- Burgunden
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Das Volk oder der Stamm der Burgunden, auch Burgunder, wird den Ostgermanen zugerechnet. In der Spätantike begründeten sie an der Rhône ein eigenständiges Reich, das im 6. Jahrhundert im Frankenreich aufging.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft – frühestes Auftreten
Die ältere Forschung ging auf Grund der viel später entstandenen Herkunftssage (Origo gentis) von einem Ursprung der Burgunden in Skandinavien aus. Aus heutiger Sicht muss dies aber als Topos der antiken Geschichtsschreiber zurückgewiesen werden. Eine eigene Herkunftssage haben die Burgunden nicht hinterlassen. Plinius der Ältere erwähnte sie zuerst, und zwar als Burgundiones, und bezeichnete sie als Teilvolk der Vandilier. Tacitus nennt diesen Namen nicht. Die wichtigste historische Nachricht über die ursprünglichen Siedlungsgebiete der Burgunden überlieferte der Geograf Ptolemäus (2,11) für die Mitte des 2. Jahrhunderts. Danach lebten sie östlich der Semnonen und nördlich der Lugier zwischen der Vistula (Weichsel) und dem die westliche Grenze bildenden Fluss Suebus (Oder-Spree-Havel-Unterlauf), das heißt im heutigen Westpolen (Hinterpommern) und Teilen Brandenburgs.
Archäologisch gesehen sind die frühesten Siedlungsgebiete der Burgunden vielleicht in einer Kulturgruppe fassbar, die als Lebus-Lausitz-Gruppe oder Luboszyce-Kultur bezeichnet wird und die ihren Schwerpunkt an der mittleren Oder in den Gebieten des heutigen Brandenburg, Westpolen (Hinterpommern) und der Lausitz hatte. Östlich der Weichsel im Sarmatenland siedelten laut Ptolemäus von Nord nach Süd die Veneder (an der Küste), die Gythonen (Goten), und noch weiter südlich die Frugundionen, die möglicherweise ein Teilstamm der Burgunden waren, die sich vor den Vandalen schützend den Goten angeschlossen hatten. Der Historiker Zosimos (um 500) erwähnt solche Splittergruppen, Urugunden genannt, beim Einfall verschiedener Völker in das Römische Reich an der unteren Donau um 256/257. Diese östliche Gruppe von Burgunden scheint sich bis ins Gebiet des Asowschen Meeres ausgebreitet und vollkommen mit den Hunnen assimiliert zu haben, nachdem sie um 291 von den Goten fast vollständig geschlagen wurden. Wie bei allen spätantiken gentes ist allerdings auch bei den Burgunden davon auszugehen, dass nicht ganze „Völker“ wanderten, sondern nur kleine Gruppen, wobei im Erfolgsfall größere Verbände entstehen konnten, die sich immer wieder neu zusammensetzten und dabei auf einen „Traditionskern“ beriefen, zu dem insbesondere ein älterer, prestigeträchtiger Name („Goten“, „Burgunden“ etc.) gehörte. Die moderne Forschung (Herwig Wolfram u. a.) nimmt zudem an, dass diese „Großstämme“ zumeist erst durch den Kontakt mit dem Römischen Reich entstanden.
Völkerwanderung
Im Zuge der Südbewegung verschiedener germanischer Gruppen verließen wohl auch Teile der Burgunden ihre Siedlungsgebiete an der Oder. Die erste sichere Erwähnung von Gruppen, die sich als Burgunden bezeichneten, im Rhein-Donau-Gebiet gehört in das Jahr 278, als sie mit Vandalen verbündet unter dem Anführer Igillos (Igilo) von den Römern unter Kaiser Probus am Fluss Ligys (wohl der Lech bei Augsburg) geschlagen wurden. Diese Niederlage führte offenbar dazu, dass Burgunden in der Folgezeit als östliche oder nördliche Nachbarn der Alamannen auftraten und die Gebiete am Main besiedelten, die durch den Abzug der Alamannen ins Dekumatland ausgedünnt waren. Im Jahre 286 fielen Burgunden gemeinsam mit Alamannen, Herulern und Chaibonen in linksrheinisches Gebiet (Gallien) ein. Nur kurz darauf, im Jahr 291 wird zum ersten Mal über Streitigkeiten zwischen Burgunden und Alamannen berichtet, als Burgunden offenbar Gebiete der Alamannen besetzten. Als sich im vierten Jahrhundert die Feindseligkeiten zwischen Römern und Alamannen verstärkten, traten die Burgunden zunehmend als Verbündete der Römer gegen die Alamannen auf. Nach dem Abzug eines großen Teiles der römischen Truppen vom Rhein im Jahr 401 war der Weg über den Fluss frei. Der Übergang bei Mainz am 31. Dezember 406 (siehe Rheinübergang von 406) setzte vermutlich die Landnahme des nördlichen Alamannenlandes bis zum unteren Neckarbergland voraus. Die verbliebenen römischen Truppen und die in weströmischen Diensten kämpfenden Franken wurden von Vandalen, Sueben, Alanen und Burgunden überrannt (siehe auch Völkerwanderung).
