- Abdikation
-
Die Abdikation (von lat.: abdicare = sich lossagen), auch Abdankung oder Renunziation genannt, ist der förmliche Verzicht auf ein öffentliches Amt durch den Inhaber, insbesondere der Thronverzicht eines Monarchen. Auch ein Thronprätendent kann in Hinblick auf seinen Thronanspruch abdanken, doch spricht man in diesem Fall eher von Verzicht.
In der europäischen Geschichte ist die Abdankung von Monarchen - im Gegensatz zur Antike - ein relativ häufiger Vorgang. Meist erfolgte sie unter Zwang durch feindliche Dynastien, den Thronfolger, Bürgerkriege oder (seit dem 19. Jahrhundert) durch Revolutionen.
Der abdankende Monarch verzichtet entweder nur für sich selbst (wie Prajadhipok von Thailand 1934) oder auch für seine Nachfolger auf die (Fortsetzung der) Regierung.
Inhaltsverzeichnis
Abdikation versus Abdankung
Während der Begriff der Abdikation in der Geschichts- und Politikwissenschaft seine fest umrissene, formale Bedeutung hat, wird im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort Abdankung wesentlich häufiger verwendet - und heute oft in übertragenem Sinn:
Man spricht von der Abdankung eines Trainers, der sein (zivilrechtlich privates) Amt niederlegt, ebenso wie davon, jemand habe durch sein Verhalten von einer ihm vorher zugeschriebenen führenden Rolle abgedankt.
Wenn in der Politik eine Abdankung oder ein Amtsverzicht nicht auf äußeren Druck erfolgt, sondern aus moralischen Gründen oder durch Scheitern beim Durchsetzen von Ideen, wird ein solcher Rücktritt heute oft als sehr ehrenhaft und mutig empfunden. Bei der früher häufigen Abdikation von Königen und Fürsten war dies freilich selten; eines der wenigen Beispiele war Heinrich Dusemer (1350).
Streitfragen
Eine wichtige Streitfrage war einst die Zulässigkeit der Abdikation, wie beim amtsmüden Papst Coelestin V. 1294, bei Königin Christina von Schweden 1654 oder bei Eduard VIII. von Großbritannien 1936.
Andere Fragen traten bei der Abdankung von Monarchen auf äußeren Druck (z. B. durch ein Parlament) auf. So erwog Wilhelm I. 1862 wegen Ablehnung seines Militäretats im preußischen Verfassungskonflikt, zugunsten seines Sohnes abzudanken. Kronprinz Friedrich Wilhelm äußerte jedoch schwere Bedenken: Ein Monarch, der wegen eines Parlamentsbeschlusses abdanke, würde einen unerwünschten Präzedenzfall schaffen und die Herrschaft seines Nachfolgers sehr erschweren.
In einigen deutschen Fürstentümern erstreckte sich der Begriff der Abdikation im Verlauf der frühen Neuzeit nach zeitgenössischer staatsrechtlicher Auffassung (vgl. Julius Bernhard von Rohr, Friedrich Karl von Moser) auch auf das Ende einer Regentschaft, wie etwa in Hessen.[1]
Zwei umwälzende Abdankungen in Europa
Die vermutlich umfangreichste Abdankung aller Zeiten fand im November 1918 in Deutschland statt, als Kaiser Wilhelm II., der Kronprinz und – mit Ausnahme von Ernst Ludwig, Großherzog von Hessen – sämtliche Fürsten der deutschen Teilstaaten abdankten. Beim Kaiser selbst nahm sein letzter Ministerpräsident, Max von Baden, die Entscheidung des Monarchen vorweg und informierte die Öffentlichkeit; die formelle Urkunde unterschrieb Wilhelm II. erst drei Wochen später, als die Republik längst ausgerufen war.
In Österreich dankte 1848 der kranke und wenig entschlussfreudige Kaiser Ferdinand I. nach der Revolution dieses Jahres auf Anraten seiner Verwandten zu Gunsten seines 18-jährigen Neffen Franz Joseph I. ab. Kaiser Karl I. von Österreich dankte 1918 nicht ab, sondern erklärte lediglich seinen „Verzicht auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“. (Der staatsrechtliche Effekt war der gleiche; tags darauf wurde in Deutschösterreich die Republik ausgerufen.)
Ein Beispiel für die Verzichtserklärung eines Thronprätendenten ist diejenige Otto von Habsburgs 1961, um nach Österreich einreisen zu können. Dort war er jedoch erst fünf Jahre später „erwünscht“.
Historisch bedeutsame Abdankungen seit dem Mittelalter
Abdikation von Monarchen
- 791 Bermudo I. (Asturien) nach der Niederlage gegen die Mauren
- 855 Lothar I. (Frankenreich) zur Teilung des Reichs an seine 3 Söhne
- 1087 Shirakawa (Tenno) wurde buddhistischer Mönch, blieb aber Mitregent seines Nachfolgers Horikawa
- 1105 Heinrich IV. (Heiliges Römisches Reich), erzwungen durch seinen Sohn Heinrich V.
- 1123 Toba (Tenno), ähnlich wie sein oben genannter Großvater Shirakawa
- 1146 Erik III. (Dänemark) wegen Eintritt in ein Kloster
- 1166 Gottfried II. (Bretagne) auf Druck des Kaisers Heinrich II.
- 1192 Orio Mastropiero (Doge von Venedig), um Komplikationen mit Pisa und Genua abzuwenden
- 1308 Baibars II., Sultan von Ägypten
- 1328 Andronikos II. (Byzanz), gezwungen durch seinen Enkel Andronikos III.
