Carl Reinecke

Carl Reinecke
Alfred Naumann: Carl Reinecke, 1893

Carl Heinrich Carsten Reinecke (* 23. Juni 1824 in Altona, heute Hamburg; † 10. März 1910 in Leipzig) war ein deutscher Komponist, Pianist und Dirigent.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Beruf

Carl Reinecke (ca. 1860)
Carl Reinecke (um 1890)
Signatur

Seinen ersten Musikunterricht erhielt Carl Reinecke mit sechs Jahren bei seinem Vater Johann Rudolf Reinecke. Die hohen Anforderungen, die der Vater an ihn als Sohn stellte, wurden für Reinecke zum bleibenden Maßstab. Er debütierte 1835 in Altona als Pianist, unternahm Konzertreisen durch Europa und wurde als „graziöser Mozartspieler“ gepriesen. Clara Wieck und Franz Liszt waren seine Vorbilder; aufgrund seiner Zurückhaltung und Bescheidenheit eignete er sich jedoch wenig für die Rolle eines gefeierten Virtuosen.

Mit einem Stipendium seines Landesherrn, des dänischen Königs und holsteinischen Herzogs Christian VIII., konnte Carl Reinecke von 1843 bis 1846 Klavier und Komposition am Leipziger Konservatorium studieren. Der damalige Gewandhaus-Kapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy ermöglichte ihm öffentliche Auftritte. In dieser Zeit lernte Reinecke auch Robert Schumann kennen und schätzen. Er war begeistert von Mendelssohns und Schumanns Werken, die ihn bei seinem eigenen Schaffen inspirierten: „Ich würde nicht dagegen opponieren, wenn man mich einen Epigonen nennt“, war seine charmante Antwort auf die Frage nach seiner konservativen Musikeinstellung.

1847 wurde Reinecke dänischer Hofpianist. Aufgrund des preußisch-dänischen Kriegs 1848 musste er nach Leipzig zurückkehren. Da er dort keine Anstellung fand, ging er 1849 nach Bremen, wo er als Dirigent und Komponist von Orchesterwerken tätig war.

Auf Anregung von Franz Liszt erhielt Reinecke eine Einladung von Hector Berlioz nach Paris. Dort konnte er als Pianist auftreten, und es kam zu einem Wiedersehen mit einem Bekannten aus der Leipziger Zeit: Ferdinand Hiller, inzwischen Direktor des Musikkonservatoriums in Köln. Dort konnte Reinecke ab 1851 als Dozent für Klavier arbeiten. Er pflegte ein freundschaftliches Verhältnis zu Robert Schumann im nahe gelegenen Düsseldorf und lernte den jungen Johannes Brahms kennen.

Von 1854 bis 1859 war Reinecke Kapellmeister in Barmen. 1859 wurde er Musikdirektor in Breslau, wo er erstmals Abonnementkonzerte veranstaltete. Noch im selben Jahr bot ihm das Gewandhausorchester in Leipzig die Leitung an. Reinecke übernahm dieses Amt im Jahre 1860 und hatte es bis 1895 inne. Daneben wirkte er bis 1902 als einflussreicher Klavier- und Kompositionslehrer am Leipziger Konservatorium. 1885 wurde er zum Königlich-Sächsischen Professor ernannt. Von 1887 bis 1902 war er dessen Direktor. Ebenfalls 1885 nahm er an der Stimmtonkonferenz in Wien teil, auf der ein einheitlicher Kammerton festgelegt wurde.

Privates

Carl Reinecke (um 1905)

1859, kurz vor dem Amtsantritt in Leipzig, verlor Reinecke seine erste Frau Betty Hansen, die er 1852 geheiratet hatte. 1860 kümmerte sich seine Halbschwester Mathilde um die drei Kinder.

Am 7. Oktober 1860, während seines zweiten Abonnementkonzerts als Gewandhauskapellmeister, gab eine junge Sängerin aus Berlin, Charlotte Scharnke, ihr Debüt im Gewandhaus. Im August 1861 wurde sie Reineckes zweite Frau. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter und zwei Söhne hervor. Die Brüder Franz und Carl leiteten später den Verlag Gebrüder Reinecke in Leipzig. 1868 starb auch Charlotte, wohl bei der Geburt von Franz.

1872 heiratete Reinecke Margarethe Schifflin aus Krefeld. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor; Carl Reinecke war also Vater von neun Kindern.

Nach der Entlassung 1895 fand Reinecke Zeit für ausgedehnte Konzerttourneen als Pianist. Erfolgreiche Auftritte im Gewandhaus, das er seit 1895 weitgehend gemieden hatte, sind noch von 1904, 1906 und 1909 bekannt.

