächterdörfern in der oberen Wart, das ist der heutige Bezirk Oberwart durchgesetzt. Bis 1921 blieb das gemischte Siedlungsgebiet unverändert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die beginnende Industrialisierung für ein Anwachsen der ungarischen Bevölkerung gesorgt. Die Hüttenkonjunktur ließ zahlreiche Betriebe entstehen, in denen nicht nur adelige Kleinbauern Arbeit fanden, sondern die auch für den Zuzug weiterer Ungarn sorgten.

Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert

Die kapitalistische Wirtschaft des beginnenden 19. Jahrhunderts hatte ein aufstrebendes Bürgertum entstehen lassen, dieses war in der Hauptsache ungarisch. Die Volksgruppe der Ungarn war eingekeilt zwischen den Interessen des Hauses Österreich und denen ihrer unmittelbaren Nachbarn, den Kroaten. Sie wollten die Freiheit von Wien. Die Kroaten jedoch waren treue Untertanen der Habsburgerdynastie. Viele der ungarischen Intellektuellen emigrierten daher ins Exil. Die ungarische Bevölkerung des Burgenlandes erlitt damit eine entscheidende Schwächung. Die Erklärung des Ungarischen als Amtssprache im Ausgleich von 1867 führte jedoch zu einem Aufschwung ihrer Volksgruppe. Die Zahl der Ungarischsprechenden stieg auf 25%.

Die Folgen des 1. Weltkrieges stellten alles auf den Kopf. Das Burgenland kam zu Österreich. Somit waren die Ungarn plötzlich eine wirkliche Minderheit, vom Mehrheitsvolk der Ungarn abgetrennt. Man hatte mit einem Schlag die wichtigen Städte und damit auch die kulturellen, schulischen und wirtschaftlichen Bezugspunkte verloren. Sogar das ursprünglich als neue burgenländische Landeshauptstadt vorgesehene Ödenburg/Sopron verblieb nach einer erzwungenen Volksabstimmung bei Ungarn.

Zu diesem Zeitpunkt lebten im Burgenland rund 25.000 Ungarn. Aber schon drei Jahre später war die Zahl der Ungarn auf 15.000 gesunken. Sie waren nach Ungarn abgewandert. Der neue Staat garantierte der ungarischen Volksgruppe alle Rechte der Minderheit und die Pflege ihrer kulturellen Eigenart. Es gab genügend ungarischsprachige oder gemischtsprachige Schulen im Bundesland. Es gehörte regelrecht zum guten Ton der Intelligenzschicht, sich zur ungarischen Kultur zu bekennen.

Zusätzlich zu der bedeutenden Anzahl von Ungarn in Wien lebt die Mehrheit der Burgenlandungarn in vier großen Sprachinseln im Burgenland: Oberpullendorf/Felsőpulya, Oberwart/Felsőőr, Siget in der Wart/Őrisziget und Unterwart/Alsóőr.[1]

Konfession

In wohl keiner anderen Volksgruppe gibt es so klare konfessionelle Trennungen bei gleichzeitigem offenbar problemlosen Zusammenleben. Die ungarische Minderheit teilt sich in drei Konfessionen: Katholiken, Evangelisch-Lutherische und Evangelisch-Reformierte. So sind Oberpullendorf und Unterwart katholisch, Oberwart ist reformiert und Siget in der Wart lutherisch. Für die Lutheraner und Reformierten bedeutete das Ausscheiden aus dem ungarischen Staatenbund auch eine kirchliche Trennung.

Demographische Entwicklung

Das Burgenland

1934 in der Zeit der großen Auswanderungsbewegung nach Amerika blieben nur noch 10.000 Burgenlandungarn übrig. Unter den verbliebenen Ungarn entstanden vielfältige Probleme. Man suchte eine möglichst schnelle Assimilierung an die deutsche Bevölkerung. Dazu kam noch ein neues Minderheitenschulgesetz das zu einer Schlechterstellung der ungarischen sowie kroatischen Bevölkerung führte. Die Minderheitensprache war demnach nur dann Unterrichtssprache, wenn in einer Gemeinde mehr als 70 Prozent der Bevölkerung der Minderheit angehörten. Bei einem Prozentsatz von 30 bis 70 Prozent sollten die Schulen gemischtsprachig geführt werden.

Der Anschluss Österreichs an das Großdeutsche Reich bracht wiederum gravierende Veränderungen mit sich. Der ungarische Unterricht wurde abgeschafft und es kam zu einer wesentlichen Einschränkung der Brauchtumspflege.

Das Ende des 2. Weltkrieges brachte für die Ungarn keine Rückkehr zu den Minderheitenzuständen davor. Es fehlte der organisatorische Zusammenhalt. Dazu kam noch etwas anderes: Das vollkommene Schließen der ungarisch-österreichischen Grenze (Eiserner Vorhang) und drastische Auseinandersetzungen der beiden Gesellschaftssysteme unterbrachen noch zusätzlich die verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen der ungarische Volksgruppe im Burgenland und den Ungarn in der Heimat.

Entwicklungen seit dem Ungarnaufstand

Zweisprachige Ortstafel in Oberwart (ungarisch: Felsőőr) im Burgenland

Nach dem Ungarnaufstand 1956 kamen ca. 175.000 ungarische Flüchtlinge nach Österreich. Man begegnete ihnen jedoch mit großem Misstrauen. Der allergrößte Teil aber verließ Österreich bald.

1968 wurde der Burgenländisch-Ungarische Kulturverein gegründet. Er war ein wesentliches Symbol für die Burgenlandungarn, sich wieder stärker dem Volksgruppenbrauchtum und dem „Ungarisch-Sein“ zuzuwenden. Mit der Zeit wurden kulturelle Veranstaltungen abgehalten und es entwickelte sich allmählich so etwas wie ein gemeinsames ungarisches Volksgruppenleben.

1976 schickte sich die Regierung Bruno Kreisky die Minderheitenfrage in Österreich zu einem neuen Volksgruppengesetz zusammenzufassen. Die langersehnte Gleichstellung mit der slowenischen und kroatischen Volksgruppe war somit erreicht. Dennoch ist die Situation der Ungarn kritisch. Das Pendlerwesen, Mischehen, die nach wie vor vorhandene starke Assimilierung und die unbefriedigende Schulsituation führten zu einem weiteren Rückgang der ungarischen Wohnbevölkerung. Heute zählt die ungarische Minderheit laut Volkszählung 2001 nur mehr 4700 Personen.

Die Hoffnung zur Besserung der Situation der Ungarn im Burgenland ist nach der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ gestiegen, sie zählen aber immer noch zu einer aussterbenden Minderheit.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Minorities in Europe, Hungarian in Austria

Literatur

  • Valentin Inzko: Die systematische Germanisierung. In Reinhold Henke (Hrsg.): Leben lassen ist nicht genug. Minderheiten in Österreich. Kremayr und Scheriau, Wien 1988, ISBN 3-218-00468-3, S. 80ff.
  • Österreichische Rektorenkonferenz (Hrsg.): Lage und Perspektiven der Volksgruppen in Österreich. Böhlau, Wien 1989, ISBN 3-205-05260-9.
  • Klemens Ludwig: Ethnische Minderheiten in Europa. Ein Lexikon. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39215-6.
  • Willi Sagmeister und Emmerich Baliko: Die Grenzwächter-Nachfahren...oder der Burgenländer - ein Wesen der sonderbaren Art Satire

Weblinks


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