Wo genau die Siedlungsgebiete der Burgunder am Main um das Jahr 400 lagen, ist trotz intensiver Forschung immer noch weitgehend unbekannt. Aus den Gebieten um Kocher und Jagst liegen keine entsprechenden ostgermanischen Funde vor, obwohl in dieser Gegend häufig jene Salzquellen gesucht werden, um die Burgunder und Alamannen in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts nach Ammianus Marcellinus kämpften. Ostgermanische Funde auf der Wettenburg bei Urphar deuten jedoch darauf hin, dass dort burgundische Einheiten stationiert waren. Sogar der Sitz eines burgundischen Gaukönigs bzw. ein ostgermanisch-burgundisches Foederaten-Lager wurde dort vermutet. Wahrscheinlich lag das burgundische Territorium seit dem Ende des 4. Jahrhunderts im Mainmündungsgebiet und im Bereich vom unteren Neckar bis zum Rhein.[1]
Burgundenreich am Rhein
Die Burgunden zogen nach dem Rheinübergang nicht weiter nach Gallien, sondern schlossen wie auch die Alamannen und Franken einen Vertrag (foedus) mit dem römischen Usurpator Konstantin III. Wo genau sie sich allerdings in der Folgezeit niederließen, ist umstritten. Nach Olympiodoros von Theben (dessen Werk aber nur fragmentarisch erhalten ist) erhoben im Jahr 411 die Burgunden unter ihrem Anführer Gundahar (auch als Gundihar oder Guntiar überliefert) gemeinsam mit den Alanen unter Goar in Mundiacum in der Provinz Germania II den Gallorömer Jovinus zum Gegenkaiser. Die ältere Forschung hat dies in der Regel dahingehend „verbessert“, dass das unbekannte Mundiacum mit Moguntiacum (=Mogontiacum bzw. Mainz) in der Provinz Germania I gleichgesetzt wurde. Dies wird mittlerweile jedoch teils in Frage gestellt. Ergänzt werden die spärlichen literarischen Hinweise auf ein Burgundenreich am Rhein ansonsten nur durch die Notiz des Prosper Tiro von Aquitanien zum Jahr 413 über die Ansiedlung der Burgunden am Rhein. Dabei wurde der Bündnisvertrag offenbar noch einmal erneuert, und die Burgunden verpflichteten sich, gemeinsam mit weströmischen Truppen als foederati die Rheingrenze zu sichern. Etwa 20 Jahre lang funktionierte dieses Arrangement recht gut, und Westrom konnte den Rhein noch einmal in seiner ganzen Länge beherrschen. Nach Ansicht einiger Forscher lassen sich burgundische Hilfstruppen archäologisch in römischen Grenzkastellen (etwa in Gellep-Stratum, möglicherweise auch in Alzey[2]) nachweisen. Um 420 behauptet Orosius, die Burgenden seien nunmehr Christen und überdies keine Feinde mehr, sondern Beschützer der Römer (Hist. adv. pag. 7,32). Vermutlich um diese Zeit entstand auch die von Orosius in diesem Zusammenhang überlieferte, aber falsche Etymologie des Namens Burgundi als „diejenigen, welche die burgi (Kastelle) besetzen“.