Zwei Jahre später, 1906, trat Reinecke mit seinem Schüler Fritz von Bose auf und spielte Mozarts Konzert für zwei Klaviere Es-Dur (KV 365).[1]

Stilistische Stellung

Reinecke vertrat musikästhetisch eine konservative Position. Die Wiener Klassiker, allen voran Mozart, waren für ihn unverrückbare Vorbilder, mit deren Interpretation er sich bis zuletzt beschäftigte. Das Larghetto aus Mozarts Krönungskonzert spielte der 80jährige Reinecke 1905 als erster Pianist überhaupt auf einem Welte-Mignon-Reproduktionsklavier ein. Seine Vertrautheit mit den Finessen des Klaviers wurde weithin geschätzt. Als Robert Schumann einmal gebeten wurde, von seinen Symphonien eine Version für zwei Klaviere anzufertigen, antwortete er: „das kann ich nicht, da musst du den Reinecke fragen, der kann das besser“.

Der Musikforscher und Sänger Hans Joachim Moser (1889–1967) schrieb über Reinecke, dass er „zum Kreis der Schumanianer“ gehöre – zu den Musikern also, die sich im Sinn eines romantischen Klassizismus mit Robert Schumanns künstlerischen Zielen identifizierten. Als Klavierkomponist steht Reinecke in der Tat Schumann sehr nahe, gleichwohl sind in seinen Werken – etwa im Klavierkonzert C-Dur (op. 144) – auch satztechnische Einflüsse von Chopin und Brahms erkennbar. Reineckes Sinfonie Nr. 3 g-moll (op. 227) zählt zu den bedeutenden Werken der Romantik. Das Harfenkonzert e-moll (op. 182) gehört zum Standardrepertoire bei Wettbewerben. Bekannt geblieben sind auch seine Kinderlieder und seine Kompositionen für Flöte: die romantische Undine-Sonate (op. 167; 1885) und die Ballade (op. 288) für Flöte und Klavier sowie das Flötenkonzert D-Dur (op. 283; 1908).

1888 veröffentlichte Reinecke im Verlag von Julius Heinrich Zimmermann seinen Klavierzyklus Von der Wiege bis zur Bahre (op. 202), der rasch populär wurde. Eine Originalbearbeitung für Flöte und Klavier ist verschollen; der Flötist Ernesto Köhler rekonstruierte acht der 16 Stücke. Daneben erschienen auch Sammlungen für Symphonieorchester und Harmoniemusik.

Ehrungen, Mitgliedschaften

Schüler von Carl Reinecke

Werke

Bühnenwerke

  • Der vierjährige Posten (op. 45). Operette in einem Akt. Libretto: Theodor Körner. UA 1855 Barmen
  • König Manfred (op. 93). Oper in 5 Akten. Libretto: Friedrich Röber (1819-1901). UA 26. Juli 1867 Wiesbaden (Hoftheater)
  • Schauspielmusik (op. 102; 1871) zu Wilhelm Tell von Friedrich Schiller
  • Kathleen und Charlie. Liederspiel. Libretto: H. Grams. UA 12. November 1870 Leipzig
    • Neufassung: Ein Abenteuer Händels oder Die Macht des Liedes (op. 104). Singspiel in einem Akt. Libretto: Carl Reinecke (unter dem Pseudonym W. te Grove). UA 18. März 1874 Schwerin
  • Glückskind und Pechvogel (op. 177; 1883). Märchenoper für Kinder in 2 Akten. Libretto: Carl Reinecke (unter dem Pseudonym Heinrich Carsten) und Richard von Volkmann (unter dem Pseudonym Richard Leander)
  • Auf hohen Befehl (op. 184). Komische Oper in 3 Akten. Libretto: nach Wilhelm Heinrich Riehls Erzählung, Ovid bei Hofe (1855). UA 1886 Hamburg
  • Der Gouverneur von Tours. Oper in 3 Akten. Libretto: ?. UA 1891 Schwerin [2]

Vokalkompositionen

Orchesterwerke

Sinfonien

  • Sinfonie Nr. 1 A-Dur (op. 79; 1858, revidiert 1863). UA (1. Fassung) 2. Dezember 1858 Leipzig; (2. Fassung) 22. Oktober 1863 Leipzig
  • Sinfonie Nr. 2 c-moll („Håkon Jarl“) (op. 134)
1. Allegro – 2. Andante – 3. Intermezzo. Allegretto moderato – 4. Finale. Allegro / Allegro molto
  • Sinfonie Nr. 3 g-moll (op. 227)
  • Kinder-Sinfonie (op. 239)
Aus dem 2. Satz des Klavierkonzerts C-Dur op. 144

