Eisenbahnunfall von Rüsselsheim

Eisenbahnunfall von Rüsselsheim

Das Zugunglück von Rüsselsheim vom 2. Februar 1990 war ein Eisenbahnunfall auf der Mainbahn in der hessischen Stadt Rüsselsheim. Es gilt mit 17 Toten und 145 schwerverletzten Menschen als eines der schwersten Zugunglücke in der Geschichte Deutschlands und als schwerstes in der Geschichte der S-Bahn Rhein-Main. Der Sachschaden wurde damals von der Deutschen Bundesbahn auf zirka sechs Millionen Deutsche Mark geschätzt[1] (entspräche heute inflationsbereinigt zirka 5 Millionen Euro).

Inhaltsverzeichnis

Hergang

Am Nachmittag des 2. Februar 1990, um 16:42 Uhr[2] fuhr der Triebfahrzeugführer mit seiner S-Bahn der DB-Baureihe 420 der Linie S 14 Richtung Frankfurt am Main. Nachdem er im Bahnhof Rüsselsheim gehalten hatte, missachtete er bei der Abfahrt ein Haltesignal[3]. Zwar hatte er vor der Einfahrt in den Bahnhof ein Vorsignal gesehen und auch bestätigt, was ihm den Halt ankündigte. Nach dem Halt am Bahnsteig hatte er dies aber wieder vergessen, auf das Hauptsignal nicht geachtet und beschleunigt. Wenige 100 Meter hinter dem Bahnhof Rüsselsheim musste eine Richtung Wiesbaden fahrende S-Bahn, ebenfalls mit der DB-Baureihe 420, aufgrund eines nicht planmäßig im Bahnhof Rüsselsheim stehenden Zuges das Gegengleis kreuzen. Dabei stieß die Richtung Frankfurt am Main fahrende S-Bahn mit der, mit 500 Fahrgästen vollbesetzten[3], Richtung Wiesbaden fahrenden S-Bahn frontal zusammen. Auch die noch durchgeführte Schnellbremsung konnte den Zusammenstoß bei einer Geschwindigkeit von jeweils zirka 40 bis 70 km/h nicht mehr verhindern. Die ersten Wagen der beiden Züge verkeilten sich ineinander. Dabei stellte sich ein Wagen eines S-Bahn-Triebzuges fast senkrecht in die Luft, bevor er auf einen benachbarten Parkplatz mit sechs dort abgestellten Autos stürzte.

In der Folge eilten Rettungskräfte aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet zum Unglücksort in Rüsselsheim. Auch alle Krankenhäuser in der Rüsselsheimer Umgebung richteten sich auf möglicherweise schwerwiegende Folgen des Unglückes ein. Als erstes waren US-amerikanische Soldaten aus der in der Nähe befindlichen Azbill-Kaserne vor Ort. Kurz darauf waren gut 800 Rettungskräfte am Unfallort[3]. Es dauerte zirka eine Stunde, bis alle Verletzten medizinisch versorgt waren. Hierbei halfen auch Taxi-Fahrer, die weniger schwer verletzte Menschen in umliegende Krankenhäuser fuhren[1]. Viele Verletzte wurden dabei in einer nahe gelegenen wettergeschützten Hofeinfahrt mit einer benachbarten Halle, die zu einem Notlazarett umgebaut wurde, versorgt. In der Folge wurden viele Schwerverletzte mittels Hubschrauber und Krankenkraftwagen in Krankenhäuser in Rüsselsheim, Bad Soden am Taunus, Groß-Gerau, Hofheim am Taunus, Mainz, Wiesbaden, Darmstadt, Frankfurt am Main und Flörsheim am Main gebracht. Die Rettung der verletzten und Bergung der toten Menschen dauerte die ganze nächste Nacht. Am nächsten Tag entsorgten Bergungseinheiten der Deutschen Bundesbahn die zerstörten S-Bahn-Wagen.

Folgen

Personell

Ein Jahr nach dem Zugunglück wurde der Triebfahrzeugführer, der mit seiner Richtung Frankfurt am Main fahrenden S-Bahn das Haltesignal übersehen hatte, aufgrund fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten und Zahlung von 2500 Deutschen Mark verurteilt[2]. Nach Darstellung des urteilenden Gerichts hatte der damals 23 Jahre alte Triebfahrzeugführer das Haltesignal „nicht als geschlossen erkannt, weil er zu flüchtig hingesehen hat“. Nach dem Unglück wurde der Triebfahrzeugführer zum Werkstattmeister umgeschult[3].

Der Zugbegleiter, der den Abfahrtsauftrag gab, wurde nicht bestraft, da er im Einklang mit den geltenden Vorschriften gehandelt hatte. Aufgabe der damals bei der S-Bahn Rhein-Main noch zahlreich eingesetzten Zugbegleiter war es nur, das Schließen der Türen zu überwachen und während der Fahrt die Fahrkarten zu kontrollieren. Im Gegensatz zu den Zugbegleitern anderer Zuggattungen gehörte es nicht zu seinen Aufgaben, die Stellung des Ausfahrsignals zu überprüfen.

Technisch

In der Folge des Unfalls wurde vor allem bemängelt, dass der zum Unfall führende S-Bahn-Zug mit zu hoher Geschwindigkeit das Haltesignal passierte. Schließlich arbeitete die Deutsche Bundesbahn und deren Nachfolgerin Deutsche Bahn fünf Jahre lang geheim an einer Verbesserung der Punktförmigen Zugbeeinflussung. 1995 legte die Deutsche Bahn schließlich ein Verbesserungsprogramm für 400 Millionen Mark vor[2]. Dafür wurden im gesamten Bahnnetz zirka 10.000 Gleismagnete eingebaut, die verhindern sollen, dass ein Zug nach der Abfahrt mit mehr als 25 km/h an ein Halt zeigendes Signal in einem Bahnhof fahren kann. Außerdem wurden parallel dazu rund 10.000 weitere ergänzende Einrichtungen in Lokomotiven und Triebwagen eingebaut.

Im Bahnhof Rüsselsheim wurden die alten Formsignale bemängelt, die ebenfalls ein Grund für das Unglück sein können. Zudem stehe das Hauptsignal viel zu weit vom Rüsselsheimer Bahnhof entfernt. Nicht zuletzt sei auch die Überbelastung der Triebfahrzeugführer schuld an dem Unfall gewesen. So habe zu der Zeit des Unglücks ein Triebfahrzeugführer unter Umständen Zwölf-Stunden-Schichten ohne ausreichende Pausen mit bis zu 300 Überstunden bewältigen müssen[1].

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Quelle: Information auf der Website des Darmstädter Echo
  2. a b c Rhein Main Presse: Allgemeine Zeitung – Landskrone; vom 30. Januar 2010, S. 3
  3. a b c d Quelle: Information auf der Website der Frankfurter Rundschau
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