Doch Gundahars Bemühungen, seinen Machtbereich nach Westen (in die Provinz Belgica I) auszudehnen, brachte die Burgunden bald nach 430 in Konflikt mit den Römern. Im Jahr 435 wurde ein burgundisches Heer vom weströmischen Heermeister Aëtius besiegt und musste sich wieder in die Germania I zurückziehen. Ein Jahr darauf wurde das Burgundenreich am Rhein von hunnischen Hilfstruppen Westroms endgültig vernichtet. Dieses Ereignis stellt den historischen Kern des Nibelungenepos dar - wobei Attila, das Vorbild für den „Etzel“ der Sage, in Wahrheit keine Rolle beim Untergang des rheinischen Burgundenreiches spielte.
Das um 1200 entstandene Nibelungenlied nennt dieses Volk Burgonden und seinen König Gunther. Das Burgund des 12. Jahrhunderts lag jedoch um Arles (Königreich Arles) sowie weiter nördlich (Herzogtum Burgund in der Region um Dijon), während die Burgunden des 5. Jahrhunderts einige Jahre nach der Zerschlagung ihres Reichs am Rhein in der Gegend südlich des Genfer Sees angesiedelt wurden (siehe unten). Um die Unterschiede zu betonen, ist es in der Forschung oft üblich, nur das Volk der Nibelungensage als Burgunden, das historische Volk hingegen als Burgunder zu bezeichnen.
Umsiedlung nach Savoyen, Ausdehnung ins Rhonetal, Solothurn und Frankreich
Die burgundische Niederlage gegen die Römer unter Aëtius war der Anlass ihrer nach römischem Einquartierungsrecht vollzogenen Umsiedlung im Jahre 443 als Föderaten in die heutige Westschweiz und nach Sapaudia (wohl das heutige Savoyen). Ein Versuch der Ausdehnung in Richtung Mittelmeer scheiterte bald darauf am Widerstand der dort bereits siedelnden Westgoten. 451 kämpften die Burgunden an der Seite der Römer auf den Katalaunischen Feldern gegen die Hunnen und Ostgoten. Danach kam es zu einer engeren Anlehnung an das Römische Reich und ab etwa 500 zum teilweisen Zusammenschluss mit den Franken. Nachdem das immer gespannte Verhältnis zu den Goten kurzfristig entspannter war, wurden die Burgunden 507/8 von Theoderich militärisch geschlagen. Kurz darauf gelang ihnen unter König Gundobad aber eine erneute Ausweitung des Herrschaftsgebietes entlang der Rhône. Das Reich umfasste außer der Westschweiz und dem heutigen Burgund auch die Deutschschweiz um Basel und Solothurn bis zur Aare, das Wallis, Aosta, Savoyen, die Dauphiné und das Rhônetal bis hinunter nach Avignon. Gundobad ließ 516 das in seinem Land geltende Volksrecht aufschreiben, die Lex Burgundionum, eine Mischung aus überliefertem römischen Provinzrecht und germanischen Einflüssen. Die Burgunden wurden von der romanischen Bevölkerung schnell assimiliert. Ihre Einwanderung in die Schweiz und nach Burgund bewirkte keine langfristige Verschiebung der Sprachgrenze, anders als die nachfolgende Einwanderung der Alamannen. Zum oströmischen Kaiser, dem formellen Oberherrn, unterhielt man insgesamt gute Beziehungen, was sich unter anderem darin ausdrückt, dass viele Könige der Burgunden den Titel eines magister militum (Heermeisters) verliehen bekamen.
Unter den folgenden Königen Sigismund, dem ersten Burgundenkönig, der zudem den hohen römischen Ehrentitel eines Patricius trug, und Gundomar wurde das Burgundenreich wieder verstärkt in den Konflikt zwischen Franken und Ostgoten verwickelt, wechselte aber die Seiten. 523 und 524 griffen die Franken Burgund an, das sich nun schutzsuchend an das Ostgotenreich des Theoderich I. in Italien anlehnte. Nach Theoderichs Tod 526 unterlagen die Burgunden 532 bei Autun endgültig den Franken und mussten die politische Selbstständigkeit aufgeben. Das Reich teilten die Frankenkönige Chlothar I., Childebert I. und Theudebert I. unter sich auf. Innerhalb des fränkischen Reiches bestand weiterhin ein Reichsteil, der als Burgundia bezeichnet wurde - der Name sollte im Mittelalter dann zu Berühmtheit gelangen.