Konzerte und andere Orchesterwerke

  • Klavierkonzert Nr. 1 fis-moll (op. 72)
  • Cellokonzert (op. 82; 1866)
  • Romanze (op. 93) für Violine und Orchester
  • Klavierkonzert Nr. 2 e-moll (op. 120; 1872)
  • Violinkonzert (op. 141; 1876; Joseph Joachim gewidmet)
  • Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur (op. 144; 1877)
  • Romanze (op. 155) für Violine und Orchester
  • Harfenkonzert e-moll (op. 182)
  • Biblische Bilder (op. 220)
  • Serenade g-Moll (op. 242; 1898) für Streichorchester
  • Klavierkonzert Nr. 4 h-moll (op. 254; 1900)
  • Romanzero in Form eines Concertstücks (op. 263; ~1900) für Violoncell und Orchester mit Harfe (ad libitum)
  • Flötenkonzert D-Dur (op. 283; 1908)

Klavier- und Kammermusik

  • Andante und Variationen (op. 6) für 2 Klaviere
  • Fantasiestücke (op. 22) für Klarinette und Klavier
  • Klavierquartett (op. 23)
  • Klavierquartett (op. 34; 1853)
  • Klaviertrio (op. 38; Robert Schumann gewidmet)
  • Cellosonate Nr. 1 a-moll (op. 42; 1855; Andreas Grabau [1808-1884] gewidmet)
    • Fassungen auch für Violine oder Viola und Klavier
  • Drei Fantasiestücke (op. 43) für Viola und Klavier
  • Impromptu (op. 66) für 2 Klaviere
  • Klavierquintett A-Dur (op. 83; 1866)
  • Cellosonate Nr. 2 D-Dur (op. 89; 1866)
  • La belle Griseldis (op. 94) für 2 Klaviere
  • Drei Sonatinen (op. 108) für Flöte und Klavier
  • Drei Stücke (op. 146) für Violoncello und Klavier
  • Undine (op. 167). Sonate e-moll für Flöte und Klavier
  • Von der Wiege bis zum Grabe (op. 202; 1888). 16 Stücke für Klavier
    • Originalbearbeitung für Flöte und Klavier (verschollen); teilweise Rekonstruktion (1902) von Ernesto Köhler
    • Bearbeitungen für Symphonieorchester und für Harmoniemusik (Blasorchester)
  • Oktett B-Dur (op. 216; 1892) für Flöte, Oboe, 2 Klarinetten, 2 Hörner und 2 Fagotte
  • Cellosonate Nr. 3 G-Dur (op. 238; 1898; Widmung: Den Manen Johannes Brahms’)
  • Streichtrio c-moll (op. 249; 1898)
  • Sextett B-Dur (op. 271; 1905) für Flöte, Oboe, Klarinette, 2 Hörner und Fagott
  • Klavierquartett D-Dur (op. 272; 1905)
  • Trio (op. 264) für Klarinette, Viola und Klavier
  • Trio (op. 274) für Klarinette, Horn und Klavier
  • Orgelsonate g-moll (op. 284)
  • Ballade (op. 288) für Flöte und Klavier

Sonstige

Schriften

  • Carl Reinecke; Doris Mundus (Hrsg.): Erlebnisse und Bekenntnisse. Lehmstedt, Leipzig 2005, ISBN 3-937146-27-X (Autobiografie).
  • Carl Reinecke, Karl Heinrich Carsten Reinecke: Aus dem Reich der Töne: Worte der Meister (1907).[6]

Literatur

  • Wilhelm Joseph von Wasielewski: Carl Reinecke. Sein Leben, Wirken und Schaffen. Zimmermann, Frankfurt 1997, ISBN 3-921729-68-8 (Nachdruck der Ausgabe von 1892).
  • Katrin Schmidinger (geb. Seidel): Carl Reinecke und das Leipziger Gewandhaus. Von Bockel, Hamburg 1998, ISBN 3-928770-84-5.
  • Max Steinitzer: Das Leipziger Gewandhaus im neuen Heim unter Carl Reinecke. In: Beiträge zur Stadtgeschichte. Leipzig 1924.

Weblinks

 Commons: Carl Reinecke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. www.carl-reinecke.de
  2. www.archive.org: Faksimile
  3. volksliedarchiv.de
  4. volksliedarchiv.de
  5. volksliedarchiv.de
  6. archive.org

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