Bahnstrecke Haiger–Breitscheid

Bahnstrecke Haiger–Breitscheid
Endbahnhof Breitscheid 1997
Haiger–Breitscheid
Kursbuchstrecke: 367 (1980)
Streckennummer: 3723
Streckenlänge: 12,3 km
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Maximale Neigung: 20 
Minimaler Radius: 300 m
Legende
Strecke – geradeaus
von Gießen
Bahnhof, Station
0,0 Haiger Keilbahnhof
Abzweig – in Fahrtrichtung: nach rechts
nach Siegen
   
0,9 Haiger West
   
nach Betzdorf (Sieg)
   
Aubach
   
Anst Hailo
   
4,5 Flammersbach
   
Flammersbacher Viadukt
   
6,3 Langenaubach
   
8,0 Rabenscheid
   
Aubach
   
Rabenscheider Tunnel (1114 m)
   
10,9 Medenbach
   
Anst Cartonia
   
12,3 Breitscheid (Dillkr)
   
K 41
   
13,1 Westerwälder Thonindustrie
Bahnhof Haiger
Schienenbus bei Langenaubach
Zwischen Langenaubach und Flammersbach
Flammersbacher Viadukt
Rabenscheider Tunnel
Haltepunkt Medenbach
Baureihe 94 im Bahnhof Breitscheid
Ruine des Bahnübergangs über das Anschlussgleis der Westerwälder Thonindustrie in Breitscheid 2011

Die Bahnstrecke Haiger–Breitscheid, auch unter dem Namen „Balkanexpress“ oder Aubachtalbahn bekannt, war 12,3 Kilometer lang und führte von Haiger nach Breitscheid im Westerwald. Der erste Teilabschnitt bis Rabenscheid wurde am 15. Dezember 1926 eröffnet, die restliche Strecke erst am 15. Mai 1939.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Die Geschichte des „Balkanexpress“ beginnt im 19. Jahrhundert, als die wichtigste Bahn, die das Dillgebiet berührt, schon längst gebaut war: Seit 1862 fuhren Züge über die Deutz-Gießener Eisenbahn von Köln-Deutz über Betzdorf und Dillenburg nach Gießen.

Die umliegenden Gemeinden wurden fortan über Nebenbahnen an die Dillstrecke angeschlossen:

Im Dezember 1908 ordnete der Minister für öffentliche Arbeiten an, dass zwei Stichbahnen gebaut werden sollten: die eine von Haiger über Breitscheid nach Gusternhain und die andere von Stockhausen (bei Weilburg/Lahn) nach Beilstein (Ulmbachtalbahn). Vom ursprünglichen Plan einer durchgehenden, bei Driedorf die Westerwaldquerbahn kreuzenden Strecke war bereits Abstand genommen worden. Trotzdem wurde ausdrücklich bestimmt, dass die beiden Endbahnhöfe in Gusternhain und Beilstein so anzulegen seien, dass eine spätere Verbindung jederzeit technisch möglich sei. Schon einen Monat später wurde die Aufnahme der Vorarbeiten angeordnet und 1912 die erforderlichen Mittel bewilligt.

Bau

Im April 1914 wurde die Bauabteilung Haiger eingerichtet und noch im Mai mit den Arbeiten begonnen. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs kamen die Arbeiten jedoch nahezu zum Erliegen. Bis dahin waren einige Bauwerke bereits fast fertig, neben einigen Brücken unter anderem das Empfangsgebäude des Bahnhofs Breitscheid.

Fortschritte beim Streckenbau gab es erst wieder nach dem Ende des Krieges 1918. Unter anderem durch die Inflation bedingt war bis zum Frühjahr 1926 jedoch nicht einmal ein Drittel der ursprünglich ins Auge gefassten Strecke fertiggestellt. Auf Nachhaken der Anlieger sagte die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft zu, die Strecke bis zum Jahresende wenigstens behelfsmäßig bis zum Bahnhof Rabenscheid zu vollenden, was zum 14. Dezember 1926 dann auch geschah.

Die Weiterführung der Strecke scheiterte zunächst mangels Geldes. Außerdem wurde sie nicht mehr als rentabel erachtet. Erst nach Hitlers Machtübernahme genehmigte die Reichsbahnhauptverwaltung 1934 den Bahnbau Rabenscheid-Breitscheid. Wichtig war nun, die Vereinigten Stahlwerke mit ihrem Betrieb bei Medenbach, anzubinden. Hier wurden vor allem Kalksteine gebrochen und per Seilbahn „über die Berge“ an Donsbach vorbei bis zum Haigerer Bahnhof befördert. Auch die vielen Bodenschätze rund um Breitscheid waren ein Grund für den Weiterbau der Strecke.