Zeittafel
- um 150 breiten sich Burgunden möglicherweise unter dem Druck der Goten westlich der Oder aus
- 278: Vorstoß einiger Gruppen bis an die römische Grenze
- um 290: Verdrängung der Alemannen aus dem Neckar-Taunus-Raum
- 406/407: nach dem Rückzug der Römer überschreiten die Burgunden zusammen mit den Vandalen den Rhein
- 413 wird ihnen als römische Bundesgenossen ein Gebiet am Rhein vertraglich zugesichert
- 435 Einfall der Burgunden in die römische Provinz Belgica
- 436 Zerstörung des rheinischen Burgundenreiches durch den weströmischen Heermeister Aëtius, der dafür hunnische Hilfstruppen einsetzt. Das Nibelungenlied hat diese Ereignisse sagenhaft verarbeitet.
- 443: die verbliebenen Burgunden werden durch Rom ins Gebiet des Rhône-Tals umgesiedelt und gründen dort später ein neues Reich
- 532 geht das Burgundenreich im Frankenreich auf und bildet dort neben Austrien und Neustrien einen eigenen Reichsteil
- Das Königreich Burgund geht ab 737 für Jahrhunderte in Neustrien auf. Der Name bleibt aber erhalten.
Stammliste der Könige
- Gibica, nicht sicher belegter König der Burgunden Ende des. 4. Jahrhunderts
- Gundahar, 411 bezeugt, X 436 gegen hunnische Hilfstruppen im römischen Dienst, König
- ? Gundioch, † um 473, wohl aus der Familia Gibicas, nach 436 König der Burgunden, Magister militum 456; ∞ NN, Schwester Ricimers [1]
- Chilperich II. (Hilperik), † 493, 463 König in Valence [2]
- Chrotechildis (Hrodehildis), * um 474, † 3. Juni 544, katholisch, ∞ um 493 Chlodwig I., König der Franken, † 27. November 511 (Merowinger) [3]
- Godomar I., † 486, 473-486 König in Vienne
- Gundobad, † 516, König in Lyon, seit 501 in ganz Burgund, Arianer, Patricius 472-474 [4]
- Sigismund der Heilige, † ermordet 1. Mai 524, katholisch, 501 Teilkönig in Genf, König von Burgund 516, Patricius; ∞ Ostrogotha, Tochter von König Theoderich dem Großen (Amaler)
- Sigrich, † 523 ermordet im Auftrag des Vaters
- Suavegotta; ∞ 517 Theuderich I., König der Franken, † 533 (Merowinger)
- Godomar II., 524 König von Burgund, 533 von den Franken gefangen
- Sigismund der Heilige, † ermordet 1. Mai 524, katholisch, 501 Teilkönig in Genf, König von Burgund 516, Patricius; ∞ Ostrogotha, Tochter von König Theoderich dem Großen (Amaler)
- Godegisel, * 443, † ermordet 501, König in Genf, katholisch ∞ Theodelinde [5]
- Chilperich II. (Hilperik), † 493, 463 König in Valence [2]
- ? Chilperich I., † um 480, 457 als König bezeugt, um 473 Magister militum Galliarum; ∞ um 471 Caratene [6]
- ? Gundioch, † um 473, wohl aus der Familia Gibicas, nach 436 König der Burgunden, Magister militum 456; ∞ NN, Schwester Ricimers [1]
Siehe auch
Literatur
- Hans Hubert Anton: Burgunden. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd. 4 (1981), S. 235–248.
- Justin Favrod: Histoire politique du royaume burgonde. Lausanne 1997.
- Reinhold Kaiser: Die Burgunder. Kohlhammer, Stuttgart 2004. ISBN 3-17-016205-5.
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ Karlheinz Fuchs (Hrsg.): Die Alamannen (Ausstellungskatalog). Theiss, Stuttgart 20014, ISBN 3-8062-1535-9 (19971, ISBN 3-8062-1302-X).
- ↑ Heinz Cüppers (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Theiss, Stuttgart 1990; Lizenzausgabe Nikol Verlag, Hamburg 2005, ISBN 3-933203-60-0. S. 303
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