- 1392 Go-Kameyama (Japan) zugunsten des Gegenkaisers Go-Komatsu
- 1522 Karl V. (Heiliges Römisches Reich), zwecks Teilung des Habsburgerreiches mit seinem Bruder Ferdinand
- 1594/97 Wilhelm V. (Bayern), schrittweise Übergabe an seinen Sohn Maximilian
- 1555 Karl V. (Heiliges Römisches Reich) als Kaiser des Heiligen Römischen Reichs
- 1622 Christina (Schweden), gegen den Willen des Reichsrates, Konversion zum katholischen Glauben
- 1629 Go-Mizunoo als Tenno von Japan (familiäre Intrigen)
- 1688/89 Jakob II. (England) Druck des Parlaments und seines Schwiegersohns Wilhelm III. gegen den Katholizismus
- 1706 Iyasu I. (heiliggesprochener Negus von Äthiopien), Rückzug in den Ruhestand
- 1795 Stanislaus II. August Poniatowski nach der 3.Teilung Polens
- 1808 Karl IV. (Spanien), Aufstand zugunsten seines Sohnes Ferdinand VII.
- 1810 Napoleons Bruder Louis Bonaparte, König von Holland, das von Frankreich annektiert wurde
- 1814 Napoleon (Frankreich) und nochmals 1815 nach der Schlacht bei Waterloo
- 1830 Karl X. (Frankreich)
- 1848 Ferdinand I. (Österreich), zugunsten von Franz Joseph I. (Österreich-Ungarn)
- 1849 Karl Anton (Hohenzollern), zugunsten von Preußen
- 1858 Aleksandar Karađorđević (Serbien) zugunsten der Dynastie Obrenovic
- 1866 Alexandru Ioan Cuza nach einem Militärputsch
- 1873 Amadeus (Spanien), erste Spanische Republik
- 1889 Milan I. (Serbien) zugunsten seines Sohns Aleksandar Obrenovic
- 1907 Thành Thái (Vietnam), von China/Frankreich für geisteskrank erklärt
- 1912 Kaiser Pu Yi von China, siehe auch Wohlwollender Vertrag
- 1917 Zar Nikolaus II. von Russland
- 1918 Kaiser Wilhelm II. (am 9. November wurde die Abdankung eigenmächtig vom Reichskanzler Max von Baden in der Presse erklärt, aber erst am 28. November 1918 dankte Wilhelm II. auch formal als Deutscher Kaiser und König von Preußen ab)
- 1918 Die deutschen Bundesfürsten: 8. November 1918: Herzog Ernst August von Braunschweig; 9. November 1918: Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar; 10. November 1918: Herzog Bernhard III. von Sachsen-Meiningen; 11. November 1918: Großherzog Friedrich August II. von Oldenburg, Fürst Heinrich XXVII. von Reuß-Gera, Fürst Heinrich XXIV. von Reuß-Greiz; 12. November 1918: Herzog Joachim Ernst von Anhalt, Fürst Leopold IV. von Lippe; 13. November 1918: König Friedrich August III. von Sachsen, Herzog Ernst II. von Sachsen-Altenburg, Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha; 14. November 1918: Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg; 15. November 1918: Fürst Adolf II. von Schaumburg-Lippe; 22. November 1918: Großherzog Friedrich II. von Baden; 23. und 25. November 1918: Fürst Günther Victor von Schwarzburg; 30. November 1918: König Wilhelm II. von Württemberg. Ohne eigene formale Abdankungserklärung im Zuge der Novemberrevolution abgesetzte deutsche Monarchen waren König Ludwig III. von Bayern (lediglich Anifer Erklärung vom 13. November 1918), Großherzog Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt und Fürst Friedrich von Waldeck-Pyrmont.
- 1919 Großherzogin Marie-Adelheid von Luxemburg
- 1933 Amanullah Khan (Afghanistan), Widerstand gegen paschtunische Herrschaft
- 1935 Prajadhipok als König von Siam
- 1936 Abdankung Eduards VIII. (Großbritannien), siehe auch Wallis Simpson
- 1945 Bao Dai (letzter Kaiser von Vietnam)
- 1948 Königin Wilhelmina (Niederlande) - aus Altersgründen zu Gunsten ihrer Tochter Juliana
- 1951 König Leopold III. (Belgien) - zu Gunsten seines Sohnes Baudouin I. (Belgien)
- 1964 Großherzogin Charlotte (Luxemburg) - aus Altersgründen zu Gunsten ihres Sohnes Jean
- 1980 Königin Juliana (Niederlande) - aus Altersgründen zu Gunsten ihrer Tochter Beatrix
- 2000 Großherzog Jean (Luxemburg) - aus Altersgründen zu Gunsten seines Sohnes Henri
Abdankung von Thronprätendenten
- 1860 Carlos Luis de Borbón, von Karlisten als Karl V. von Spanien gezählt
Abdikation von Staatspräsidenten
- 1866 Alexandru Ioan Cuza, Begründer von Rumänien
- 1887 Jules Grévy,
- 1944 Miklós Horthy, Ungarns Reichsverweser (auf deutschen Druck)
Abdankung von Päpsten
- 1292 Coelestin V. (Wunsch, wieder als Einsiedler zu leben)
Nicht regierender Monarch einer Republik
Einzelbelege
- ↑ Pauline Puppel: Die Regentin: Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500-1700, (überarbeitete Version Phil. Diss. Universität Kassel 2002/03) Campus Verlag : Kassel 2004, S. 135ff. ISBN 978-3-593-37480-2
Weblinks
Commons: Abdikation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikimedia Foundation.