Nachdem dann endlich auch die Finanzierung geregelt war, fand in der Medenbacher Gemarkung Anfang März 1936 der erste Spatenstich für die 4,4 Kilometer lange Streckenverlängerung statt. Zwischen den Bahnhöfen Rabenscheid und Medenbach galt es freilich noch einen Berg zu untertunneln. Der Rabenscheider Tunnel sollte mehr als 1100 Meter lang werden. Bei dem Tunnelbau, der ebenfalls im März 1936 begonnen wurde, waren bis zu 420 Arbeiter im Drei-Schichtbetrieb rund um die Uhr beschäftigt. Es existierten Planungen für eine spätere Elektrifizierung der Strecke, daher wurde der Rabenscheider Tunnel in einer für eine Nebenbahn ungewöhnlichen ovalen Form durch den Berg gebohrt.

Gut drei Jahre später, im Frühling 1939 waren die Arbeiten für die Streckenverlängerung bis Breitscheid abgeschlossen. Gegenüber der ursprünglichen Planung wurde die Strecke nicht bis Gusternhain weitergeführt und auf den Anschluss an die Westerwaldquerbahn und die Ulmbachtalbahn bei Driedorf verzichtet. Am 15. Mai 1939 lief der erste Zug in einem provisorisch angelegten Behelfsbahnhof am Ortsrand von Breitscheid ein. Das eigentliche Breitscheider Bahnhofsgebäude im Schwarzen Weg, das schon vor einem Vierteljahrhundert fertig gestellt worden war, lag jedoch noch etwa 1,5 Kilometer weiter. Diesen „richtigen“ Breitscheider Bahnhof wollte man zu einem späteren Zeitpunkt fertig stellen – dazu sollte es jedoch nie kommen: Keine vier Monate später brach der Zweite Weltkrieg aus.

Genau fünf Jahre nach der Eröffnung, am 15. Mai 1944, wurde dann der Zugverkehr zwischen Rabenscheid und Breitscheid wieder eingestellt, und zwar bis auf weiteres und ohne offizielle Begründung. Die sogenannte „Holzwerke Rabe“ hatten sich im (bombensicheren) Tunnel niedergelassen. Dass es sich bei dieser Firma nicht um einen Gartenmöbelhersteller handelte, ahnten die Menschen in den umliegenden Gemeinden damals schon. In Wirklichkeit wurden hier Flugzeugmotoren für die deutsche Kriegsmaschinerie gefertigt.

Nachdem dann Anfang 1945 infolge des Krieges der Verkehr auch auf der restlichen Strecke bis Rabenscheid zum Erliegen gekommen war, war dieser Teil der Strecke bis zum Frühjahr 1946 wieder instand gesetzt und der Verkehr aufgenommen. Den Tunnel wieder für den Streckenbetrieb herzurichten, dauerte dagegen wesentlich länger: Erst im Februar 1949 wurde der Verkehr auch auf der restlichen Strecke bis Breitscheid wieder aufgenommen.

In diesem Jahr wurde die Strecke auch noch um rund 800 Meter über den Breitscheider Behelfsbahnhof hinaus verlängert, und zwar bis zur Firma Westerwälder Thonindustrie, die damit endlich ihren lang ersehnten Bahnanschluss bekam. Die Seilbahn, die von dort zum Bahnhof Niederdresselndorf an der Hellertalbahn führte, wurde stillgelegt.

Niedergang

Das Schicksal, das die Strecke in den Jahrzehnten nach dem Krieg erlebte, ist vergleichbar mit dem zahlreicher Nebenstrecken im Netz der DB. Durch die zunehmende Konkurrenz auf der Straße verlor die Strecke immer mehr an Bedeutung, so dass ab 1969 die Anzahl der verkehrenden Züge immer weiter sank. Ab Sommer 1979 verkehrten werktags nur noch drei Personenzugpaare zwischen Haiger und Breitscheid.

Im Jahr 1977 hatte man noch für eine Million Mark die große Talbrücke bei Flammersbach von Grund auf saniert; aber schon zum 31. Mai 1980 wurde der Personenzugverkehr auf der „Balkan-Strecke“ eingestellt.

Der Güterverkehr blieb der Strecke weitere 17 Jahre erhalten. Hauptkunde war die Firma Hailo in Flammersbach, die bis zum Schluss täglich durchschnittlich 38 Waggons abfertigte. Auch mehrere Firmen in Breitscheid, am Medenbacher und Rabenscheider Bahnhof hatten hin und wieder Wagenladungen, so dass in der Regel täglich zwei Güterzugpaare auf der Strecke verkehrten.

Obwohl seitens der Anliegerfirmen weiter Bedarf für die Schienenanbindung vorhanden war, wurde der Gesamtverkehr zum 30. September 1997 von der DB eingestellt.

Bis zu diesem Tage gab es zahlreiche Sonderfahrten auf der Strecke, teilweise mit Dampflokomotiven.

2004 wurde für Fernsehaufnahmen am Rabenscheider Tunnel das Teilstück zwischen Langenaubach und dem Tunnelportal wieder frei geschnitten. Der Fernsehsender Pro7 drehte dort eine Reportage über „Schatzsucher“, die Teile der so genannten V2-Rakete, die angeblich während des Zweiten Weltkrieges im Tunnel produziert worden war, suchten.

Auf dem Gebiet der Gemeinde Breitscheid wurden im Jahre 2006 die Gleise abgebaut, auf Haigerer Gebiet (bis zum Rabenscheider Tunnel) 2011.

Streckenbeschreibung

Die Eisenbahnstrecke Haiger–Breitscheid hat den Charakter einer Mittelgebirgsbahn. Von Haiger bis zum Endbahnhof Breitscheid steigt die Strecke auf 12,3 km um 204 Meter an. Die Orte Haiger und Breitscheid liegen Luftlinie lediglich sechs Kilometer auseinander. Die Neigung der Bahn beträgt, die Bahnhöfe ausgenommen, durchweg 1:50, die kleinsten Gleisradien messen 300 Meter.

Vom Bahnhof der Stadt Haiger (270 Meter über NN), der an der zweigleisigen elektrifizierten Hauptstrecke Gießen–Siegen liegt, wird die Bahnstrecke zunächst zusammen mit der Strecke Haiger–Betzdorf knapp einen Kilometer bis zum Haltepunkt Haiger-West geführt. Hier zweigt sie nach links von der Strecke nach Betzdorf ab. Nach wenigen hundert Metern folgt ein 180-Grad-Rechtsbogen, wobei der Aubach und die Landesstraße 3044 auf Brücken überquert wird. Direkt an den Rechtsbogen schließt sich ein 180-Grad-Linksbogen an, der durch Einschnitte und über Dämme führt. Nach einem kurzen geraden Stück durch einen Einschnitt folgt wieder eine Rechtskurve, in der nach links der Werksanschluss der Firma Hailo abzweigt.

Bei km 4,5 wird der Haltepunkt Flammersbach (heute Stadtteil von Haiger) erreicht. Hinter dem Haltepunkt folgt ein langer Linksbogen und die Bahn überquert auf einem mächtigen siebenbogigen Viadukt die Talmulde. Direkt hinter dem Viadukt folgt ein tiefer Einschnitt und nach der anschließenden Rechtskurve ein recht hoher Damm. Nach einer weiteren Rechtskurve folgt bei km 6,3 der Bahnhof Langenaubach (ebenfalls Stadtteil von Haiger).

Die Bahnlinie führt nun oberhalb von Langenaubach entlang des westlichen Hangs des Aubachtals bis zum Bahnhof Rabenscheid bei km 8,0. Dieser Bahnhof, der am Ortsrand von Langenaubach liegt, war bis 1939 Endpunkt der Strecke. Der Ort, der dem Bahnhof seinen Namen verliehen hat, liegt jedoch über vier Kilometer vom Bahnhof entfernt in 550 Metern Meereshöhe auf der Westerwaldhochfläche. Rabenscheid gehört heute zur Großgemeinde Breitscheid. Unmittelbar nach dem Bahnhof Rabenscheid wird in einem Linksbogen der Aubach überquert. Gleich danach folgt der 1114 Meter lange Rabenscheider Tunnel, der den Höhenzug zwischen Aubachtal und Medenbachtal durchstößt.

Nach dem anschließenden Rechtsbogen wird der Haltepunkt Medenbach erreicht. Der Ort liegt zwei Kilometer talabwärts und gehört ebenfalls zur Gemeinde Breitscheid. Dem Rand der Hochfläche entlang in südwestlicher Richtung erreicht die Bahnstrecke die Endstation Breitscheid (480 Meter über NN) bei km 12,1. Als Verlängerung über den Bahnhof hinaus folgt noch das knapp einen Kilometer lange Anschlussgleis der Breitscheider Schamottefabrik.

Fahrzeugeinsatz

Dampfsonderfahrt 1993

Von der Eröffnung bis in die frühen 1960er Jahre hinein wurde der Betrieb fast ausschließlich von Dampfloks der Baureihen 55 und 93 des Bw Dillenburg bewältigt. Hin und wieder gelangte eine 94er, ebenfalls aus Dillenburg, auf den Westerwald.

In den 1950er Jahren kam dann mehr und mehr die Baureihe 50 dazu und löste die älteren Baureihen ab.

Ab 1954 wurden die ersten Schienenbusse (VT 95, später VT 98) eingesetzt, die die lokbespannten Personenzüge bis Anfang der 1970er Jahre komplett verdrängten.

Im Güterverkehr übernahmen ab den 1960er Jahren immer mehr Dieselloks der V 100-Familie Leistungen. Selten wurde eine V 160 oder V 200 dort eingesetzt.

Literatur

Anschlussgleis der Westerwälder Thonindustrie in Breitscheid 1994
Zustand der Anlage 2011
  • Uli Horch: Geschichten um den Balkan-Express. Über die Eisenbahn und den Bergbau zwischen Haiger und Breitscheid. Bergbaufreunde Glückauf Constanze Langenaubach/Donsbach, Haiger 1993.
  • Willi Merzhäuser, Hansjürgen Wenzel: Eisenbahnen im Westerwald. Zwischen Sieg und Lahn. EK-Verlag, Freiburg 1996, ISBN 3-88255-579-3.

Weblinks


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